Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Der Fall vor Gericht
- 2.1 Oberlandesgericht Oldenburg stärkt Rechte von Unfallgeschädigten bei Nutzungsausfall
- 2.2 Kern des Urteils: Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung trotz Rückgabe des Mietwagens
- 2.3 Hintergrund des Falls: Verkehrsunfall und Streit um Mietwagenkosten
- 2.4 Entscheidung des Landgerichts Osnabrück und die Berufung zum OLG Oldenburg
- 2.5 Begründung des OLG Oldenburg: Nutzungswille des Klägers ausschlaggebend
- 2.6 Konsequenzen des Urteils: Bedeutung für Betroffene von Verkehrsunfällen
- 3 Die Schlüsselerkenntnisse
- 4 Benötigen Sie Hilfe?
- 5 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 5.1 Wann habe ich Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall?
- 5.2 Wie hoch ist die Nutzungsausfallentschädigung und wovon hängt sie ab?
- 5.3 Kann ich trotz Nutzung eines Mietwagens auch eine Nutzungsausfallentschädigung verlangen?
- 5.4 Wie gehe ich vor, wenn die Versicherung eine Nutzungsausfallentschädigung verweigert?
- 6 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 7 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 8 Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Oldenburg
- Datum: 21.09.2023
- Aktenzeichen: 1 U 173/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren im Zivilprozess
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Schadensersatzrecht, Verkehrsrecht, Zivilprozessrecht
- Beteiligte Parteien:
- Kläger: Reichte die Berufung ein, um einen erweiterten Schadensanspruch geltend zu machen – insbesondere die Anerkennung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallschaden – und argumentierte, dass sein Zulassungsbegehren vollständig begründet sei.
- Beklagte: Als Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners haftet sie unstreitig zu 100 % für die im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall entstandenen Schäden.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger legte gegen ein Urteil des Landgerichts Osnabrück im Rahmen eines Verkehrsunfallverfahrens Berufung ein. Der Unfall (TT.MM.2021 in Ort3) führte zu belegten Schadensfällen, für die der Versicherer der Unfallgegnerin als voll haftender Kfz-Haftpflichtversicherer eintritt.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob der Kläger neben dem neu festgesetzten Zahlungsanspruch auch einen Anspruch auf Nutzungsausfallschaden in Höhe von 9.620 € hat.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Urteil des Landgerichts Osnabrück wurde zugunsten des Klägers abgeändert. Die Beklagte wurde verurteilt, an den Kläger 9.730,25 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.04.2022 zu zahlen. Zudem wurde der Anspruch des Klägers auf Nutzungsausfallschaden in Höhe von 9.620 € anerkannt. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 94 % der Beklagten und zu 6 % dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Begründung: Die Berufung wurde vollumfänglich als zulässig und begründet erachtet, weil der Kläger überzeugend darlegte, dass neben dem Hauptschaden auch ein zusätzlicher Anspruch auf Nutzungsausfallschaden besteht. Die Haftung der Beklagten als Kfz-Haftpflichtversicherer für den Unfall wurde dabei unbestritten festgestellt.
- Folgen: Die Beklagte muss die festgesetzten Zahlungen einschließlich der Zinsen leisten und trägt den überwiegenden Teil der Prozesskosten. Das Urteil bekräftigt die volle Haftung des Versicherers und bestätigt, dass auch Nutzungsausfallschäden bei der Schadensregulierung eines Verkehrsunfalls berücksichtigt werden.
Der Fall vor Gericht
Oberlandesgericht Oldenburg stärkt Rechte von Unfallgeschädigten bei Nutzungsausfall

In einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (Az.: 1 U 173/22) vom 21. September 2023 wurde ein wichtiger Entscheid im Bereich des Verkehrsrechts getroffen. Das Gericht befasste sich mit der Frage, unter welchen Bedingungen Unfallgeschädigte eine Nutzungsausfallentschädigung geltend machen können, auch wenn sie einen Mietwagen vorzeitig zurückgegeben haben. Das Urteil stärkt die Rechte von Geschädigten und präzisiert die Voraussetzungen für den Erhalt einer solchen Entschädigung.
