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Verkehrsunfall – Sturz eines ausweichenden Motorradfahrers – Haftung

Ein plötzlicher Schlenker, ein kurzer Aufschrei, dann Asphalt unter Chrom und Leder. Was harmlos begann, endete für einen Motorradfahrer abrupt und schmerzhaft. Doch wer trägt die Schuld, wenn kein anderes Fahrzeug im Spiel ist? Ein Zaun wurde zum unerwarteten Stolperstein und zum Zankapfel vor Gericht.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 42/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
  • Datum: 16.12.2021
  • Aktenzeichen: 12 U 42/21
  • Verfahrensart: Berufung
  • Rechtsbereiche: Haftungsrecht, Schadensersatzrecht, Verkehrsrecht (insbesondere StVG, BGB, VVG)

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Person, die nach einem Motorradsturz Schadensersatz und Schmerzensgeld forderte.
  • Beklagte: Fahrzeughalter, dessen Fahrzeug am Vorfall beteiligt war, und dessen Haftpflichtversicherung (verurteilt als Gesamtschuldner).

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger stürzte mit seinem Motorrad. Eine direkte Kollision mit dem Fahrzeug des beteiligten Fahrzeughalters fand unstreitig nicht statt.
  • Kern des Rechtsstreits: Ob der Sturz des Klägers rechtlich dem Betrieb des gegnerischen Fahrzeugs zugerechnet werden kann, auch ohne eine direkte Berührung, und ob die Beklagten deshalb Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen müssen.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberlandesgericht änderte das Urteil der Vorinstanz (Landgericht Potsdam, Az. 4 O 333/19) teilweise ab. Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger Schadensersatz (4.783,45 €), Schmerzensgeld (500,00 €) sowie weitere Kosten (650,34 €) zu zahlen, jeweils zuzüglich Zinsen. Außerdem müssen sie den Kläger von Sachverständigenkosten (1.426,17 €) freistellen. Im Übrigen wurden die Klage und die weitergehende Berufung abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht sah einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gemäß § 7 Abs. 1, § 11 S. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) bzw. §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) als gegeben an. Der Sturz des Klägers und die daraus resultierenden Schäden wurden dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zugerechnet, auch wenn es keine Berührung gab. Die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG lagen vor.
  • Folgen: Die Beklagten müssen die gerichtlich festgelegten Beträge an den Kläger zahlen und die gesamten Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, das heißt, der Kläger kann die Zahlung sofort fordern. Eine Überprüfung des Urteils durch den Bundesgerichtshof (Revision) wurde nicht zugelassen.

Der Fall vor Gericht


Der zugrunde liegende Sachverhalt: Sturz ohne Kollision

Motorradfahrer weicht Zaun aus. Ausweichmanöver, Verkehrssicherheit, Unfallrisiko, Haftungsfrage.
Haftung und Schadensersatz bei Motorradunfall | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Ein Motorradfahrer stürzte auf einer Landstraße. Zu einer direkten Berührung oder Kollision mit einem anderen Fahrzeug kam es dabei unstrittig nicht. Der Fahrer erlitt Verletzungen und sein Motorrad wurde beschädigt. Er war der Auffassung, der Fahrer eines anderen Fahrzeugs habe den Unfall durch dessen Fahrweise verursacht, auch wenn es keinen Zusammenstoß gab.

Der Motorradfahrer verklagte daraufhin den Halter des anderen Fahrzeugs sowie dessen Haftpflichtversicherung. Er forderte Schadensersatz für die Reparaturkosten seines Motorrads, Arztkosten und weitere unfallbedingte Ausgaben. Zusätzlich verlangte er ein angemessenes Schmerzensgeld für die erlittenen Verletzungen und Beeinträchtigungen.

Das Verfahren vor dem Landgericht Potsdam

Das Landgericht Potsdam (Az. 4 O 333/19) befasste sich zunächst mit dem Fall. Es musste klären, ob der Halter des anderen Fahrzeugs und dessen Versicherung für den Sturz des Motorradfahrers haftbar gemacht werden können. Die zentrale Frage war, ob der Unfall dem „Betrieb“ des gegnerischen Fahrzeugs zuzurechnen ist, obwohl keine direkte Kollision stattfand.

Nach Prüfung der Sachlage und Anhörung der Beteiligten kam das Landgericht zu einer ersten Entscheidung. Gegen dieses Urteil legte mindestens eine der Parteien Berufung ein, sodass der Fall zur Überprüfung an die nächsthöhere Instanz, das Oberlandesgericht Brandenburg, ging.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg fällte am 16. Dezember 2021 sein Urteil unter dem Aktenzeichen 12 U 42/21. Das Gericht änderte die Entscheidung des Landgerichts teilweise ab und gab dem Kläger, dem Motorradfahrer, in wesentlichen Punkten Recht.

Die Beklagten – der Fahrzeughalter und seine Versicherung – wurden als Gesamtschuldner verurteilt. Das bedeutet, sie haften gemeinsam für den Schaden, der Kläger kann die gesamte Summe aber nur einmal fordern, wahlweise von einem der beiden oder anteilig von beiden.

Konkrete Zahlungsverpflichtungen der Beklagten

Das OLG sprach dem Kläger folgende Beträge zu:

  • 4.783,45 € Schadensersatz für materielle Schäden (z.B. Reparaturkosten, beschädigte Kleidung).
  • 500,00 € Schmerzensgeld für die erlittenen Verletzungen und Schmerzen.
  • 650,34 € für weitere entstandene Kosten (z.B. vorgerichtliche Anwaltskosten).

