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Bankdarlehen – Kündigung wegen Zahlungsverzug – Vorfälligkeitsentschädigung

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Az: 5 U 207/14

Urteil vom 21.05.2015

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 70.000,00 Euro festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Bankdarlehen – Kündigung wegen Zahlungsverzug - VorfälligkeitsentschädigungDie Parteien streiten um die Berechtigung der Beklagten, Schadensersatz statt der Leistung (von ihnen als „Vorfälligkeitsentschädigung“ bezeichnet) zu verlangen. Die Beklagte gewährte der Klägerin durch Darlehensvertrag vom 27. Mai 2010 ein Darlehen über 330.000,00 € zu einem Jahreszinssatz von 5,3 %. Die Beklagte kündigte das Darlehen mit Schreiben vom 23. August 2011, mit der Begründung, die Klägerin sei „seit geraumer Zeit“ ihren Kreditverpflichtungen nicht mehr vertragsgemäß nachgekommen und forderte die Klägerin auf, einen Ablösebetrag in Höhe von 337.057,59 € zum Ausgleich ihrer Forderungen zu zahlen. Die Klägerin veräußerte daraufhin ein Mehrfamilienhaus (4 Eigentumswohnungen), in deren Wohnungsgrundbüchern der vorliegende Kredit ebenfalls abgesichert war. Aus dem Veräußerungserlös stellte die Klägerin der Beklagten am 7. Januar 2013 insgesamt 306.000,00 € zur Verrechnung auf die Darlehensforderungen zur Verfügung. Mit Schreiben vom 17. Januar berechnete die Beklagte „Vorfälligkeitsentschädigung“ unter Hinweis auf die vorzeitig zurückgezahlten 306.000,00 €. Sie begehrte hiermit Schadensersatz für die ihr aufgrund der vorzeitig erfolgten Rückzahlung in der Zukunft entgehenden Zinsgewinne. Die Höhe des von der Beklagten errechneten Schadensersatzes ist nicht im Streit. Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nebst sämtlichen dort in Bezug genommenen Schriftsätzen und Anlagen Bezug genommen.

