Passagieransprüche nach Umbuchung – Gericht erkennt doppelte Entschädigung an
In der jüngsten Rechtsprechung des Amtsgerichts Köln wurde das Thema der Ausgleichsleistungen im Rahmen der FluggastrechteVO beleuchtet, insbesondere in Bezug auf die Frage der doppelten Entschädigung nach einer Umbuchung. Dabei steht im Mittelpunkt, ob ein Fluggast, der bereits eine Ausgleichszahlung aufgrund der Annullierung eines Fluges erhalten hat, auch Anspruch auf eine weitere Ausgleichszahlung hat, wenn der ihm als Ersatz angebotene Flug ebenfalls annulliert wird. Dies wirft komplexe Fragen hinsichtlich der Rechte und Pflichten von Luftfahrtunternehmen und Fluggästen auf und zeigt die Bedeutung einer klaren Regelung in der FluggastrechteVO.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Amtsgericht Köln hat entschieden, dass ein Fluggast, der aufgrund der Annullierung eines Fluges umgebucht wurde und dessen Alternativflug ebenfalls annulliert wurde, Anspruch auf doppelte Ausgleichsleistungen gemäß der FluggastrechteVO hat.
Zentrale Punkte aus dem Urteil:
- Streitpunkt: Ausgleichsansprüche nach der FluggastrechteVO zwischen einem Unternehmen, das Fluggastrechte durchsetzt, und einem deutschen Luftfahrtunternehmen.
- Ein Fluggast wurde aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei einem vorherigen Flug auf einen anderen Flug umgebucht, der später annulliert wurde.
- Die ursprüngliche Flugstrecke war weniger als 1500 km lang.
- Der Fluggast hat seine Ansprüche aus der FluggastrechteVO an das Unternehmen abgetreten.
- Die Beklagte argumentierte, dass der Fluggast nur Anspruch auf eine Ausgleichsleistung habe, da er nur eine Buchung hatte.
- Das Gericht entschied, dass die FluggastrechteVO einem Anspruch des Fluggastes nicht entgegensteht, wenn die Umbuchung aufgrund einer Annullierung betroffen ist.
- Der EuGH hat bereits festgestellt, dass ein Fluggast Anspruch auf eine Ausgleichszahlung hat, wenn der Alternativflug erheblich verspätet ist.
- Das Gericht betonte die Notwendigkeit eines hohen Schutzniveaus für Fluggäste und die Einhaltung der FluggastrechteVO.
Übersicht
Hintergrund des Rechtsstreits
Die Parteien, die Klägerin und die Beklagte, streiten um Ausgleichsansprüche gemäß der VO (EG) 261/2004, bekannt als FluggastrechteVO. Die Klägerin ist ein spezialisiertes Unternehmen, das sich auf Fluggastrechte konzentriert und im Namen von Passagieren Ansprüche gegen Luftfahrtunternehmen geltend macht. Die Beklagte ist ein deutsches Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Köln.
Ursache des Konflikts
Am 01.08.2018 sollte der Fluggast E. einen bestimmten Flug nehmen. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei einem vorherigen Flug konnte der Fluggast jedoch nicht den geplanten Flug erreichen. Als Ersatz wurde er auf einen anderen Flug von Frankfurt nach Luxemburg umgebucht. Doch dieser Ersatzflug wurde später annulliert. Die ursprünglich gebuchte Flugstrecke von Split nach Luxemburg war weniger als 1500 km lang, gemessen nach der Großkreisberechnung. Der Fluggast trat seine Ansprüche aus der FluggastrechteVO an die Klägerin ab.
Positionen der Parteien
Die Klägerin forderte von der Beklagten eine Ausgleichszahlung von 250 €. Die Beklagte argumentierte jedoch, dass der Fluggast nur eine Buchung hatte und daher nur eine Ausgleichsleistung nach der FluggastrechteVO verlangen könne. Die Umbuchung auf den Ersatzflug sei nur eine Unterstützungsleistung gewesen, und die Annullierung dieses Fluges könne nicht zu einer doppelten Entschädigung führen.