Zusätzlich müssen die Beklagten Zinsen auf diese Beträge zahlen. Sie wurden außerdem dazu verurteilt, den Kläger von den Kosten für ein eingeholtes Sachverständigengutachten in Höhe von 1.426,17 € freizustellen. Das heißt, sie müssen diese Kosten übernehmen.

Abweisung weitergehender Ansprüche

Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das bedeutet, dass nicht alle Forderungen des Klägers erfolgreich waren. Auch die weitergehende Berufung, vermutlich der Beklagtenseite, wurde zurückgewiesen, soweit sie über die vom OLG vorgenommene Abänderung hinausging. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits, also für beide Instanzen (Landgericht und Oberlandesgericht), müssen die Beklagten tragen.

Die juristische Begründung des OLG Brandenburg

Das Gericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die Gefährdungshaftung nach § 7 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Diese Vorschrift besagt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden haftet, die beim Betrieb seines Fahrzeugs entstehen. Eine Verschulden des Halters oder Fahrers ist hierfür nicht zwingend erforderlich.

Haftung auch ohne direkte Berührung

Entscheidend war die Feststellung des Gerichts, dass der Sturz des Motorradfahrers dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zuzurechnen ist. Auch wenn keine Kollision stattfand, kann ein Fahrzeug durch seine Fahrweise oder Anwesenheit auf der Straße eine Gefahrensituation schaffen, die zu einem Unfall führt.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das Verhalten des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs den Motorradfahrer zu einer Reaktion zwang (z.B. ein Ausweichmanöver), die letztlich zum Sturz führte. Dieser ursächliche Zusammenhang (Kausalität) zwischen dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs und dem Schaden des Klägers war für das Gericht gegeben.

Voraussetzungen der Gefährdungshaftung erfüllt

Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs hatte sich nach Ansicht des OLG im Unfall realisiert. Die Reaktion des Klägers (Ausweichen und Sturz) wurde nicht als völlig unvorhersehbar oder als Unterbrechung des Kausalzusammenhangs gewertet, sondern als eine nachvollziehbare Folge der durch das Beklagtenfahrzeug geschaffenen Verkehrslage.

Neben § 7 StVG zog das Gericht auch Ansprüche aus § 823 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung, falls ein Verschulden vorlag) und § 11 Satz 2 StVG sowie § 115 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) heran. Letztere Norm ermöglicht den Direktanspruch des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers.

Konsequenzen und Rechtskraft des Urteils

Das Urteil des OLG Brandenburg ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die zugesprochenen Beträge somit sofort von den Beklagten einfordern, auch wenn diese theoretisch noch Rechtsmittel einlegen könnten (was hier aber ausgeschlossen wurde).

Eine Revision zum Bundesgerichtshof (BGH), dem höchsten deutschen Zivilgericht, wurde vom OLG nicht zugelassen. Das bedeutet, dass das Urteil in der Regel rechtskräftig wird und nicht mehr durch ein höheres Gericht überprüft werden kann, es sei denn, es gäbe außergewöhnliche Gründe für eine Nichtzulassungsbeschwerde. Die Beklagten müssen die festgelegten Summen zahlen und die gesamten Prozesskosten tragen.

Bedeutung des Urteils für Betroffene

Signalwirkung für Verkehrsteilnehmer

Dieses Urteil unterstreicht ein wichtiges Prinzip im deutschen Haftungsrecht: Die Haftung im Straßenverkehr endet nicht an der Stoßstange. Auch wer keinen direkten Unfallgegner berührt, kann für Schäden verantwortlich sein, wenn sein Verhalten eine Gefahrenlage schafft, die andere zu riskanten Manövern zwingt.

Rechte von Geschädigten gestärkt

Für Geschädigte, insbesondere Motorradfahrer, die aufgrund von Ausweichmanövern stürzen, ist das Urteil eine Bestätigung. Es zeigt, dass sie auch ohne Kollisionsnachweis erfolgreich Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen können, wenn sie beweisen können, dass das andere Fahrzeug den Unfall maßgeblich verursacht hat. Die Beweisführung kann hierbei jedoch komplex sein.

Bedeutung für Versicherungen

Für Haftpflichtversicherungen bedeutet die Entscheidung, dass sie auch in Fällen ohne direkten Fahrzeugkontakt leisten müssen, wenn die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG erfüllt sind. Dies erfordert eine genaue Prüfung des Unfallhergangs und der Kausalität zwischen Betriebsgefahr und Schaden.

Notwendigkeit der Dokumentation

Für alle Beteiligten an einem solchen Unfallgeschehen wird deutlich, wie wichtig eine genaue Dokumentation des Unfallhergangs ist. Zeugenaussagen, Spuren an der Unfallstelle oder Daten aus Dashcams können entscheidend sein, um den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fahrverhalten und Sturz ohne Kollision nachzuweisen oder zu widerlegen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass auch ohne direkte Berührung zwischen Fahrzeugen eine Haftung nach § 7 StVG bestehen kann, wenn ein Verkehrsteilnehmer durch sein Fahrverhalten eine Gefahrenlage verursacht. Der Kausalzusammenhang wird nicht unterbrochen, wenn das Verhalten anderer Beteiligter eine nachvollziehbare Reaktion auf diese Gefährdung darstellt. Bei einer Verkehrsgefährdungskette haftet der erste Verursacher auch für Folgeschäden, solange die ursprüngliche Gefahr fortwirkt und keine völlig außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Umstände eintreten.

