Orientierungssatz
1. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht von Tiefbauunternehmen bei der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen. Grundsätzlich besteht die Pflicht, sich beim zuständigen Versorgungsunternehmen über die Existenz und den Verlauf von Rohren und Versorgungsleitungen zu erkundigen (Anschluss BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 – VI ZR 33/05). Bleibt eine solche Anfrage ergebnislos oder liefert sie eine keine umfassend verlässliche Grundlage für Tiefbauarbeiten, hat sich der Unternehmer bzw. der Bauausführende die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen zu verschaffen, etwa durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand in dem Bereich, den er ausheben will.
2. Eine Gefahr zeigt sich nicht, wenn Mitarbeiter eines Tiefbauunternehmens sich bei dem zuständigen Versorgungsunternehmen über die Existenz und den Verlauf der im Baustellenbereich befindlichen Leitungen erkundigen, die digitalen Bestandspläne heranziehen und sie nicht auf Unsicherheiten hinsichtlich der Richtigkeit des Plans aufgrund der bei der Übertragung aus den alten analogen Plänen aufgetretenen Schwierigkeiten hingewiesen werden, insbesondere nicht hinsichtlich der Nichtauffindbarkeit von Tangentenschnittpunkten. Dies gilt insbesondere, wenn Vermessungsarbeiten durchgeführt werden, die einen Verlauf markieren, der mit dem überlassenen Plan übereinstimmt, eine Markierung durch einen Schilderpfahl vorliegt und einer der Punkte mittels GPS-Messung ermittelt wird. Es besteht dann keine Veranlassung, von unzureichenden Informationen über den Leitungsverlauf auszugehen und daher Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand vorzunehmen.
3. Selbst wenn die Sicherheitsvorkehrungen hinter den Anforderungen zurückbleiben ergibt sich keine Haftung, wenn es auch bei einer händischen Freilegung der Gasleitung zu einem Unfall gekommen wäre. Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn es aufgrund einer verringerten Wandstärke einer Gasleitung bei Abnahme des Erddrucks in jedem Fall zu einem Bersten der Leitung gekommen wäre.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 04.10.2021, Az. 4 O 53/20 (2), teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte zu 7) wird verurteilt, an die Klägerin 89.886,38 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.05.2020 sowie weitere 13.460,72 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.12.2021 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 7) verpflichtet ist, der Klägerin über Ziffer 1 hinaus sämtliche weiteren von der Klägerin getragenen und nach § 116 SGB X übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die auf das Unfallereignis vom 23.10.2014 in der Nähe des Betriebsgeländes der … zurückzuführen sind und bei dem der bei der Klägerin versicherte … ums Leben gekommen ist.
3. Die Beklagte zu 7) wird verurteilt, an die Klägerin 100.163,69 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.05.2020 sowie weitere 3.861,97 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.12.2021 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 7) verpflichtet ist, der Klägerin über Ziffer 3 hinaus sämtliche weiteren von der Klägerin getragenen und nach § 116 SGB X übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die auf das Unfallereignis vom 23.10.2014 in der Nähe des Betriebsgeländes der … zurückzuführen sind und bei dem der bei der Klägerin versicherte … verletzt wurde.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Berufung der Beklagten zu 7) gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 04.10.2021, Az. 4 O 53/20 (2), wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 90% und die Beklagte zu 7) zu 10%. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 7) trägt diese 93% und die Klägerin 7%. Die außergerichtlichen Kosten der weiteren Beklagten trägt die Klägerin.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Schuldner darf die Vollstreckung des jeweiligen Gläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Aufwendungs- und Schadensersatz, nachdem die Klägerin als Unfallversicherungsträgerin für zwei Versicherte und deren Angehörige Leistungen erbracht hat.
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Unfall ereignete sich am 23.10.2014 in Ludwigshafen am Rhein. Im Zusammenhang mit Tiefbauarbeiten war es zu einer Gasexplosion gekommen. Hierdurch wurde der bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten zu 1) beschäftigte Mitarbeiter … getötet; der Versicherte … erlitt schwere Verletzungen. Der Beklagte zu 1) ist ein Mitgliedsunternehmen der Klägerin.
Im Vorfeld der streitgegenständlichen Erdarbeiten hatte im Jahr 2012 die Inspektion einer von der Beklagten zu 7) betriebenen Gashochdruckleitung, die in Ludwigshafen am Rhein unterirdisch verläuft, eine Schadstelle mit einer Wandverdünnung des Gasrohres ergeben. Die Beklagte zu 7) beauftragte die (vormals als AG verfasste) Beklagte zu 2) mit Tiefbauarbeiten, insbesondere Aushubarbeiten im Erdreich. Zwischen beiden bestanden bereits seit Jahren Geschäftsbeziehungen. Bei dem Beklagten zu 3) handelt es sich um den damaligen Vorstand der Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 4) war im Unternehmen der Beklagten zu 2) als technischer Betriebsleiter tätig. Der Beklagte zu 5) fungierte als Bauleiter des streitgegenständlichen Auftrags, der Beklagte zu 6) als zuständiger Vorarbeiter. Die Versicherten … und … arbeiteten auf der streitgegenständlichen Baustelle mit den Beschäftigten der Beklagten zu 2) zusammen und unterlagen einer gewissen Weisungsbefugnis (vgl. Replik vom 30.10.2020, S. 4, Bl. 796 d.A.) der Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 8) war Pipelinemeister bei der Beklagten zu 7) und für Baumaßnahmen an den Leitungen der Beklagten zu 7) zuständig. Der ebenfalls bei der Beklagten zu 7) beschäftigte Beklagte zu 9) hatte die Betriebsaufsicht während des Unfallereignisses inne.
In Erfüllung des Auftrages waren zunächst Suchschachtungen zur Auffindung einer anderen Leitung (RMR-Leitung) anhand eines für diese Leitung erstellten Planes erfolgt, die zum Auffinden der Leitung an der im Plan verzeichneten Stelle geführt hatten. Sodann war eine Suchschachtung im Bereich eines Schilderpfahls, welcher die Position der streitgegenständlichen Gasleitung anzeigen sollte, zum Auffinden dieser Gasleitung erfolgt, die aus zwischen den Parteien streitigen Gründen nicht erfolgreich war. Bei dieser Suchschachtung hatten die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) digitalisierte Pläne verwendet, die ihnen von der Beklagten zu 7), welche die Pläne in den Jahren 1997 bis 2001 anhand älterer analoger Pläne hatte erstellen lassen, zu diesem Zweck überlassen worden waren. Dabei war es bei der Übertragung zu Schwierigkeiten gekommen, insbesondere waren Tangentenschnittpunkte nicht aufzufinden gewesen, was der Beklagten zu 7) auch mitgeteilt worden war. Die nach dem Unfallereignis durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass der tatsächliche Rohrverlauf von dem im digitalisierten Plan ausgewiesenen Verlauf um ca. 1,50 Meter seitlich abwich. Zum anderen orientierten sich die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) an dem vorbezeichneten Schilderpfahl, der einen konkreten Punkt des Leitungsverlaufs kennzeichnen sollte; an dieser Stelle sollte die sonst tiefer liegende Gasleitung nach den zur Verfügung stehenden Informationen nur in einer Tiefe von zwei Metern verlaufen. Aus der im Jahr 2012 durchgeführten Untersuchung lagen außerdem GPS-Daten der zu bearbeitenden Schadstelle vor, die von den Mitarbeitern der Beklagten zu 2) ebenfalls zur Ermittlung des Leitungsverlaufs herangezogen wurden.
Am Vortag des Unfallereignisses waren die Beklagten zu 2) und zu 7) übereingekommen, dass zur Lagebestimmung ein Vermessungsbüro hinzugezogen werden solle. Am Vormittag des Unfallereignisses erfolgte dann eine Vermessung, in deren Rahmen Messpunkte markiert wurden. Einer davon befand sich am Schilderpfahl, einer im Bereich des GPS-Punktes an der (vermeintlich) freizulegenden Schadstelle, ein weiterer am Straßenrand der Oppauer Straße. Diese drei Punkte ergaben in der Verbindung einen geraden Verlauf. Sodann begannen die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) gemeinsam mit den Versicherten … und …, in einer Entfernung von 1,50 Metern neben dem markierten Leitungsverlauf eine Spundwand zur Sicherung der anzulegenden Baugrube einzubringen. Zur Einbringung verwendeten sie einen Bagger, der durch Mitarbeiter der Beklagten zu 2) bedient wurde, während die Spundbohle vom Versicherten … mit den Händen geführt wurde. Während des Einbringens der Spundbohle ereignete sich aus zwischen den Parteien streitigen Gründen eine Gasexplosion, infolge derer der Versicherte … verstarb und der Versicherte … schwer verletzt wurde.
Die Klägerin erbrachte nachfolgend Leistungen an den Versicherten … bzw. dessen Rechtsnachfolger zunächst in Höhe von 89.886,38 € und an den Versicherten … in Höhe von 250.163,69 €. Die Höhe dieser Aufwendungen wie auch das Verletzungsausmaß stehen zwischen den Parteien nicht im Streit. Weitere, mit Klageerweiterung in der Berufungsinstanz geltend gemachte Leistungen sind zwischen den Parteien zum Teil umstritten. Wegen der Einzelheiten der geltend gemachten Ansprüche wird auf die Klageschrift, den Schriftsatz vom 10.09.2020 und die Berufungsbegründung vom 28.12.2021 nebst den damit vorgelegten Anlagen Bezug genommen. Die Beklagte zu 7) zahlte an die Klägerin bislang einen „frei anrechenbaren Vorschuss“ in Höhe von 150.000,00 €. Weitere unfallbedingte Aufwendungen sind zu erwarten.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die Spundbohle habe bei der Einbringung die Gasleitung getroffen und so stark beschädigt, dass es zu einem massiven Gasaustritt mit der Folge des Explosionsereignisses gekommen sei. Den Beklagten zu 1) bis 6) seien insoweit erhebliche Verstöße gegen die ihnen obliegenden Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten anzulasten. Es sei grob fahrlässig gewesen, vor sicherer Feststellung des Verlaufs der Pipeline, die ausschließlich durch Suchschachtungen per Hand oder andere nicht maschinelle Erkundungsmaßnahmen hätte sichtbar freigelegt werden müssen, mit dem Einbringen einer Spundwand zu beginnen. Die Beklagten hätten sich weder auf die von der Beklagten zu 7) zur Verfügung gestellten Pläne noch auf die Markierungen der Vermesser verlassen dürfen. Ihnen hätte bewusst sein müssen, dass nach wie vor keine sichere Ortung der Leitung erfolgt sei. Sie seien zugegen gewesen, als Ortungsversuche durch den Beklagten zu 9) gescheitert seien. Der Beginn der Spundungsarbeiten hätte nicht zugelassen werden dürfen, sondern hätte verhindert werden müssen. Es habe auch zu keinem Zeitpunkt eine Freigabe durch die Beklagte zu 7) bzw. deren Mitarbeiter gegeben, die indes zwingende Voraussetzung für den Spundungsbeginn gewesen wäre.
