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Abgasskandal – deliktische Haftung des Fahrzeugherstellers

OLG Frankfurt, Az.: 17 U 45/19, Beschluss vom 25.09.2019

Gründe

I. Der Senat weist darauf hin, dass er von einer Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB dem Grunde nach ausgeht. An dieser Stelle ist auf folgende maßgeblichen Punkte einzugehen:

1. Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.

Abgasskandal  - deliktische Haftung des Fahrzeugherstellers
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Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögenschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 07. Mai 2019 – VI ZR 512/17 -, Rn. 8, juris m.w.N.). Maßgeblich können dabei die Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden sein, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris m.w.N.). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 07. Mai 2019 – VI ZR 512/17 -, Rn. 8, juris m.w.N.).

Die sittenwidrige Handlung lag hier in der Entwicklung und dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen, mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs, das zur Erlangung einer EG-Typgenehmigung mit einer Abschalteinrichtung versehen war.

Der in dem Fahrzeug des Klägers eingebaute Motor EA 189 war bei der Beklagten entwickelt worden und innerhalb des Konzerns zum markenübergreifenden weltweiten Einsatz in Dieselfahrzeugen vorgesehen und soll allein in Deutschland in rund 2,5 Mio. verkauften Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns eingebaut worden sein (becklink 2011642, beck-online). Der Motor war unstreitig werkseitig im Rahmen der Motorsteuerungssoftware mit einer Umschaltlogik versehen, die das Kraftfahrtbundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr.10, 5 Abs. 2 S. 1 VO 715/2007/EG angesehen hat.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, es läge lediglich eine innermotorische Maßnahme in Form der Abgasrückführung vor, die keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, steht dieser Vortrag bereits im Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten, nachdem sie den entsprechenden Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes vom 14.10.2015 trotz des damit verbundenen finanziellen Aufwandes und drohenden Imageschadens bestandskräftig hat werden lassen. Darüber hinaus binden Verwaltungsakte im Rahmen ihrer Bestandskraft andere Gerichte und Behörden und sind von ihnen, selbst wenn sie fehlerhaft sind, bis zu ihrer Aufhebung zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2006 – IX ZR 89/05 -, Rn. 14, juris m.w.N.). Es ist daher vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen (s. auch BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 -, Rn. 5 ff., juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18, Rn. 15, juris; Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 -, Rn. 91, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 26 ff. juris), so dass die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer EG-Typgenehmigung nicht vorlagen.

Wenn die Beklagte darauf verweist, der Bescheid entfalte allenfalls feststellende Wirkungen im Verhältnis zum Kraftfahrtbundesamt, greift dies zu kurz.

Die EG-Typgenehmigung benötigt der Hersteller für das Inverkehrbringen eines Kfz (Art. 4 Abs. 1 VO 715/2007/EG). Er ist zudem gesetzlich verpflichtet, auf dieser Grundlage den Käufern EG-Übereinstimmungsbescheinigungen (Art. 3 Nr. 36 RL 2007/46/EG, § 6 EG-FGV) zu erteilen, die diese für die Zulassung zum Straßenverkehr benötigen (Art. 3 Nr. 36 RL 2007/46/EG, § 6 EG-FGV). Mit den Übereinstimmungsbescheinigungen gibt der Hersteller ausweislich der mit Wirkung ab 29.04.2009 eingefügten Anlage IX der RL 2007/46/EG eine Erklärung ab, „in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte“, und die es „den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom Antragsteller zusätzliche technische Unterlagen anfordern zu müssen“.

Die Wirkung des Bescheids vom 14.10.2015 betraf, anders als dies die Beklagte meint, somit nicht allein die Beklagte als unmittelbare Adressatin, sondern auch die Erwerber der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge, die insoweit mit einer Betriebsuntersagung rechnen mussten, weil sich die Fahrzeuge im Hinblick auf die Abschalteinrichtung i.S.v. § 5 Abs. 1 FZV als nicht vorschriftsmäßig erwiesen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 17. August 2018 – 8 B 548/18 -, Rn. 25, juris; s. auch die weiteren Rechtsprechungsnachweise bei BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 -, Rn. 19, juris), zumal ihre Zulassung auf der Grundlage der erteilten EG-Typgenehmigung und der von der Beklagten als Herstellerin in Folge auszustellenden Übereinstimmungsbescheinigung, die einen Rechtsschein über die Typenkonformität des konkreten Fahrzeugs entfaltet, erfolgt war (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 20. März 2019 – 2 B 261/19 -, Rn. 6, juris m.w.N.).

