OLG Düsseldorf – Az.: I-12 U 20/17 – Beschluss vom 09.07.2018
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt (entspr. § 91a ZPO).
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: bis zum 18.06.2018: 30.470,85 EUR
danach: (bis zu) 13.000,00 EUR
(Kosteninteresse der Beklagten für zwei Instanzen)
Gründe
A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners am 22.03.2017 ist der zu diesem Zeitpunkt noch rechtshängige Anfechtungsprozess zwar gem. § 17 Abs. 1 S. 1 AnfG unterbrochen worden, unabhängig davon, ob dies den Parteien oder dem Gericht bekannt oder bewusst war (vgl. BGH, Urt. v. 03.12.2009 – IX ZR 29/08, NJW-RR 2010, 631, 632 Rn. 17). Da die Unterbrechung nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung erfolgt ist, hinderte sie jedoch nicht die Verkündung des landgerichtlichen Urteils (§ 249 Abs. 3 ZPO). Einlegung und Begründung der Berufung durch die Beklagte sind nicht nach § 249 Abs. 2 ZPO unwirksam, weil sie während der Zeit der Unterbrechung vorgenommen worden sind. Denn die Vorschrift ist allein auf Prozesshandlungen anzuwenden, die dem Gegner gegenüber vorzunehmen sind, nicht aber auf die Einlegung eines Rechtsmittels bei Gericht (BGH, Zwischenurt. v. 23.04.2013 – X ZR 169/12, NZI 2013, 690, 691 Rn. 11).
B. Nachdem die Beklagte den Rechtsstreit im Hinblick auf die Ablehnung des Insolvenzverwalters (nur) wegen der Kosten aufgenommen hat (§ 17 Abs. 3 S. 1 AnfG), ist eine Kostenentscheidung entsprechend § 91a ZPO zu treffen, indem derjenigen Partei die Kosten aufzuerlegen sind, die bei einer Durchführung des Anfechtungsprozesses voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. MüKoAnfG/Kirchhof, 1. Aufl., § 17 Rn. 26; Huber, AnfG, 11. Aufl., § 17 Rn. 16; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Onusseit, Insolvenzrecht Kommentar, 3. Aufl., § 17 AnfG Rn. 21).
Der Prozess ist in der Hauptsache erledigt, weil der bisherige Anfechtungskläger infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners die Sachbefugnis verloren hat. Denn gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 AnfG ist nunmehr der Insolvenzverwalter berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen. Entsprechend § 91a ZPO ist in diesem Fall über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der Berufung der Beklagten aufzuerlegen, weil ihr Rechtsmittel im Ergebnis keinen Erfolg gehabt hätte. Das Landgericht hat die Beklagte mit Recht zur Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der im Tenor näher bezeichneten Forderungen des Klägers in das Grundstück … zwecks Befriedigung aus dem hälftigen Versteigerungserlös verurteilt, weil die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an der Immobilie durch den Schuldner auf die Beklagte gemäß § 4 Abs. 1 AnfG anfechtbar ist.
1. Die von der Beklagten in erster Instanz nicht in Zweifel gezogene Anfechtungsberechtigung des Klägers gemäß § 2 AnfG folgt hier schon aus der unbestrittenen Tatsache, dass der Schuldner nach der von ihm am 10.09.2015 abgegebenen Vermögensauskunft einkommens- und vermögenslos ist und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Klägers fruchtlos verlaufen sind. Nicht erforderlich ist, dass der Kläger die Zwangsvollstreckung wegen jeder einzelnen titulierten Forderung vergeblich betrieben hat.
2. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Übertragung unentgeltlich erfolgt ist. Allein der Umstand, dass die Übertragung eines Vermögensgegenstandes – wie hier – im Rahmen einer ehebedingten Zuwendung erfolgt ist, stellt keine Gegenleistung dar, welche die Unentgeltlichkeit des Empfangs im Sinne der anfechtungsrechtlichen Vorschriften ausschließt (BGH, Urt. v. 08.12.2011 – IX ZR 33/11, DZWIR 2012, 341, 345 Rn. 44). Die Übernahme der im Grundbuch eingetragenen Belastungen stellt keine Gegenleistung dar, da sie sich bereits aus dem Gesetz ergibt. Die persönliche Haftung hat die Beklagte – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – ausdrücklich nicht übernommen.