Mit der Klage hat die die Klägerin die Erteilung einer Löschungsbewilligung für drei Grundschulden begehrt, die der Beklagten als Sicherheit für die Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag zur Verfügung standen, Zug um Zug gegen Zahlung von 35.513,59 Euro zuzgl. Tagesszinsen i.H.v. 1,51 Euro, die Herausgabe der Grundschuldbestellungsurkunde und die Einstellung des von der Beklagten betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahrens und Zwangsverwaltungsverfahrens sowie die Feststellung des Annahmeverzuges und die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beklagte könne von der Klägerin nicht die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Seitens der Klägerin sei überzeugend vorgetragen, dass der XI. Senat des Bundesgerichtshofes die von der Klägerin dargestellte Rechtsansicht vertrete. Der an der Verhandlung des Bundesgerichtshofes vom 17. Januar 2013 beteiligte Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Herr Y habe über die Rechtsauffassung des XI. Senates am Tag des Bank- und Kapitalmarktrechtes am 14/15. November 2013 in Bonn berichtet und darüber ein Skript gefertigt, das die Klägerin vorgelegt habe. Die dort widergegebene Rechtsauffassung sei im Ergebnis überzeugend. Der Darlehnsgeber dürfe seinen Schaden nach Kündigung nicht mehr auf der Grundlage des Vertragszinses, sondern nur nach Maßgabe der in den §§ 497 Abs. 1, 503 Abs. 2 BGB vorgesehenen Zinssätze berechnen. Dieser Regelungszweck dürfe nicht durch die Annahme eines letztlich auf den gleichen Zeitraum bezogenen, wiederum abstrakt berechneten Erfüllungsschadensersatzanspruches umgangen werden. Das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 31. März 2014 (17 U 4313/13) stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Soweit das Oberlandesgericht ausführe, die Vorfälligkeitsentschädigung, die ab dem Zeitpunkt der Rückzahlung der Valuta geltend gemacht werde, habe mit einem Verzug nichts zu tun, ersetze dies eine Begründung, die sich mit den von Rechtsanwalt Y wiedergegebenen Argumenten auseinandersetze, nicht. Die Gesetzeshistorie belege, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht verlangt werden könne. Die §§ 497, 503 BGB differenzierten nicht zwischen grundpfandrechtlich gesicherten und grundpfandrechtlich nicht gesicherten Krediten, so dass eine Vorfälligkeitsentschädigung auch bei grundpfandrechtlich gesicherten Krediten nicht zu zahlen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten: § 497 Abs. 1 BGB befasse sich schon vom Wortlaut her lediglich mit der Höhe der im Falle des Verzuges zu beanspruchenden Verzugszinsen für Zahlungen mit denen der Darlehensnehmer während der Vertragslaufzeit in Verzug gerate. Regelungen zum Schadensersatz, der dem Kreditgeber aufgrund schuldhafter Pflichtverletzung des Kreditnehmers aus § 280 Abs. 1 BGB gebühre, fänden sich in § 497 BGB dagegen nicht. § 498 BGB regele ausschließlich die Kündigungsvoraussetzungen, die Rechtsfolgen der Kündigung seien dort nicht erwähnt. In der Begründung des Regierungsentwurfes (Bundestagsdrucksache 11/5462 S. 14) heiße es: „Der Entwurf versucht in behutsamer Weise in den aufgezeigten Problembereichen die rechtliche Situation der Schuldner notleidender Kredite zu verbessern, ohne das Interesse der Kreditgeber an der Sicherung des kalkulierten Ertrages auch bei fehlgeschlagenen Kreditverhältnissen außer Acht zu lassen“. Der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 28. April 1988 (NJW 1988 S. 1967) führe unter Ziff. III der Entscheidungsgründe aus, dass der Bank als Ersatz für den Verzögerungsschaden gem. den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2, 289 S. 2 BGB ein einheitlicher Zinsanspruch zustehe, soweit die Bank nicht vom Darlehnsnehmer bei verschuldeter Vorfälligkeit für die restliche Vertragszeit eine Weiterverzinsung des noch geschuldeten Kapitals mit dem Vertragszins verlange. Dem sei zu entnehmen, dass der Bundesgerichtshof sich in dieser Entscheidung mit der pauschalierten Berechnung des Verzögerungsschadens befasst habe und eine pauschalierte Berechnung i.H. der Vertragszinsen im Falle der verschuldeten Vorfälligkeit für gerechtfertigt angesehen habe. Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 8. Februar 2000 (NJW 2000 S. 1408) befasse sich mit dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung des durch den Darlehnsnehmer verschuldeten vorzeitig beendeten Darlehnsvertrages. Zu Recht habe auch das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 31. März 2014 den Anspruch des Kreditgebers auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung im Fall der wegen Zahlungsverzugs verschuldeten Darlehnskündigung bejaht. Das Oberlandesgericht führe aus, dass der Darlehnsnehmer sich nur solange in Verzug befinde, bis die Darlehnsvaluta zurückgeführt werde. Danach könne die finanzierende Bank die Vorfälligkeitsentschädigung geltend machen. Der Anspruch auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung habe nichts mit einem Verzug zu tun und werde damit begründet, dass die Valuta vorzeitig zurückgeführt worden sei. Der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, dass der vertragstreue Darlehnsgenehmer schlechter gestellt werde als der Kreditnehmer, der durch vertragswidriges Verhalten die vorzeitige Fälligstellung seines Kredites verschulde. Denn vom vertragstreuen Kreditnehmer könne der Kreditgeber nach einheitlicher Rechtsauffassung Schadensersatz wegen Nichterfüllung auf Grundlage des § 490 Abs. 2 S. 3 BGB beanspruchen. Werde dieser Anspruch dem Kreditgeber gegenüber dem vertragsbrüchigen Kreditnehmer verwehrt, obläge es allein dem Kreditnehmer, durch Einbehalt von Zahlungen die Kündigung zu veranlassen und sich hierdurch seiner Verpflichtung zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung zu entziehen. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2013 habe sich der Bundesgerichtshof über die Rechtsfrage nicht abschließend geäußert. Es sei lediglich ein Anerkenntnisurteil ergangen. Hilfsweise sei auf § 497 Abs. 1 S. 2 BGB abzustellen. Diese Vorschrift ermögliche es dem Darlehensgeber im Einzelfall einen höheren Schaden nachzuweisen. Das sei erstinstanzlich erfolgt.

