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Verkehrsunfall- Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Unbenutzbarkeit des Fahrzeugs

AG Reinbek –  Az.: 12 C 271/13 –  Urteil vom 04.11.2013

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 875,00 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 186,24 jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2013 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger bezüglich der Vollkaskoversicherung bei der …, Versicherungsnummer …, aufgrund des Unfalls vom 22.11.2012 entstehende Prämienmehrbelastung zu erstatten.

3. Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 23 % und die Beklagte zu 77 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen eine gegen sie gerichtete Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall.

Verkehrsunfall- Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Unbenutzbarkeit des Fahrzeugs
Verkehrsunfall- Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Unbenutzbarkeit des Fahrzeugs

Die Beklagte überquerte am 22.11.2012 gegen 13:45 Uhr in Glinde die Möllner Landstraße an der Kreuzung mit dem Oher Weg auf der Straßenseite Richtung Glinde von Ost nach West. Der Sohn des Klägers, der Zeuge … befuhr mit dem Fahrzeug des Klägers, einem Seat Mii mit dem amtlichen Kennzeichen … die Möllner Landstraße in Richtung Süden. Der Zeuge … befand sich auf der Rechtsabbiegerspur, um der Möllner Landstraße in Richtung Oststeinbek zu folgen. Im Bereich des Fußgängerüberwegs über die Möllner Landstraße an der oben beschriebenen Kreuzung kam es zu einem Zusammenstoß zwischen der Beklagten und dem Fahrzeug des Klägers.

Dem Kläger entstand ein Sachschaden an seinem Fahrzeug und die Reparaturkosten beliefen sich auf € 2.226,82. Der Kläger nahm seine Vollkaskoversicherung in Anspruch und zahlte € 500,00 Selbstbeteiligung für die Reparatur. Des weiteren machte der Kläger gegenüber der Beklagten Nutzungsausfall für die Reparaturdauer von 14 Tagen in Höhe von insgesamt € 406,00, eine Wertminderung von € 350,00 und eine allgemeine Kostenpauschale von € 25,00 geltend.

Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab. Die Klage wurde dem Beklagtenvertreter am 06.03.2013 zugestellt.

Der Kläger behauptet, der Zeuge … habe die Ampel bei Grün und die Beklagte bei Rot passiert. Der Zeuge … sei vorsichtig an der Ampel angefahren.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.281,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger bezüglich der Vollkaskoversicherung bei der …, Versicherungs-Nr. …, entstandene Prämienmehrbelastung zu erstatten.

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere € 186,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Ampel habe für den Zeugen … Rot angezeigt. Sie bestreitet, sie habe bei Rot die Ampel überquert.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die prozessvorbereitend gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2013 verwiesen. Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … im Termin am 14.10.2013. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Beweisaufnahme vom 14.10.2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von € 875,00 aus § 823 Abs. 1 BGB. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Beklagte das alleinige Verschulden am Unfall vom 22.11.2012 trifft. Ein Mitverschulden des Zeugen … liegt nicht vor. Die Beklagte hat daher dem Kläger seinen entstandenen Schaden zu ersetzen.

Das Gericht ist aufgrund der Zeugenaussage des Zeugen … davon überzeugt, dass die Ampel für ihn als Rechtsabbieger Grün anzeigte, während die Ampel für den Geradeausverkehr noch auf Rot stand, als er sich der Ampel näherte. Weiter ist das Gericht aufgrund seiner glaubhaften Darstellung davon überzeugt, dass die Ampel insgesamt für den Rechtsabbieger- und Geradeausverkehr Grün anzeigte, als er die Ampel im Bereich des Fußgängerüberwegs passierte. Das Gericht ist darüber hinaus aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin … davon überzeugt, dass die Fußgängerampel für die Beklagte auf Rot stand, als sie den Fußgängerüberweg der Fahrspur des Zeugen … überquerte. Die Zeugin … stand direkt an der Ampel und wollte selbst die Ampel in der gleichen Richtung wie die Beklagte überqueren. Sie hatte es eilig und wollte den Bus auf der anderen Straßenseite erreichen, hatte also ein Interesse daran, so schnell wie möglich die Straße zu überqueren. Sie wartete dort bewusst, weil die Ampel für sie und die Beklagte Rot anzeigte. Gleichwohl überquerte die Beklagte die Ampel dort. Die Zeugin … hatte einen freien Blick auf das Geschehen und sah dies. Die Beklagte hat auch nicht substantiiert bestritten, die Ampel bei Rot überquert zu haben. Einfaches Bestreiten ist diesbezüglich nicht ausreichend, da die Überquerung der Ampel Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Beklagten war. Die Beklagte hat nicht etwa behauptet, die Ampel bei Grün überquert zu haben.