3. Die Übertragung des Miteigentumsanteils des Schuldners hatte eine objektive Gläubigerbenachteiligung zur Folge. Ob das Landgericht in diesem Zusammenhang das Vorbringen der Beklagten zum Verkehrswert des Grundstücks mit Recht gemäß § 296 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt gelassen hat, kann im Ergebnis dahinstehen, da das Vorbringen des Klägers, dass jedenfalls keine wertausschöpfend Belastung vorgelegen habe, der Entscheidung bereits deshalb zu Grunde zu legen war, weil die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast zur Valutierung der eingetragenen Grundstücksbelastung nicht genügt hat.
3.1. Gemäß § 531 Abs. 1 ZPO bleiben Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, ausgeschlossen. Das Landgericht hat die Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten zum Wert des Grundbesitzes auf § 296 Abs. 1 ZPO gestützt. Daher hat der Senat zu prüfen, ob die Voraussetzungen dieser Norm vorlagen (BGH, Beschl. v. 15.07.2014 – VI ZR 176/13, juris Rn. 4; Beschl. v. 02.09.2013 – VII ZR 242/12, juris Rn. 9). Zu Recht erfolgt ist die Zurückweisung, wenn nach Überzeugung des Berufungsgerichts zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz die Voraussetzungen der Präklusionsnorm vorlagen (Prütting/Gehrlein/Oberheim, ZPO, 10. Aufl., § 531 Rn. 6).
Verspäteter Vortrag ist (nur) zurückzuweisen, wenn seine Zulassung zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) die Erledigung des Rechtsstreits (nicht nur ganz unerheblich) aus der Perspektive des Schlusses der mündlichen Verhandlung verzögerte. Es wird die Dauer des Prozesses bei Zulassung des Vortrags der Dauer bei Nichtzulassung gegenübergestellt, nicht der hypothetischen Dauer bei rechtzeitigem Vorbringen (Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, a.a.O. § 296 Rn. 14; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 296 Rn. 22; MüKoZPO/Prütting, 5. Aufl., § 296 Rn. 80). Die Anwendung dieses so genannten absoluten Verzögerungsbegriffs ist grundsätzlich mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar. Die Zulässigkeit einer Präklusion wird verfassungsrechtlich allerdings bedenklich, wenn sich ohne weitere Erwägungen aufdrängt, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre. Einerseits kann es nicht Sinn der der Beschleunigung dienenden Präklusionsvorschriften sein, das Gericht mit schwierigen Prognosen über hypothetische Kausalverläufe zu belasten und damit weitere Verzögerungen zu bewirken; diese Vorschriften dürfen aber andererseits auch nicht dazu benutzt werden, verspätetes Vorbringen auszuschließen, wenn ohne jeden Aufwand erkennbar ist, dass die Pflichtwidrigkeit – die Verspätung allein – nicht kausal für eine Verzögerung ist. Durch die Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens soll nicht die prozessuale Nachlässigkeit einer Partei als solche sanktioniert werden, und schon gar nicht soll die Anwendung dieser Vorschriften dem Gericht die Mühe einer der Sache nach gebotenen sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung ersparen. Gerade in Fällen, in denen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsste, stellt sich deshalb die Frage, ob dieselbe Verzögerung – offenkundig – nicht auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre und einer Zurückweisung des neuen Vorbringens das verfassungsmäßige Verbot einer Überbeschleunigung entgegensteht (BGH, Urt. v. 03.07.2012 – VI ZR 120/11, NJW 2012, 2808, 2809 Rn. 12 m.w.N.). Eine verfassungsrechtlich verbotene „Überbeschleunigung“ liegt vor, wenn das als verspätet zurückgewiesene Verteidigungsvorbringen ein – in der Regel schriftliches – Sachverständigengutachten veranlasst hätte, dieses Gutachten aber in der Zeit zwischen dem Ende der versäumten Frist und der darauf folgenden mündlichen Verhandlung ohnehin nicht eingeholt hätte werden können (Musielak/Voit/Huber, ZPO, 15. Aufl., § 296 Rn. 17; BGH, Urt. v. 03.07.2012, a.a.O. Rn. 14; Beschl. v. 10.05.2016 – VIII ZR 97/15, BeckRS 2016, 10411 Rn. 14). Dazu, ob das von ihm für erforderlich gehaltene Sachverständigengutachten zum Wert des Grundbesitzes unter Berücksichtigung dessen, dass noch ein Beweisbeschluss hätte ergehen müssen, ein Auslagenvorschuss hätte eingezahlt werden müssen und den Parteien nach Vorlage des Gutachtens Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben werden müssen, rechtzeitig vor dem auf den 02.03.2017 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung hätte eingeholt werden können, hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