Den Beklagten zu 7) bis 9) sei anzulasten, keine ausreichenden Anweisungen für die Arbeiten erteilt zu haben und gegen die Spundungsarbeiten nicht eingeschritten zu sein. Soweit (nur) der Beklagte zu 1) privilegiert sei, ergebe sich seine Haftung aus §§ 110, 111 SGB VII, da er wegen des Unterlassens jeglicher Sicherheitsvorkehrungen grob fahrlässig gehandelt habe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, an sie 89.886,38 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen, wobei die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch haften und der Beklagte zu 1) mit diesen wie ein Gesamtschuldner;
2. festzustellen, dass die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr über Ziffer 1 hinaus sämtliche weiteren von ihr getragenen und nach § 116 SGB X übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die auf das Unfallereignis vom 23.10.2014 in der Nähe des Betriebsgeländes der … zurückzuführen sind und bei dem der bei ihr versicherte … ums Leben gekommen ist, sowie, dass der Beklagte zu 1) über Ziffer 1 hinaus mit den Beklagten zu 2) bis 9) wie ein Gesamtschuldner verpflichtet ist, ihr über Ziffer 1 hinaus sämtliche weiteren gemäß §§ 110,111 SGB VII erstattungsfähige Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs der Hinterbliebenen des … anlässlich des Schadensfalls vom 23.10.2014 zu ersetzen;
3. die Beklagten zu verurteilen, an sie über Ziffer 1 hinaus weitere 100.163,69 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen, wobei die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch haften und der Beklagte zu 1) mit diesen wie ein Gesamtschuldner;
4. festzustellen, dass die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr über Ziffer 3 hinaus sämtliche weiteren von der Klägerin getragenen und nach § 116 SGB X übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die auf das Unfallereignis vom 23.10.2014 in der Nähe des Betriebsgeländes … zurückzuführen sind und bei dem der bei ihr Versicherte … schwer verletzt wurde, sowie, dass der Beklagte zu 1) über Ziffer 3 hinaus mit den Beklagten zu 2) bis 9) wie ein Gesamtschuldner verpflichtet ist, ihr über Ziffer 3 hinaus sämtliche weiteren gemäß §§ 110, 111 SGB VII erstattungsfähigen Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des … anlässlich des Schadensfalls vom 23.10.2014 zu ersetzen.
Die Beklagten zu 1) bis 6), 8) und 9) haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 7) hat beantragt,
1. die gegen sie gerichtete Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1) abzuweisen;
2. der gegen sie gerichtete Feststellungsantrag zu 2) wird mit der Maßgabe anerkannt, dass sie unter Berücksichtigung des geleisteten Vorschusses verpflichtet ist, der Klägerin die erstattungsfähigen Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs der Hinterbliebenen des … anlässlich des Schadensfalls vom 23.10.2014 mit einer Quote von 30 % zu ersetzen; der weitergehende Feststellungsantrag wird abgewiesen;
3. die gegen sie gerichtete Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 3) abzuweisen;
4. der gegen sie gerichtete Feststellungsantrag zu 4) wird mit der Maßgabe anerkannt, dass sie unter Berücksichtigung des geleisteten Vorschusses verpflichtet ist, der Klägerin die erstattungsfähigen Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des … anlässlich des Schadensfalls vom 23.10.2014 mit einer Quote von 30 % zu ersetzen. Der weitergehende Feststellungsantrag wird abgewiesen.
Die Beklagten zu 1) bis 6) haben vorgetragen, es wäre auch dann zu einer Gasexplosion gekommen, wenn (zunächst) die Gasleitung händisch freigelegt worden wäre. Denn die Wandstärke des Rohres sei an der Schadstelle bereits zuvor so stark verdünnt gewesen, dass es bereits durch Wegnahme des sie bedeckenden Bodens zum Austreten von Gas und zu einer Explosion gekommen wäre. Schon am Vortag des Unfallereignisses habe der Beklagte zu 8) sie angewiesen, mit der Errichtung der Spundwand zu beginnen. Der Beklagte zu 9) habe diese Anweisung am Unfalltag wiederholt.
Sie seien ihrer Erkundungspflicht in Bezug auf den Leitungsverlauf nachgekommen, indem sie die Bestandspläne und die Markierungen der Vermesser berücksichtigt hätten. Es hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür bestanden, dass diese unzutreffend seien und der Leitungsverlauf hiervon abweichen könnte. Auch eine zuvor vorgenommene Ortung durch den Beklagten zu 9) habe eine Übereinstimmung hiermit erbracht. Zudem habe der Vermesser auf die Nachfrage des Beklagten zu 6) erklärt, dass keine Unsicherheiten mehr hinsichtlich des Leitungsverlaufs bestünden, die Markierung vielmehr „zu 100%“ stimme. Im Übrigen wäre ein Aufgraben bis auf die erforderliche Tiefe ohne eine Abstützung der Grubenwände gar nicht möglich gewesen; auch bereits die nur auf zwei Meter ausgelegte Suchschachtung im Bereich des Schilderpfahls habe vor Erreichen dieser Tiefe wegen Nachrutschens des Bodenmaterials abgebrochen werden müssen.
Der Beklagte zu 1) habe in befreiender Weise Schutz- und Verkehrssicherungspflichten auf die Beklagte zu 2) übertragen gehabt. Im Übrigen scheitere eine Haftung bereits an der Privilegierung nach §§ 104 ff. SGB VII.
Auch die Beklagten zu 8) und zu 9) haben sich auf ihre Haftungsprivilegierung nach §§ 104 ff. SGB VII berufen.
Die Beklagte zu 7) hat vorgetragen, ihre Haftung gegenüber der Klägerin sei nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld auf einen Anteil von 30% begrenzt. Eine entsprechend geringe Haftungsquote sei gerechtfertigt, da ihr Verursachungsbeitrag deutlich geringer sei als derjenige der Beklagten zu 2) bis 6).
Im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (StA Frankenthal [Pfalz], Az. 5022 Js 12165/15) sind schriftliche Gutachten der Sachverständigen … und … eingeholt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.09.2021 hat die Kammer die Sachverständigen … und … zur mündlichen Erläuterung dieser Gutachten angehört und den Zeugen … vernommen. Mit Teil-Anerkenntnis- und Endurteil vom 04.10.2022 hat die Kammer sodann die Beklagte zu 7) mit einer Quote von 85% verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Eine Haftung des Beklagten zu 1) scheide aus, da er die Schutz- und Verkehrssicherungspflichten bezüglich der streitgegenständlichen Baustelle vollständig an die Beklagte zu 2) delegiert gehabt habe. Bezüglich der Beklagten zu 2) bis 6) lägen die Voraussetzungen der Haftungsprivilegierung gemäß §§ 104, 105 SGB VII vor. Auch ohne förmliche Arbeitnehmerüberlassungsvereinbarung und diesbezügliche Erlaubnis des Beklagten zu 1) seien die Geschädigten in Bezug auf die Tätigkeit auf der streitgegenständlichen Baustelle als im Betrieb der Beklagten zu 2) tätige Personen im Sinne von § 104 f. SGB VII zu qualifizieren und ausschließlich dieser, nicht aber dem Beklagten zu 1) zuzuordnen. Im Hinblick auf § 110 SGB VII sei den Beklagten zu 2) bis 6) weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Zugunsten der Beklagten zu 8) und 9) greife die Haftungsprivilegierung der §§ 110 Abs. 1, 106 Abs. 3, 105 Abs. 1 SGB VII. Sie seien auf einer gemeinsamen Betriebsstätte in Zusammenwirken mit den Geschädigten tätig gewesen und ihnen sei keine grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Bezüglich des Beklagten zu 8) fehle es bereits an hinreichendem Vortrag bzw. Beweisangeboten hinsichtlich eines zum Schadensersatz verpflichtenden Verhaltens.
Das Anerkenntnis der Beklagten zu 7) sei analog §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass diese eine Haftung in Bezug auf die festzustellenden Aufwendungen und Schadensersatzansprüche dem Grunde nach zu 30% gegen sich gelten lasse. Die Einschränkung – „Berücksichtigung des geleisteten Vorschusses“ – erweise sich als unbeachtlich, weil nicht der Beklagten zu 7), sondern der Klägerin das Recht zur Tilgungsbestimmung zustehe. Im Umfang des Anerkenntnisses sei daher ein Teil-Anerkenntnisurteil zu erlassen gewesen. Die Beklagte zu 7) hafte gemäß §§ 2 Abs. 1, 5 HaftPflG i.V.m. § 116 SGB X. Angesichts der Haftungsprivilegierungen der Beklagten zu 2) bis 6) und zu 9) hafte sie indes nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld lediglich mit einer Quote von 85% für der Klägerin entstandene (und künftige) ersatzfähige Schäden und Aufwendungen. Denn auf diesen Umfang belaufe sich der gemäß § 13 Abs. 4, Abs. 1 HaftPflG maßgebliche Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 7) im Verhältnis zu den privilegierten Schädigern. Dies ergebe sich unter anderem aus den Ausführungen der Sachverständigen … und …, wonach die Rohrleitung schon vor Beginn des Spundens aufgrund der zum Teil massiv reduzierten Wanddicke äußerst gefährlich gewesen sei und ein hohes Risiko dafür bestanden habe, dass es auch bei händischer Freilegung zu einem Gasaustritt und daraus resultierende Explosion gekommen wäre. Dieser massive Vorschaden der Leitung führe zu einer gravierenden Erhöhung der Betriebsgefahr. Ein weiterer Verursachungsbeitrag bestehe darin, dass die Beklagte zu 7) Pläne zur Verfügung gestellt habe, von denen sie gewusst habe, dass es bei ihrer Erstellung auch in dem Bereich, in welchem die Arbeiten vorgenommen worden seien, Probleme gegeben habe, ohne die übrigen Beteiligten hierauf hinzuweisen.
Hiergegen richtet sich die klageerweiternde Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten zu 7).