Kern des Urteils: Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung trotz Rückgabe des Mietwagens
Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied zugunsten eines Klägers, der nach einem Verkehrsunfall eine Nutzungsausfallentschädigung von der Versicherung des Unfallverursachers forderte. Entscheidend war dabei, dass der Kläger zwar zunächst einen Mietwagen von der Versicherung gestellt bekommen hatte, diesen aber vorzeitig zurückgab. Das Gericht urteilte, dass die Rückgabe des Mietwagens dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht entgegensteht, solange der Geschädigte seinen Nutzungswillen und die Notwendigkeit der Nutzung seines eigenen Fahrzeugs nachweisen kann.
Hintergrund des Falls: Verkehrsunfall und Streit um Mietwagenkosten
Dem Fall lag ein Verkehrsunfall zugrunde, bei dem das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners erkannte ihre volle Haftung für den Unfall an. Im Zuge der Schadensregulierung stellte die Versicherung dem Kläger einen Mietwagen zur Verfügung. Dieser Mietwagen wurde jedoch vom Kläger nach einiger Zeit zurückgegeben.
Im Anschluss forderte der Kläger von der Versicherung eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit, in der sein eigenes Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzbar war. Die Versicherung weigerte sich, diese in vollem Umfang zu zahlen, was zum Rechtsstreit vor dem Landgericht Osnabrück führte. Das Landgericht hatte die Klage zunächst teilweise abgewiesen, woraufhin der Kläger Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg einlegte.
Entscheidung des Landgerichts Osnabrück und die Berufung zum OLG Oldenburg
Das Landgericht Osnabrück hatte dem Kläger zwar Fahrtkosten in Höhe von 110,25 Euro zugesprochen, die weitergehende Forderung nach Nutzungsausfallentschädigung jedoch abgelehnt. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg ein. Das Oberlandesgericht gab der Berufung des Klägers vollumfänglich statt und änderte das Urteil des Landgerichts ab. Es verurteilte die beklagte Versicherung zur Zahlung von 9.730,25 Euro an den Kläger, bestehend aus 9.620 Euro Nutzungsausfallschaden und den bereits vom Landgericht zugesprochenen Fahrtkosten.
Begründung des OLG Oldenburg: Nutzungswille des Klägers ausschlaggebend
In seiner Urteilsbegründung stellte das Oberlandesgericht Oldenburg klar, dass dem Eigentümer eines privat genutzten PKW grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung zusteht, wenn er durch einen Schaden an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert wird. Voraussetzung dafür ist, dass der Geschädigte nutzungswillig und nutzungsfähig ist. Das Gericht betonte, dass der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung seine Grenzen in der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit findet. Grundsätzlich ist der Schädiger nur für den Zeitraum ersatzpflichtig, der zur Wiederherstellung des Zustands vor dem Unfall erforderlich ist, also in der Regel die Reparaturdauer oder die Zeit bis zur Ersatzbeschaffung.
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger im vorliegenden Fall seinen Nutzungswillen glaubhaft dargelegt hat. Der Kläger hatte im Rahmen einer Anhörung vor dem Senat angegeben, den Mietwagen zurückgegeben zu haben, weil er von der Mietwagenfirma wiederholt zur Rückgabe gedrängt wurde und dies ihn zunehmend störte. Zudem habe der Mietwagen keine Anhängerkupplung gehabt, was für den Transport von Gartenabfällen ungünstig gewesen sei.
Auch nach Rückgabe des Mietwagens sei er weiterhin auf ein Fahrzeug angewiesen gewesen, um zur Arbeit zu fahren und seinen Hund zum Tierarzt zu bringen. Für diese Zwecke habe er sich Fahrzeuge von Eltern oder Freundin geliehen. Die Entscheidung zur Rückgabe des Mietwagens sei nach anwaltlicher Beratung erfolgt, als er erfuhr, dass er seinen Nutzungsausfallschaden auch pauschal geltend machen kann.