Auf die Frage, ob auf der Geradeausspur neben dem Zeugen … noch Fahrzeuge standen oder gerade losgefahren waren, als es zum Zusammenstoß kam, kommt es zur Überzeugung des Gerichts nicht an. Da mag die Wahrnehmung der beiden Zeugen sie auch täuschen, da dies keine Umstände sind, die bei Betrachtung der Situation ihnen als wichtig erscheinen musste.

Die Zeugin … konnte auch nicht bestätigen, dass der Zeuge … besonders schnell oder rücksichtslos gefahren wäre. Sie sagte aus, er sei relativ langsam gefahren, vielleicht 20 km/h. Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen … der aussagte, er habe seine Geschwindigkeit beim Abbiegen verringert.

Für das Gericht ist nicht erkennbar, welche Pflichten der Zeuge ..im Gegensatz zur Beklagten verletzt haben könnte. Die Beklagte ist nach der überzeugenden Aussage der Zeugin … zudem zügig über die Ampel gelaufen. Das deutet darauf hin, dass der Zusammenstoß für den Zeugen … auch bei höchster Aufmerksamkeit unvermeidbar war. Es ist nicht ersichtlich, was ein Idealfahrer in seiner Situation hätte besser machen können, um den Unfall zu vermeiden. Es ist auch nicht erkennbar, dass dort mehrere Menschen zuvor bei Rot über die Ampel gelaufen wären, so dass der Zeuge … vielleicht vorgewarnt gewesen wäre, dass dort Fußgänger bei Rot die Straße überqueren.

Die Beklagte hat dem Kläger demnach seinen entstandenen Schaden zu ersetzen. Dieser setzt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der Selbstbeteiligung in Höhe von € 500,00, einer Wertminderung von € 350,00 und einer allgemeinen Kostenpauschale in Höhe von € 25,00 zusammen.

Die Wertminderung schätzt das Gericht nach § 287 Abs. 1 ZPO auf € 350,00. Es ist absolut nachvollziehbar und sehr gering angesetzt, wenn bei einem Frontschaden dieses Ausmaßes mit Reparaturkosten von über € 2.000,00 eine Wertminderung von € 350,00 geltend gemacht wird. Das Fahrzeug des Klägers war zum Unfallzeitpunkt gerade einmal etwa sechs Wochen zugelassen und hatte 2.400 km gelaufen. Ein Seat Mii kostet ab etwa € 9.000,00 neu, da stellt sich eine Wertminderung von € 350,00 also gerade einmal als knapp 4 % des Neupreises, selbst bei den preiswertesten Ausstattungsvarianten, dar. Gerade bei einem reparierten Frontschaden, welchen man bei einem Verkauf von sich aus angeben müsste und welchen man auch als Laie und Kaufinteressent bei Nachlackierungen im Frontbereich gerade im Bereich des Übergangs von Kotflügel zu Motorraum/-haube leicht erkennen kann, ist zur Überzeugung des Gerichts eine Wertminderung evident. Es erscheint dem Gericht sachgerecht, eine solche Wertminderung bei mindestens € 350,00 anzusetzen. Dieser Betrag wird zur Überzeugung des Gerichts ein Minimum dessen sein, was ein Kaufinteressent erfolgreich als Nachlass verlangen können wird, wenn er ein unfallfreies Fahrzeug mit dem streitgegenständlichen vergleicht.