3.2. Dies ist im Ergebnis jedoch unschädlich, da das Vorbringen der Beklagten mangels substantiierter Darlegung zur Valutierung der in Abt. III Nr. 1 des Grundbuchs eingetragenen Grundschuld bereits nicht erheblich war. Vortrag, der für die Entscheidung nicht erheblich ist, bedarf keines Beweises und deshalb auch keiner Zurückweisung als verspätet (BeckOK ZPO/Bacher, 28. Ed., § 296 Rn. 11.1; MüKoZPO/Prütting, a.a.O. Rn. 104; Musielak/Voit/Huber, a.a.O. Rn. 5). Die Darlegungs- und Beweislast für eine wertausschöpfende Belastung trifft allerdings nicht den Anfechtungsgegner, sondern nach allgemeinen Grundsätzen den anfechtenden Gläubiger, weshalb letzterer nachweisen muss, dass die Belastung nicht wertausschöpfend ist. Der Gläubiger darf aber – trotz der nominalen – eine reale Belastung bestreiten, weil deren Vorliegen nicht zu seinem Wahrnehmungsbereich gehört. Der Anfechtungsgegner muss dann vortragen, in welcher Höhe die Belastung im maßgeblichen Zeitpunkt valutierte. Hierzu trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast; die schlichte Behauptung einer wertausschöpfenden Belastung reicht nicht. Fehlt es am substantiierten Bestreiten, gilt der sonst als nicht hinreichend substantiiert anzusehende Vortrag des anfechtenden Gläubigers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO) (Huber, AnfG, 11. Aufl., § 1 Rn. 41; A/G/R/Onusseit, a.a.O. § 1 Rn. 51; BGH, Urt. v. 20.10.2005 – IX ZR 267/02, ZInsO 2006, 151, 152 Rn. 11; Urt. v. 03.05.2007 – IX ZR 16/06, NZI 2007, 457, 459 Rn. 18).
Danach ist hier von dem Vorbringen des Klägers auszugehen, dass eine wertausschöpfende Belastung des Grundbesitzes nicht besteht. Die Beklagte hat hierzu allein im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.03.2017 pauschal behauptet, die reale Belastung betrage derzeit 165.000 EUR, die sich zusammensetze aus der ursprünglichen Grundschuld i.H.v. 125.000 EUR und einem von ihr aufgenommenen Darlehen, für das ebenfalls eine Grundschuld i.H.v. 40.000 EUR bestellt worden sei. Auf Letztere kommt es hier schon deshalb nicht an, weil diese erst nach der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils auf die Beklagte eingetragen worden ist und daher im Rahmen der Bereitstellung zugunsten des Anfechtungsgläubigers als nachrangig außer Betracht bleiben muss (MüKoAnfG/Kirchhof, a.a.O., § 11 Rn. 50). Hinsichtlich der übernommenen Grundschuld genügt die schlichte Behauptung, in Höhe des Nominalbetrages sei eine „reale Belastung“ gegeben, nicht. Bereits aus dem notariellen Übertragungsvertrag (Ziff. 9) ergibt sich, dass auf das gesicherte Darlehen der Deutschen Bank AG Zins- und Tilgungsleistungen erbracht worden sind. Außerdem haben sich die Beteiligten zur weiteren Zahlung entsprechend den bestehenden Darlehensvereinbarungen verpflichtet. Die Beklagte hätte daher unter Vorlage aussagekräftiger Belege konkret vortragen müssen, inwieweit die durch die Grundschuld gesicherten Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch bestanden haben. Dies hat sie trotz des Hinweises in dem landgerichtlichen Urteil auch in der Berufungsbegründung nicht getan.
4. Die Anfechtung der Übertragung des Miteigentumsanteils am streitgegenständlichen Grundstück ermöglicht die Zwangsvollstreckung in das gesamte Grundstück, nachdem die Beklagte als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen worden ist und damit das frühere Bruchteilseigentum des Schuldners nicht mehr besteht. Die Beklagte muss die Zwangsvollstreckung in das Grundstück jedoch nur zum Zwecke der Befriedigung der Klägerin aus der Hälfte des Versteigerungserlöses dulden, weil dieser Anteil dem Schuldner bei Fortbestand von dessen Miteigentum zugestanden hätte (vgl. BGH, Urt. v. 08.12.2011, Az.: IX ZR 33/11, ZInsO 2012, 128, 135 R. 51). Dem hatte der Kläger mit seinem Klageantrag Rechnung getragen.