Das Oberlandesgericht würdigte diese Angaben des Klägers als glaubhaft und sah darin einen fortbestehenden Nutzungswillen. Auch wenn eine Parteianhörung nach § 141 ZPO kein direktes Beweismittel ist, so konnte das Gericht aufgrund der Angaben des Klägers und der Gesamtumstände des Falles von einem Nutzungswillen ausgehen. Das Gericht betonte, dass die allgemeine Gebrauchsmöglichkeit eines PKW als Vermögensgut anerkannt ist und eine Beeinträchtigung dieser Gebrauchsmöglichkeit grundsätzlich einen Schaden darstellt. Dabei müssen jedoch die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektbezogenen Schadensbetrachtung, des Wirtschaftlichkeitsgebots und des Bereicherungsverbots beachtet werden. Im vorliegenden Fall sah das Gericht diese Grundsätze als gewahrt an.
Konsequenzen des Urteils: Bedeutung für Betroffene von Verkehrsunfällen
Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg hat erhebliche Bedeutung für Verkehrsunfallgeschädigte. Es verdeutlicht, dass die vorzeitige Rückgabe eines Mietwagens nicht automatisch zum Verlust des Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung führt. Geschädigte haben weiterhin die Möglichkeit, eine pauschale Entschädigung für den Nutzungsausfall ihres eigenen Fahrzeugs zu verlangen, auch wenn sie zwischenzeitlich einen Mietwagen genutzt und diesen dann zurückgegeben haben.
Entscheidend ist, dass der Nutzungswille und die Nutzungsmöglichkeit des Geschädigten nachvollziehbar dargelegt werden können. Das Urteil stärkt somit die Position von Geschädigten gegenüber Versicherungen und gibt ihnen mehr Flexibilität in der Schadensregulierung. Betroffene sollten sich jedoch im Einzelfall anwaltlich beraten lassen, um ihre individuellen Ansprüche und die konkreten Voraussetzungen für eine Nutzungsausfallentschädigung prüfen zu lassen. Das Urteil zeigt, dass Gerichte die Lebensrealität von Geschädigten berücksichtigen und nicht schematisch Mietwagenkosten über alles stellen, sondern auch die pauschale Nutzungsausfallentschädigung als legitimen Anspruch anerkennen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil bestätigt, dass Autobesitzer nach einem Unfall Anspruch auf Nutzungsausfall auch dann haben, wenn sie den Mietwagen vorzeitig zurückgeben, sofern sie weiterhin ein Fahrzeug benötigen und nutzen wollen. Es zeigt, dass der fortbestehende Nutzungswille auch ohne dauerhaften Mietwagen anerkannt wird, wenn der Betroffene auf alternative Weise (wie das Ausleihen von Fahrzeugen bei Familienmitgliedern) seinen Mobilitätsbedarf deckt. Die Entscheidung stärkt die Position von Unfallgeschädigten, die eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung anstelle konkreter Mietwagenkosten wählen, und verdeutlicht, dass der Geschädigte ein Wahlrecht zwischen diesen beiden Entschädigungsformen hat.
Benötigen Sie Hilfe?
Unklare Perspektiven bei der Nutzungsausfallentschädigung?
Wer nach einem Verkehrsunfall mit der Frage konfrontiert wird, ob und in welchem Umfang eine Entschädigung für den Nutzungsausfall seines Fahrzeugs in Betracht kommt, steht häufig vor komplexen rechtlichen Herausforderungen. Die Bewertung von Schadensfällen, insbesondere wenn zusätzlicher Ersatz wie ein Mietwagen eine Rolle spielt, erfordert eine sorgfältige Analyse der persönlichen Umstände und Nachweise des fortbestehenden Nutzungswillens.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre individuelle Situation präzise zu erfassen und die relevanten Anspruchsvoraussetzungen detailliert zu prüfen. In einem persönlichen Beratungsgespräch wird ermittelt, welche Schritte erforderlich sind, um Ihre berechtigten Interessen zielgerichtet durchzusetzen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann habe ich Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall?