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Haftung und Schadensersatz nach einem Motorradunfall klären

Nach einem Motorradunfall stehen die Beteiligten oft vor komplexen rechtlichen Fragen, insbesondere wenn es um die Klärung von Haftungsfragen und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen geht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen können je nach Unfallhergang und beteiligten Parteien variieren. Betroffene sollten daher ihre rechtlichen Möglichkeiten sorgfältig prüfen lassen.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre Ansprüche zu klären und durchzusetzen. Wir prüfen Ihren Fall sachkundig und individuell und entwickeln eine auf Ihre Situation zugeschnittene Strategie. Durch unsere professionelle Vertretung können Sie sicherstellen, dass Ihre Interessen umfassend gewahrt werden.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer haftet bei einem Motorradunfall, wenn keine direkte Kollision stattgefunden hat?

Ja, auch ohne eine direkte Berührung zwischen Fahrzeugen kann ein anderer Verkehrsteilnehmer für einen Motorradunfall haften. Entscheidend ist, ob dessen Verhalten den Unfall verursacht hat.

Haftung durch mittelbare Verursachung

Man spricht hier von einer mittelbaren Verursachung. Das bedeutet: Ein Verkehrsteilnehmer verhält sich so, dass ein anderer (hier der Motorradfahrer) zu einer Reaktion gezwungen wird, die zum Unfall führt – zum Beispiel zu einem Ausweichmanöver oder einer Vollbremsung, bei der der Motorradfahrer stürzt.

  • Beispiel: Ein Autofahrer biegt ab, ohne auf den entgegenkommenden Motorradfahrer zu achten oder nimmt ihm die Vorfahrt. Der Motorradfahrer muss stark bremsen und ausweichen, um einen Zusammenstoß zu verhindern, verliert dabei die Kontrolle über sein Motorrad und stürzt. Obwohl sich die Fahrzeuge nicht berührt haben, kann der Autofahrer haften, weil sein fehlerhaftes Verhalten den Sturz ausgelöst hat.

Die Bedeutung der Ursächlichkeit

Für eine Haftung muss das Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers ursächlich für den Unfall gewesen sein. Das bedeutet, sein Handeln oder Unterlassen muss die konkrete Ursache dafür sein, dass der Motorradfahrer zu einer Reaktion (wie dem Ausweichen) gezwungen wurde und infolgedessen gestürzt ist. Man prüft also, ob es ohne dieses Verhalten überhaupt zum Unfall gekommen wäre.

Verletzung von Sorgfaltspflichten

Grundlage für eine mögliche Haftung ist oft die Verletzung von Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich gemäß der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder unnötig behindert wird (§ 1 StVO – Grundregel der gegenseitigen Rücksichtnahme). Typische Beispiele für solche Pflichtverletzungen, die zu Unfällen ohne Kollision führen können, sind:

  • Missachtung der Vorfahrt
  • Plötzliches Bremsen ohne zwingenden Grund
  • Unerwartetes Wechseln der Fahrspur ohne zu blinken oder auf den nachfolgenden Verkehr zu achten
  • Öffnen einer Fahrzeugtür, ohne auf herannahende Zweiradfahrer zu achten

Beweis des Unfallhergangs

Wichtig zu wissen ist: Der geschädigte Motorradfahrer muss im Streitfall beweisen, dass das Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers den Unfall verursacht hat und dieser dabei seine Pflichten verletzt hat. Da es keine direkten Kollisionsspuren gibt, kann dieser Nachweis manchmal schwieriger sein als bei einem direkten Zusammenstoß. Zeugenaussagen, Spuren am Unfallort oder unter Umständen auch technische Gutachten können hierbei eine Rolle spielen. Auch die sogenannte Betriebsgefahr, die von jedem Kraftfahrzeug im Betrieb ausgeht, kann bei der Beurteilung der Haftung eine Rolle spielen, selbst wenn es nicht zur Kollision kam, das Fahrzeug des Schädigers aber zum Unfallgeschehen beigetragen hat.


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Welche Arten von Schäden kann ich nach einem Motorradunfall geltend machen?

Nach einem Motorradunfall können verschiedene Arten von Schäden entstanden sein. Wenn eine andere Person den Unfall (mit-)verursacht hat, besteht grundsätzlich ein Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre der Unfall nicht passiert. Das bedeutet, dass die unfallbedingten Nachteile ausgeglichen werden sollen. Typischerweise sind folgende Schadensarten relevant:

Sachschäden

Hierzu zählen alle Beschädigungen an Ihrem Eigentum, die durch den Unfall verursacht wurden.