Die Beklagte, auf deren Erklärungen es im Typgenehmigungsverfahren maßgebend ankam, hat damit gegen geltendes Recht verstoßen. Für die Erteilung der Typgenehmigung hatte sie gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt als Genehmigungsbehörde u.a. eine Beschreibung des Genehmigungsgegenstandes und entsprechende Prüfberichte (Art. 3 Nr. 37-39, 6 Abs. 3 RL 2007/46/EG i.V.m. § 3 Abs. 1, 4 FGV) vorzulegen. Die Abgabe falscher Erklärungen während des Genehmigungsverfahrens und die damit gleichgestellte Verwendung von Abschalteinrichtungen ist entsprechend sanktionsbewehrt (vgl. Art. 13 Abs. 2 (d) VO 715/2007/EG, §§ 25 Abs. 2, Abs. 3, 37 FGV).

Manipulationen und falsche Angaben, mit denen gegenüber Behörden die Einhaltung rechtlicher Vorgaben vorgespiegelt werden sollen, können – wie der Bundesgerichtshof bereits für die bewusste Umgehung ausländischer Embargobestimmungen entschieden hat (vgl. Urteil vom 20. November 1990 – VI ZR 6/90 -, Rn. 17 f., juris; Urteil vom 20. Oktober 1992 – VI ZR 361/91 -, Rn. 14, juris) – eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Dritten begründen. Erforderlich ist hierfür jedoch, dass dadurch sehenden Auges die Gefährdung von Vermögensinteressen unbeteiligter Dritter herbeigeführt wird und somit eine besondere Bedenkenlosigkeit gegenüber diesen fremden Vermögensbelangen zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1992 – VI ZR 361/91 -, Rn. 14, juris; vgl. Urteil vom 20. November 1990 – VI ZR 6/90 -, Rn. 17). Hierbei muss Sittenwidrigkeit gerade auch im Verhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger vorliegen, so dass der Rechtsverstoß in Beziehung zu den (Vermögens-) Interessen der Parteien zu setzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1990 – VI ZR 6/90 -, Rn. 17, juris).

So ist es auch hier: Wegen der vorhandenen Abschalteinrichtung war, wie oben dargestellt, die Typgenehmigung wie auch der Fortbestand der Zulassung der mit dem Motor EA 189 versehenen Fahrzeuge und damit auch des streitbefangenen Kfz von Anfang an in Frage gestellt (ebenso: BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 -, Rn. 20, juris). Dies lag aufgrund von Sinn und Zweck der EG-Typgenehmigung und des Systems des nationalen Zulassungsverfahrens auf der Hand und war für die Beklagte unschwer erkennbar.

Soweit die Beklagte anführt, die erteilte Typgenehmigung habe jederzeit unverändert fortbestanden; es sei lediglich eine Nebenbestimmung aufgenommen worden, verharmlost sie die konkret im Raum stehenden negativen Folgen für die bereits zugelassenen Fahrzeuge. Es handelte sich nicht bloß um eine anfängliche Nebenbestimmung im Sinne eines Vorbehalts oder einer Auflage (vgl. § 36 Abs. 2 VwVfG), sondern vielmehr um eine nachträgliche Nebenbestimmung, die zur Herstellung der (bei Erteilung der Typgenehmigung gerade nicht bestehenden) Vorschriftsmäßigkeit gemäß § 25 Abs. 2 FGV angeordnet wurde, die zudem mit einem verpflichtenden Rückruf verbunden war sowie der Ankündigung, dass im Falle der Nichtbefolgung der Widerruf drohen würde (§ 25 Abs. 3 FGV). Des Weiteren war die Beklagte gehalten, nicht nur die Abschalteinrichtung als solche zu beseitigen, sondern auch einen Fahrzeugzustand herzustellen, bei dem die Emissionsgrenzwerte im Prüfstand eingehalten werden würden. Insoweit spricht bereits der risikobehaftete Einsatz der Abschalteinrichtung als solcher dafür, dass letzteres auch hinsichtlich etwaiger negativer Auswirkungen auf den Motor sowie dessen Leistung und Verbrauch bei Inverkehrgabe nicht selbstverständlich bzw. unschwer erreichbar war. Insoweit hat auch die Freigabe der von der Beklagten in Erfüllung der nachträglichen Nebenbestimmung vorzunehmenden Maßnahme rund 8 Monate für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp beansprucht.