Die Klägerin wendet ein, im Gegensatz zu dem von der … (im Folgenden: …) geführten Parallelverfahren (4 O 380/17 / 1 U 218/21) bestünden für die Beklagten zu 2) bis 9) nicht die Haftungsprivilegien der §§ 104 ff. SGB VII. Da die Zivilgerichte an ihre unfallversicherungsrechtliche Zuständigkeit gebunden seien, hätte im vorliegenden Fall kein Haftungsprivileg zugunsten eines Mitgliedsunternehmens eines anderen Unfallversicherungsträgers zuerkannt werden dürfen. Die in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme von diesem Grundsatz sei nicht einschlägig, da kein Fall erlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Die Kammer sei fehlerhafterweise von ihrer, der Klägerin, Vortragslast zu den Voraussetzungen der für die Beklagten günstigen §§ 104 und 105 SGB VII ausgegangen. Mangels Haftungsprivilegierung zugunsten der übrigen Beklagten hätte die Kammer keine gestörte Gesamtschuld mit der Folge einer reduzierten Außenhaftung der Beklagten zu 7) annehmen dürfen.
Im Hinblick auf die Klageerweiterung, gerichtet auf Zahlung weiterer 13.460,72 € (Antrag zu 2)), ergebe sich der Anspruch aus den weiteren Rentenleistungen an die Witwe des Versicherten …. Für die Zeit zwischen März 2020 und Juni 2020 seien 5.320,76 € zu zahlen, für die Zeit zwischen Juli und Dezember 2020 weitere 8.139,96 €. Der neue Antrag zu 5), gerichtet auf Zahlung weiterer 27.430,94 €, ergebe sich aus den weiteren übergangsfähigen bzw. erstattungsfähigen Verletztenrentenzahlungen an den Versicherten … für die Zeit zwischen dem 29.09.2015 und dem 31.12.2020 in Höhe von 23.568,97 € und aus weiteren Sachleistungen in Höhe von 3.861,97 €.
Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung wie folgt abzuändern:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an sie 89.886,38 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen, wobei die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch haften und der Beklagte zu 1) mit diesen wie ein Gesamtschuldner;
2. Die Beklagten werden verurteilt, an sie über Ziffer 1 hinaus weitere 13.460,72 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung dieses Klageerweiterungsschriftsatzes zu zahlen, wobei die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch haften und der Beklagte zu 1) mit diesen wie ein Gesamtschuldner;
3. es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr über Ziffern 1 und 2 hinaus sämtliche weiteren von ihr getragenen und nach § 116 SGB X übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die auf das Unfallereignis vom 23.10.2014 in der Nähe des Betriebsgeländes der BASF in Ludwigshafen zurückzuführen sind und bei dem der bei der Klägerin Versicherte … ums Leben gekommen ist, sowie, dass der Beklagte zu 1) über Ziffern 1 und 2 hinaus mit den Beklagten zu 2) bis 9) wie ein Gesamtschuldner verpflichtet ist, ihr über Ziffern 1 und 2 hinaus sämtliche weiteren gemäß §§ 110, 111 SGB VII erstattungsfähigen Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs der Hinterbliebenen des … anlässlich des Schadensfalls vom 23.10.2014 zu ersetzen;
4. die Beklagten werden verurteilt, an sie über Ziffern 1, 2 und 3 hinaus weitere 100.163,69 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen, wobei die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch haften und der Beklagte zu 1) mit diesen wie ein Gesamtschuldner;
5. die Beklagten werden verurteilt, an sie über Ziff. 1, 2, 3 und 4 hinaus weitere 27.430,94 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung dieses Klageerweiterungsschriftsatzes zu zahlen, wobei die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch haften und der Beklagte zu 1) mit diesen wie ein Gesamtschuldner;
6. es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) bis 9) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr über Ziffern 4 bis 5 hinaus sämtliche weiteren von ihr getragenen und nach § 116 SGB X übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die auf das Unfallereignis vom 23.10.2014 in der Nähe des Betriebsgeländes der BASF in Ludwigshafen zurückzuführen sind und bei dem der bei der Klägerin Versicherte … schwer verletzt wurde, sowie, dass der Beklagte zu 1) über Ziffern 4 bis 5 hinaus mit den Beklagten zu 2) bis 9) wie ein Gesamtschuldner verpflichtet ist, ihr über Ziffern 4 bis 5 hinaus sämtliche weiteren gemäß §§ 110, 111 SGB VII erstattungsfähigen Aufwendungen bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des … anlässlich des Schadensfalls vom 23.10.2014 zu ersetzen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die erweiterte Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 7) beantragt darüber hinaus mit ihrer Berufung, die angefochtene Entscheidung abzuändern und wie folgt neu zu fassen:
1. Es wird festgestellt, dass sie verpflichtet ist, der Klägerin unter Anrechnung eines bereits gezahlten und noch nicht verbrauchten Vorschusses in Höhe von 47.984,98 € sämtliche weiteren dieser getragenen und nach § 116 SGB X übergangsfähigen Aufwendungen mit einer Quote von 30% zu ersetzen, die auf das Unfallereignis vom 23.10.2014 in der Nähe des … und darauf zurückzuführen sind, dass bei diesem Ereignis der bei der Klägerin versicherte … ums Leben gekommen und der bei der Klägerin versicherte … verletzt worden ist.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte zu 7) trägt vor, der Kammer seien Rechtsfehler bei der Bestimmung der Haftungsquote im Innenverhältnis der Gesamtschuldner unterlaufen. Die von der Gasleitung ausgehende allgemeine Betriebsgefahr hätte nicht zu ihren Lasten gewertet werden dürfen. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung habe der Zweitschädiger im Innenverhältnis die gesamten Aufwendungen zu tragen, wenn der Erstschädiger nur nach den Regeln der Gefährdungshaftung einzustehen habe, dem Zweitschädiger aber ein Verschuldensvorwurf zur Last liege. Bei der Beurteilung der Betriebsgefahr sei der Kammer zudem ein Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung unterlaufen, da die Ursächlichkeit der Rohrwandverdünnung für die Explosion durch die eingeholten Sachverständigengutachten nicht erwiesen sei. In diesem Zusammenhang habe die Kammer ferner den Beibringungsgrundsatz verletzt, da die Klägerin im Prozessrechtsverhältnis zu ihr nicht vorgetragen habe, dass eine Mitursächlichkeit der Rohrwandverdünnung bestehe. Von der fehlenden Übertragung des maßgeblichen Tangentenschnittpunktes in die digitalen Pläne habe sie erst nach dem Unglück erfahren, weshalb die Kammer die entsprechende Kenntnis auch nicht haftungsverschärfend hätte berücksichtigen dürfen. Weiterhin sei fehlerhaft nicht berücksichtigt worden, dass die beiden Verletzten keine unbeteiligten Dritten, sondern Mitarbeiter im Betrieb der Beklagten zu 2) gewesen seien und letztere ihre Schutzpflichten aus § 618 BGB verletzt habe.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zu 7) zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft hierzu ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat bezüglich der Beschränkung der Haftung der Beklagten zu 7) Erfolg (s.u. A.) Insoweit besteht keine gestörte Gesamtschuld mit den übrigen Beklagten, deren Haftung bereits mangels Verschuldens ausscheidet. Aus diesem Grund waren die weitergehende Berufung der Klägerin als auch die Berufung der Beklagten zu 7) (s.u. B.) zurückzuweisen. Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung hat gegenüber der Beklagten zu 7) teilweise Erfolg; gegenüber den übrigen Beklagten bleibt sie erfolglos (s.u. C.)
A. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Beschränkung der Haftung der Beklagten zu 7) auf 85% richtet. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten zu 2) bis 6). Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des Haftungsprivilegs aus §§ 104 ff. SGB VII zugunsten der Beklagten zu 2) bis 6) gegeben sind. Denn es fehlt bereits an einem Verschulden der Beklagten zu 2) bis 6). Gemäß § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist der Senat insoweit nicht an die geltend gemachten Berufungsgründe gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1991, Az. V ZR 260/90, Rn. 8, Juris).
1. Anspruchsgrundlage der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) ist – vermittelt über § 116 SGB X – deren Vertrag mit dem Beklagten zu 1), kraft dessen die bei dem Beklagten zu 1) beschäftigten Versicherten an die Beklagte zu 2) überlassen wurden. Hierbei handelt es sich um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Versicherten. Die in der Rechtsprechung etablierten Voraussetzungen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. 4. 2004, Az. X ZR 250/02, Juris) liegen vor. Die Versicherten waren bestimmungsgemäß den Gefahren des Vertrags ausgesetzt, welche sich letztlich durch den Unfall verwirklicht haben. Den Beklagten zu 1) traf als Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber den bei ihm beschäftigten Versicherten. Der Kreis der geschützten Dritten – hier: die Versicherten – war für die Beklagte zu 2) erkennbar und die damit einhergehenden Haftungsrisiken waren mithin kalkulierbar. Die Versicherten waren ihrerseits schutzbedürftig, da sie den Gefahren der Baustelle unmittelbar ausgesetzt waren.
Werden schuldhaft Pflichten aus dem Vertrag verletzt und entsteht hierdurch den Versicherten ein Schaden, können diese – als in den Schutzbereich des Vertrags einbezogene Dritte – selbst Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) geltend machen. Zwar ist nichts näheres über den Inhalt dieses Vertrages vorgetragen. Der Parteivortrag hierzu beschränkt sich im Wesentlichen auf die Mitteilung (Klageschrift S. 8, Bl. 8 d.A.), wonach es zwischen den Beklagten zu 1) und 2) eine vertragliche Beziehung dergestalt gegeben habe, dass sich die Versicherten am 23.10.2014 „zwecks Erledigung irgendwelcher Tätigkeiten“ an der späteren Unfallstelle befunden hätten. Jedenfalls aber bestand die allgemeine Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), wonach die Beklagte zu 2) verpflichtet war, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Beklagten zu 1) sowie der in den Schutzbereich des Vertrags einbezogenen Versicherten zu nehmen. Indem deren Rechtsgüter verletzt wurden, liegt eine objektive Pflichtverletzung vor.
Zugleich ist damit eine Rechtsgutverletzung i.S. des § 823 Abs. 1 BGB verwirklicht, der allein als (deliktische) Anspruchsgrundlage gegenüber den Beklagten zu 3) bis 6) in Betracht kommt, die zu den Versicherten in keiner vertraglichen Beziehung standen.
2. Die Beklagten zu 2) bis 6) haben die Verletzung der Geschädigten nicht zu vertreten. Eine vorsätzliche Begehungsweise liegt fern und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Aber auch eine fahrlässige Begehungsweise ist den Beklagten zu 2) bis 6) nicht vorwerfbar.
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Insoweit gilt ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab. Maßgeblich ist, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 11.04.2000, Az. X ZR 19/98, Rn. 13, Juris). Der gruppentypische Sorgfaltsmaßstab kann sich aus Rechtsvorschriften oder privaten Regelwerken ergeben; andernfalls ist er durch den Richter zu bestimmen (BGH, Urteil vom 11.12.1979, Az. VI ZR 141/78, Rn. 24, Juris). Hinsichtlich der Beklagten zu 2) bis 6) ist damit maßgeblich, welchen Sorgfaltsanforderungen ein Unternehmer bzw. eine durchschnittliche Führungskraft im Tiefbau unterliegt.
a) Einschlägige Rechtsnormen konkretisieren den Sorgfaltsmaßstab nicht näher.