  • Schäden am Motorrad: Das umfasst die Reparaturkosten. Wenn eine Reparatur nicht mehr möglich oder wirtschaftlich unsinnig ist (Totalschaden), wird in der Regel der Wiederbeschaffungswert ersetzt. Das ist der Wert, den ein vergleichbares Motorrad vor dem Unfall hatte. Davon wird meist der Restwert des beschädigten Motorrads abgezogen. Zusätzlich kann bei neueren Fahrzeugen eine merkantile Wertminderung anfallen – das ist der Betrag, den Ihr Motorrad nach der Reparatur aufgrund des Unfallschadens weniger wert ist.
  • Schäden an Schutzkleidung und Zubehör: Auch Ihre beschädigte Motorradbekleidung (Helm, Kombi, Stiefel, Handschuhe) und anderes Zubehör (z.B. Gepäck, Handy, Brille), das beim Unfall beschädigt wurde, gehört zum ersatzfähigen Schaden. Hier wird meist der Zeitwert ersetzt.
  • Weitere Kosten: Dazu können gehören:
    • Gutachterkosten: Die Kosten für ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Schadenshöhe am Motorrad.
    • Abschleppkosten: Wenn Ihr Motorrad abgeschleppt werden musste.
    • Nutzungsausfallentschädigung: Wenn Sie Ihr Motorrad unfallbedingt nicht nutzen können und auf dessen Nutzung angewiesen sind, kann für die Dauer der Reparatur oder Wiederbeschaffung eine Entschädigung gefordert werden. Alternativ können unter Umständen die Kosten für ein Mietfahrzeug übernommen werden.
    • Unkostenpauschale: Für allgemeinen Aufwand wie Telefonate, Porto etc. wird oft eine Pauschale anerkannt.

Personenschäden

Wenn Sie bei dem Unfall verletzt wurden, können zusätzlich zu den Sachschäden auch Personenschäden relevant sein.

  • Heilungskosten: Das sind alle Kosten, die für Ihre medizinische Behandlung anfallen. Dazu zählen Arzt- und Krankenhauskosten, Kosten für Medikamente, Therapien (z.B. Physiotherapie), Rehabilitationsmaßnahmen und notwendige Hilfsmittel (z.B. Krücken). Auch Fahrtkosten zu Behandlungen können darunterfallen.
  • Verdienstausfall: Wenn Sie wegen der Verletzungen vorübergehend oder dauerhaft nicht arbeiten können, haben Sie Anspruch auf Ersatz des dadurch entfallenden Einkommens. Für Sie als Betroffenen bedeutet das, dass der Verlust an Nettoeinkommen ausgeglichen werden soll.
  • Haushaltsführungsschaden: Können Sie wegen der Verletzungen Ihren Haushalt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt führen, kann auch hierfür ein Ersatzanspruch bestehen. Das betrifft den Wert der unentgeltlichen Arbeit, die Sie im Haushalt leisten (z.B. Putzen, Kochen, Kinderbetreuung). Es können die Kosten für eine notwendige Haushaltshilfe oder eine fiktive Entschädigung anfallen.
  • Vermehrte Bedürfnisse: Bei schweren oder dauerhaften Verletzungen können zusätzliche, dauerhafte Kosten entstehen, etwa für Pflegeleistungen, behindertengerechte Umbauten am Haus oder Fahrzeug oder spezielle Therapien. Auch diese sind Teil des ersatzfähigen Schadens.

Immaterielle Schäden (Schmerzensgeld)

Neben den direkt in Geld messbaren Schäden gibt es auch einen Ausgleich für die körperlichen und seelischen Schmerzen und Leiden, die Sie durch den Unfall erlitten haben. Diesen nennt man Schmerzensgeld.

  • Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt stark vom Einzelfall ab. Wichtige Faktoren sind die Art und Schwere der Verletzungen, die Dauer der Behandlung, mögliche Dauerschäden, die Anzahl der Operationen und die Beeinträchtigung der Lebensqualität. Es gibt keine feste Formel; die Höhe orientiert sich an vergleichbaren Gerichtsentscheidungen.

Wichtig zu wissen: Der Umfang des Schadensersatzes hängt immer von der Haftungsquote ab. Das bedeutet: Wenn Sie selbst eine Mitschuld am Unfall tragen, kann Ihr Anspruch entsprechend gekürzt werden.


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Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes nach einem Motorradunfall bemessen?

Die Höhe des Schmerzensgeldes nach einem Motorradunfall wird nicht nach einer festen Formel oder Tabelle berechnet. Es handelt sich immer um eine Entscheidung im Einzelfall, die die besonderen Umstände Ihrer persönlichen Situation berücksichtigt. Das Schmerzensgeld soll einen Ausgleich für die körperlichen und seelischen Schmerzen und Leiden bieten, die Sie durch den Unfall erlitten haben. Man spricht hier von einem Ausgleich für sogenannte immaterielle Schäden – also Schäden, die nicht direkt in Geld messbar sind, wie etwa Schmerzen oder seelisches Leid.

Welche Faktoren bestimmen die Höhe?

Gerichte berücksichtigen bei der Bemessung eine Vielzahl von Faktoren. Die wichtigsten sind:

