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Transportfahrzeug: Verbrennungen durch eine Zusatzheizung – Schadensersatz

LG Mühlhausen 6. Zivilkammer, Az.: 6 O 795/10, Urteil vom 07.12.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadenersatz und Schmerzensgeld/Schmerzensgeldrente bzw. Pflegegeld aus einem Schadensereignis vom 06.01.2010.

Transportfahrzeug: Verbrennungen durch eine Zusatzheizung - Schadensersatz
Symbolfoto: Krivosheev Vitaly / Bigstock

Am 06.01.2010 transportierte der Beklagte zu 3 den vormaligen. am 28.07.2014 verstorbenen Kläger G. B. (im Folgenden: Erblasser), u. a. beerbt von den jetzigen Klägern gemäß gemeinschaftlichem Teilerbschein des Amtsgerichts Nordhausen vom 24.10.2016 zu je 1/7, mit dem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Transportfahrzeug, dessen Halter der Beklagte zu 2 ist, von der Dialyse zurück nach Hause. Das Fahrzeug war mit einer Zusatzheizung vom Type W. Air Top 2000 der W. T. GmbH, der die Beklagten den Streit verkündet haben, ausgestattet. Diese Zusatzheizung war am 06.01.2010 in Betrieb. Der Kläger sowie der Zeuge J. F. saßen beim Transport auf der ersten Rückbankreihe. Der Transport dauerte ca. 35 Minuten.

Die Kläger behaupten, der Erblasser, u. a. an Diabetes mellitus Typ II mit Antiopathie, Nephropathie, Retinopathie und Polyneuropathie sowie einer arteriellen Verschlusserkrankung vom Ober-/Unterschenkel Typ beidseits leidend, habe vor und während der Dialyse keine Beeinträchtigungen am linken Fuß aufgewiesen. Sogleich bei seiner Heimkehr habe der Erblasser allerdings über Schmerzen am Fuß geklagt und sein linker Fuß drei große Brandblasen aufgewiesen. Nach erster Wundversorgung durch die als Krankenschwester tätige Tochter des Klägers, die Zeugin G. und heutige Klägerin zu 1, habe sich der Erblasser in ärztliche Behandlung des Dr. J. begeben, welcher eine Verbrennung 2. bis 3. Grades mit größerer Blasenbildung sowie einzelne oberflächliche Nekrosen festgestellt habe. Folge dieser Verbrennungen seien Wundheilungsstörungen und diesen geschuldet zunächst eine Teilamputation der Zehen, gefolgt von einer Amputation des Fußes, später des Unterschenkels und wegen weiterer Komplikationen schließlich auch des Knies und eines Teils des Oberschenkels notwendig geworden. Der Kläger behauptet, die Zusatzheizung habe im Bereich des Auslasses Heißluft von mehr als 75 Grad verströmt, durch die der linke Fuß des Klägers trotz seines getragenen Lederschuhs die eingangs genannten Verbrennungen davongetragen habe. Die Kläger sind der Auffassung, angesichts der gravierenden Gesundheitsschäden des Erblassers sei neben einem Schmerzensgeld in Höhe von € 25.000,00 eine Schmerzensgeldrente in Höhe von € 200,00 zzgl. Weiterer € 200,00 monatlich für erhöhten Pflegebedarf angemessen, wobei sich in dem Schadensereignis vom 06.01.2010 die Betriebsgefahr des Transportfahrzeugs realisiert habe. Sie behaupten ferner, die Erbengemeinschaft bestehe neben ihnen aus weiteren zwei Mitgliedern, den Miterbinnen GA. H. und GI. H..

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Erbengemeinschaft des nach dem 28. Juli 2014 verstorbenen G. B., bestehend aus Frau M. G., geb. B., D. B., R. B., M. B., F. B., GA. H., geb. B. und GI. H. ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 6. Januar 2010 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Erbengemeinschaft des nach dem am 28. Juli 2014 verstorbenen G. B., bestehend aus Frau M. G., geb. B., D. B., R. B., M. B., F. B., GA. H., geb. B. und GI. H. eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 200,00 € ab dem 6. Januar 2010 bis z um 27. Juli 2014 zu bezahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Erbengemeinschaft des nach dem am 28. Juli 2014 verstorbenen G. B., bestehend aus Frau M. G., geb. B., D. B., R. B., M. B., F. B., GA. H., geb. B. und GI. H. ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 200,00 € ab dem 6. Januar 2010 bis zum 27. Juli 2014 zu bezahlen.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsbeistandskosten der Kläger in Höhe von 1.541,96 € zu bezahlen.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, an die Erbengemeinschaft des nach dem am 28. Juli 2014 verstorbenen G. B., bestehend aus Frau M. G., geb. B., D. B., R. B., M. B., F. B., GA. H., geb. B. und GI. H. sämtliche weitere materiellen Schäden aus dem Unfall vom 6. Januar 2010 aus der Personenbeförderung von der Klinik von I. nach S. zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten zunächst die Aktivlegitimation der Kläger und die Identität der Mitglieder der Erbengemeinschaft, soweit hier nicht Kläger. Sie sind der Auffassung, dass bereits dem Grunde nach eine Haftung weder im Sinne einer Gefährdungshaftung noch aus schuldhafter Pflichtverletzung bestehe. Sie bestreiten, dass der Kläger die behaupteten Verletzungen am 06.01.2010 im Verlauf des Transports mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 2 davongetragen habe und die nachfolgenden Behandlungen und medizinischen Eingriffe diesen geschuldet gewesen seien. Darüber hinaus seien die Vorstellungen der Kläger zu den materiellen und immateriellen Ersatzleistungen überhöht.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M. G., G. G. und J. F. sowie durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird, soweit sich dieses nicht aus den Entscheidungsgründen ergibt, auf die Sitzungsniederschriften vom 19.12.2012, insoweit auch zur informatorischen Anhörung des ursprünglichen Klägers, vom 06.08.2013 sowie auf die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Leser vom 16.04.2014 und Prof. Dr. S. sowie Dr. D. vom 28.08.2014 Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Zwar sind entgegen der Auffassung der Beklagten die Kläger zu 1 bis 5 als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Erblasser aktivlegitimiert zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zugunsten der Erbengemeinschaft, deren Mitglieder sie inzwischen auch vollständig bezeichnet haben.