Die Beklagte hat damit sehenden Auges und bedenkenlos eine Gefahrensituation für die potentiellen Fahrzeugerwerber geschaffen. Aufgrund des breiten Einsatzes des betroffenen Motors EA 189 in unterschiedlichen Fahrzeugsegmenten und Marken hatte das Vorgehen ein hohes Gefahrenpotential. Die Gefährdung war dabei auch nicht lediglich eine zufällige Begleiterscheinung des Handelns. Die erfassten Fahrzeugtypen waren gerade, wenn nicht gar ausschließlich, zum Einsatz im öffentlichen Straßenverkehr vorgesehen und damit für eine zweckentsprechende Verwendung von einer Zulassungsfähigkeit abhängig (s. auch BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 -, Rn. 21 f., juris, zur Eignung i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Bei den Fahrzeugen handelte es sich um ein Wirtschaftsgut mit längerfristiger Lebensdauer, für dessen Erwerb – gerade aus Sicht von Verbrauchern – erhebliche finanzielle Mittel aufgewendet werden mussten. Die schon anfänglich tatsächlich nicht bestehende Tauglichkeit für die Zulassung zum Straßenverkehr stellte damit eine Gefährdung von gewichtigen Vermögensinteressen der Erwerber dar.

Die Beklagte hat dabei das Typgenehmigungsverfahren, das den freien Warenverkehr erleichtern und das Zulassungsverfahren innerhalb der Europäischen Union vereinfachen und erleichtern soll (vgl. Erwägungsgrund 1 der VO 715/2007/EG) und das dabei auf die Eigenverantwortung und Compliance der Hersteller setzt, für den Absatz einer makelbehaften Ware nutzbar gemacht, wobei ihr ihr guter Ruf als traditionelle deutsche Fahrzeugherstellerin, die für eine Gediegenheit ihrer Produkte und ihre auch durch die kapitalmäßige Beteiligung des Landes Bundesland1 bedingte Seriosität bekannt war, zugutekam. Ferner profitierte sie gezielt auch davon, dass es sich nicht um einen segmentierten Markt mit entsprechendem Fachwissen, sondern um ein einen Alltagsgegenstand handelte, bei dem das Zustandekommen der erforderlichen behördlichen Genehmigungen und der diesen zugrunde liegenden Messwerten vom angesprochenen Publikum als gegeben vorausgesetzt wird. Eine Wahrnehmung eigener objektiv berechtigter Interessen ist dabei nicht erkennbar.

Die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte gerade bei Dieselfahrzeugen stand auch im Focus des Typgenehmigungsverfahrens, mit dem gerade ein hohes Umweltschutzniveau sichergestellt werden sollte (vgl. Erwägungsgründe 1, 3, 4, 6 der VO 715/2007/EG). Im zeitlichen Kontext mit der ab dem Jahr 2008 begonnenen Serienproduktion des Motors EA 189, der die Abgasnorm Euro 5 erfüllen sollte, war der Umweltgedanke schon mit der entsprechenden Steuerung durch den europäischen und nationalen Gesetzgeber auch im besonderen Bewusstsein des Marktumfeldes und damit von maßgeblicher Bedeutung für das Marktverhalten. Diesbezüglich sind etwa die zeitlich stufenweise verpflichtende Einhaltung der Euro 5 und 6-Norm für Neufahrzeuge (vgl. Art. 10 VO 715/2007/EG mit Erwägungsgrund 6) zu nennen, wie auch die 2007 eingeführten Umweltzonen (Zeichen 270.1, 270.2 gemäß Anl. 2 zu § 41 StVO) und die am 13.01.2009 vom Bundeskabinett beschlossene sog. Abwrackprämie, die neben der Förderung der Nachfrage von Kfz nach der Finanzkrise zugleich die Schadstoffbelastung der Luft senken sollte (§ 2 ITFG, Nr. 4 der Förderrichtlinie vom 26.06.2009, BAnz. 2009, 2264). Letztere wurde auch vorliegend vom Kläger in Anspruch genommen. Die Bedeutung des Umweltaspekts wird ferner hier dadurch besonders deutlich, indem der vom Kläger ausgehandelte Preisnachlass als „VW-Umweltprämie“ bezeichnet wurde.

Danach ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig anzusehen (im Ergebnis ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 -, Rn. 84; OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 -, Rn. 28 f., juris). Auf die Frage, ob der Beklagten gleichzeitig eine Täuschung des jeweiligen Fahrzeugkäufers anzulasten ist und namentlich der Inverkehrgabe ein entsprechender positiver Erklärungswert beizumessen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18, Rn. 14, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 24, juris) oder eine Offenbarungspflicht verletzt wurde (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17, Rn.188, juris), kommt es hier nicht an.