  1. Art und Schwere der Verletzungen: Hier geht es darum, welche Verletzungen Sie konkret erlitten haben. Schwerwiegende Verletzungen wie Knochenbrüche, Polytraumata (Mehrfachverletzungen), Schädel-Hirn-Traumata oder innere Verletzungen führen in der Regel zu einem höheren Schmerzensgeld als leichtere Verletzungen wie Prellungen oder Zerrungen. Die Intensität der erlittenen Schmerzen spielt eine zentrale Rolle.
  2. Dauer der Behandlung und Heilung: Die Länge und Intensität der medizinischen Behandlung sind ebenfalls entscheidend. Dazu zählen Krankenhausaufenthalte, Operationen, Rehabilitationsmaßnahmen und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Je länger und belastender der Heilungsprozess ist, desto höher kann das Schmerzensgeld ausfallen.
  3. Bleibende Schäden (Dauerfolgen): Besonders ins Gewicht fallen dauerhafte Beeinträchtigungen physischer oder psychischer Natur. Dazu gehören beispielsweise chronische Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Lähmungen, der Verlust von Gliedmaßen oder Sinnesorganen, sichtbare Narben (insbesondere im Gesicht) oder psychische Folgeschäden wie posttraumatische Belastungsstörungen, Angstzustände oder Depressionen. Wenn Sie also lebenslang unter den Unfallfolgen leiden, wirkt sich das erheblich auf die Höhe des Schmerzensgeldes aus.
  4. Verschulden des Unfallverursachers: Auch das Maß des Verschuldens des Unfallverursachers kann die Höhe beeinflussen. Hat dieser den Unfall zum Beispiel grob fahrlässig (also besonders leichtsinnig) oder sogar vorsätzlich verursacht, kann dies zu einem höheren Schmerzensgeld führen. Hierbei geht es neben dem reinen Ausgleich auch um eine gewisse Genugtuung für das erlittene Unrecht.
  5. Weitere individuelle Umstände: Zusätzlich können weitere persönliche Faktoren eine Rolle spielen, wie Ihr Alter zum Unfallzeitpunkt, die Auswirkungen der Verletzungen auf Ihre Lebensführung (z.B. Verlust von Hobbys, Beeinträchtigung des sozialen Lebens) oder die Notwendigkeit und Belastung durch Folgeoperationen.

Die Rolle von Schmerzensgeldtabellen

Sie haben vielleicht schon von sogenannten „Schmerzensgeldtabellen“ (wie z.B. die Beck’sche Schmerzensgeldtabelle, ADAC-Schmerzensgeldtabelle) gehört. Wichtig zu verstehen ist: Diese Tabellen sind keine Gesetze und rechtlich nicht bindend. Sie sind Sammlungen von vergangenen Gerichtsentscheidungen zu verschiedenen Verletzungsarten. Gerichte und Versicherungen nutzen sie lediglich als Orientierungshilfe, um vergleichbare Fälle zu finden. Ihr individueller Fall kann und wird jedoch immer anhand seiner spezifischen Umstände bewertet, weshalb die tatsächliche Höhe des Schmerzensgeldes von den Beträgen in solchen Tabellen abweichen kann.

Letztlich zielt die Bemessung darauf ab, eine gerechte und angemessene Entschädigung für die konkret erlittenen immateriellen Schäden im Einzelfall zu finden.


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Was bedeutet „Mitverschulden“ bei einem Motorradunfall und wie wirkt es sich auf meinen Schadensersatzanspruch aus?

Mitverschulden bedeutet, dass Sie als geschädigte Person selbst einen Teil der Verantwortung für die Entstehung des Unfalls oder für die Höhe des entstandenen Schadens tragen. Haben Sie durch Ihr eigenes Verhalten zum Unfall beigetragen, kann Ihr Anspruch auf Schadensersatz gekürzt werden.

Was genau ist Mitverschulden?

Wenn bei einem Unfall ein Schaden entsteht, prüft man, wer dafür verantwortlich ist. Manchmal trägt nicht nur der Unfallgegner die Schuld, sondern auch der Geschädigte selbst hat durch sein Verhalten zum Unfallgeschehen oder zur Schadenshöhe beigetragen. Das nennt man Mitverschulden.

Die rechtliche Grundlage dafür findet sich im § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieses Gesetz besagt vereinfacht: Wer bei der Entstehung eines Schadens mitgewirkt hat, muss sich seinen eigenen Verursachungsbeitrag anrechnen lassen. Es geht also um eine faire Verteilung der Verantwortung und der daraus resultierenden Kosten.

Ein Mitverschulden kann sich auf zwei Arten ergeben:

  1. Sie haben zur Entstehung des Unfalls beigetragen (z.B. durch zu schnelles Fahren).
  2. Sie haben zwar den Unfall nicht direkt verursacht, aber durch Ihr Verhalten dazu beigetragen, dass der Schaden höher ausgefallen ist, als er hätte sein müssen (z.B. durch Nichttragen eines Helms, was zu schwereren Kopfverletzungen führt).

Wie wird Mitverschulden bewertet und wie wirkt es sich aus?

Die Bewertung des Mitverschuldens erfolgt immer anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls. Gerichte wägen ab, wer welchen Anteil an der Verursachung des Unfalls oder der Schadenshöhe hat. Dabei werden die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge beider Seiten gegeneinander abgewogen.

Das Ergebnis dieser Abwägung ist eine Quote, die den Grad Ihres Mitverschuldens ausdrückt (z.B. 20 %, 30 %, 50 %).

Die Auswirkung ist direkt: Ihr Schadensersatzanspruch wird genau um diese Quote gekürzt.

  • Beispiel: Stellt ein Gericht fest, dass Sie zu 30 % Mitschuld am Unfall tragen, erhalten Sie vom Unfallgegner bzw. dessen Versicherung nur 70 % Ihres eigentlichen Schadens ersetzt. Beträgt Ihr Schaden 10.000 Euro, bekommen Sie nur 7.000 Euro. Bei einem Mitverschulden von 50 % wird der Schaden hälftig geteilt.

