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Getrenntleben – Herausgabe eines als Familienfahrzeug genutzten Fahrzeugs

OLG Koblenz – Az.: 13 UF 158/16 – Beschluss vom 15.06.2016

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lahnstein vom 24.02.2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Pkw Ford Galaxy, …, Erstzulassung Mai 2010, an den Antragsteller für die Dauer des Getrenntlebens herauszugeben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 7.366 € zu zahlen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Verfahrenswert wird für das familiengerichtliche Verfahren auf 2.000 € festgesetzt.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Sie streiten um einen Pkw Ford Galaxy, …, bzw. um Nutzungsvergütungs- bzw. Nutzungsentschädigungsansprüche hierfür.

Der Antragsteller kaufte das Fahrzeug im Jahr 2010 und erwarb es dabei unstreitig zu Alleineigentum. Der Wagen diente während der bereits damals bestehenden Ehe als „Familienkutsche“ und wurde im Wesentlichen von der Antragsgegnerin gefahren. Dies u.a. deshalb, weil der Antragsteller oft längere Zeit beruflich auswärts bzw. im Ausland tätig war bzw. einen Dienstwagen zur Verfügung hatte. Als der Antragsteller nach der Trennung vermehrt Strafzettel betreffend dieses Fahrzeug erhielt, wollte er es der Antragsgegnerin wegnehmen und stilllegen lassen. Da die Antragsgegnerin den Wagen nicht herausgab und zudem am 21.09.2015 umgemeldet hatte, scheiterte der Antragsteller jedoch damit.

Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller vor dem Familiengericht ab dem 22.09.2015 eine Nutzungsvergütung in Höhe 29 € pro Tag bis zur Herausgabe des Fahrzeugs, hilfsweise dessen Herausgabe begehrt. Er sei Eigentümer des Wagens und die Antragsgegnerin benötige diesen weder privat noch beruflich.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegen getreten. Sie hat eingewandt, dass der Antragsteller ihr das Fahrzeug geschenkt habe. Überdies sie sie auch weiterhin auf die Nutzung angewiesen.

Das Familiengericht hat sowohl Haupt- als auch Hilfsantrag abgewiesen. Der Rechtsstreit sei nach § 1361a BGB zu entscheiden, denn der Wagen sei Hausrat. Daher bestehe in analoger Anwendung von § 1568b Abs. 2 BGB eine Vermutung der Miteigentümerschaft beider Ehegatten. Dahinstehen könne sodann, ob das Fahrzeug der Antragsgegnerin geschenkt worden sei. Denn jedenfalls sei die Benutzung des Pkw durch die Antragsgegnerin für das Getrenntleben erforderlich und entspreche auch Billigkeit. Die Antragsgegnerin müsse damit ihre Arbeitsstelle aufsuchen und verwalte das gemeinsame Haus. Des Weiteren habe der Antragsteller den Wagen bisher selbst als „Familienkutsche“ angesehen und sei finanziell besser gestellt als die Antragsgegnerin. Die Zahlung einer Nutzungsvergütung durch die Antragsgegnerin entspreche aufgrund deren Einkommensverhältnisse indes nicht der Billigkeit. Daher sei eine solche nicht festzusetzen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Mit dieser begehrt er nun primär die Herausgabe des Fahrzeugs für die Zeit der Trennung nebst Nutzungsentschädigung für die Vorenthaltung in der Vergangenheit sowie hilfsweise bei Nichtzuerkennung des Herausgabeverlangens auch eine Nutzungsentschädigung für die Zukunft. Neben der Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens rügt er eine unzureichende Subsumtion durch das Familiengericht sowie dessen Annahme einer fehlenden Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin. Letztere wiederum verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat beide Ehegatten angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der gemeinsamen Tochter. Insoweit wird auf den Sitzungsvermerk vom 01.06.2016 verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat ebenfalls in der Sache Erfolg. Der Antragsteller kann von der Antragsgegnerin gemäß § 1361a Abs. 1 Satz 1 BGB für die Dauer des Getrenntlebens die Herausgabe des Pkw Ford Galaxy verlangen. Dieser steht kein Nutzungsrecht zu. Auch das Verlangen nach einer Nutzungsentschädigung ist berechtigt.