2. Der Kläger hat auch einen Schaden erlitten. Dieser besteht bereits in der Eingehung der Zahlungsverpflichtung durch den mit dem Autohaus geschlossenen Kaufvertrag (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 -, Rn. 17-19, juris m.w.N.). Unabhängig vom tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des erworbenen Fahrzeuges wurde der Kläger durch die Verpflichtung zur Auszahlung des Kaufpreises belastet und sollte dafür ein Fahrzeug mit einer nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware erhalten, die eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der VO 715/2007/EG darstellt und damit die Zulassungsfähigkeit von Anfang an in Frage stellte (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 -, Rn. 34 f., juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18, Rn. 17, juris; Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 -, Rn. 97, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 81, 87, juris).

Der dem Kläger entstandene Schaden ist auch nicht durch die Durchführung des Software-Updates entfallen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs. Der Schadenseintritt war zu diesem Zeitpunkt erfolgt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 -, Rn. 47, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18, Rn. 20, 126, juris; Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 -, Rn. 98, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 98, juris).

Die sittenwidrige Handlung der Beklagten war ursächlich für den Kaufentschluss des Klägers. Die Beklagte hat den Motor des Fahrzeuges entwickelt und in den Verkehr gebracht.

Die mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeuge waren zum Einsatz im öffentlichen Straßenverkehr vorgesehen und wurden und werden auch weiterhin selbstverständlich unter der Prämisse der – tatsächlich hier nicht gegebenen – Zulassungsfähigkeit erworben. Selbst wenn die Entscheidung für das konkrete Fahrzeugmodell von einem breitem Motivbündel und einer Vielzahl von rationalen und irrationalen Faktoren getragen sein mag (vgl. auch BGH, Urteil vom 04. Dezember 2012 – VI ZR 378/11 -, Rn. 23, juris zum Anscheinsbeweis der Ursächlichkeit des Prospektfehlers für die unterbliebene Kündigung der Anlage), war die tatsächliche Nutzbarkeit im öffentlichen Straßenverkehr handlungsbestimmend für den Vertragsschluss über ein derartiges Fahrzeug. Ob sich der Käufer, der berechtigterweise auf die Zulassungsfähigkeit vertrauen darf und diese jedenfalls stillschweigend bei seiner Kaufentscheidung voraussetzt, darüber hinaus explizit unter anderem mit dem konkreten Schadstoffausstoß des Fahrzeuges auseinandergesetzt hat, ist demgegenüber nicht von entscheidender Bedeutung (vgl. im Ergebnis OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 -, Rn. 37, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18, Rn. 25, juris; Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 -, Rn. 84, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 91 f., juris). Vielmehr hat sich in der Kaufentscheidung zwingend gerade die Gefahrenlage verwirklicht, die von der Beklagten durch die Entwicklung und das Inverkehrbringen des manipulierten Fahrzeuges geschaffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 09. November 2017 – IX ZR 270/16 -, Rn. 23, juris), weil die Nutzbarkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr grundsätzlich nicht gegeben war. Hierbei handelt es sich um eine Monokausalität, die relativierender Betrachtungen nicht zugänglich ist.

Etwas anderes ergibt sich nicht etwa aus der zur haftungsbegründenden Kausalität fehlerhafter Ad-hoc-Publizität ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 3. März 2008 – II ZR 310/06 -, Rn. 15 ff., juris). Soweit dort zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung des ohnehin offenen Haftungstatbestandes der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (BGH, Urteil vom 3. März 2008 – II ZR 310/06 -, juris, Rn. 17) die Anwendung von § 826 BGB eingeschränkt wird, betrifft dies ausdrücklich nur den Bereich der sogenannten Informationsdeliktshaftung nach § 826 BGB, die fallbezogen an eine Täuschungshandlung im Vorfeld des Börsenganges anknüpft und vorliegend nicht einschlägig ist.

Soweit der Bundesgerichthof auch in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB treffe den Schädiger nur dann den haftungsbegründenden Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deswegen vorgenommen habe, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden sei (BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 – VI ZR 189/78 -, Rn. 18, juris; Oechsler in: Staudinger, BGB, Stand: 2018, § 826, Rn. 60, 149b, juris, wobei die von Oechsler bemühte „Transaktionskausalität“ hier verkürzt auf das Abgasverhalten und nicht auf die entscheidungserhebliche Zulassungsfähigkeit der Fahrzeuge bezogen wird; im Übrigen ist eine „Dauerkausalität“ kein Gesichtspunkt, der der Zurechnung per se entgegensteht; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – VI ZR 231/06 -, BGHZ 175, 58-67, Rn. 23, juris), rechtfertigt dies vorliegend ebenfalls keine andere Bewertung, weil in dieser Entscheidung das vermeintlich sittenwidrige Verhalten des dortigen Schädigers allein in der Verletzung einer Auskunftspflicht im Kontext der Einlösung eines Wechsels besteht. Hiermit ist das vorliegend in Rede stehende und unmittelbar vertragsrelevante Verhalten der Beklagten, die einen mit einer Manipulationssoftware ausgestatteten Motor entwickelt, diesen massenweise im Rahmen der Fahrzeugproduktion in unterschiedliche Fahrzeugmodelle integriert und diese mit der latenten Gefahr einer Betriebsuntersagung oder Beschränkung ausgestatteten Fahrzeuge (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 -, juris Rn. 22) in den Verkehr gebracht hat, nicht vergleichbar.

3. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht, worauf auch die Beklagte hinweist, durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Dies gilt unabhängig davon, auf welche Bestimmung die Haftung gestützt wird. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2014 – VI ZR 381/13 -, BGHZ 201, 263-271, Rn. 10 m.w.N.; Urteil vom 08. Mai 2018 – VI ZR 295/17 -, Rn. 30, juris). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Ein „äußerlicher“, gleichsam „zufälliger“ Zusammenhang genügt dagegen nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 22. September 2016 – VII ZR 14/16 -, BGHZ 211, 375-385, Rn. 14). Die Schadensersatzpflicht hängt zum einen davon ab, ob die verletzte Bestimmung überhaupt den Schutz Einzelner bezweckt und der Verletzte gegebenenfalls zu dem geschützten Personenkreis gehört. Zum anderen muss geprüft werden, ob die Bestimmung das verletzte Rechtsgut schützen soll. Darüber hinaus muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung und der geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Daran fehlt es in der Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist. Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu gewärtigen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2014 – VI ZR 381/13 -, BGHZ 201, 263-271, Rn. 10 m.w.N.; BGH, Urteil vom 08. Mai 2018 – VI ZR 295/17 -, Rn. 30, juris).

Auf eine derartige Eingrenzung der Haftung kann, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden. Ein Verhalten kann hinsichtlich der Herbeiführung bestimmter Schäden, insbesondere auch hinsichtlich der Schädigung bestimmter Personen, als sittlich anstößig zu werten sein, während ihm diese Qualifikation hinsichtlich anderer, wenn auch ebenfalls adäquat verursachter Schadensfolgen nicht zukommt. Die Ersatzpflicht beschränkt sich in einem solchen Fall auf diejenigen Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1985 – II ZR 109/84 -, BGHZ 96, 231-244, Rn. 15).

Ein solcher innerer Zusammenhang ist vorliegend bei wertender Betrachtung gegeben (im Ergebnis ebenso: OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 -, Rn. 39, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18, Rn. 41, juris; Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 -, Rn. 102, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 96, juris; a.A. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17 -, Rn. 188, juris). Indem die Beklagte im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens gegen dort einzuhaltende Vorschriften, namentlich Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO 715/2007/EG, verstoßen hat, hat sie in sittlich anstößiger Weise eine Gefahrenlage geschaffen, die auch den Rechts- und Interessenkreis der potentiellen Käufer des Fahrzeugtyps berührt, und zwar in einer nicht nur zufälligen Weise bzw. nicht aufgrund von Umständen, die dem allgemeinen Betrieb des Fahrzeugs schon für sich als übliches Risiko anhafteten.

Allerdings dient das Typgenehmigungsverfahren, wie oben dargestellt, zunächst der Erleichterung des freien Warenverkehrs und der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus durch Einführung einheitlicher Emissionsgrenzwerte. Insoweit kann jedoch das Typgenehmigungsverfahren nicht isoliert betrachtet werden. Dieses soll das Zulassungsverfahren innerhalb der Europäischen Union harmonisieren und insbesondere vereinfachen. Es ist daher in das nationale Zulassungsverfahren eingebettet, indem die Typgenehmigung die technische Prüfung u.a. des Fahrzeugemissionsverhaltens in den Mitgliedstaaten ersetzt und als Grundlage der verpflichtend auszustellenden Übereinstimmungsbescheinigung dient, die eine Rechtskonformität bestätigt und damit eine unbürokratische Zulassung des Fahrzeugs ohne weitere technischen Prüfungen ermöglicht. Dementsprechend nennt die Verpflichtung der nationalen Behörden in Art. 10 der VO 715/2007/EG die Typgenehmigung und die Zulassung in einem einheitlichen Kontext mit einem wechselbezüglichen Zusammenhang. Die Typgenehmigung ist eng mit der Zulassung, die der jeweilige Halter vorzunehmen hat, verbunden und soll im Falle der berechtigten Erteilung eine einfache Zulassung gewährleisten. Daher erfasst die hier vorliegende Schädigungsart gerade auch die Belange der Fahrzeughalter, die die Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs veranlassen müssen.