Eine allgemeine Kostenpauschale in Höhe von € 25,00 hält das Gericht ebenfalls nach § 287 Abs. 1 ZPO für angemessen und sachgerecht. Diese ist von der Beklagten ebenfalls als Schaden zu erstatten.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung von € 406,00 als Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum der Reparaturdauer von 12. Tagen vom 22.11.2012 bis zum, 05.12.2012. Dem Kläger ist durch die Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs in diesem Zeitraum zur Überzeugung des Gerichts kein ersatzfähiger materieller Schaden im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB entstanden, den die Beklagte ausgleichen müsste. Der Ersatz eines nur immateriellen Schadens schadet mangels gesetzlicher Grundlage nach § 253 Abs. 1 BGB aus.

Der Kläger trägt vor, ihm sei aufgrund der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs im Zeitraum vom 22.11.2012 bis 05.12.2012 ein Schaden in Höhe von € 29,00,00 für jeden Tag entstanden, in welchem ihm kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestanden habe. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger ein solcher materieller Schaden entstanden ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in einer Entscheidung vom 30.09.1963 (BGH NJW 1964, 542) zwar fest, dass allein die Unbenutzbarkeit eines Kraftfahrzeugs einen materiellen Vermögensschaden darstellen könne. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass zum einen alles einen Vermögensschaden darstellen könne, was ihm Verkehr mit Geld erlangt zu werden pflegt. Da die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs in den meisten Fällen mit Miet- oder Anschaffungs- und Betriebskosten erkauft werden muss, stelle also auch der Verlust allein der abstrakten Benutzbarkeit einen Verlust dieses geldwerten Vorteils dar. Der BGH stellte ohne weitere Begründung fest, dass es damals „allgemein als wirtschaftlicher Vorteil angesehen“ werde, jederzeit und sofort ein Kraftfahrzeug nutzen zu können.

Der BGH übersieht jedoch bei seiner Argumentation, dass der Geschädigte aufgrund der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs auch etwas erhält und stellt dieses in seine Abwägung nicht mit ein. Der Geschädigte erhält nämlich während der Zeit der Unbenutzbarkeit seines eigenen Fahrzeugs die grundsätzliche und jederzeitige Möglichkeit, die Unbenutzbarkeit durch die Inanspruchnahme eines Mietwagens, eines Taxis oder Busses oder sonstiger Beförderungsmöglichkeiten auf Kosten des Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherung auszugleichen. Der Geschädigte kommt so in den Genuss eines für ihn jederzeit kostenfreien Transports, auch wenn er die Erstattung grundsätzlich erst im Nachhinein erhält, sofern er nicht einen Vorschuss vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung verlangt. Dieser Transportkosten-Flatrate des Geschädigten im Zeitraum der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs kommt zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls ein Vermögenswert zu, welcher in der Summe den ihm nach Auffassung des BGH entstehenden Schaden durch die Unbenutzbarkeit des Fahrzeugs ausgleicht. Schließlich kommt einer Netzkarte der Deutschen Bahn oder Netzkarte des öffentlichen Nahverkehrs unzweifelhaft ebenfalls ein erheblicher Vermögenswert zu.

Die Tatsache, dass der Geschädigte sich, da er in der Regel in Vorleistung wird treten müssen oder wollen, vermutlich auf die notwendigsten Fahrten beschränken wird, spricht nicht gegen die Annahme eines mindestens äquivalenten Vermögenswerts. Ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch wird sich nämlich aufgrund der erheblichen Kosten für Treibstoff und Wartungskosten auch bei seinem eigengenutzten Kraftfahrzeug auf die notwendigen Fahrten beschränken.

Gegen die Annahme, dass dem Kläger allein durch die Unbenutzbarkeit kein materieller Schaden entstanden sein kann, spricht auch nicht, dass nach Auffassung des BGH bei der Bestimmung des Schadens grundsätzlich der Ersatzanspruch unberücksichtigt bleiben müsse (vgl. BGH NJW 58, 1085). Nach Ansicht des BGH stellt sich der Schaden nämlich als der Unterschied zwischen der Vermögenslage des Betroffenen, wie sie sich infolge des schadenstiftenden Ereignisses gestaltet hat, und seiner Vermögenslage, wie sie ohne dieses Ereignis bestehen würde, wenn dabei der Ersatzanspruch selbst unberücksichtigt bleibt, dar.