(1) Gemäß § 618 Abs. 1 BGB hat der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Diese allgemeine Norm wird durch § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG konkretisiert, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen.
(2) Nach § 5 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. In der von der Beklagten zu 2) erstellten Gefährdungsbeurteilung vermisst die Klägerin einen Hinweis darauf, dass der Verlauf der Leitung durch die vor Ort tätigen Personen selbstständig zu erkunden sei. Diese Pflicht unterstellt die Klägerin indes aufgrund ihres – unzutreffenden (hierzu sogleich) – Verständnisses eines privaten Regelwerks.
(3) Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Ergänzend gilt die Verordnung über Gashochdruckleitungen, die für den Betrieb solcher Leitungen ebenfalls die Einhaltung des Standes der Technik vorschreibt. Die Konformität mit dem Stand der Technik wird vermutet, wenn das Regelwerk des … (…) eingehalten wird (§ 2 GasHDrLtgV). Beide Regelwerke definieren keinen Sorgfaltsmaßstab, sondern verweisen nur auf denjenigen, der im Regelwerk des … enthalten ist (hierzu sogleich).
b) Entsprechendes gilt größtenteils für die einschlägigen privaten Regelwerke.
(1) Klägerin und Beklagte zu 7) berufen sich auf die vertragliche Bindung der Beklagten zu 2) an Ziffer 6.1 der internen Richtlinie der Beklagten zu 7) „HSE-Management Kontraktoren“ (Anhang zum Vertrag vom 29.08.2014, Anlage B7-1, Bl. 236 d.A.). Hiernach steht „… außer Frage, dass für Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften Anwendungszwang besteht. Die Verwaltungsvorschriften, Durchführungsanweisungen, Richtlinien, Normen und sonstige allgemein anerkannte Regeln, soweit der allgemein anerkannte Stand der Sicherheitstechnik, Arbeitsmedizin und -Hygiene sind anzuwenden oder durch gleich- oder höherwertige Maßnahmen zu ersetzen.“ Mit dieser Regelung wird kein Sorgfaltsmaßstab gesetzt, sondern – rein deklaratorisch – auf ohnehin anwendbare Normen verwiesen.
Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob Regelungen aus einem Vertrag zwischen den Beklagten zu 2) und 7) maßgeblich für die Verhaltenspflichten der Beklagten zu 2) bis 6) gegenüber den Versicherten sein können. Dies betrifft auch die Regelung auf Seite 4 des Vertrags vom 29.08.2014 unter der Position 01.04.0020 (Bl. 214 d.A.), wonach die Beklagte zu 2) zur Vornahme von „Suchschachtungen Fremdleitungen T bis 4 m“ verpflichtet war. Diese Regelungen gelten grundsätzlich nur inter partes. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier: der Versicherten) läge allenfalls hinsichtlich der Beklagten zu 7) als Schuldnerin vor. Gleiches gilt für eine etwaige Abrede zwischen den Beklagten zu 2) und 7), wonach mit den Spundungsarbeiten erst nach ausdrücklicher (schriftlicher) Freigabe durch den Beklagten zu 8) begonnen werden durfte.
(2) DIN 1998 sieht vor, dass sich die bauausführende Verwaltung beim Fehlen hinreichender Unterlagen durch Probeschlitze zu vergewissern hat, ob die in Aussicht genommene Lage von Rohrleitungen oder sonstigen Hindernissen frei ist (Bl. 22 d.A.) Diese Norm dient nicht dem Schutz der Bauarbeiter vor Arbeitsunfällen. Vielmehr handelt es sich um eine Richtlinie zur Planung und Verlegung der Versorgungs- und Entsorgungsleitungen unter dem Straßenkörper. Dazu gehören Wasserleitungen, Telekommunikation, Erdgasleitung, Elektroversorgung und Kanalisation. DIN 1998 gibt vor, wie tief und wie weit voneinander alle diese Leitungen unter der Erdoberfläche gelagert sein müssen. Wenn aber die Norm nicht vor der im Streitfall eingetretenen Gefahr schützen, sondern nur die Planung der Leitungsverlegung erleichtern soll, vermag sie keinen Sorgfaltsmaßstab zu begründen, nach dem sich das Verhalten der Beklagten zu 2) bis 6) beurteilen ließe (zur Maßgeblichkeit des Schutzzwecks der Norm vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2006, Az. X ZR 46/04, Rn. 10 ff., Juris).
(3) Entsprechendes gilt für die Allgemeinen Technischen Vorschriften für Bauleistungen (VOB Teil C – DIN 18300 „Erdarbeiten“ Abschnitte 3.1.1, 3.1.3 und 3.1.5). Diese Norm legt die allgemeinen technischen Vertragsbedingungen fest, die für Erdarbeiten bezüglich der Baustoffe, der Ausführung, der Haupt- und der Nebenleistungen sowie der Abrechnung gelten. Sie gilt für das Lösen, Laden, Fördern, Einbauen und Verdichten von Boden, Fels und sonstigen Stoffen. Sie gilt auch für Erdarbeiten im Zusammenhang mit Verbauarbeiten, Entwässerungskanalarbeiten, Druckrohrleitungsarbeiten außerhalb von Gebäuden, Drän- und Versickerarbeiten und Kabelleitungstiefbauarbeiten. Unergiebig ist die Norm hingegen hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen zum Arbeitsschutz.
(4) Der … (…) gibt „Hinweise für Maßnahmen zum Schutz von Versorgungsanlagen bei Bauarbeiten“ mit der Bezeichnung GW 315 (im Folgenden: Hinweise GW 315, Anlage K12, Bl. 106 ff. d.A.) heraus. Nach deren Ziffer 4 hat sich ein Bauunternehmen „über die tatsächliche Lage und/oder Tiefe der angegebenen Versorgungsanlage durch fachgerechte Erkundungsmaßnahmen, zum Beispiel Ortung, Querschläge, Suchschlitze o.ä. selbst Gewissheit zu verschaffen“. Nach Ziffer 8 dürfen Versorgungsanlagen nur durch Handschachtungen freigelegt werden. Bei den Hinweisen GW 315 handelt es sich indes nicht um Unfallverhütungsvorschriften. Vielmehr bezwecken sie – expressis verbis – eine Verhinderung der Beschädigung von Versorgungsanlagen, um eine sichere und störungsfreie Versorgung zu gewährleisten. Ein Sorgfaltsmaßstab, nach dem sich das Verhalten der Beklagten zu 2) bis 6) beurteilen ließe, lässt sich hieraus nicht ableiten. Da die Frage des Normzwecks rechtlicher Natur ist, war dem Beweisangebot der Klägerin (Replik vom 30.10.2020, S. 22, Bl. 814 d.A.) auf sachverständige Feststellung des Arbeitsschutzzwecks der Hinweise GW 315 nicht nachzugehen.
(5) Die Unfallverhütungsvorschriften der gewerblichen Berufsgenossenschaften (VBG 37 „Bauarbeiten“) stellen Vorschriften i.S.v. § 15 SGB VII dar; sie konkretisieren den Sorgfaltsmaßstab für den Streitfall. Hier lautet es auszugsweise wie folgt: „§ 16 Bestehende Anlagen (1) Vor Beginn von Bauarbeiten ist durch den Unternehmer zu ermitteln, ob im vorgesehenen Arbeitsbereich Anlagen vorhanden sind, durch die Personen gefährdet werden können. (2) Sind Anlagen nach Absatz 1 vorhanden, so sind im Benehmen mit dem Eigentümer oder Betreiber der Anlage die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen festzulegen und durchzuführen. Durchführungsanweisung zu § 16 Abs. 1: Gefahren können ausgehen z.B. von: … Rohrleitungen, Kanälen, Schächten, Behältern u.Ä., Anlagen mit Explosionsgefahren… Durchführungsanweisung zu § 16 Abs. 2: Diese Forderung ist erfüllt, wenn … bei Arbeiten an Gasleitungen, bei denen mit einer Gefährdung der Beschäftigten durch Gas zu rechnen ist, die Bestimmungen des Kapitels 2.31 der Regel „Betreiben von Arbeitsmitteln“ (BGR/GUV-R 500) eingehalten werden…“
Das in Bezug genommene Regelwerk (BGR/GUV-R 500) enthält wiederum keine Anforderungen an Erdarbeiten zur Freilegung von Gasleitungen, sondern lediglich Regeln zu Arbeiten an den Gasleitungen selbst. Damit verbleiben zur Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabes lediglich die VBG 37 „Bauarbeiten“. Diese sind an „Unternehmer“ adressiert. Sie gelten demnach unmittelbar für die Beklagten zu 2) und zu 3).
c) Der im Streitfall geltende Sorgfaltsmaßstab ist damit notwendigerweise gerichtsseits näher zu konkretisieren (vgl. ganz generell BeckOGK-BGB/Schaub, Stand 01.09.2022, § 276 Rn. 83). Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht von Tiefbauunternehmen bei der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.11.1995, Az. VI ZR 31/95, Juris). Grundsätzlich besteht die Pflicht, sich beim zuständigen Versorgungsunternehmen über die Existenz und den Verlauf von Rohren und Versorgungsleitungen zu erkundigen. Bleibt eine solche Anfrage ergebnislos oder liefert sie eine nur unvollständige bzw. eine nicht umfassend verlässliche Grundlage für Tiefbauarbeiten, hat sich der Unternehmer bzw. der Bauausführende die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen zu verschaffen, etwa durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand in dem Bereich, den er ausheben will (BGH, Urteil vom 20.12.2005, Az. VI ZR 33/05, Rn. 8; BGH. Urteil vom 20.04.1971, Az. VI ZR 232/69; jeweils Juris; Senat, Beschluss vom 23.01.2019, Az. 1 U 114/18, Anlage B4, Bl. 317 ff. d.A.) Hieraus folgt: Ist der Unternehmer nach den gebotenen Ermittlungen zu dem aus ex-ante-Perspektive vertretbaren Schluss gekommen, dass im vorgesehenen Arbeitsbereich keine gefährlichen Anlagen vorhanden sind, so ist er auch nicht zur Ergreifung gesonderter Sicherungsmaßnahmen verpflichtet.