Die Beklagten haften jedoch bereits dem Grunde nach weder gem. §§ 7, 18 StVG noch gem. § 823 Abs. 1 BGB jeweils i. V. m. §§ 249, 251, 253 BGB und § 115 VVG auf Ersatzleistungen aus dem Schadensereignis vom 06.01.2010.

Zwar steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Brandblasen am linken Fuß des späteren Erblassers erstmals nach dem Rücktransport von der Dialysebehandlung am 06.01.2010 im Fahrzeug des Beklagten zu 2 festgestellt wurden und zuvor nicht vorhanden waren. Insoweit folgt das Gericht den Bekundungen der damals zeugenbeweislich vernommenen Klägerin zu 1 und ihres Ehemannes. Ebenfalls, insoweit dem Gutachten vom 28.08.2014 folgend, geht das Gericht davon aus, dass die sukzessive Verschlechterung des Lokalbefundes und die daraus letztlich resultierenden mehrfachen Major-Amputationen eine Folge der initial durch Dr. J. am 07.01.2010 festgestellten Brandwunden am linken Fuß waren, wobei der komplikative Verlauf wesentlich durch die ausgeprägten Durchblutungsstörungen, das diabetische Fußsyndrom und die terminale Niereninsuffizienz des Erblassers beeinflusst wurde.

So mag die Transportfahrt vom 06.01.2010 ursächlich für die Verbrennungen am linken Fuß des späteren Erblassers und die daraus resultierenden schweren Folgen gewesen sein. Haftungsbegründend wirkt diese Tatsache hier jedoch nicht.

Soweit die Kläger aus §§ 7, 18 StVG vorgehen, hat sich im Gegensatz zur Auffassung der Kläger die Betriebsgefahr des Transportfahrzeugs nicht realisiert. Zwar ist dieser Begriff weit auszulegen, und deshalb die Gefährdungshaftung anzunehmen, sobald ein Unfall bzw. ein Schadensereignis im nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeugs steht. Dieser Fall ist hier aber nicht gegeben. Die Zusatzheizung gehört nicht zu den Betriebseinrichtungen des Kraftfahrzeugs, für die § 7 Abs. 1 StVG einschlägig ist. Diese Haftungsnorm ist der Preis dafür, dass der Verwender eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet und soll daher alle durch den Kraftverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Um einen solchen handelt es sich vorliegend nicht. Die Zusatzheizung hat keinerlei Einfluss auf oder Nutzen für den Betrieb des Fahrzeugs. Sie mag zwar für sich genommen eine Gefahrenquelle für Personen mit deutlich eingeschränkten sensorischen Fähigkeiten darstellen, die dem Heißluft-Auslass zu nahe kommen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine mit dem Betrieb eines Fahrzeugs einhergehende sondern um eine für Heizungen verschiedener Bauart und Verwendung typische Gefahr. Vielmehr können je nach Vortauftemperatur und Thermostateinstellung auch Heizkörper, die der Beheizung von Räumen dienen, Temperaturen abstrahlen, die bei direkter Berührung oder Aufenthalt in unmittelbarer Nähe die Risiken von überwärmungsbedingten Hausschäden für jemanden mit sich bringen, der nicht in der Lage ist, die Wärme/Hitze zum empfinden,

Auch aus schuldhafter Verletzung von Sicherheitsobliegenheiten haften die Beklagten hier nicht. Wurden doch die Verletzungen und Verletzungsfolgen des Erblassers nicht durch pflichtwidriges Verhalten der Beklagten zu 2 oder 3 herbeigeführt. Nach dem Gutachten des Sachverständigen L. war die streitgegenständliche Zusatzheizung sowohl für den Einbau in das Fahrzeug des Beklagten zu 2 zugelassen als auch nach Einbau und Beschaffenheit technisch einwandfrei. Insbesondere nicht zu beanstanden waren die Temperaturen, mit denen die Heißluft abgestrahlt wird, immerhin im Bereich des Luftauslasses Temperaturen von bis zu 110 Grad Celsius, die allerdings je nach Positionierung des Fußes im Abstand von 15 bis 30 cm nur noch mit maximal 78 bis 100 Grad Celsius einwirken. Auch hier wirkten sich für den Erblasser wieder die vorerkrankungsbedingten sensorischen Störungen verhängnisvoll aus, da diese ihn daran hinderten, sogleich seinen Fuß in eine Position zu bringen, in der eine massive Überwärmung vermieden wird. So hat der spätere Erblasser bei seiner Anhörung im Termin vom 19.12.2012 selbst davon berichtet, dass es ihm zwar am Fuß unangenehm warm geworden sei, nicht aber derart heiß, dass er etwa ein Überhitzungs- oder Verbrennungsgefühl empfunden habe.

Nachdem das Klagebegehren bereits dem Grunde nach scheitert, teilen auch die Nebenforderungen das Schicksal der Hauptforderungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus § 709 ZPO.

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