Entscheidung des Amtsgerichts Köln
Das Amtsgericht Köln entschied, dass die Klage begründet sei. Es stellte fest, dass die FluggastrechteVO einem Anspruch des Fluggastes nicht entgegensteht, wenn die Umbuchung aufgrund einer Annullierung betroffen ist. Der EuGH hatte in einem Urteil festgestellt, dass ein Fluggast, der aufgrund der Annullierung eines Fluges eine Ausgleichszahlung erhalten hat und einen Alternativflug akzeptiert hat, auch Anspruch auf eine Ausgleichszahlung hat, wenn der Alternativflug erheblich verspätet ist. Das Gericht schloss sich dieser Rechtsprechung an.
Das Gericht betonte, dass es keinen Unterschied macht, ob der ursprüngliche Flug annulliert wurde oder ob der Anschlussflug aufgrund einer Verspätung auf einem vorherigen Flug nicht erreicht werden konnte. Es stellte auch fest, dass es keinen qualitativen Unterschied gibt, ob der Alternativflug erheblich verspätet oder annulliert wurde. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Fluggast Anspruch auf Ausgleichsleistungen für beide Vorfälle hat.
Das Gericht wies auch darauf hin, dass die FluggastrechteVO ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherstellen soll. Wenn ein Fluggast aufgrund der Annullierung eines Alternativflugs nicht entschädigt würde, würde dies dem Ziel der Verordnung widersprechen.
Schließlich wurde festgestellt, dass der Fluggast seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten hatte und die Klägerin daher berechtigt war, die Ausgleichszahlung zu fordern. Das Gericht ließ die Berufung zu, da es Unterschiede zwischen dem vorliegenden Fall und einem früheren EuGH-Urteil gab, insbesondere hinsichtlich der beteiligten Luftfahrtunternehmen. Das Gericht betonte die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtsprechung in solchen Fällen. Der Streitwert wurde auf 250,00 EUR festgesetzt.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
FluggastrechteVO (Verordnung (EG) Nr. 261/2004)
Die Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) ist eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates, die am 11. Februar 2004 verabschiedet wurde. Sie legt gemeinsame Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen fest. Die Verordnung gilt für alle Flüge, die innerhalb der EU starten, unabhängig davon, wo die ausführende Fluggesellschaft ihren Hauptsitz hat. Sie gilt auch für Flüge, die von einer Fluggesellschaft mit Sitz in der EU ausgeführt werden und in der EU landen.
Die Verordnung sieht vor, dass Fluggäste, deren Flüge annulliert werden, entweder eine Erstattung des Flugpreises oder eine anderweitige Beförderung unter zufriedenstellenden Bedingungen erhalten sollten. Sie sollten auch angemessen betreut werden, während sie auf einen späteren Flug warten. Bei Annullierung, Verspätung, Überbuchung und verpassten Anschlussflügen haben Passagiere nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung einen Anspruch auf Entschädigung oder Ticketerstattung. Die Höhe der Entschädigung hängt von der Flugstrecke ab und beträgt bis zu 600 Euro.
Die Verordnung gilt nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist. Sie gilt auch nicht für Fluggäste, die nicht pünktlich zur Abfertigung erschienen sind. Es ist wichtig zu beachten, dass die EU-Fluggastrechte-Verordnung seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr für Flüge aus dem Vereinigten Königreich in die EU gilt, die von einem Luftfahrtunternehmen des Vereinigten Königreichs oder einem anderen Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden. Die EU-Vorschriften gelten jedoch weiterhin für Flüge aus dem Vereinigten Königreich in die EU, die von einem EU-Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden.
Das vorliegende Urteil
Amtsgericht Köln – Az.: 112 C 621/19 – Urteil vom 22.06.2020
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 250,00 EUR (in Worten: zweihundertfünfzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2019 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche nach der VO (EG) 261/2004 (im Weiteren: FluggastrechteVO). Die Klägerin ist ein Unternehmen, das sich auf dem Gebiet der Fluggastrechte spezialisiert hat und nach entsprechender Abtretung durch Passagiere Ansprüche auf Grundlage der FluggastrecheVO gegen die Luftfahrtunternehmen durchsetzt. Die Beklagte ist ein deutsches Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Köln.