Bereits vor Verkündung des Urteils des Landgerichtes haben die Parteien einen Zwischenvergleich, auf den Bezug genommen wird, (K15 Bl. 293 ff. GA) geschlossen. Nach diesem Zwischenvergleich hat die Beklagte u.a. die streitgegenständliche Löschungsbewilligung erteilt. Die Klägerin hat am 6. Oktober 2014 die der Beklagten unstreitig zustehenden Beträge von 35.914,87 Euro nebst Zinsen und daneben 70.000,00 Euro auf die streitige Vorfälligkeitsentschädigung und weitere Beträge wegen der von der Klägerin zu tragenden Kosten des Rechtsstreits gezahlt. Gem. Ziff. 5 des Zwischenvergleichs haben die Parteien vereinbart, den Rechtstreit fortzusetzen mit dem angekündigten Antrag, die am 6. Oktober 2014 an die Beklagte treuhänderisch gezahlten 70.000,00 Euro an die Klägerin wieder auszuzahlen.

Diesen Antrag hat die Klägerin in der Berufung gestellt. Die Beklagte hat der Klagänderung in Ansehung des geschlossenen Zwischenvergleiches zugestimmt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte und Berufungsklägerin zu verurteilen, an die Klägerin und Berufungsbeklagte treuhänderisch verwaltete 70.000,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. 10. 2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Kiel vom 4. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen und bezüglich des geänderten Klagantrages die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil: § 497 Abs. 1 BGB bringe gerade zum Ausdruck, dass der Darlehnsgeber den Vertragszins nicht als Verzugsschaden geltend machen könne. Die Richter am Bundesgerichtshof hätten in der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2013 darauf hingewiesen, dass die Vorschrift des § 497 Abs. 1 BGB die Geltendmachung des Vertragszinses als Verzugsschaden ausschließe: Nach der Kündigung könne der Darlehnsgeber bei abstrakter Schadensberechnung nur noch den Verzugszins verlangen. Mit der Kündigung des Darlehens entfalle der Anspruch auf den Vertragszins. § 11 Abs. 3 des Verbraucherkreditgesetzes, aus dem sich eine Berechtigung womöglich ergeben hätte, sei aus dem Gesetzentwurf ausdrücklich gestrichen worden. Zudem sei es nach den Materialien zum Verbraucherkreditgesetz ein maßgebliches Kriterium, dass der Verbraucher vor einem übermäßigen Anwachsen seiner Verbindlichkeiten durch auflaufende Zinsen geschützt werden solle. Eine Vorfälligkeitsentschädigung für die Zeit bis zum ursprünglich vorgesehenen Vertragsende stehe der Beklagten nicht zu. Das Gegenteil könne auch nicht aus dem Argument hergeleitet werden, dass in einem solchen Fall der vertragstreue Darlehnsnehmer schlechter gestellt werde als der Kreditnehmer, der durch vertragswidriges Verhalten die Fälligstellung seines Kredites verschulde. Ein solcher Darlehnsnehmer komme nicht deshalb seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehen nicht nach, weil er den Darlehnsgeber schädigen wolle, sondern weil die regelmäßig unverschuldete Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die Fortdauer der Bedienung des gewährten Darlehens unmöglich mache. Wenn in einer derartigen Situation nicht nur die Verzugszinsen, sondern darüber hinaus auch noch die Vorfälligkeitsentschädigung und Verzugszinsen auf nicht gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen geschuldet würden, wäre eine Darlehnsrückführung in vielen Fällen schlichtweg unmöglich und der Verbraucher hätte in einem Umfang fällige Verbindlichkeiten zu bedienen, die ihm eine Regulierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens unmöglich machten. Im Übrigen sei kein Darlehnsgeber gezwungen, bei einem Zahlungsrückstand das Darlehen zu kündigen.

Die Beklagte habe keinen höheren Schaden dargelegt. Es fehle die Kausalität der von ihr dargestellten Darlehnsgewährung an einen anderen Darlehensnehmer zu einem niedrigeren Zinssatz. Die Beklagte habe nicht behauptet, das streitgegenständliche Darlehen refinanziert zu haben.

Hilfsweise sei der Anspruch der Klägerin auch dadurch begründet, dass die Beklagte im konkreten Fall nicht habe davon ausgehen können und dürfen, dass sie aus der streitgegenständlichen Finanzierung den angestrebten Gewinn erzielen könne. Die Klägerin habe den streitgegenständlichen Kredit nur deshalb übernommen, weil dies im Rahmen einer Vergleichsregelung zwischen ihren Eltern und der Beklagten erforderlich geworden sei.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die in der Berufungsinstanz geänderte Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

A.

Die mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2014 (Bl. 290 GA) vorgenommene Änderung des Klagantrages ist zulässig.