Aus den vorgesehenen Sanktionen (vgl. Art. 13 Abs. 2 (d) VO (EG) 715/2007, § 25 Abs. 2, Abs. 3, 37 FGV) wird ferner deutlich, dass nicht gesetzeskonforme Fahrzeuge nicht zum öffentlichen Straßenverkehr zugelassen werden oder nicht zugelassen bleiben sollen. Mit dem Typgenehmigungsverfahren soll, wie aufgezeigt, eine gezielte Steuerung des Marktgeschehens zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen vorgenommen werden (s. auch Erwägungsgründe 1, 4, 7 der VO 715/2007/EG). Diese Einflussnahme auf das Kaufverhalten der Verbraucher und der Wirtschaft lässt daher die zu schließenden Kfz-Kaufverträge nicht unberührt. Vielmehr erfasst die marktsteuernde Zielrichtung und Wirkung auch die auf zivilrechtlicher Ebene geschlossenen Verträge und daraus resultierende (Sonder-) Verbindungen (s. hierzu auch: BGH, Versäumnisurteil vom 10. November 2016 – III ZR 235/15 -, BGHZ 213, 1-18, Rn. 38). Ebenso wie bei einem Embargo aus rechtspolitischen Gründen die Einfuhr bestimmter Waren aufgrund ihrer Herkunft verhindert werden soll und entsprechende Vermögensgefährdungen durch Folgeverträge, die unter bewusstem Unterlaufen der Embargovorschrift sittenwidrig veranlasst wurden, als unter dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstanden zu entschädigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1992 – VI ZR 361/91 -, Urteil vom 20. November 1990 – VI ZR 6/90 -, ohne ausdrückliche Problematisierung), schlägt daher der Makel der Typgenehmigung, mit der der Abschluss von Kaufverträgen über nicht gesetzeskonforme Kraftfahrzeuge sittenwidrig veranlasst wurde, notwendigerweise auf das Verhältnis zwischen Käufer und anstößig Handelnden durch und erweitert den Schutzbereich auf den Erwerber.

In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Klärung, ob die Vorschriften über das Typgenehmigungsverfahren und die Übereinstimmungsbescheinigung über die bei Vertragsschluss schon eingefügte Anlage IX der RL 2007/46/EG gleichzeitig Schutzgesetzcharakter i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB haben, da einer uferlosen Haftung durch das Element der Sittenwidrigkeit bereits entgegengewirkt wird und dergestalt hier dem Schutzzweck der Norm eine andere Qualität zukommt.

Dass der in Rede stehende Kaufvertrag mit einem Vertragshändler geschlossen wurde, ändert hieran nichts. Die haftungsrechtliche Zurechnung wird nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Handlung noch weitere Ursachen zu dem eingetretenen Schaden beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn der Schaden erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt auch in derartigen Fällen nur, wenn die zweite Ursache den Geschehensablauf so verändert hat, dass der Schaden bei wertender Betrachtung nur noch in einem „äußerlichen“, gleichsam „zufälligen“ Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken dagegen – wie hier – in dem Schaden die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 55 m.w.N.; BGH, Versäumnisurteil vom 22. September 2016 – VII ZR 14/16 -, BGHZ 211, 375-385, Rn. 15).

4. Es liegt auch vorsätzliches Handeln der Beklagten vor (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 -, Rn. 42, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 61 f., juris).

Seitens der Beklagten ist die Typgenehmigung trotz vorhandener Umschaltlogik erwirkt worden, ohne dass sie auf einen glücklichen Ausgang in Bezug auf Zulassungsfähigkeit hätte vertrauen können. Es wurde vielmehr dem Zufall überlassen, ob die auf der Hand liegende Gefahr der Betriebsuntersagung sich zu Lasten der Käufer verwirklichen würde oder nicht, was den Schluss zulässt, dass die Beklagte mit dem Erfolg auch einverstanden war. Wie oben dargestellt, waren die maximal nachzuweisenden Emissionswerte zum Zeitpunkt der Typgenehmigung nicht ohne die Umschaltlogik zu erreichen. Das später unter Einbeziehung der neueren technischen Entwicklung geschaffene Software-Update stand noch nicht zur Verfügung. Insoweit sprechen die äußeren Umstände für das Vorliegen des Schädigungsvorsatzes (s. auch BGH, Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 244/17 -, Rn. 37, juris).