Sie haben Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Unverschuldeter Unfall: Sie dürfen keine oder nur eine geringe Mitschuld am Unfallgeschehen tragen. Bei einer Teilschuld besteht nur ein anteiliger Anspruch.
2. Fahrzeug nicht nutzbar: Ihr Auto muss so stark beschädigt sein, dass Sie es nicht mehr fahren können oder es aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht mehr genutzt werden darf.
3. Nutzungswille: Sie müssen nachweisen können, dass Sie das Fahrzeug tatsächlich nutzen würden, wenn es nicht beschädigt wäre. Dies kann beispielsweise durch den täglichen Weg zur Arbeit, eine geplante Urlaubsfahrt oder den regelmäßigen Transport Ihrer Kinder belegt werden.
4. Nutzungsmöglichkeit: Sie müssen in der Lage sein, das Fahrzeug zu nutzen. Wenn Sie beispielsweise nach dem Unfall im Krankenhaus liegen oder aufgrund einer Verletzung nicht fahren können, besteht keine Nutzungsmöglichkeit.
5. Kein Ersatzfahrzeug: Sie verzichten ausdrücklich auf einen Mietwagen. Beachten Sie, dass Sie keinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung haben, wenn Sie sich für einen Mietwagen entscheiden.
Dauer des Anspruchs
Die Dauer des Anspruchs richtet sich nach der Reparaturzeit oder der Zeit bis zur Ersatzbeschaffung:
- Bei Reparatur: Sie erhalten die Entschädigung für die Dauer der Reparatur, einschließlich der Zeit für die Schadensermittlung und eine angemessene Überlegungsfrist.
- Bei Totalschaden: Die Entschädigung wird für die Dauer der Ersatzbeschaffung gezahlt, in der Regel zwischen 14 und 16 Tagen.
Wichtig: Sie müssen sich um eine schnelle Begutachtung und zeitnahe Reparatur bemühen, da eine Schadenminderungspflicht besteht.
Höhe der Entschädigung
Die Höhe der täglichen Nutzungsausfallentschädigung hängt von der Fahrzeugklasse ab und liegt zwischen 23 und 175 Euro pro Tag. Ein Kfz-Sachverständiger legt in seinem Gutachten die entsprechende Fahrzeugklasse fest.
Wenn Sie diese Voraussetzungen erfüllen, können Sie die Nutzungsausfallentschädigung bei der gegnerischen Versicherung beantragen. Stellen Sie sicher, dass Sie alle notwendigen Nachweise und Begründungen für Ihren Anspruch sorgfältig dokumentieren, um Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Geltendmachung zu erhöhen.
Wie hoch ist die Nutzungsausfallentschädigung und wovon hängt sie ab?
Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung richtet sich nach der Fahrzeugklasse, dem Alter des Fahrzeugs und der Dauer des Nutzungsausfalls. Zur Berechnung wird die sogenannte EurotaxSchwacke-Tabelle herangezogen, die auch als Nutzungsausfalltabelle bekannt ist.
Fahrzeugklassen und Tagessätze
Die EurotaxSchwacke-Tabelle unterteilt Fahrzeuge in 11 Gruppen von A bis L, denen jeweils ein Tagessatz zugeordnet ist:
- Gruppe A (z.B. Kleinwagen): 23 Euro pro Tag
- Gruppe F (z.B. Mittelklasse): 50 Euro pro Tag
- Gruppe L (z.B. Oberklasse): 175 Euro pro Tag
Wenn Sie beispielsweise einen VW Polo fahren, der in die Gruppe B fällt, würden Sie eine Entschädigung von 29 Euro pro Tag erhalten.