Die vorgenommene Antragsänderung ist nicht als Klagänderung zu bezeichnen, da die Voraussetzungen des § 264 Nr. 3 ZPO gegeben sind. Statt der ursprünglich beantragten Erteilung der Löschungsbewilligung sowie Herausgabe der Grundschuldbestellungsurkunde beantragt die Klägerin wegen einer später eingetreten Veränderung, nämlich Erteilung der streitgegenständlichen Löschungsbewilligung (und wohl auch Herausgabe der Grundschuldbestellungsurkunde) nunmehr die als Sicherheit von ihr an die Beklagte gezahlten 70.000,00 Euro. Diese erfassen von der Höhe her in etwa den Betrag der streitgegenständlichen „Vorfälligkeitsentschädigung“.

Die für die Zulässigkeit der Klagänderung erforderliche Anschlussberufung ist mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2014 eingelegt. Der ausdrücklichen Erklärung, es werde Anschlussberufung eingelegt, bedarf es nicht (BGH, Urteil v. 6. Juli 1989 – IX ZR 280/88, NJW RR 1990 S. 318 m.w.N.). Ein Anschlussrechtsmittel braucht nicht als solches bezeichnet zu sein, in dem Schriftsatz muss aber klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck kommen, eine Änderung des vorinstanzlichen Urteils zu Gunsten des Rechtsmittelbeklagten zu erreichen (ständige Rechtsprechung). Der Gegner muss wissen, dass ein Anschlussrechtsmittel eingelegt worden ist. Nur dann kann er darüber befinden, ob er das Risiko einer Abänderung des angefochtenen Urteils zu seinen Ungunsten in Kauf nehmen oder lieber sein eigenes Rechtsmittel zurücknehmen und damit dem Anschlussrechtsmittel den Boden entziehen will. Eine hinreichende Klarheit über das Rechtsschutzbegehren wird in der Regel dadurch erzielt, dass der Rechtsmittelbeklagte einen auf Abänderung des vorinstanzlichen Urteils zielenden Antrag stellt (BGH, Urteil v. 3. November 1989 – V ZR 143/87, NJW 1990, S. 447, 449 m.w.N.) So liegt es hier. Aus dem Schriftsatz geht hervor, dass die Klägerin sich mit dem Urteil erster Instanz nicht hat zufrieden geben wollen, sondern nach dem mit der Beklagten geschlossenen Zwischenvergleich den Anspruch auf Auskehrung der treuhänderisch gezahlten 70.000,00 Euro geltend macht. Neben dem Antrag auf Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung der treuhänderisch verwalteten 70.000,00 Euro in Abänderung des Urteils erster Instanz zur verurteilen. Ob eine Klagänderung im Sinne des § 264 Nr. 3 ZPO dann ohne Anschlussberufung zulässig ist, wenn nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz Umstände eingetreten sind, die eine Klagänderung im Sinne des § 264 Nr. 3 rechtfertigen (MüKo / Rimmelspacher, 4. Auflage 2012 § 524 ZPO Rn. 22) bedarf keiner Entscheidung.

Die Anschlussberufungsfrist gem. § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO ist gewahrt. Die Klägerin hat die Anschlussberufung bereits vor der Begründung der Berufung durch die Beklagte eingelegt.

Die vorgenommene Klagänderung ist gem. § 533 ZPO in der Berufungsinstanz zulässig. Die Beklagte hat in die Klagänderung mit Schriftsatz vom 9. Februar 2015 (Bl. 301 GA) gleichzeitig mit der Berufungsbegründung eingewilligt (§ 533 Nr. 1 ZPO). Die Klagänderung kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seit der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Denn die Parteien streiten weiter über die in erster Instanz streitige Rechtsfrage. Der neue Antrag wird zudem auf den Zwischenvergleich gestützt, dessen Bestehen und Inhalt zwischen den Parteien unstreitig ist.

B.

Auf die Berufung der Beklagten ist der neu mit der Berufung gestellte Antrag, die Klägerin zur Zahlung von 70.000,00 Euro zu verurteilen, abzuweisen.

1.

Nach Erteilung der Löschungsbewilligung und treuhänderischer Zahlung von 70.000 € steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 70.000,00 Euro gem. Ziff. 4 Abs. 5 des Zwischenvergleiches (Anlage K15 Bl. 293 GA) nicht zu. Das Urteil des Landgerichts Kiel ist nicht rechtskräftig geworden. Es ist abzuändern. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht war die Klage der Klägerin zulässig, jedoch unbegründet. Der Klägerin stand ein Anspruch auf Erteilung der Löschungsbewilligung sowie Herausgabe des Grundschuldbriefes aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Sicherungsvertrag nicht zu. Unstreitig bestand ein Sicherungsvertrag, nachdem die streitgegenständliche Grundschuld zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Beklagten gegen die Klägerin dienen sollte (Anlage B1, Bl. 56 ff. GA). Die Beklagte hat gegen die Klägerin eine solche Forderung. Ihr steht ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz zu.