Am 01.08.2018 verfügte der Fluggast E. I. über eine bestätigte Buchung für eine Flugreise von Split (Kroatien) über Frankfurt am Main nach Luxemburg. Der erste Teilflug von Split nach Frankfurt wurde nicht von der Beklagten, sondern von der T. N. unter der Flugnummer XX111 durchgeführt. Ursprünglich geplant und als Buchung bestätigt war, dass der Fluggast E. I. sodann mit dem Flug YY222 von Frankfurt nach Luxemburg mit Abflug um 17:49 Uhr befördert wird. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten auf dem Vorflug XX111 konnte der Fluggast den Flug YY222 allerdings nicht erreichen.
Der Fluggast wurde im Rahmen einer Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 FluggastrechteVO auf den Flug YY333 von Frankfurt nach Luxemburg um 21:45 Uhr umgebucht. Dieser Flug wurde sodann aber annulliert.
Die Entfernung der gebuchten Flugstrecke von Split nach Luxemburg beträgt aufgrund der Methode der Großkreisberechnung weniger als 1500 km.
Der Fluggast hat seine Ansprüche nach der FluggastrechteVO an die Klägerin abgetreten.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 250 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Zedent E. I. nur über eine einzige Buchung verfügte und deshalb auch nur eine Ausgleichsleistung nach der FluggastrechteVO fordern darf. Die Umbuchung auf den Flug YY333 sei lediglich eine Unterstützungsleistung für die T. N. gewesen. Die Annullierung des Fluges YY333 könne nach dem Vorfall auf dem Vorflug nicht zu einer doppelten Ausgleichsleistung für den Fluggast führen.
Die Klage wurde der Beklagten am 18.12.2019 zugestellt.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung i.H.v. 250 € gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a), 5 Abs. 1 lit. c) FluggastrechteVO i.V.m. § 398 BGB. Der von der Beklagten als ausführendes Luftfahrtunternehmen geplante Flug YY333 am 01.08.2018 von Frankfurt am Main nach Luxemburg wurde annulliert im Sinne von Art. 5 FluggastrechteVO.
a) Nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO erhalten Fluggäste Ausgleichszahlungen, wenn auf diesen Artikel Bezug genommen wird. Da die Entfernung zwischen dem Startort (d.h. Split, Kroatien) und dem Ankunftsort (d.h. Luxemburg) der Flugreise des Zedenten weniger als 1500 km beträgt die Höhe des Ausgleichsanspruchs 250 € gemäß lit. a) der vorgenannten Vorschrift. Art. 5 Abs. 1 lit. c) FluggastrechteVO verweist ausdrücklich auf Art. 7 FluggastrechteVO. Die in Art. 5 Abs. 1 lit. c) Nrn. i) – iii) FluggastrechteVO genannten Ausschlussgründe sind nach dem festgestellten unstreitigen Sachverhalt nicht erfüllt. Insofern steht dem Zedenten grundsätzlich ein Anspruch auf Ausgleichsleistung zu.
b) Die Beklagte wendet ein, dass der Zedent auf den annullierten Flug YY333 lediglich im Rahmen einer Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 Fluggastrechte VO umgebucht worden sei und folglich keine ursprüngliche bestätigte Buchung für den streitgegenständlichen Flug hatte. Dieser Einwand führt aber nicht zu einem Anspruchsausschluss zulasten des Zedenten bzw. der Klägerin.