1.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Fahrzeugs.

Zutreffend geht das Familiengericht zwar von einer analogen Anwendbarkeit der Miteigentumsvermutung des § 1568b Abs. 2 BGB auch für die Hausratverteilung in der Zeit des Getrenntlebens aus. Auch ist der Pkw hier als Haushaltsgegenstand anzusehen. Denn er diente als „Familienkutsche“. Insoweit folgt der Senat der mittlerweile wohl überwiegenden Ansicht, dass ein Pkw – abweichend von der älteren Rspr. des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH FamRZ 1991, 43 sowie auch OLG Koblenz Beschluss vom 07.07.2005 – 9 WF 371/05) – schon dann Haushaltsgegenstand ist, wenn er neben der beruflichen Nutzung überwiegend für Fahrten mit der Familie, Einkäufe u.s.w. genutzt wird (vgl. MünchKomm-BGB/Weber-Monecke 6. Aufl. 2013 § 1361a Rn. 6 m.w.Nw. und OLG Frankfurt/M NJW 2015, 2346 m.w.Nw.).

Allerdings besagt die Vermutung des § 1568b Abs. 2 BGB lediglich, dass beim Erwerb von Haushaltsgegenständen die dinglichen Erklärungen von Veräußerer und Erwerber im Zweifel als Übereignung an den, den es angeht, also – und zwar auch bei Abwesenheit eines Ehegatten – an beide Eheleute, zu verstehen sind, wodurch diese gemeinsames Eigentum erwerben (vgl. Henrich/Götz Familienrecht 6. Aufl. 2015 § 1361a BGB Rn. 53 a.E.). Indes greift diese Vermutung bereits dem Wortlaut nach nicht, wenn das Alleineigentum eines Ehegatten feststeht, vgl. § 1568b Abs. 2 a.E. BGB. Letzteres ist vorliegend gerade der Fall. Denn unstreitig hat der Antragsteller das Fahrzeug im Jahr 2010 beim Kauf zu Alleineigentum erworben.

2.

Getrenntleben - Herausgabe eines als Familienfahrzeug genutzten Fahrzeugs
(Symbolfoto: shisu_ka/Shutterstock.com)

Die Antragsgegnerin hat weder einen Eigentumsübergang auf sich zu beweisen vermocht noch kann sie sich auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB berufen.

a)

Zwar hat die Antragsgegnerin das Fahrzeug in Besitz. Entgegen des oft verkürzt dargestellten Regelungsinhalts des § 1006 BGB wird durch diese Vorschrift allerdings nicht das Eigentum des Besitzers vermutet. Vielmehr geht die Vermutung dahin, dass der Besitzer bei Besitzerwerb Eigenbesitz begründet und dabei unbedingtes Eigentum erworben hat. Das ist hier schon nach dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht der Fall. Denn sie will das (Allein-)Eigentum an dem Fahrzeug erst durch eine Schenkung an ihrem Geburtstag im Mai 2010 bzw. eine Nutzungsüberlassung später im Jahr 2014 erworben haben.

b)

Den Beweis für ihre Behauptung, ihr sei der Pkw an ihrem Geburtstag im Mai 2010 geschenkt worden, hat die Antragsgegnerin nicht zu führen vermocht. Die von ihr hierfür als Zeugin angebotene gemeinsame Tochter der Ehegatten hat angegeben, bei dem Geburtstag nicht anwesend, sondern ortsabwesend in Thailand gewesen zu sein. Auch konnte sie keine Angaben zu etwaigen Vereinbarungen ihrer Eltern, der Beteiligten, machen.

Für das Jahr 2014 lässt sich sodann allenfalls eine vorübergehende Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs an die Antragsgegnerin feststellen. Damit ist jedoch regelmäßig keine Übereignung verbunden.

3.

Die Antragsgegnerin ist ebenfalls nicht (mehr) zur Nutzung des Wagens berechtigt.

Soweit der Antragsteller ihr das Fahrzeug im März 2014 zur Nutzung überlassen haben sollte, wäre diese Nutzungsüberlassung grundsätzlich jederzeit für die Zukunft widerrufbar. Spätestens in dem Herausgabeverlangen im Sommer 2015 wäre dann ein solcher Widerruf zu sehen.