Typische Beispiele für Mitverschulden bei Motorradfahrern

Bestimmte Verhaltensweisen können bei Motorradunfällen häufiger zu einem Mitverschulden führen:

  • Überhöhte Geschwindigkeit: Sie fahren schneller als erlaubt oder passen Ihre Geschwindigkeit nicht an die Straßen-, Verkehrs- oder Wetterverhältnisse an.
  • Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss: Bereits geringe Mengen können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen und zu einem Mitverschulden führen.
  • Riskante Fahrmanöver: Dazu zählen zum Beispiel gefährliches Überholen, zu dichtes Auffahren oder das Ignorieren von Verkehrsregeln wie Vorfahrtsregelungen oder roten Ampeln.
  • Technische Mängel: Wenn Mängel am Motorrad (z.B. stark abgefahrene Reifen, defekte Bremsen) zum Unfall beigetragen haben und Sie davon wussten oder hätten wissen müssen.
  • Unzureichende Schutzkleidung: Während das Tragen eines Helms gesetzlich vorgeschrieben ist, kann auch das Fehlen anderer geeigneter Schutzkleidung unter Umständen dazu führen, dass Ihnen bei bestimmten Verletzungen ein Mitverschulden an der Schadenshöhe angelastet wird, weil die Verletzungsfolgen dadurch schwerer ausfielen.

Die Feststellung eines Mitverschuldens und dessen Höhe hängt immer von den genauen Umständen des jeweiligen Unfalls ab.


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Welche Fristen muss ich nach einem Motorradunfall beachten, um meine Ansprüche geltend zu machen?

Nach einem Motorradunfall haben Sie nicht unbegrenzt Zeit, um Ihre Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Das Gesetz sieht hierfür Verjährungsfristen vor. Wenn diese Fristen ablaufen, können Sie Ihre Ansprüche in der Regel nicht mehr erfolgreich durchsetzen, selbst wenn sie ursprünglich berechtigt waren.

Die regelmäßige Verjährungsfrist: Drei Jahre

Für die meisten Ansprüche auf Schadensersatz nach einem Unfall gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 195 festgelegt.

Wichtig ist, wann diese Frist zu laufen beginnt: Sie startet nicht direkt am Unfalltag, sondern erst am Ende des Jahres, in dem zwei Bedingungen erfüllt sind:

  1. Der Anspruch ist entstanden (also der Unfall ist passiert und ein Schaden eingetreten).
  2. Sie haben Kenntnis von den Umständen, die den Anspruch begründen (insbesondere vom Schaden und der Person des Schädigers), oder Sie hätten diese Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB).
  • Beispiel: Der Unfall ereignet sich im Mai 2023. Sie erfahren noch im selben Jahr, wer der Unfallgegner ist und welche Schäden (z.B. Reparaturkosten, Schmerzensgeld wegen Verletzungen) entstanden sind. Dann beginnt die dreijährige Verjährungsfrist am 31. Dezember 2023 zu laufen und endet am 31. Dezember 2026.

Wird diese Frist versäumt, kann der Unfallgegner oder dessen Versicherung die Zahlung mit dem Hinweis auf die Verjährung verweigern.

Längere Frist bei Verletzungen: 30 Jahre

Eine wichtige Ausnahme von der dreijährigen Regel gilt für Ansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen. Solche Ansprüche, dazu zählt insbesondere das Schmerzensgeld, verjähren kenntnisunabhängig spätestens in 30 Jahren.

Diese 30-Jahres-Frist beginnt bereits ab dem Tag des Unfalls (oder genauer: ab dem Tag des schädigenden Ereignisses bzw. der Pflichtverletzung) zu laufen, unabhängig davon, wann Sie von dem Schaden oder dem Schädiger erfahren haben (§ 199 Abs. 2 BGB). Dies ist besonders relevant bei Spätfolgen von Verletzungen.

Was beeinflusst den Fristlauf noch?

Neben dem Beginn und der Dauer der Frist gibt es Umstände, die den Lauf der Verjährung beeinflussen können. Zum Beispiel kann die Verjährung gehemmt werden, also für eine bestimmte Zeit anhalten. Dies kann der Fall sein, solange zwischen Ihnen und dem Schädiger bzw. dessen Versicherung über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände verhandelt wird (§ 203 BGB). Die Verjährung läuft dann erst weiter, wenn die Verhandlungen von einer Seite abgebrochen werden.

Es ist entscheidend, die für Ihre Ansprüche geltenden Fristen im Auge zu behalten, da ein Fristablauf zum Verlust Ihrer Rechte führen kann.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Gefährdungshaftung (§ 7 StVG)

Dies ist eine besondere Form der Haftung im Straßenverkehrsgesetz (StVG). Sie bedeutet, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs bereits für Schäden haftet, die durch den bloßen Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, auch wenn ihn persönlich kein Verschulden trifft. Entscheidend ist allein die Gefahr, die von einem laufenden oder im Verkehr befindlichen Fahrzeug ausgeht. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Halter des beteiligten Fahrzeugs haften kann, weil sein Fahrzeug in Betrieb war und dieser Betrieb (mittelbar) zum Sturz des Motorradfahrers führte, selbst wenn der Fahrer des Autos keinen Fahrfehler gemacht hat.

Beispiel: Ein Auto erleidet unvorhersehbar einen Reifenplatzer und verursacht dadurch einen Unfall. Der Halter haftet nach § 7 StVG für den Schaden, auch wenn ihn kein Verschulden am Reifenplatzer trifft.


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Betrieb (eines Fahrzeugs)

Im Sinne des Straßenverkehrsrechts (§ 7 StVG) ist ein Fahrzeug bereits dann „in Betrieb“, wenn es sich im öffentlichen Verkehrsraum befindet und dessen Betrieb sich auf irgendeine Weise auf den Verkehr auswirkt. Dies ist weiter gefasst als nur das Fahren. Auch ein haltendes, parkendes oder gerade anfahrendes Fahrzeug kann „in Betrieb“ sein, wenn es eine Gefahr für andere darstellt oder den Verkehr beeinflusst. Im konkreten Fall war entscheidend, dass das Fahrzeug des Beklagten am Verkehrsgeschehen teilnahm und dadurch – auch ohne Berührung – den Sturz des Klägers mitverursachte.