Einfluss des Fahrzeugalters
Das Alter Ihres Fahrzeugs beeinflusst ebenfalls die Höhe der Entschädigung:
- Fahrzeuge älter als 5 Jahre werden in der Regel eine Gruppe niedriger eingestuft.
- Bei Fahrzeugen älter als 10 Jahre erfolgt eine Zurückstufung um zwei Gruppen.
Stellen Sie sich vor, Ihr 6 Jahre alter Audi A4 fällt normalerweise in die Gruppe F. Aufgrund des Alters würde er in Gruppe E zurückgestuft, was den Tagessatz von 50 Euro auf 43 Euro reduziert.
Berechnung der Gesamtentschädigung
Die Gesamthöhe Ihrer Nutzungsausfallentschädigung ergibt sich aus der Multiplikation des Tagessatzes mit der Anzahl der Ausfalltage. Wenn Ihr Fahrzeug beispielsweise 10 Tage nicht nutzbar ist und in die Gruppe C fällt, beträgt Ihre Entschädigung:
Nutzungsausfallentschädigung = Tagessatz × Ausfalltage Nutzungsausfallentschädigung = 35 Euro × 10 Tage = 350 Euro
Besonderheiten und Einschränkungen
Beachten Sie, dass die Dauer des Nutzungsausfalls in der Regel auf maximal 14 Tage begrenzt ist. In Ausnahmefällen, etwa bei einem Totalschaden, kann dieser Zeitraum jedoch länger sein. Das OLG Celle hat beispielsweise entschieden, dass bei einem Totalschaden ein Anspruch auf bis zu 26 Tage Nutzungsausfallentschädigung bestehen kann.
Für sehr alte Fahrzeuge oder bei längeren Ausfallzeiten zahlen Versicherungen oft nur noch die sogenannten Vorhaltekosten, die deutlich niedriger ausfallen als die regulären Tagessätze.
Kann ich trotz Nutzung eines Mietwagens auch eine Nutzungsausfallentschädigung verlangen?
Ja, Sie können unter bestimmten Umständen trotz der Nutzung eines Mietwagens auch eine Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Dies basiert auf aktuellen Gerichtsentscheidungen, die Ihre Rechte als Unfallgeschädigter stärken.
Grundsätzliche Wahlfreiheit
Als Geschädigter haben Sie nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich die Wahl zwischen der Erstattung von Mietwagenkosten und der Geltendmachung einer Nutzungsausfallentschädigung. Diese Wahlfreiheit bleibt auch dann bestehen, wenn Sie zunächst einen Mietwagen genutzt haben.
Möglichkeit des Wechsels
Stellen Sie sich vor, Sie haben nach einem Unfall einen Mietwagen genutzt, aber die Versicherung des Unfallverursachers kürzt die Erstattung der Mietwagenkosten erheblich. In diesem Fall können Sie sich nachträglich dafür entscheiden, stattdessen eine Nutzungsausfallentschädigung geltend zu machen. Das Amtsgericht Schwelm hat in einem Urteil (Az. 25 C 104/20) bestätigt, dass diese Option besteht.
Voraussetzungen für den Anspruch
Um eine Nutzungsausfallentschädigung zu erhalten, müssen Sie zwei wichtige Voraussetzungen erfüllen:
- Nutzungswille: Sie müssen nachweisen können, dass Sie Ihr Fahrzeug während der Reparaturzeit tatsächlich nutzen wollten. Dies kann beispielsweise durch Ihren Arbeitsweg oder regelmäßige Fahrten zur Kinderbetreuung belegt werden.
- Nutzungsmöglichkeit: Sie müssen in der Lage gewesen sein, das Fahrzeug zu nutzen. Das bedeutet, Sie dürfen nicht etwa im Krankenhaus gelegen haben oder ohne gültigen Führerschein gewesen sein.