3. An den vorgenannten Maßstäben gemessen trifft die Beklagten zu 2) bis 6) kein Fahrlässigkeitsvorwurf. Sofern – bezüglich der Beklagten zu 2) – eine Vermutung des Vertretenmüssens besteht (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), ist diese widerlegt. Bei der Beurteilung ist davon auszugehen, dass der Fahrlässigkeitsvorwurf die Erkennbarkeit und die Vermeidbarkeit der haftungsbegründenden Umstände voraussetzt (BGH, Urteil vom 21.05.1963, Az. VI ZR 154/62, Juris). An beidem fehlt es.
a) Die haftungsbegründenden Umstände waren für die Beklagten zu 2) bis 6) nicht erkennbar.
(1) Erkennbarkeit meint Vorhersehbarkeit der Gefahr, der zu begegnen ist (BGH, Urteil vom 14.03.2006, Az. X ZR 46/04, Rn. 12, Juris). Maßgeblich kann dabei auch in Fällen einer zunächst noch nicht bekannten Gefahr nur die Perspektive im Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens sein (BGH, Urteil vom 17.03.1981, Az. VI ZR 191/79, Rn. 22, Juris). Die Beklagten zu 2) bis 6) hätten also vor dem Unfall in der Lage gewesen sein müssen, den Unfall und dessen Folgen vorherzusehen. Da der zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff aus objektiver Sicht zu bestimmen ist, kommt es weniger auf die subjektive als auf die im jeweiligen Verkehrskreis erwartete Vorhersehbarkeit an. Diese wiederum wird durch einschlägige Normen – für den Streitfall § 16 VBG 37 – und die im Zusammenhang mit Tiefbauarbeiten ergangene – vom Senat bereits dargestellte – Rechtsprechung näher konkretisiert.
(2) Eingedenk dessen hatten die Beklagten zu 2) bis 6) die gebotene Aufklärung vorgenommen, deren Ergebnis indes die Gefahr – den tatsächlich vom Plan abweichenden Verlauf der Gasleitung – nicht zumindest ansatzweise anzeigte, geschweige denn offenbarte.
Die Beklagten zu 2) bis 6) hatten sich bei dem zuständigen Versorgungsunternehmen – der Beklagten zu 7) – über die Existenz und den Verlauf der im Baustellenbereich befindlichen Leitungen erkundigt. Sie hatten die digitalen Bestandspläne herangezogen, die ihnen die Beklagte zu 7) zur Verfügung gestellt hatte. Die Beklagte zu 7) hatte dabei die Beklagten zu 2) bis 6) nicht auf Unsicherheiten hinsichtlich der Richtigkeit des Plans aufgrund der bei der Übertragung aus den alten analogen Plänen aufgetretenen Schwierigkeiten, namentlich wegen der Nichtauffindbarkeit von Tangentenschnittpunkten, hingewiesen. Aufgrund der langjährigen und bewährten Geschäftsbeziehung zur Beklagten zu 7) durften die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) indes darauf vertrauen, dass ihnen derartige Unsicherheiten offenbart würden. Des Weiteren hatten sich auch aus den Ortungsmaßnahmen des Beklagten zu 9) – einem Mitarbeiter der Beklagten zu 7) – keine Anhaltspunkte für einen anderen als den aus dem Plan ersichtlichen Verlauf ergeben. Vielmehr bestand ein plausibler Grund für ein Versagen des Ortungsgeräts darin, dass die Leitung in einer Tiefe verlief, in der eine sichere Ortung mit diesem Gerät technisch nicht möglich war.
Ferner waren vor Beginn der Spundungsarbeiten Vermessungsarbeiten vorgenommen worden und hatten die Vermesser einen Verlauf markiert, der mit dem überlassenen Plan übereinstimmte. Zudem lag eine Markierung durch einen Schilderpfahl vor. Hinzu kommt, dass einer der Punkte mittels GPS-Messung (im Jahr 2012) ermittelt worden war. Auch hinsichtlich dieser Informationen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass und aus welchen Gründen die Beklagten zu 2) bis 6) Zweifel an deren Richtigkeit hätten hegen und weitere Abklärung hätten betreiben müssen. Dies gilt umso mehr, als die drei im Rahmen der Vermessung markierten Punkte am Schilderpfahl, im Bereich des GPS-Punktes an der (vermeintlich) freizulegenden Schadstelle und am Straßenrand der Oppauer Straße in der Verbindung einen geraden Verlauf ergaben. Soweit die Klägerin einwendet, es habe wegen eines in der Flucht stehenden Baggers nicht geprüft werden können, ob diese gerade Linie nicht nur auf dem Plan, sondern auch in der Realität vorgelegen habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, gerade weil für die Beklagten zu 2) bis 6) keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Plans ersichtlich waren.
Für die Beklagten zu 2) bis 6) bestand nach alledem keinerlei Veranlassung, von unzureichenden Informationen über den Leitungsverlauf auszugehen und daher Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand vorzunehmen. Davon abgesehen hat die Vernehmung des … im Termin vom 03.09.2021 (Bl. 1141 ff. d.A.) ergeben, dass durchaus eine Suchschachtung zumindest begonnen wurde, und zwar nicht nur nach Fremdleitungen, sondern nach der freizulegenden Gasleitung. Dass diese Suchschachtung nicht weitergeführt worden war, ist nicht der Beklagten zu 2) oder deren Mitarbeitern anzulasten. Denn diese wurden ausweislich der Aussage des Zeugen … von den Mitarbeitern der Beklagten zu 7) angewiesen, die Suchschachtung abzubrechen (Bl. 1142 d.A.) Aufgrund der langjährigen und bewährten Geschäftsbeziehung zur Beklagten zu 7) durften die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) derartigen Anweisungen mit einem gesteigerten Vertrauen begegnen.
(3) Die Klägerin stützt ihren Verschuldensvorwurf auf eine Verletzung der Hinweise GW 315. Ganz unabhängig davon, dass hiermit der Sorgfaltsmaßstab für die Beklagten zu 2) bis 6) nicht konkretisiert wurde, lässt sich aber auch insoweit kein regelwidriges Vorgehen erkennen.
Zwar liegt den Hinweisen GW 315 die Erfahrung zugrunde, dass sich die Lage und/oder Tiefe der Versorgungsanlagen durch Bodenabtragungen, -aufschüttungen, -bewegungen oder durch andere Maßnahmen Dritter nach der Verlegung und Einmessung gegenüber der in den Bestandsplänen angegebenen Position verändert haben könnten. Diese Erkenntnis stützt allerdings keinen Fahrlässigkeitsvorwurf gegenüber den Beklagten zu 2) bis 6). Denn mit den Hinweisen GW 315 werden die „fachgerechten Erkundungsmaßnahmen“ nicht auf die von der Klägerin geforderten Maßnahmen zur physischen Auffindbarkeit der Gasleitung (insb. eine Suchschachtung) beschränkt, sondern es wird durch den Zusatz „o.ä.“ deutlich, dass auch andere Maßnahmen in Betracht kommen. Gegen das enge Normverständnis der Klägerin spricht auch die als Anlage B8 vorgelegte Aktennotiz des … vom 11.05.2015 (Bl. 492 d.A.), wonach der zuständige Referent des die Hinweise GW 315 herausgebenden … ausdrücklich erklärt hat, dass keine Verpflichtung bestehe, eine unterirdische Gaspipeline vor einer Spundung zunächst freizulegen. Für die Beklagten zu 2) bis 6) waren keine konkreten Anhaltspunkte für eine von den Plänen abweichende Lage der Leitung ersichtlich, welche über die – in den Hinweisen GW 315 berücksichtigte – abstrakte Möglichkeit eines abweichenden Leitungsverlaufs durch Bodenabtragungen, -aufschüttungen, -bewegungen oder durch Maßnahmen Dritter hinausgingen.
Im Übrigen hat – worauf der Senat bereits hingewiesen hat – die Beweisaufnahme ergeben, dass eine Suchschachtung begonnen wurde; deren Abbruch ist den Beklagten zu 2) bis 6) nicht anzulasten, auch ergaben sich hieraus keine (neuen) Erkundungs- und Sicherungspflichten.
b) Der Unfall war für die Beklagten zu 2) bis 6) zudem auch nicht vermeidbar.
(1) Der Schuldner handelt nur dann fahrlässig, wenn er den Eintritt des schädigenden Erfolges vermeiden konnte und musste. Da ein jegliche Gefahr vermeidendes Verhalten aber utopisch ist, ist der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt genügt, wenn derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die im entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (BGH, Urteil vom 05.07.2019, Az. V ZR 96/18, Juris). Eine Haftung setzt zudem voraus, dass die Rechtsgutsverletzung bei rechtmäßigem Alternativverhalten nicht eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 10.07.2018, Az. II ZR 24/17, Rn. 38 ff., Juris; BeckOK-BGB/Lorenz, 63. Aufl. 2022, § 276 Rn. 31). Eingedenk dessen war die Gasexplosion mit ihren Folgen für die Beklagten zu 2) bis 6) unvermeidbar.
(2) Die Beklagten haben den nach der Verkehrsauffassung erforderlichen Sicherheitsanforderungen Genüge getan. Da Tiefbauarbeiten stets mit Risiken behaftet sind, wäre eine vollständige Risikovermeidung nur möglich gewesen, wenn die Beklagten zu 2) bis 6) die Bauarbeiten unterlassen hätten. Das kann ersichtlich von Rechts wegen nicht gefordert werden. Maßgeblich ist deshalb, ob die Beklagten zu 2) bis 6) diejenigen Sicherheitsmaßnahmen beachtet haben, die bei entsprechenden Tiefbauarbeiten nach der Verkehrsauffassung für erforderlich gehalten werden. Auch diese Verkehrsauffassung findet ihren Niederschlag in gesetzlichen Regelungen und privatrechtlichen Normen einschließlich der jeweiligen Konkretisierung durch die Rechtsprechung. Der Senat hat die diesbezüglichen Anforderungen bereits dargestellt. Festzustellen ist insoweit, dass die Beklagten zu 2) bis 6) die aus § 16 VBG 37 resultierenden Anforderungen eingehalten hatten, so dass ihnen kein verkehrssicherungspflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist.
(3) Doch auch unterstellt, die von den Beklagten zu 2) bis 6) ergriffenen Sicherheitsvorkehrungen wären hinter den Anforderungen zurückgeblieben, ergäbe sich keine Haftung. Denn auch bei einer händischen Freilegung der Gasleitung wäre es zum Unfall gekommen. Aufgrund der verringerten Wandstärke der Gasleitung wäre es bei Abnahme des Erddrucks in jedem Fall zum Bersten der Leitung gekommen. Zu diesem Ergebnis ist die Kammer verfahrensfehlerfrei gelangt. Die Berufung vermag keine Anhaltspunkte aufzuzeigen, die insoweit Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Die Beklagte zu 7) moniert, dass aus den Gutachten der Sachverständigen … und … keine Feststellungen über den tatsächlichen, sondern nur über einen hypothetischen Kausalverlauf herleitbar sind. Eben dieser hypothetische Kausalverlauf ist indes maßgeblich für die Beurteilung, ob es auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten (die Rechtsauffassung der Klägerin unterstellt) zum Unfall gekommen wäre.