Beispiel: Ein Auto parkt kurzzeitig in zweiter Reihe. Ein vorbeifahrender Radfahrer muss deswegen ausweichen und stürzt. Das parkende Auto war hier „in Betrieb“ im Sinne des § 7 StVG.


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Zurechnung

Zurechnung bedeutet im juristischen Sinne, dass ein bestimmtes Ereignis (der Schaden) rechtlich einer bestimmten Ursache (z. B. dem Betrieb eines Fahrzeugs) zugeordnet wird. Es muss also ein Kausalzusammenhang bestehen, der rechtlich relevant ist. Im Fall des Motorradsturzes prüfte das Gericht, ob der Sturz und die daraus entstandenen Schäden dem Betrieb des gegnerischen Fahrzeugs zugerechnet werden können, obwohl keine direkte Kollision stattfand. Das Gericht bejahte dies, weil das Verhalten des Autos den Sturz ausgelöst hat.

Beispiel: Wenn jemand auf einer frisch gewischten, aber nicht gekennzeichneten Fläche ausrutscht, wird der Sturz demjenigen zugerechnet, der für die Sicherungspflicht (z. B. das Aufstellen eines Warnschilds) verantwortlich war.


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Schadensersatz

Schadensersatz ist der Ausgleich für einen entstandenen materiellen oder finanziellen Nachteil, den jemand erlitten hat. Ziel ist es, den Geschädigten wirtschaftlich so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (§ 249 BGB). Dies umfasst typischerweise Reparaturkosten, Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall oder Kosten für Sachverständige. Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger Schadensersatz für die durch den Sturz entstandenen Kosten (z. B. am Motorrad, Sachverständigenkosten) zugesprochen.

Beispiel: Nach einem unverschuldeten Auffahrunfall erhält der Geschädigte die Reparaturkosten für sein Auto als Schadensersatz vom Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung.


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Schmerzensgeld

Schmerzensgeld ist ein finanzieller Ausgleich für erlittene immaterielle Schäden, also Schäden, die nicht direkt das Vermögen betreffen (§ 253 Abs. 2 BGB). Dazu zählen insbesondere körperliche und seelische Schmerzen, Leiden und Beeinträchtigungen der Lebensqualität infolge einer Verletzung. Es soll dem Geschädigten eine angemessene Genugtuung für das erlittene Leid verschaffen. Im Fall erhielt der Kläger neben dem Schadensersatz auch Schmerzensgeld für die Verletzungen, die er bei dem Sturz erlitten hat.

Beispiel: Wer bei einem Unfall verletzt wird und wochenlang Schmerzen hat oder eine bleibende Narbe davonträgt, kann zusätzlich zum Ersatz der materiellen Schäden (z. B. Arztkosten) Schmerzensgeld verlangen.


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Gesamtschuldner

Gesamtschuldner bedeutet, dass mehrere Personen (Schuldner) für dieselbe Schuld haften, der Gläubiger die gesamte Leistung aber nur einmal fordern kann. Der Gläubiger hat die Wahl, von welchem Gesamtschuldner er die volle Summe verlangt (§ 421 BGB). Leistet ein Gesamtschuldner die gesamte Summe, werden die anderen gegenüber dem Gläubiger frei. Im Innenverhältnis können die Gesamtschuldner dann untereinander einen Ausgleich verlangen. Im Fall wurden der Fahrzeughalter und seine Versicherung als Gesamtschuldner verurteilt, d. h. der Kläger kann die gesamte Summe wahlweise vom Halter oder von der Versicherung fordern.

Beispiel: Zwei Personen mieten gemeinsam eine Wohnung. Sie haften als Gesamtschuldner für die Miete. Der Vermieter kann die volle Miete von nur einem der Mieter verlangen, dieser kann dann aber die Hälfte vom anderen Mieter zurückfordern.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 Abs. 1 StVG (Gefährdungshaftung des Halters): Diese Norm begründet eine Haftung des Fahrzeughalters, wenn durch den Betrieb seines Kraftfahrzeugs ein Schaden entsteht. Es ist nicht erforderlich, dass den Halter oder Fahrer ein Verschulden trifft; die Haftung basiert auf der Betriebsgefahr des Fahrzeugs. Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellt fest, dass der Sturz des Klägers noch dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zuzurechnen ist, auch ohne direkte Berührung, da das Fahrzeug des Beklagten die Gefahrenlage verursachte.
  • § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph verpflichtet zum Schadensersatz, wenn jemand rechtswidrig und schuldhaft das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein anderes Recht eines anderen verletzt. Hier geht es um die allgemeine Haftung für schuldhaft verursachte Schäden. Bedeutung im vorliegenden Fall: Neben der Gefährdungshaftung wird auch eine Haftung aus Verschulden geprüft, da der Beklagte zu 1 durch den Vorfahrtsverstoß rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und den Sturz des Klägers mitverursacht hat.
  • § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO (Vorfahrt): Diese Vorschrift regelt das Verhalten beim Einfahren in eine Vorfahrtstraße und schreibt vor, dass sich der Wartepflichtige so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Nichtbeachtung der Vorfahrt ist ein häufiger Grund für Verkehrsunfälle. Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Beklagte zu 1 hat gegen diese Vorfahrtsregel verstoßen, indem er in die B… eingebogen ist und dadurch den Kläger zum Ausweichen gezwungen hat, was den Unfallablauf einleitete.
  • § 253 Abs. 2 BGB (Schmerzensgeld): Dieser Paragraph ermöglicht die Zuerkennung von Schmerzensgeld bei Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung. Schmerzensgeld soll immaterielle Schäden ausgleichen. Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht spricht dem Kläger aufgrund seiner erlittenen Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € zu, um seine immateriellen Schäden zu kompensieren.
  • § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG (Direktanspruch gegen Versicherer): Diese Norm gewährt dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls einen direkten Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers. Dies vereinfacht die Schadensregulierung für den Geschädigten. Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl im Urteil nicht explizit erwähnt, bildet diese Norm die Grundlage dafür, dass der Kläger seine Ansprüche direkt gegen die Versicherung des Beklagten geltend machen kann, was im Verkehrshaftpflichtrecht üblich ist.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Verkehrsunfallgeschädigte (insbesondere Motorradfahrer) bei Unfällen ohne direkte Kollision