Die Beklagte muss sich mangels ausreichenden Bestreitens (§§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO) die Kenntnis der Entwicklung und des Einsatzes der auch vorliegend in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug eingebauten Umschaltautomatik ihrer gesetzlichen Vertreter oder sonst verantwortlich handelnder Mitarbeiter (vgl. nur Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 31 BGB, Rn. 6 m. w. N.) zurechnen lassen.

Eine weitergehende Darlegung der Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozesse ist dem Kläger nicht möglich, da sie seinem Wahrnehmungsbereich entzogen sind. Es war daher Sache der Beklagten, sich hierzu und zu dem Ergebnis der behaupteten Ermittlungen substanziell zu erklären.

II. Hinsichtlich der Schadenshöhe ist der Rechtsstreit indessen derzeit nicht entscheidungsreif.

Insoweit kann der Anspruchsinhaber im wie hier vorliegenden Dreipersonenverhältnis vom Schädiger die „Rückgängigmachung“ der Folgen des mit einem Dritten geschlossenen Vertrags verlangen, hierzu das Erlangte dem Schädiger zur Verfügung stellen und seine Aufwendungen ersetzt bekommen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 -, Rn. 28, juris). Er kann daher dem Grunde nach den von ihm in Höhe von 29.221,00 € aufgewendeten Kaufpreis unter Rückgabe des erlangten Fahrzeugs an die Beklagte zurückverlangen.

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ein Geschädigter im Wege des Schadensersatzes grundsätzlich nicht mehr erhalten soll als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil (vgl. BGH, Urteil vom 09. November 2017 – IX ZR 270/16 -, Rn. 24, juris). Nach dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot soll der Geschädigte nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis – hier bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung – stünde. Schadensmindernd zu berücksichtigen sind jedoch nur solche Vorteile, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmen, so dass sie dem Geschädigten zumutbar sind und den Schädiger nicht unbillig entlasten. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein. Diese Voraussetzungen liegen regelmäßig vor, soweit der Geschädigte durch die Schadensbeseitigung eigene Aufwendungen erspart (vgl. BGH, Urteil vom 04. April 2014 – V ZR 275/12 -, BGHZ 200, 350-362, Rn. 20, juris). Auch der Gläubiger einer Schadensersatzforderung, die sich auf unerlaubte Handlung stützt, muss bei der Errechnung seines Schadens eine Vorteilsausgleichung derart hinnehmen, dass auch die Vorteile berücksichtigt werden, die er durch die unerlaubte Handlung erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 02. Juli 1962 – VIII ZR 12/61 -, Rn. 5, juris).

Entgegen der in der Berufungsinstanz vertretenen Ansicht des Klägers ist auch in der vorliegenden Konstellation ein solcher Vorteilsausgleich sachgerecht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 -, Rn. 49, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18, Rn. 115, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 103 ff., juris). Die deutsche Zivilrechtsordnung sieht als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich vor. Generalpräventive Wirkungen bzw. eine Bestrafungs- und Abschreckungsfunktion sind nicht Aufgabe des Zivilrechts (vgl. BGH, Urteil vom 04. Juni 1992 – IX ZR 149/91 -, BGHZ 118, 312-351, Rn. 73 ff.).

Der Vorteilsausgleich ist dabei abzuziehen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schädigers bedarf (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., Vor § 249 Rn. 71).

Vorliegend hat sich die für die Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastete (vgl. BGH, Urteil vom 04. April 2014 – V ZR 275/12 -, BGHZ 200, 350-362, Rn. 22, juris) Beklagte darauf berufen, dass der Kläger, der in jedem Fall ein Fahrzeug kaufen wollte, das erworbene Fahrzeug bis zur Rückgabe für sich nutzen konnte und kann.

Der in Abzug zu bringende Nutzungsvorteil wird in der Rechtsprechung vielfach in Parallele zu der kaufrechtlichen Rechtsprechung zum Rücktrittsrecht mittels einer linear kilometeranteiligen Berechnung ermittelt, bei der die tatsächliche Laufleistung des betroffenen Fahrzeugs bis zur Rückabwicklung (Schluss der mündlichen Verhandlung) ins Verhältnis zur geschätzten Gesamtlaufleistung gesetzt und vom Kaufpreis in Abzug gebracht wird (vgl. allgemein: Gaier in: MünchKomm, BGB, 8. Aufl. 2019, § 346 Rn. 33; sowie konkret: OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, Rn. 108 ff., juris; s. auch die Rechtsprechungsnachweise bei Riehm, NJW 2019, 1105, Rn. 30).