Die Kammer hat beide Sachverständigen angehört. … hat aufgrund eigener Untersuchungen angegeben, dass das Gasrohr schon vor dem Unfall von innen her an drei Stellen ausgedünnt gewesen sei. Die dünnste Stelle des durch die Explosion beschädigten Rohrs auf Höhe des Längsrisses habe 1,8 mm betragen. Der Sachverständige … hat angegeben, ein 3-D-Modell erstellt und computergestützte Berechnungen anhand zahlreicher Messpunkte im Bereich der metallischen Anomalie durchgeführt zu haben, um die tatsächliche Rohrwandstärke vor der Explosion zu ermitteln. Diese Berechnung ergab eine deutlich dünnere Wandstärke als diejenige, welche die Sachverständige … an dem durch die Explosion beschädigten Rohr gemessen hatte, nämlich nur 0,2 mm. Diesen Wert korrigierte der Sachverständige … nach Versuchsreihen mit einem nachgebauten Rohrstück auf 0,4 mm bis höchstens 0,8 mm. Hiermit konfrontiert, hat die Sachverständige … ausdrücklich bestätigt, dass diese Wandstärke bereits vor der Explosion vorgelegen habe (Bl. 1145 d.A.)
Der Sachverständige … hat weiter dargelegt, für die Frage, ob die Leitung auch durch bloße Entfernung des Erdreichs geborsten wäre, seien drei Parameter zu beachten: Die Wandstärke, der Innendruck im Rohr und der Erddruck von oben. Während die Leitung bei einer Wandstärke von 0,8 mm und einer Erdüberdeckung von vier bis fünf Metern nicht geborsten wäre, komme es bei einer Wandstärke von 0,4 mm auf die Dichte und das Gewicht des darüber liegenden Materials an. Wenn durch das hierdurch entstehende Loch Gas ausgetreten wäre, hätte sich ein zündungsfähiges Gemisch bilden können. Diese Ausführungen des Sachverständigen … sind konsistent mit denjenigen aus seinem schriftlichen Gutachten vom 01.08.2019 (Anlage B 6-3, Bl. 384 ff. d.A.) und aus seiner Anhörung im Verfahren vor dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) mit dem Az. 7 O 588/18 vom 11.01.2021 (Bl. 883 ff.) Die Kammer durfte auf dieser Grundlage feststellen, dass es bei Abnahme des Erddrucks in jedem Fall, insbesondere auch bei händischer Freilegung, zum Bersten der Leitung gekommen wäre.
(4) Ein Fehler liegt nicht darin, dass sich die Kammer nicht mit dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen … vom 25.01.2016 (Anlage K11, Bl. 103 ff. d.A.) auseinandergesetzt hat. In diesem Ergänzungsgutachten ist der Sachverständige … der Frage nachgegangen, ob das Freilegen der Leitung zu einer Undichtigkeit an der schwächsten Stelle führen kann, da in dieser Situation der schützende Erddruck fehlt und es infolgedessen zu einem vergleichbaren Unfall kommen kann, wie ihn das Eindringen der Spundbohle ausgelöst hat. Im Ergebnis stellt der Sachverständige … fest: „Hieraus kann mit großer Wahrscheinlichkeit gefolgert werden, dass in dieser Situation kein weiterer Riss entstanden wäre, der die vorgefundene Länge erreicht hätte.“ Ob es nicht dennoch zu einer Explosion hätte kommen können, erörtert der Sachverständige … nicht. Der Sachverständige … hingegen hat sich explizit mit dieser Frage auseinandergesetzt und sie mit der Begründung bejaht, dass das Loch, welches bereits durch eine Erdabtragung entstanden wäre, eine beachtliche Größe von 6 cm² aufgewiesen hätte und sich durchaus ein zündungsfähiges Gemisch hätte bilden können (Bl. 1145 d.A.) Dass ein Bersten des Rohrs „bereits während des Freilegens trotz restlicher Überdeckung infolge des Betriebsdrucks“ möglich gewesen wäre, hat indes der Sachverständige … selbst in seinem Gutachten vom 29.09.2016 (dort S. 7) bestätigt.
II. Die Klägerin kann das erstinstanzliche Urteil nicht erfolgreich mit der Begründung angreifen, die Kammer habe zu Unrecht eine Haftung des Beklagten zu 1) wegen der Verletzung von Schutz- oder Verkehrssicherungspflichten verneint. Zwar trafen den Beklagten zu 1) als Arbeitgeber der beiden Verunglückten die Schutzpflichten aus § 618 Abs. 1 BGB. Jedoch wurden die Arbeiten auf der Baustelle nicht unter der Anordnung und Leitung des Beklagten zu 1), sondern der Beklagten zu 2) vorgenommen. Richtig ist, dass die – faktische – Überlassung der Versicherten an die Beklagte zu 2) nicht dazu führte, dass sich der Beklagte zu 1) aller seiner Schutzpflichten als Arbeitgeber entledigte. Vielmehr besteht in einer solchen Konstellation eine Kooperationspflicht zur effektiven Sicherstellung des Arbeitsschutzes (§ 8 Abs. 1 ArbSchG), was im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zu einer gesamtschuldnerischen Haftung des Verleihers und des Entleihers für die Einhaltung des Arbeitsschutzrechts führen kann (BGH, Urteil vom 18.11.2014, Az. VI ZR 47/13, Rn. 21, Juris; vgl. auch § 11 Abs. 6 AÜG).
Allerdings ergibt sich auch dann, wenn man diese Regeln auf faktische Arbeitnehmerüberlassungen anwendet, keine Haftung des Beklagten zu 1). Denn es ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass der Beklagte zu 1) gegen die Kooperationspflicht verstoßen hat; ebenso wenig, dass der streitgegenständliche Unfall auf eine solche Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Der Unfall hätte nicht durch eine (weitere) Unterrichtung und Abstimmung bezüglich der mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten verhindert werden können. Gleiches gilt hinsichtlich der Bestellung eines Koordinators gemäß § 3 Abs. 1 BaustellV. Derartige Maßnahmen hätten nicht dazu geführt, dass die eingesetzten Arbeitskräfte Kenntnis über den tatsächlichen Verlauf der Gasleitung erlangt hätten. Verkehrssicherungspflichten in Bezug auf die Baustelle oblagen dem Beklagten zu 1) schon deshalb nicht, weil nicht er, sondern allein die Beklagte zu 2) gegenüber der Beklagten zu 7) zur Durchführung der Bauarbeiten verpflichtet war. Der Beklagte zu 1) hatte mit der Baustelle nichts zu tun, weshalb er sie auch nicht sichern musste.
III. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten zu 8) und 9). Dabei kann wiederum dahinstehen, ob diese in den Genuss der Haftungsprivilegierung nach § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII kommen. Ihre Haftung besteht bereits dem Grunde nach nicht.
1. Hinsichtlich des Beklagten zu 8) ermangelt es – wie bereits die Kammer zutreffend festgestellt hat – an einer i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB haftungsbegründenden Verletzungshandlung.
Die Klägerin hat für ihre Behauptung, der Beklagte zu 8) habe die Spundungsarbeiten freigegeben, keinen Beweis angeboten und ist insofern beweisfällig geblieben. Ihr Einwand, sie habe bereits mit der Klage die Sorgfaltspflichtverletzungen des Beklagten zu 8) auf Basis der Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens im Einzelnen dargelegt und unter Beweis gestellt, namentlich auf S. 34 der Klageschrift Zeugen- und Sachverständigenbeweis dafür angeboten, wie der Beklagte zu 8) hätte vorgehen müssen, geht fehl. An der betreffenden Stelle hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass der Beklagte zu 8) die Freigabe der Spundungsarbeiten „zu keinem Zeitpunkt erteilt“ habe. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung ist diesem Vortrag nicht zu entnehmen, weshalb auch den dort genannten Beweisangeboten nicht nachzugehen war.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorwurf, der Beklagte zu 8) sei „durch die Anweisung, trotz erfolgloser Suche der Gaspipeline Spundwände in die Tiefe zu rammen/zu rütteln, mitverantwortlich für die groben Verstöße gegen Arbeitssicherheitsbestimmungen mit der Folge der Gasexplosion.“ Dieser Vortrag ist nicht hinreichend substantiiert, denn es geht daraus nicht hervor, ob „Anweisung“ tatsächlich die – auch nach der Klägerin (vgl. etwa S. 34 der Klageschrift) erforderliche – finale Freigabe der Spundungsarbeiten meint oder lediglich eine im Rahmen einer Vorbesprechung erfolgte Anweisung, welche noch unter dem Vorbehalt der Freigabe stand. Sollte die finale Freigabe gemeint gewesen sein, wäre der Vortrag unbeachtlich, da die Klägerin selbst an späterer Stelle (S. 34 der Klageschrift) das genaue Gegenteil vorgetragen hat (s.o.) Selbst bei unterstellter Beachtlichkeit des Vortrags änderte sich im Ergebnis nichts, da die Klägerin diesen Vortrag nicht unter Beweis gestellt hat und beweisfällig geblieben ist. Insbesondere hat der Zeuge … im Termin vom 03.09.2021 den Vortrag der Klägerin nicht bestätigt. Dieser hat im Gegenteil erklärt, er habe „nichts davon mitbekommen, ob und wer freigegeben hat bzw. erklärt hat, dass mit den Spundungsarbeiten begonnen werden könne“ (Bl. 1142 d.A.)
Entsprechendes gilt für den Vorwurf, der Beklagte zu 8) habe es unterlassen, die Spundungsarbeiten zu verhindern. Wie der Beklagte zu 8) dies konkret hätte bewerkstelligen sollen, bleibt offen. Die Klägerin selbst trägt vor, der Beklagte zu 5) habe in einer Vorortbesprechung zwei Tage vor dem Unfall gegenüber seinen Mitarbeitern und Mitarbeitern des Beklagten zu 1) mitgeteilt, dass der Beklagte zu 8) und sein vor Ort eingesetzter Vertreter, der Beklagte zu 9), auf jeden Fall das letzte Wort hinsichtlich des Beginns der Spundungsarbeiten hätten (vgl. bereits Klageschrift S. 13 f.) Wenn dies aber bekannt war und mit allen Beteiligten kommuniziert wurde, ist nicht ersichtlich, was der Beklagte zu 8) noch hätte tun sollen, um den Beginn der Spundungsarbeiten zu verhindern. Eine ununterbrochene persönliche Anwesenheit auf der Baustelle war vor dem Hintergrund der getroffenen Absprache jedenfalls nicht zu fordern.