Berechnung und Dauer des Anspruchs
Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung richtet sich nach Tabellen, die den Fahrzeugtyp und die Ausfallzeit berücksichtigen. Für die Dauer des Anspruchs ist die tatsächliche Reparaturzeit maßgeblich, einschließlich eventueller Verzögerungen, die nicht von Ihnen zu vertreten sind.
Wichtige rechtliche Aspekte
Das Landgericht Stuttgart hat in einem Urteil (Az. 5 S 188/20) festgestellt, dass der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung auch dann bestehen kann, wenn Sie einen Mietwagen genutzt, dessen Kosten aber nicht in Rechnung gestellt haben. Dies unterstreicht die Flexibilität, die Ihnen als Geschädigtem zusteht.
Beachten Sie, dass die Gerichte bei der Beurteilung Ihres Anspruchs darauf achten, ob Ihnen ein fühlbarer Nachteil durch den Nutzungsausfall entstanden ist. Es geht dabei um den Verlust der Gebrauchsvorteile, die sich aus der ständigen Verfügbarkeit Ihres Fahrzeugs ergeben.
Wenn Sie sich in einer solchen Situation befinden, ist es ratsam, alle relevanten Unterlagen wie Reparaturrechnungen, Nachweise über Ihre übliche Fahrzeugnutzung und eventuelle Korrespondenz mit der gegnerischen Versicherung sorgfältig aufzubewahren. Diese Dokumente können Ihnen helfen, Ihren Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung zu untermauern, selbst wenn Sie zwischenzeitlich einen Mietwagen genutzt haben.
Wie gehe ich vor, wenn die Versicherung eine Nutzungsausfallentschädigung verweigert?
Wenn die Versicherung eine Nutzungsausfallentschädigung verweigert, haben Sie mehrere Möglichkeiten, um Ihre Ansprüche durchzusetzen. Zunächst sollten Sie schriftlich Widerspruch gegen die Ablehnung einlegen. Begründen Sie dabei detailliert, warum Ihnen die Entschädigung zusteht und fügen Sie alle relevanten Belege bei, wie etwa das Schadensgutachten oder die Reparaturbestätigung.
Dokumentation und Begründung
Stellen Sie sicher, dass Sie alle notwendigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung erfüllen und dokumentieren können:
- Unverschuldeter Unfall
- Tatsächlicher Nutzungsausfall des Fahrzeugs
- Nachweis des Nutzungswillens und der Nutzungsmöglichkeit
- Konkrete Darlegung der wirtschaftlichen Beeinträchtigung (besonders bei gewerblich genutzten Fahrzeugen)
Wenn Sie diese Punkte schlüssig darlegen können, stärken Sie Ihre Position gegenüber der Versicherung erheblich.
Außergerichtliche Lösungswege
Sollte die Versicherung bei ihrer Ablehnung bleiben, können Sie den Versicherungsombudsmann einschalten. Dieser unabhängige und kostenlose Schlichtungsdienst prüft Ihren Fall und kann eine für die Versicherung bindende Entscheidung treffen.
Ein weiterer Weg ist die Einschaltung Ihrer Rechtsschutzversicherung, falls vorhanden. Diese kann Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche helfen und die Kosten für einen möglichen Rechtsstreit übernehmen.
Rechtliche Schritte
Wenn alle außergerichtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, bleibt der Klageweg. Hierbei ist die Unterstützung durch einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt ratsam. Bei einem unverschuldeten Unfall muss die gegnerische Versicherung in der Regel auch die Anwaltskosten tragen.
Bedeutung aktueller Rechtsprechung
Neuere Urteile, wie das des OLG Oldenburg, stärken die Position von Geschädigten. In diesem Fall wurde entschieden, dass der Versicherer den Nutzungsausfall auch für einen längeren Zeitraum (148 Tage) zahlen muss, selbst wenn der Geschädigte zwischenzeitlich einen Mietwagen zurückgegeben hatte. Solche Urteile können Ihre Verhandlungsposition gegenüber der Versicherung verbessern.