Sie sind mit dem Motorrad oder Fahrrad unterwegs und müssen wegen eines anderen Fahrzeugs plötzlich ausweichen oder stark bremsen? Sie stürzen, ohne dass es zu einer Berührung mit dem anderen Fahrzeug kommt? Auch in solchen Fällen können Ihnen Ansprüche zustehen.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.


Tipp 1: Haftung auch ohne Berührung prüfen lassen
Auch wenn es zu keiner direkten Kollision zwischen Ihrem Fahrzeug und dem eines anderen Verkehrsteilnehmers gekommen ist, kann der Halter des anderen Fahrzeugs und dessen Versicherung haften. Entscheidend ist, ob der Unfall durch den „Betrieb“ des anderen Fahrzeugs verursacht wurde (§ 7 StVG). Das kann z. B. der Fall sein, wenn Sie zu einem gefährlichen Ausweichmanöver gezwungen wurden.


Tipp 2: Beweise sofort sichern
Gerade bei Unfällen ohne Kollision ist die Beweislage oft schwierig. Sichern Sie daher unbedingt sofort Beweise:

  • Machen Sie Fotos von der Unfallstelle, den beteiligten Fahrzeugen (auch wenn unbeschädigt), eventuellen Bremsspuren und Ihrer Endposition.
  • Notieren Sie sich Namen und Adressen von Zeugen.
  • Rufen Sie die Polizei hinzu, damit der Unfallhergang offiziell aufgenommen wird.
  • Notieren Sie sich das Kennzeichen des anderen beteiligten Fahrzeugs.

Tipp 3: Umfassenden Schadensersatz geltend machen
Wenn die Haftung des anderen Fahrzeughalters feststeht, können Sie verschiedene Schadenspositionen geltend machen. Dazu gehören typischerweise:

  • Reparaturkosten für Ihr Fahrzeug oder Wiederbeschaffungswert bei Totalschaden.
  • Sachverständigenkosten zur Ermittlung des Schadens.
  • Heilbehandlungskosten (Arzt-, Krankenhauskosten etc.), soweit nicht von der Krankenkasse übernommen.
  • Schmerzensgeld für erlittene Verletzungen (§ 253 Abs. 2 BGB).
  • Verdienstausfall, wenn Sie arbeitsunfähig sind.
  • Sonstige unfallbedingte Kosten (z. B. Fahrtkosten, Haushaltshilfe).

Tipp 4: Ansprüche gegen Fahrer/Halter und Versicherung richten
Sie können Ihre Ansprüche in der Regel sowohl gegen den Fahrer bzw. Halter des gegnerischen Fahrzeugs als auch direkt gegen dessen Haftpflichtversicherung geltend machen (§ 115 VVG). Oft ist es sinnvoll, die Versicherung direkt anzuschreiben, da diese die Regulierung übernimmt. Fahrer/Halter und Versicherung haften als Gesamtschuldner, d.h., Sie können sich aussuchen, von wem Sie die volle Summe fordern (natürlich nur einmal insgesamt).

⚠️ ACHTUNG: Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt stark von der Art und Schwere der Verletzungen sowie deren Dauer und Folgen ab. Die im Urteil genannten 500 € sind ein spezifischer Betrag für diesen Einzelfall und nicht verallgemeinerbar.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Der schwierigste Punkt bei Unfällen ohne Kollision ist oft der Nachweis, dass gerade das Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers den Unfall verursacht hat (Kausalität). Ohne Zeugen oder eindeutige Spuren kann dies schwierig sein. Zudem kann Ihnen ein Mitverschulden angerechnet werden (z. B. überhöhte Geschwindigkeit, zu spätes Reagieren), was Ihre Ansprüche mindern kann. Eine genaue Prüfung des Einzelfalls durch einen Anwalt ist hier besonders wichtig.

Checkliste: Unfall ohne Kollision

  • [Unfallstelle und Spuren (Bremsspuren etc.) dokumentiert?]
  • [Zeugen vorhanden und Kontaktdaten notiert?]
  • [Polizei zur Unfallaufnahme gerufen?]
  • [Kennzeichen des anderen Fahrzeugs bekannt?]
  • [Verletzungen ärztlich attestieren lassen?]
  • [Alle Schäden (Fahrzeug, Kleidung, Gesundheit etc.) aufgelistet?]

Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 42/21 – Urteil vom 16.12.2021


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