Ohnehin lässt sich dem Beklagten zu 8) keine Fahrlässigkeit vorwerfen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass dieser von den Problemen bei der Planerstellung wusste und daher hätte erkennen können, dass die Gasleitung möglicherweise abweichend vom Plan verläuft, würde es jedenfalls an einer Vermeidbarkeit des Unfalls bei pflichtgemäßem Verhalten fehlen. Denn auch bei einem händischen Freilegen der Gasleitung wäre es – wie bereits dargestellt – zur Gasexplosion gekommen.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 9). Für diesen war der Unfall aus Sicht ex ante weder erkennbar noch vermeidbar. Der Beklagte zu 9) war zwar als Mitarbeiter der Beklagten zu 7) auf der Baustelle. Im Gegensatz zu dem Beklagten zu 8) wusste er aber nichts von Problemen bei der Planerstellung. Er hatte demnach ebenso wenig Anhaltspunkte für einen von den Plänen abweichenden Leitungsverlauf wie die Beklagten zu 2) bis 6). Selbst wenn man dem Beklagten zu 9) also einen kausalen Beitrag für den Beginn oder die Nichtverhinderung der Spundungsarbeiten zuweisen wollte, wäre ihm ebenso wenig wie den Beklagten zu 2) bis 6) ein Sorgfaltsverstoß vorwerfbar; zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die dortigen Ausführungen Bezug.
IV. Die Berufung der Klägerin ist allerdings erfolgreich, soweit sie sich gegen die Beschränkung der Haftung der Beklagten zu 7) auf einen Anteil von 85% richtet.
Die Beklagte zu 7) haftet den Versicherten für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls gemäß §§ 2 Abs. 1, 5 HaftPflG und damit – i.V.m. § 116 SGB X – auch der Klägerin. Demnach ist der Inhaber einer Anlage im Sinne des HaftPflG verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass durch die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe ausgehen, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Auf ein Verschulden des Betreibers kommt es insoweit nicht an.
Die Kammer hat das Vorliegen der haftungsbegründenden Voraussetzungen – welche im Übrigen auch von der Beklagten zu 7) nicht bestritten werden – fehlerfrei festgestellt. Allerdings haftet die Beklagte zu 7) zu 100%. Zwar können nach herkömmlicher Rechtsprechung in Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre. Dies beruht auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden allein tragen zu lassen (BGH, Urteil vom 18.11.2014, Az. VI ZR 47/13, Rn. 19, Juris). Allerdings liegt keine gestörte Gesamtschuld vor, da die Beklagten zu 1) bis 6) sowie zu 8) und 9) für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls nicht einzustehen haben.
B. Die Berufung der Beklagten zu 7) hat keinen Erfolg.
I. Die Beklagte zu 7) wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzlich festgestellte Haftungsquote auf mehr als 30%. Ob der Kammer insoweit Rechtsfehler unterlaufen sind, kann dahinstehen. Denn die übrigen Beklagten haften der Klägerin nicht; auf der Grundlage des der Kammer und dem Senat unterbreiteten Sachverhalts lässt sich zu deren Lasten kein schuldhaftes Fehlverhalten feststellen. Die Beklagte zu 7) haftet demnach verschuldensunabhängig zu 100%.
II. Die dem Klageantrag zu 1 zugrunde liegenden Leistungen der Klägerin an den Versicherten … bzw. dessen Rechtsnachfolger in Höhe von 89.886,38 € sind zwischen den Parteien unstreitig. Ebenso ist unstreitig, dass die Klägerin an den Versicherten … Leistungen in Höhe von 250.163,69 € erbracht hat, welche – abzüglich des Vorschusses von 150.000,00 € – dem ursprünglichen Klageantrag 3 (100.163,69 €) zugrunde liegen. Den – zwar nicht für den Zahlungsantrag, aber für den Feststellungsantrag relevanten – Einwand der Beklagten zu 7), die Klägerin habe den „frei anrechenbaren Vorschuss“ nicht ohne weiteres mit der Forderung in Höhe von 250.163,69 € verrechnen dürfen, hat die Kammer zutreffend für unbeachtlich gehalten. Denn das Recht zur Tilgungsbestimmung stand nicht der Beklagten zu 7), sondern der Klägerin zu, das diese bereits ausgeübt hat.
Die Beklagte zu 7) hatte der Klägerin das Recht eingeräumt, die Erfüllung nach § 366 BGB zu bestimmen. Zwar wird die Zahlung eines „frei anrechenbaren Vorschusses“ bisweilen mit der Zahlung unter Verrechnungsvorbehalt gleichgesetzt (so OLG Stuttgart, Urteil vom 03.12.2002, Az. 12 U 124/01, Rn. 127, Juris). Behält sich der Schuldner die an sich bereits mit der Leistung zu treffende (vgl. § 366 Abs. 1 BGB) Verrechnungsbestimmung vor, kann hierin das Angebot auf Abschluss eines Vertrags liegen, mit dem der Schuldner zu einer erst nach Leistung erfolgenden Verrechnungsbestimmung ermächtigt wird; dieser Vertrag wird durch die Entgegennahme der Zahlung stillschweigend angenommen. Will der Gläubiger in diesem Fall das Bestimmungsrecht zum Erlöschen bringen, muss er den Schuldner auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist von seinem Recht Gebrauch zu machen (OLG Köln, Urteil vom 11.06.2015, Az. 8 U 54/14, Juris).
Indes wird ein Gläubiger eine Erklärung des Schuldners bei Zahlung, es handele sich um einen „frei verrechenbaren Vorschuss“, i.d.R. nicht im Sinne eines Verrechnungsvorbehalts verstehen. Hierzu müsste die Erklärung eine Konkretisierung dahin enthalten, dass der Vorschuss gerade für den Schuldner frei anrechenbar sein soll. Derartiges ist im Streitfall aber weder vorgetragen noch ersichtlich. Ohne weitere Konkretisierung ist aus objektiver Sicht eines durchschnittlichen Erklärungsempfängers die Bezeichnung der Zahlung als „frei anrechenbaren Vorschuss“ vielmehr so verstehen, dass er – der Gläubiger – den Vorschuss frei mit seinen noch offenen Forderungen gegen den Schuldner verrechnen darf. Dies gilt umso mehr, als bei Vorschusszahlungen gegenüber Sozialversicherungsträgern höchstrichterlich anerkannt ist, dass es dem Sozialversicherungsträger überlassen bleiben muss, auf welche offenen Forderungen er den Vorschuss verrechnet (BGH, Urteil vom 11.06.1985, Az. VI ZR 61/84, Rn. 12, Juris).
C. Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung hat zum Teil Erfolg.
I. Sie ist allerdings unzulässig, soweit die Klägerin Regress wegen weiterer Rentenleistungen an den Versicherten … nimmt (neuer Antrag zu 5 i.H.v., 23.568,97 €).
1. Bei der Klageerweiterung handelt es sich um eine nachträgliche Klagehäufung. Diese ist prozessual wie eine Klageänderung zu behandeln (BGH, Urteil vom 10.01.1985, Az. III ZR 93/83, Juris). Ihre Zulässigkeit ist an §§ 533, 263 ZPO, nicht aber an § 264 ZPO zu messen, wenn die neuen Anträge – wie im Streitfall – auch neue Streitgegenstände betreffen (BGH, Urteil vom 04.07.2004, Az. V ZR 298/13, Juris).
Die Beklagten haben nicht in die Klageänderung eingewilligt, allerdings ist diese sachdienlich i.S.v. § 533 Nr. 1 ZPO. Hierbei kommt es nicht auf die Interessen der Partei an, sondern vielmehr darauf, ob und inwieweit aus objektiver Sicht im bereits anhängigen Rechtsstreit die zwischen den Parteien umstrittenen Umstände geklärt werden können und ein andernfalls drohender weiterer Rechtsstreit vermieden werden kann (BGH, Urteil vom 17.01.1951, Az. II ZR 16/50, Juris). Maßgebend ist insoweit der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit (BGH, Urteil vom 21.02.1975, Az. V ZR 148/73, Juris). Deshalb steht der Sachdienlichkeit einer Klageänderung im Berufungsrechtszug regelmäßig nicht entgegen, dass der Beklagte im Fall ihrer Zulassung eine Tatsacheninstanz verliert (BGH, Urteil vom 17.01.1951, Az. II ZR 16/50, Juris). Ebenso wenig berührt es die Zulässigkeit einer Klageänderung, dass aufgrund ihrer Zulassung möglicherweise neue Parteierklärungen und Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert wird (BGH, Urteil vom 05.05.1983, Az. VII ZR 117/82, Juris). Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung ist hingegen im Allgemeinen dann zu verneinen, wenn ein neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH Urteil vom 14.03.1983, Az. II ZR 102/82; Urteil vom 10.01.1985, Az. III ZR 93/83, Rn. 23 ff.; jeweils Juris).
Eingedenk dessen ist die Klageerweiterung sachdienlich. Mit den neuen Anträgen zu 2 und 5 begehrt die Klägerin die Erstattung weiterer Aufwendungen, die ihr infolge des Unfallereignisses vom 23.10.2014 entstanden sind. Dem Grunde nach beruhen die Ansprüche auf den gleichen Umständen wie die bereits streitgegenständlichen Ansprüche. Demnach kann das Ergebnis der bisherigen Prozessführung auch für die Beurteilung der neuen Ansprüche verwertet und insoweit ein neuer Rechtsstreit vermieden werden.
2. Allerdings können nur die Ansprüche auf weiteren Ersatz von gezahlter Witwenrente (Antrag zu 2: 13.460,72 €) und von erbrachten Sachleistungen (Antrag zu 5 i.H. eines Teilbetrages von 3.861,97 €) auf Tatsachen gestützt werden, die der Berufungsentscheidung zugrunde zu legen sind.
Die weiteren Ansprüche der Klägerin fußen – im Hinblick auf die Haftung dem Umfang nach – allesamt auf Umständen, die erstinstanzlich weder vorgetragen noch streitgegenständlich waren. Neue Tatsachen finden in der Berufung nur unter den Voraussetzungen von § 531 ZPO Berücksichtigung. In Bezug auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO liegt eine auf Nachlässigkeit beruhende Verspätung dann vor, wenn eine Partei entscheidungserhebliche Umstände erst in zweiter Instanz vorträgt, obwohl ihr diese Umstände und deren Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung der ersten Instanz bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (BGH, Urteil vom 19.03.2004, Az. V ZR 104/03, Juris). Hiervon ist weitestgehend für den neuen Vortrag auszugehen. Die mündliche Verhandlung in erster Instanz fand am 03.09.2021 statt. Die mit Antrag zu 2 geltend gemachte Witwenrente wurde von der Klägerin im Zeitraum März bis Dezember 2020 an die Witwe des verstorbenen … ausgezahlt. Die mit Antrag zu 5 geltend gemachte Verletztenrente wurde von der Klägerin im Zeitraum 29.09.2015 bis 31.12.2020 an den Versicherten … ausgezahlt. Abgesehen von der Apothekensammelrechnung vom 21.09.2021 stammen auch die mit Antrag zu 5 geltend gemachten Kosten für Sachleistungen (3.861,97 €) aus einer Zeit mindestens ein halbes Jahr vor der mündlichen Verhandlung. Ein plausibler Grund, weshalb diese Positionen nicht bereits in der ersten Instanz geltend gemacht wurden, ist – abgesehen von der Apothekensammelrechnung – weder geltend gemacht noch nach Aktenlage ersichtlich.