Bei der Betrachtung der Vermögenslagen stellt es sich allerdings so dar, dass der Kläger ohne den Unfall sein Fahrzeug während der Reparaturdauer durchgängig zur ständigen Verfügung gehabt hätte. Aufgrund des Unfalls hatte der Kläger nun für 12 Tage überhaupt kein Fahrzeug zur Verfügung. Unterstellte man, dass allein der Nutzungsmöglichkeit bereits ein eigener Vermögenswert zukäme, so wurde ihm dieser Vermögenswert für die genannten Zeiträume entzogen und fehlt ihm in der Differenzbetrachtung als eine Vermögensposition. Der Ersatzanspruch, welcher nach Auffassung des BGH bei der Betrachtung der Vermögenslagen vor und nach dem schadensstiftenden Ereignis nicht zu berücksichtigen ist, wäre demnach hier der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Entschädigung des für den genannten Zeitraum entzogenen Vermögenswerts. Die Definition des BGH schließt zur Überzeugung des Gerichts damit nicht aus, dass die fiktive Möglichkeit des Beklagten, sich im Zeitraum der Reparaturdauer jederzeit ein Ersatzfahrzeug anzumieten, eine Taxifahrt zu unternehmen oder mit Bus und Bahn zu fahren und die Kosten von der Beklagten ersetzt oder als Vorschuss zu verlangen, den Verlust des Fahrzeugs für diesen Zeitraum vollumfänglich und gleichwertig ausgleicht. Die Möglichkeit, sich auf Kosten der Beklagten alternativen Transport zu verschaffen stellt sich schließlich inhaltlich als ein anderer Anspruch dar und entspricht nicht dem Ersatzanspruch im Sinne der Definition des BGH, welcher bei der Betrachtung der Vermögenslagen unberücksichtigt bleiben soll.

Im Übrigen schließt allein die Tatsache, dass der Kläger Gefahr läuft, diese Kosten nicht erstattet zu bekommen, nicht die Gleichwertigkeit dieses Anspruchs zur Überzeugung des Gerichts aus. Schließlich läuft ein Geschädigter in sämtlichen Fällen des Schadensersatzrechts Gefahr, dass der Geschädigte, aus welchem Grund auch immer, z. B. aufgrund von Zahlungsunfähigkeit, den von ihm verursachten Schaden nicht wird begleichen können. Gerade im Bereich des Verkehrsunfallrechts dürfte diese Gefahr zudem zu vernachlässigen sein, da der Schädiger gesetzlich verpflichtet ist, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die genau diese Schäden trägt.

Auch die Tatsache, dass im Rahmen der vom Geschädigten zu wählenden Transportmöglichkeiten selbstverständlich die Grundsätze der Schadensminderungspflicht zu berücksichtigen sind, spricht nicht gegen die Annahme, dass bei wertender Betrachtung allein aufgrund der tatsächlich fehlenden Nutzungsmöglichkeit noch kein Vermögensschaden vorliegt. Schließlich gilt dieser Grundsatz in sämtlichen Bereichen des Schadensersatzrechts und daher ist es nur folgerichtig, dass der Geschädigte auch im Rahmen der Wiederherstellung seiner Mobilität eine gleichwertige und von mehreren zur Verfügung stehenden gleichwertigen, auch die günstigste Variante wählt. Darüber hinaus ist auch der Geschädigte ohnehin im Hinblick auf die Regelung in § 241 Abs. 2 BGB gehalten, im Rahmen des aufgrund des Unfalls entstandenen gesetzlichen Schuldverhältnisses nach seinem Inhalt auch Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, also des Schädigers, zu nehmen. Dies beinhaltet zur Überzeugung des Gerichts in etwa auch, dass mit Rücksicht auf das Vermögen des Schädigers der zu ersetzende Schaden möglichst gering zu halten ist.