Wenn Sie diese Schritte befolgen und hartnäckig bleiben, erhöhen Sie Ihre Chancen, die Ihnen zustehende Nutzungsausfallentschädigung zu erhalten. Beachten Sie dabei stets die Fristen und dokumentieren Sie alle Kommunikationen mit der Versicherung sorgfältig.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Nutzungsausfallentschädigung
Eine Nutzungsausfallentschädigung ist ein finanzieller Ausgleich, den Unfallgeschädigte erhalten können, wenn sie ihr Fahrzeug aufgrund eines Unfalls vorübergehend nicht nutzen können. Sie basiert auf dem Gedanken, dass die entgangene Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs einen wirtschaftlichen Wert darstellt. Die Höhe richtet sich nach Fahrzeugtyp, Ausfallzeit und teilweise auch nach individueller Nutzungsintensität. Nach § 249 BGB muss der Schädiger den Geschädigten so stellen, als ob der Unfall nicht passiert wäre.
Beispiel: Nach einem unverschuldeten Unfall steht Frau Müllers Auto für 20 Tage in der Werkstatt. Obwohl sie keinen Mietwagen nimmt, kann sie eine Nutzungsausfallentschädigung von etwa 30 Euro pro Tag (je nach Fahrzeugklasse) verlangen, also insgesamt rund 600 Euro.
Kfz-Haftpflichtversicherer
Der Kfz-Haftpflichtversicherer ist ein Versicherungsunternehmen, das für Schäden aufkommt, die ein Versicherungsnehmer mit seinem Fahrzeug anderen zufügt. Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist gemäß § 1 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) für alle in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeuge gesetzlich vorgeschrieben. Der Versicherer tritt im Schadensfall für seinen Versicherungsnehmer ein und reguliert berechtigte Ansprüche geschädigter Dritter, wie Reparaturkosten, Wertminderung oder Nutzungsausfall.
Beispiel: Herr Schmidt verursacht einen Unfall, bei dem Frau Meiers Auto beschädigt wird. Schmidts Kfz-Haftpflichtversicherer übernimmt die Reparaturkosten von 3.500 Euro sowie die Nutzungsausfallentschädigung für die Reparaturdauer direkt an Frau Meier.
Berufungsverfahren
Das Berufungsverfahren ist ein Rechtsmittel gegen Urteile der ersten Instanz, geregelt in §§ 511-541 ZPO. Es ermöglicht eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch ein höherrangiges Gericht. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt werden. Im Berufungsverfahren können neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, soweit dies nicht nach § 531 ZPO ausgeschlossen ist.
Beispiel: Nachdem das Landgericht einem Unfallgeschädigten die Nutzungsausfallentschädigung verweigert hat, legt dieser Berufung beim Oberlandesgericht ein. Dort kann er zusätzliche Beweise für seinen Nutzungswillen vorlegen, die das OLG zur Änderung des erstinstanzlichen Urteils veranlassen.
Nutzungswille
Der Nutzungswille bezeichnet die Absicht eines Fahrzeugeigentümers, sein Fahrzeug aktiv zu nutzen, was für den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung entscheidend ist. Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Geschädigte nachweisen, dass er sein Fahrzeug während der Reparaturzeit tatsächlich genutzt hätte. Der Nutzungswille wird jedoch vermutet, wenn das Fahrzeug regelmäßig genutzt wurde. Diese Vermutung kann durch konkrete Umstände widerlegt werden, etwa bei längerer Urlaubsabwesenheit.
Beispiel: Ein Unfallgeschädigter gibt seinen Mietwagen vorzeitig zurück, nutzt aber in der Folgezeit regelmäßig Fahrzeuge von Familienmitgliedern. Das Gericht wertet dies als Beweis für seinen fortbestehenden Nutzungswillen und spricht ihm daher eine Nutzungsausfallentschädigung zu.