Allerdings ist im Berufungsverfahren neuer Sachvortrag zu berücksichtigen, soweit er unstreitig (geblieben) ist (BGH, Beschluss vom 13.01.2015, Az. VI ZR 551/13, Rn. 5, Juris). Für die Frage des Bestreitens kommt es – da die Ansprüche gegenüber den übrigen Beklagten bereits dem Grunde nach nicht bestehen – ausschließlich auf das Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 7) an. Die Beklagte zu 7) hat mit Schriftsatz vom 21.02.2022 (Bl. 371 d.A.) bezüglich der Verletztenrente „bestritten, dass die in den vorgelegten Aufstellungen enthaltenen Angaben zum jeweils erzielbaren fiktiven Netto-Einkommen zutreffen und dass ein Haushaltsführungsschaden entstanden ist.“ Im Übrigen sind die geltend gemachten Positionen unstreitig geblieben. Dies hat die Beklagte zu 7) ausdrücklich für die Sachleistungen in Höhe von 3.861,97 € erklärt (Schriftsatz vom 21.02.2022, S. 5, Bl. 370 d.A.) Doch auch bezüglich der mit Antrag 2 geforderten Witwenrentenerstattung (13.460,72 €) hat die Beklagte zu 7) keine Tatsachen bestritten, sondern nur auf ihrer Meinung nach bestehende Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht (Schriftsatz vom 21.02.2022, S. 5, Bl. 370 d.A.)
Während diese Ansprüche mithin zu verbescheiden sind, gilt etwas anderes für die mit dem neuen Antrag zu 2 ebenfalls geltend Ersatzansprüche wegen weiterer Verletztenrenten an den Verletzen Stehling i.H.v. 23.568,97 €. Die Beklagte zu 7) hat diese Leistungen zwar nur „einfach“ bestritten; dies genügte indes den Anforderungen des § 138 ZPO. In der Regel hat sich jede Partei zu den Behauptungen des Prozessgegners substantiiert zu äußern, d.h., sie muss grundsätzlich mit näheren positiven Angaben erwidern (BGH, Urteil vom 11.03.2010, Az. IX ZR 104/08, Rn. 16, Juris). Allerdings hängt das Maß der erforderlichen Substantiierung vom Vortrag des Gegners ab (BGH, Urteil vom 04.04.2014, Az. V ZR 275/12, Rn. 11, Juris). Im Streitfall beschränkt sich der Vortrag der Klägerin darauf, dass es sich um „übergangsfähige bzw. erstattungsfähige Verletztenrentenzahlungen der Klägerin für die Zeit zwischen dem 29.09.2015 und dem 31.12.2020“ handele. Im Übrigen hat die Klägerin auf die betreffenden Anlagen K43-47 verwiesen. Ergänzend hat sie mit ihrem als Anlage K48 zum Schriftsatz vom 16.03.2022 eingereichten Schreiben vom 10.03.2022 (Bl. 395 f. d.A.) vorgetragen, man könne ihrer Abrechnung der Verletztenrente entnehmen, dass der übergangsfähige und im Klageverfahren geltend gemachte Anteil der Verletztenrente aus der Differenz des fiktiven Verdienstes zzgl. des Hausarbeitsschadens abzgl. des tatsächlichen Verdienstes bestehe.
Dieser Vortrag ist indes unschlüssig. Die Summe der in den Verletztenrentenabrechnungen (Anlagen K43 und K44) genannten „Gesamtsummen“ (Anlage K43: 14.685,85 €; Anlage K44: 8.883,12 €) ergibt zwar den geltend gemachten Betrag von 23.568,97 €. Auch hat die Klägerin ihre Berechnungsgrundlage mit den Anlagen K43-46 offengelegt. Jedoch stimmen die Angaben zum gesamten tatsächlichen und fiktiven Einkommen der Jahre 2015 bis 2020 in der Verletztenrentenabrechnung (Anlagen K43 und K44) nicht mit den entsprechenden Werten in den Arbeitgeber-Fragebögen (Anlagen K45 und K46) überein.
Für das Jahr 2015 sind als Gesamtwerte in der Verletztenrentenabrechnung (Anlage K43, Bl. 130 d.A.) ein fiktives Nettoeinkommen von 6.904,91 € und ein tatsächliches Nettoeinkommen von 6.626,58 € angegeben. Der entsprechende Fragebogen (Anlage K45, Bl. 132 d.A.) weist hingegen ein fiktives Nettoeinkommen von 6.626,58 € und ein tatsächliches Nettoeinkommen von 9.006,38 € aus. Die jeweilige Differenz zwischen tatsächlichem und fiktivem Einkommen, woraus sich der Schaden berechnet, ist im Fragebogen (2.379,80 €) mithin deutlich größer als in der Verletztenrentenabrechnung (278,33 €). Sie lässt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Hausarbeitsschadens in Höhe von 250,76 € (Anlage K43, Bl. 130 d.A.) bereinigen, zumal dieser auch im Arbeitgeber-Fragebogen nicht berücksichtigt ist.
Für das Jahr 2016 sind als Gesamtwerte in der Verletztenrentenabrechnung (Anlage K43, Bl. 130 d.A.) ein fiktives Nettoeinkommen von (2 x 13.135,38 € =) 26.270,76 € und ein tatsächliches Nettoeinkommen von (11.260,14 € + 11.926,14 € =) 23.186,28 € angegeben. Der entsprechende Fragebogen in Anlage K45 (Bl. 132 d.A.) stimmt zwar hinsichtlich des fiktiven Einkommens mit der Verletztenrentenabrechnung (Anlage K43) überein (26.270,76 €), weist jedoch als tatsächliches Nettoeinkommen einen Gesamtwert von lediglich 22.520,22 € aus. Die jeweilige Differenz zwischen tatsächlichem und fiktivem Einkommen, woraus sich der Schaden berechnet, ist im Fragebogen (3.750,54 €) wiederum größer als in der Verletztenrentenabrechnung (3.084,48 €). Sie lässt sich nicht unter Berücksichtigung des Hausarbeitsschadens in Höhe von (2 x 502,56 € =) 1.005,12 € (Anlage K43, Bl. 130 d.A.) bereinigen, zumal dieser wiederum im Arbeitgeber-Fragebogen nicht berücksichtigt ist.
Ähnlich verhält es sich für die Folgejahre. Im Jahr 2017 beträgt die Differenz zwischen fiktivem und tatsächlichem Nettoeinkommen laut Verletztenrentenabrechnung (Anlage K43) 4.671,48 €, laut Fragebogen (Anlage K45, B 6 d.A.) hingegen 4.671,42 €. Im Jahr 2018 beträgt die Differenz zwischen fiktivem und tatsächlichem Nettoeinkommen laut Verletztenrentenabrechnung (Anlage K43) 3.310,28 €, laut Fragebogen (Anlage K45) hingegen 3.290,26 €. Im Jahr 2019 beträgt die Differenz zwischen fiktivem und tatsächlichem Nettoeinkommen laut Verletztenrentenabrechnung (Anlage K44) 3.461,56 €, laut Fragebogen (Anlage K45) hingegen 3.481,48 €. Im Jahr 2020 schließlich beträgt die Differenz zwischen fiktivem und tatsächlichem Nettoeinkommen laut Verletztenrentenabrechnung (Anlage K44) 3.171,84 €, laut Fragebogen (Anlage K46, Bl. 150 d.A.) hingegen 3.171,97 €.
Eingedenk dessen sind die Anlagen K43-46 nicht geeignet, den Klägervortrag zur Verletztenrente zu substantiieren, weshalb auch keine gesteigerten Anforderungen an das Bestreiten der Berechnungsgrundlagen durch die Beklagte zu 7) bestanden.
II. Soweit die neuen Klageanträge zulässig sind, sind sie gegenüber der Beklagten zu 7) begründet.
Zur Haftung dem Grunde nach gilt das Vorstehende. Die Beklagte zu 7) haftet zu 100% für die aus dem streitgegenständlichen Unfall resultierenden Schäden, die Haftung der übrigen Beklagten ist ausgeschlossen. Was die Haftung der Höhe nach anbelangt, ist folglich nur das Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 7) relevant. Unerheblich ist damit insbesondere die durch den Beklagten zu 6) erhobene Einrede der Verjährung.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte zu 7) auf Erstattung von Witwenrentenleistungen in Höhe von insgesamt 13.460,72 € (neuer Klageantrag zu 2). Hiervon entfallen 5.320,76 € auf die Zeit zwischen März 2020 und Juni 2020 sowie 8.139,96 € auf die Zeit zwischen Juli und Dezember 2020. Der Vortrag der Klägerin ist schlüssig. Die Berechnung der Witwenrente ist anhand der Anlagen K38 bis K41 nachvollziehbar. Zwar stimmt das von der Beklagten zu 1) bestätigte fiktive Nettoeinkommen für das Jahr 2020 (Anlage K 41) nicht mit dem Betrag überein, den die Klägerin in die Berechnung des Barunterhaltsschadens eingestellt hat (Anlage K 38). Die Differenz ist aber erklärbar durch die Verletztenrente, welche der Versicherte …von der … bezogen hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 7) ist die Verletztenrente bei der Berechnung der Witwenrente zu berücksichtigen. Gemäß § 18a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV sind bei Renten wegen Todes auch solche Leistungen als Einkommen zu berücksichtigen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Ein solches Einkommen stellt nach § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB IV die Verletztenrente dar.
Die Klägerin hat zudem einen Anspruch gegen die Beklagte zu 7) auf Ersatz von ihr an den Versicherten … erbrachten Sachleistungen (enthalten im neuen Antrag zu 5). Die Beklagte zu 7) hat in ihrem Schriftsatz vom 21.02.2022 (dort S. 5, B. 370 d.A.) ausdrücklich erklärt, dieser Position nicht entgegentreten zu wollen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO in Verbindung mit den Grundsätzen der Baumbach’schen Formel.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Es liegt eine Einzelfallentscheidung vor und der Senat weicht nicht von obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.