Verzichtet der Geschädigte folglich im Rahmen der Wiederherstellung seiner Mobilität im Übergangszeitraum nach einem Unfall freiwillig auf die Verursachung von Kosten, so entsteht ihm auch kein Vermögensschaden. In der Summe steht dann nämlich der potentiellen Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs die dem Geschädigten potentiell mögliche und für ihn im Ergebnis kostenfreie Inanspruchnahme anderweitiger Transportmöglichkeiten gegenüber.

Im Übrigen begegnet bereits die Annahme des BGH, dass allein die Unbenutzbarkeit eines Kraftfahrzeugs einen materiellen Vermögensschaden darstelle, mehr als erheblichen Bedenken des Gerichts.

Auch der BGH hat seine Annahme, dass bereits die Unbenutzbarkeit an sich einen Vermögensschaden darstellt, in der Folgezeit erheblich eingeschränkt. Schließlich machte der BGH mit seiner Entscheidung vom 15.04.1966 (BGH NJW 1966, 1260) das Vorliegen eines materiellen Vermögensschadens davon abhängig, dass der Geschädigte während der Zeit des Nutzungsausfalls auch einen tatsächlichen Nutzungswillen und eine tatsächliche Nutzungsmöglichkeit hatte. Die Voraussetzung einer solchen „fühlbaren Nutzungsbeeinträchtigung“ solle vorbeugen, dass der Geschädigte den Unfall „zur Gewinnerzielung“ ausnutze (BGH NJW 1966, 1260). Diese Argumentationen auf der subjektiven Ebene des Geschädigten zeigen, wie wenig überzeugend die Begründung zur Entstehung und Ersatzfähigkeit eines Nutzungsausfallschadens als materiellem Schaden ist.

Ein ersatzfähiger Schaden nach § 249 Abs. 1 BGB berechnet sich nämlich grundsätzlich aus einem Vergleich der Vermögenslagen des Betroffenen, wie sie sich infolge des schadenstiftenden Ereignisses gestaltet hat und wie sie ohne dieses Ereignis bestehen würde. Diese Definition kommt vollständig ohne subjektive Beeinträchtigungs- oder Beschädigungsempfindungen beim Geschädigten aus. Die Hinzunahme der Kriterien der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit und des tatsächlichen Nutzungswillens verdeutlicht eindrucksvoll, um was es sich bei einem Nutzungsausfalls tatsächlich handelt, nämlich einen immateriellen Schaden, der sich nicht notwendigerweise auf die Vermögenslage des Geschädigten auswirken muss. Durch eine Nutzungsausfallentschädigung soll selbst nach der Argumentation des BGH in seiner genannten Entscheidung vom 15.04.1966 nur eine „fühlbare“ Nutzungsbeeinträchtigung ausgeglichen werden. Solche immateriellen Schäden sind allerdings nach § 253 Abs. 1 BGB nur in dem vom Gesetz vorgesehen Fällen auszugleichen und eine solche gesetzliche Regelung ist hier nicht ersichtlich.

Auch die offensichtliche Hauptbegründung des BGH im Urteil vom 15.04.1966 zum Vorliegen eines materiellen Schadens trägt zur Überzeugung des Gerichts nicht. Der BGH führte aus:

„Für die Zubilligung einer Geldentschädigung zum Ausgleich der Nutzungsentziehung spricht es vor allem, daß der betroffene Wageneigentümer vom Schädiger die Stellung eines Ersatzfahrzeugs oder die Vorlage der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs hätte fordern können. Die Berechtigung eines solchen Anspruchs ergibt sich aus § 249 BGB und ist allgemein anerkannt, wenn ein Bedürfnis für die Benutzung eines Ersatzwagens in der Reparaturzeit zu bejahen ist. Würde mit der Charakterisierung dieses Anspruchs als eines nur transitorischen oder zweckgebundenen das Ergebnis gewonnen, daß nach Unterbleiben der Ersatzwagenbeschaffung ein Ausgleichsanspruch entfiele, so wäre durch diese Rechtsauffassung für die Schädiger und ihre Haftpflichtversicherer ein starker Anreiz gegeben, die Erfüllung berechtigter (aber nur transitorischer) Ansprüche abzulehnen und darauf zu vertrauen, der Anspruchsteller werde von der Anmietung eines Ersatzwagens aus Scheu vor einem finanziellen Risiko oder mangels liquider Geldmittel absehen und sich behelfen. Wenn die unberechtigte Weigerung, eine Schuld zu erfüllen, im Ergebnis zur vollen Schuldbefreiung führt, so ist das insbesondere dann ein unerfreuliches Ergebnis, wenn das Motiv des Betroffenen, kein Risiko einzugehen, durchaus verständlich ist.“