Eine Überlassungspflicht zugunsten der Antragsgegnerin besteht hier schließlich auch nicht nach § 1361a Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Antragsgegnerin ist während des Getrenntlebens nicht auf die Benutzung des im Alleineigentum des Antragstellers Pkw Ford Galaxy angewiesen. Zwar kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass sie das Fahrzeug benötigt, um ihren Beruf nachgehen zu können. Jedoch bereits die bei ihr lebenden Kinder der Beteiligten dürften in diese Betrachtung nicht mehr einzubeziehen sei. Denn diese sind allesamt volljährig und befinden sich auch nicht mehr in allgemeiner Schulausbildung. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist vorliegend jedoch, dass der Antragsteller den Wagen wegen des Verlusts seines Firmenfahrzeugs ebenfalls benötigte und die Antragsgegnerin über ein ausreichendes Einkommen verfügte und verfügt, um die Anschaffung eines angemessenen – und damit deutlich kleineren – Gebrauchtwagens finanzieren zu können. Nach ihrem eigenen Vorbringen verfügt sie über ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.100 € und erhält zudem 729 €/mtl. Trennungsunterhalt. Darüber hinaus wohnt sie mietfrei – nur die Nebenkosten fallen an. Der Umstand, dass der Antragsteller sich zwischenzeitlich ein anderes Fahrzeug angeschafft hat, kann sich vorliegend hingegen nicht zugunsten der Antragsgegnerin auswirken. Denn dies erfolgte notgedrungen aufgrund der Nichtherausgabe des Ford Galaxy.

4.

Im Rahmen der vorläufigen Verteilung der Haushaltsgegenstände für die Zeit der Trennung ist auch eine Beschränkung auf einzelne Gegenstände möglich, die Feststellung des gesamten Bestands daher nicht erforderlich (vgl. Palandt/Brudermüller BGB 75. Aufl. 2016 § 1361a Rn. 2).

Nachdem die Antragsgegnerin die Herausgabe des Fahrzeugs unberechtigt verweigert hat, schuldet sie dem Antragsteller auch eine Nutzungsentschädigung.

Durch das – aus den vorgenannten Gründen – berechtigte Herausgabeverlangen des Antragstellers im Sommer 2015 kam die Antragsgegnerin in Verzug. Demgemäß ist sie dem Antragsteller gemäß § 286 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1361a Abs. 1 BGB bzw. § 1353 BGB zum Ersatz des Nutzungsausfalls verpflichtet. Unbestritten liegt der hier vom Antragsteller begehrte Nutzungsausfallschaden von 29 € pro Tag noch unterhalb der Sätze der sog. Schwacke-Liste. Gegen die geltend gemachte Höhe bestehen folglich keine Bedenken. Allerdings kann die Nutzungsentschädigung hier lediglich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zugesprochen werden. Denn diese steht dem Antragsteller hier wegen der unberechtigten Vorenthaltung der Sache zu und nicht aufgrund einer gerichtlichen Nutzungszuweisung oder einer unter den Ehegatten getroffenen Nutzungsvereinbarung i.S.d. § 1361a Abs. 3 Satz 2 BGB. Für die seit dem 22.09.2015 vergangene Zeit von 254 Tage sind folglich 7.366 € zu zahlen.

Der zwischenzeitlich eingetretene Unfallschaden steht dabei weder der Herausgabeverpflichtung noch der Nutzungsentschädigung entgegen. Denn dieser ist nicht auf die Sphäre des Antragstellers zurückzuführen.

Die Antragsgegnerin kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass sie davon ausgegangen sei, dass ihr das Fahrzeug zweimal – nämlich im Mai 2010 und im März 2014 – vom Antragsteller geschenkt worden sei. Während dies unter Umständen eine Bösgläubigkeit im Rahmen von §§ 987 ff. BGB ausschließen könnte, ist ein solcher etwaiger Rechtsirrtum im Rahmen des Verzugsschadensrechts grundsätzlich unerheblich.

5.

Die verfahrensrechtlichen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 80 f. FamFG, 40, 48 Abs. 2, 55 Abs. 3 FamGKG.

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