Hiergegen wird eingewandt, dass diese Art der Berechnung für den Kunden wirtschaftlich günstig sei, weil die auf diese Weise berechnete Nutzungsentschädigung bei Kraftfahrzeugen in aller Regel deutlich hinter dem tatsächlichen Wertverlust des Fahrzeugs während der Nutzungsdauer zurückblieben. Diese Berechnungsweise, die mit Praktikabilitätserwägungen begründet werde, weil sie einfach zu berechnen sei, gehe allerdings auf die speziellen Wertungen des Rücktrittsrechts zurück, nach welchen der Käufer einer Sache im Falle der Rückabwicklung den objektiven Wert der gezogenen Nutzungen gemäß § 346Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 100 BGB zu ersetzen habe. Der Ausgangspunkt für die Ermittlung der Nutzungen, der Kaufpreis, sei letztlich durch § 346 Abs. 2 S. 2 BGB festgelegt, wonach der Wertersatz auf der Basis der vereinbarten Gegenleistung zu bestimmen sei. Diese rücktrittsrechtlichen Wertungen könnten demgegenüber auf die schadensrechtliche Vorteilsausgleichung nicht unbesehen übertragen werden. Insbesondere fehle im Deliktsschadensrecht eine § 346 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechende Vorschrift, die eine Anknüpfung des Nutzungsersatzes an den Kaufpreis rechtfertigen könnte. Auszugehen sei vielmehr von den spezifisch schadensrechtlichen Wertungen. Danach seien als gezogene Nutzungen die tatsächlichen vermögenswerten Vorteile anzusetzen, die der Kunde aufgrund des Besitzes des betroffenen Fahrzeugs bis zur schadensrechtlichen Rückabwicklung gehabt habe. Diese Vorteile entsprächen in der Regel den Aufwendungen für ein anderes Fahrzeug, die der Kunde im fraglichen Zeitraum erspart habe. Nachdem insoweit die Aufwendungen für die laufenden Kosten (Versicherung, Kfz-Steuer, Kraftstoff) im Wesentlichen mit den tatsächlich für das betroffene Fahrzeug getätigten Aufwendungen vergleichbar seien, bliebe als wesentlicher Vorteil der ersparte Wertverlust, den der Kunde erlitten hätte, wenn er im fraglichen Zeitraum ein alternatives Fahrzeug genutzt hätte (vgl. Riehm, NJW 2019, 1105 (1108)). Dem schließt sich der Senat an und beabsichtigt, den von Amts wegen zu berücksichtigenden Vorteil anhand des ersparten Wertverlusts zu ermitteln. Die Bewertung der Schadenshöhe ist eine Rechtsfrage und unterliegt so nicht der Disposition der Parteien.

III. Es soll Beweis erhoben werden zur Frage, welchen Wertverlust der Kläger erlitten hätte, wenn er statt des am 19.05.2009 gekauften VW Marke1 ein vergleichbares Fahrzeug erworben hätte, das nicht mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik als unzulässige Abschalteinrichtung versehen und damit nicht von einem verpflichtenden Rückruf des KBA betroffen wäre, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Der Sachverständige soll den Wertverlust bei vergleichbaren Fahrzeugen ermitteln und dabei den Fahrzeugtyp und die Ausstattungsmerkmale des erworbenen Fahrzeugs entsprechend der Angaben in der Rechnung vom 19.05.2009, des Bestellformulars vom 07.03.2009 und der Zulassungsbescheinigung Teil I (Anlage K 1 = Bl. 15 ff. d.A.) sowie das Alter und die Fahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, wie sie sich aus Anlage zum Schriftsatz vom 16.07.2019 (Bl. 466 d.A.) ergibt, zugrunde legen.

Hierbei sollen die Vergleichsmodelle auch im Einzelnen benannt und die Vergleichbarkeit (ggf. mit Darlegung wesentlicher Abweichungen) dargestellt werden.

Ferner möge dazu Stellung genommen werden, welchen Wertverlust das streitgegenständliche Fahrzeug seit der Auslieferung erlitten hat, und, falls dieser niedriger sein sollte als dem vergleichbaren Fahrzeuge, die Gründe der abweichenden Preisentwicklung erläutert werden.

IV. Die Parteien erhalten gemäß § 404 Abs. 2 ZPO binnen einer Frist von 3 Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Person eines Sachverständigen.

Der Senat erwägt, Herrn X, Straße1, Stadt1, vorbehaltlich dessen Kapazitäten zu bestellen.

V. Neuer Termin ergeht von Amts wegen.

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