Allein die Tatsache, dass Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung sich unter Umständen einer Ersatzpflicht dadurch entziehen könnten, dass sie zunächst einen Vorschuss in der Hoffnung ablehnen, der Geschädigte werde während der Zeit des Nutzungsausfalls keine ersatzfähigen Kosten verursachen, trägt keinesfalls als Argument dafür, dass ein tatsächlich nicht vorliegender Schaden materieller Art in einen solchen umgedeutet wird. Selbst der BGH geht offenbar davon aus, dass die Charakterisierung des Anspruchs auf Wiederherstellung der Mobilität viel naheliegender als transitorisch und zweckgebunden ist und wegfällt, sofern im Zeitraum der Unbenutzbarkeit tatsächlich keine Kosten entstehen. Allein die abstrakte Befürchtung des BGH, ein Haftpflichtversicherer oder ein Schädiger könnten versuchen, die Entstehung eines materiellen Schadens dadurch verhindern, dass Ansprüche auf Vorschüsse zurückgewiesen werden, ist zur Überzeugung des Gerichts kein sachgerechtes Argument zur Begründung, dass es sich um einen materiellen Schaden handelt.

Dem deutschen Zivilrecht sind schließlich „Bestrafungen“ eines Schädigers fremd. Anders als etwa in den USA, sind sogenannte „punitive damages“, also eine Schadensersatzsumme, welche den Schädiger davon abhalten soll, in der Zukunft weitere Schädigungen zu begehen oder ihn animieren soll, Vorsorge zu treffen, dass weitere Schädigungen in der Zukunft ausgeschlossen sind, im deutschen Recht nicht vorgesehen. Die Begründung der Berechtigung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung damit, dass der Schädiger sich einer Ersatzpflicht nicht entziehen können soll, zielt jedoch auf eine solche präventive Bestrafung ab. Nur dass diese Bestrafung offenbar noch früher greifen soll, nämlich bevor überhaupt feststeht, dass der Schädiger mit seinem dem Unfall möglicherweise nachgelagerten Verhalten überhaupt eine Vermeidung von berechtigten Schadensersatzforderungen beabsichtigt. Diese Unterstellung möglichen Schädigerverhaltens vermag zur Überzeugung des Gerichts keinesfalls die Umdeutung eines immateriellen in einen materiellen Schaden begründen

II.

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse und einen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger bezüglich der Vollkaskoversicherung bei der Signal Iduna, Versicherungsnummer 63.862.091-6-8-208, aufgrund des Unfalls vom 22.11.2012 entstehende Prämienmehrbelastung zu erstatten. Diese beläuft sich nach einer vorläufigen Berechnung auf etwa € 473,75.

III.

Der Anspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich als adäquater Schaden aus §§ 823, 249 BGB. Der Anspruch auf die Verzugszinsen auf Rechtsanwaltskosten und Hauptforderung ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB. Das Gericht hat den Antrag zu 1.) so ausgelegt, dass der Kläger die Zinsen seit der Rechtshängigkeit begehrt, da der Kläger keine weiteren Ausführungen zu einem möglichen Verzugseintritt gemacht hat.

IV.

Die Entscheidung zu den Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert beträgt insgesamt € 1.754,75 und der Kläger unterliegt mit € 406,00, was in etwa 23 % entspricht.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.

VI.

Die Berufung wird nach § 511 Abs. 4 ZPO für den Kläger zugelassen, da die Entscheidung zur Nutzungsausfallentschädigung grundsätzliche Bedeutung hat und einer Fortbildung des Rechts dient.

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