Schadensersatzrecht
Das Schadensersatzrecht umfasst die rechtlichen Regelungen zur Kompensation von Schäden, die eine Person durch das Handeln einer anderen erlitten hat. Die zentralen Normen finden sich in §§ 249-255 BGB. Das Grundprinzip ist die Wiederherstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde (Naturalrestitution, § 249 BGB). Im Verkehrsrecht gelten spezielle Haftungsregelungen nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), das eine Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters vorsieht.
Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall hat der Geschädigte Anspruch auf Reparatur seines Fahrzeugs, Wertminderung, Nutzungsausfall sowie Erstattung aller weiteren unfallbedingten Kosten wie Gutachterkosten oder Abschleppkosten – alle diese Positionen ergeben sich aus dem Schadensersatzrecht.
Vollstreckbarkeit
Vollstreckbarkeit bezeichnet die rechtliche Eigenschaft eines Urteils oder anderen Titels, die es dem Gläubiger ermöglicht, seine Ansprüche zwangsweise durchzusetzen. Ein Urteil wird gemäß § 704 ZPO vollstreckbar, wenn es rechtskräftig ist oder für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde. Bei vorläufiger Vollstreckbarkeit kann der Gläubiger bereits vor Rechtskraft des Urteils Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten, muss aber unter Umständen Sicherheit leisten.
Beispiel: Das OLG Oldenburg erklärt sein Urteil für vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann daher unmittelbar nach der Urteilsverkündung einen Gerichtsvollzieher beauftragen, die zugesprochene Nutzungsausfallentschädigung beim beklagten Versicherer einzutreiben, auch wenn der Versicherer noch Revision einlegen könnte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs für Schäden, die beim Betrieb des Fahrzeugs entstehen, unabhängig vom Verschulden des Halters oder Fahrers (Gefährdungshaftung). Der Halter ist verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der durch den Betrieb des Fahrzeugs verursacht wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte haftet als Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu 100% für die durch den Verkehrsunfall entstandenen Schäden, wobei die Haftung auf der gesetzlichen Gefährdungshaftung nach § 7 StVG basiert.
- § 823 Abs. 1 BGB: Normiert die deliktische Haftung bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstigen Rechten eines anderen. Der Schädiger ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Neben der Gefährdungshaftung besteht auch eine Haftung aus unerlaubter Handlung, da das Eigentum des Klägers (sein Fahrzeug) durch den Unfall beschädigt wurde.
- § 249 BGB (Naturalrestitution): Verpflichtet denjenigen, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dies umfasst auch den Ersatz für entgangene Nutzungsmöglichkeiten eines Kraftfahrzeugs. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Anspruch des Klägers auf Nutzungsausfallentschädigung stützt sich auf diesen Paragraphen, da ihm die Möglichkeit genommen wurde, sein Fahrzeug zu nutzen, und er als Eigentümer grundsätzlich Anspruch auf Ersatz für seinen Nutzungsausfall hat.
- § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Gewährt dem Geschädigten einen direkten Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers bei Kfz-Unfällen. Der Geschädigte kann seinen Anspruch unmittelbar gegen die Versicherung geltend machen, ohne den Schädiger selbst in Anspruch nehmen zu müssen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger kann seinen Anspruch auf Nutzungsausfall direkt gegen die beklagte Versicherung geltend machen, ohne den eigentlichen Unfallverursacher verklagen zu müssen.
- § 251 Abs. 2 BGB (Schadensersatz in Geld): Setzt dem Schadensersatzanspruch Grenzen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. In solchen Fällen kann der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Anspruch auf Nutzungsausfall findet seine Grenze in der Verhältnismäßigkeit; die Dauer des zu erstattenden Nutzungsausfalls muss angemessen sein und darf nicht über den zur Wiederherstellung erforderlichen Zeitraum hinausgehen.
Das vorliegende Urteil
OLG Oldenburg – Az.: 1 U 173/22 – Urteil vom 21.09.2023
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