So steht es einem Anspruch des Fluggastes gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht entgegen, dass die Umbuchung im Rahmen einer anderweitigen Beförderung von einer Annullierung betroffen ist. Insoweit hat der EuGH in seinem Urteil in Sachen C-832/18 vom 12.03.2020 entschieden, dass die FluggastrechteVO und insbesondere Art. 7 Abs. 1 dieser VO dahin auszulegen sind, dass ein Fluggast der wegen der Annullierung eines Fluges eine Ausgleichszahlung erlangt hat und einen ihm angebotenen Alternativflug akzeptiert hat, auch einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen (anspruchsberechtigender „großer“) Verspätung des Alternativflugs hat (siehe Rn. 33 des vorgenannten Urteils). Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht an und hält die Entscheidung über den konkreten Fall hinaus für generalisierbar und anwendbar (siehe dazu Rn. 26 des vorgenannten Urteils, das das Judiz ausdrücklich „u.a.“ auf den dort entschiedenen Fall anwendet).
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass im hier streitgegenständlichen Fall der Ausgangsflug nicht annulliert wurde, sondern wegen einer Verspätung auf dem ersten Teilflug der Flugreise der Anschlussflug nicht erreicht worden ist. Dies hat aber im Ergebnis keine Auswirkung auf die Berechtigung des Zedenten bzw. der Klägerin zur Forderung einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO, sodass der hiesige Fall mit dem Fall des EuGH in Sachen C-832/18 gleichwertig ist. Auch verkennt das Gericht nicht, dass auf dem Alternativflug im hier streitgegenständlichen Fall keine „große“ Verspätung, sondern eine Annullierung zum Ausgleichsanspruch führen würde. Auch hier ist im Ergebnis mit Blick auf die Berechtigung zur Forderung einer Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO kein qualitativer Unterschied zu erkennen. Folglich steht auch insoweit der hiesige Fall dem Fall des EuGH in Sachen C-832/18 gleichwertig gegenüber.
Konkret ist davon auszugehen, dass auch für den Alternativflug nach Art. 3 Abs. 2 lit. b) FluggastrechteVO der Anwendungsbereich eröffnet ist, weil der Zedent nach der Annahme der Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 FluggastrechteVO von einem Luftfahrtunternehmen von einem Flug, für den er eine Buchung besaß (d.h. YY222), auf einen anderen Flug verlegt wurde (d.h. YY333). Nach Art. 3 Abs. 2 lit. b) FluggastrechteVO ist der Grund für die Verlegung ausdrücklich unbeachtlich. Es kommt im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 lit. b) FluggastrechteVO auch nicht darauf an, dass das beklagte oder das ausführende Luftfahrtunternehmen die Verlegung vornimmt, sondern es genügt, wenn irgendein Luftfahrtunternehmen dies veranlasst. Insoweit ist es entgegen der Ansicht der Beklagten unerheblich, dass der erste Teilflug von einem anderen Luftfahrtunternehmen (hier: T. N.) verspätet durchgeführt worden ist sowie dass die Umbuchung von YY222 auf YY333 eine Unterstützungsleistung des anderen Luftfahrtunternehmens darstellt. Denn durch die Verlegung des Zedenten auf einen anderen Flug entstehen – wie der EuGH klarstellt (siehe Rn. 32 des vorgenannten Urteils) – bei der Beklagten als ausführendes Luftfahrtunternehmen Verpflichtungen, z.B. zu Unterstützungsleistungen nach Art. 8 FluggastrechteVO. So liegt der Fall auch hier. Da die Beklagte dem Zedenten nach der Annullierung des Alternativflugs nach Art. 8 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO zu Unterstützungsleistungen verpflichtet war, ist sie auch zu Ausgleichszahlungen verpflichtet, weil andernfalls Verletzungen dieser gerade genannten Verpflichtung folgenlos blieben.
Hinzu kommt, dass nach der oben genannten Rechtsprechung des EuGH (siehe Rn. 30f. des Urteils) dem zweiten Erwägungsgrund der FluggastrechteVO besondere Bedeutung zukommt. Da insoweit eine – wie hier vorliegende – Annullierung zu einem wiederholten Ärgernis und einer großen Unnanehmlichkeit beim Fluggast führt, ist der Zweck der Ausgleichsleistung zur Abhilfe dieser Unannehmlichkeit nicht allein durch eine Ausgleichsleistung für den ersten betroffenen Teil der Flugreise erfüllt. Vielmehr stellt die Annullierung des Alternativflugs eine weitere für sich isoliert zu betrachtende Unnanehmlichkeit dar, die entsprechend der Ansicht des EuGH wiederum eine eigene Ausgleichsleistung rechtfertigt.
Zuletzt verkennt das erkennende Gericht bei der hiesigen Entscheidung nicht, dass in dem Fall, welcher dem Urteil des EuGH in Sachen C-832/18 zugrunde lag, das ausführende Luftfahrtunternehmen in beiden ausgleichspflichtigen Flügen dasselbe war (dort: I. R.). Im hiesigen Fall war für den verspäteten Zubringerflug die T. N. und für den hier streitgegenständlichen annullierten Flug die Beklagte das jeweils ausführende Luftfahrtunternehmen. Dieser Unterschied steht einer Übertragbarkeit nach Überzeugung des Gerichts aber nicht entgegen. Stattdessen rechtfertigt diese Personenverschiedenheit erst recht die Anspruchsberechtigung des Fluggastes gegen beide Luftfahrtunternehmen. Denn im Fall, dass dasselbe Luftfahrtunternehmen den ursprünglichen wie auch den Alternativflug ausführt – wie im Urteil des EuGH – liegt der Gedanke nahe, dass auf die Nichteinhaltung einer einheitlichen Pflicht abzustellen ist (vgl. etwa den Vorlagebeschluss des AG Köln, Az. 142 C 558/18, juris, Rn. 8). Bei der Verschiedenheit der ausführenden Luftfahrtunternehmen treffen aber die Pflichten nach der FluggastrechteVO jedes Luftfahrtunternehmen selbst, isoliert und unabhängig. Diese Auslegung ist auch angesichts des Ziels des Verordnungsgebers, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen (siehe Erwägungsgrund 1 der FluggastrechteVO), geboten. Denn würde man im hier streitgegenständlichen Fall eine Ausgleichspflicht der Beklagten für die Annullierung des Alternativflugs verneinen, würde der Fluggast vom ausführenden Luftfahrtunternehmen des ersten Teilflugs (hier: T. N.) keine Ausgleichszahlung für die Annullierung des Fluges YY333 erhalten können, weil dies nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen dieses Flugs war. Dies wiederum würde entgegen der oben zitierten Rechtsprechung des BGH faktisch dazu führen, dass der Fluggast für seine wiederholte große Unannehmlichkeit durch die Annullierung des Alternativflugs nicht kompensiert würde.
c) Der somit in der Person des Zedenten entstandenen Anspruch auf Ausgleichsleistung i.H.v. 250 € wurde unstreitig an die Klägerin abgetreten. Zweifel an der Wirksamkeit der Abtretung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Der Zinsanspruch ist begründet und ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 291 BGB.
II.
Die Entscheidung zur Kostentragung und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
III.
Die Entscheidung zur Zulassung der Berufung folgt aus § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO und dient der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. So beruht die hiesige Entscheidung zum großen Teil auf der Anwendung der vom EuGH in seinem Urteil vom 12.03.2020 in Sachen C-832/18 aufgestellten Grundsätze. Allerdings sind der dortige Fall und der hier streitgegenständliche Fall – wie oben im Einzelnen begründet – nicht vollkommen deckungsgleich. Insbesondere ist die Frage, ob die Grundsätze des EuGH auch bei einem Auseinanderfallen der ausführenden Luftfahrtunternehmen für den verspäteten Zubringerflug auf der einen und den annullierten Alternativflug auf der anderen Seite anzuwenden sind, nicht durch den EuGH entschieden. Da die Problematik der „doppelten Entschädigung“ von Fluggästen nunmehr immer noch nicht erschöpfend durch den EuGH geklärt ist, ist weiterhin eine Divergenz der erstinstanzlichen Rechtsprechung denkbar. Ein etwaiges Berufungsurteil dient mithin der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im hiesigen Gerichtsbezirk.
Der Streitwert wird auf 250,00 EUR festgesetzt.