2.

Der Klägerin steht die beantragte Auszahlung auch nicht gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Sie hat die 70.000,00 Euro mit Rechtsgrund an die Beklagte gezahlt. Der Rechtsgrund besteht in einem Anspruch der Beklagten auf Schadensersatz (Zahlung der sog. „Vorfälligkeitsentschädigung“ in Zusammenhang mit dem geschlossenen Zwischenvergleich Ziff. 4 Abs. 2).

3.

Der Beklagten steht gegen die Klägerin gem. §§ 280 Abs.3, 281 BGB ein Anspruch auf Schadenersatz statt der Leistung zu, bezeichnet von den Parteien als „Vorfälligkeitsentschädigung“. Die Höhe ist unstreitig. Die Klägerin hat eine ihr aus dem Darlehensvertrag obliegende Pflicht schuldhaft verletzt. Sie hat die nach dem Darlehnsvertrag geschuldeten Leistungen nicht erbracht. Eine Fristsetzung durch die Beklagte ist entbehrlich. Weder die Vorschriften der §§ 490 Abs. 2 Satz 3 und 502 BGB noch die Vorschrift des § 497 Abs. 1 BGB steht einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs.3, 281 BGB entgegen.

a.

Die Höhe der von der Beklagten begehrten „Vorfälligkeitsentschädigung“ wie sie die Parteien in Ziff. 2b des Zwischenvergleiches aufgeführt haben, ist unstreitig. Ob diese, inklusive der Zinsen, bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat, 70.000,00 Euro erreicht oder nicht, ist ohne Belang. Denn aus dem Zwischenvergleich ergibt sich, dass die Beklagte, für den Fall, dass ein Anspruch auf „Vorfälligkeitsentschädigung“ vom Senat bejaht wird, die 70.000,00 Euro einbehalten darf. Die Parteien haben in Ziff. 4 des Zwischenvergleiches vereinbart, dass die Zahlungen nach Ziff. 2b und Ziff.- 2c des Zwischenvergleiches erst nach einer entsprechenden Abrechnung der Beklagten auszugleichen sind. Diese kann erst nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtstreits stattfinden. Bestätigt wird diese Auslegung des Zwischenvergleiches durch die in der Berufung eingereichten Schriftsätze der Parteien.

b.

Der Beklagten steht kein Anspruch gem. § 497 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Dahingestellt bleiben kann, ob Verzug vorliegt (siehe unten). Jedenfalls hat die Beklagte einen höheren Schaden i.S. dieser Vorschrift nicht konkret nachgewiesen. Will der Darlehnsgeber den ihm konkret entstandenen Schaden geltend machen, so hat er nachzuweisen, dass ihm durch die verspätete Rückzahlung des Kredites eine konkrete Verwendungsmöglichkeit entzogen wurde und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist (Urteil vom 8. November 1973 – III ZR 161/71 –, juris Rdnr.19). Was den Ersatz von Anlageverlusten angeht, so hat der Darlehensgeber nachzuweisen, dass er eine konkrete Neukreditvergabe oder sonstige Anlagemöglichkeit in Folge des Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers nicht hat tätigen können. Für Kreditinstitute kommt ein solcher Schadensnachweis im Hinblick auf die grundsätzlich jederzeit mögliche Refinanzierung nur für den Fall in Betracht, dass eine konkret darzulegende Neukreditvergabe an der Ausschöpfung des Kreditvergabespielraums nach § 10 ff. KVG scheitert (MüKo/Schürnbrand, 6. Auflage 2012, § 497 Rn. 15 / Ermann/Saenger, § 497 Rn. 22 / Staudinger Kessal-Wulf Rn. 18). Einen derartigen Schadensnachweis hat die Beklagte nicht geführt. Sie stützt ihre konkrete Schadensberechnung nicht auf einen nicht vergebenen Neukredit wegen verspäteter Rückzahlung, sondern auf einen Neukreditvertrag zu einem niedrigeren Zinssatz in Folge vorzeitiger Rückzahlung.

c.

Die Klägerin hat eine ihr aus dem Darlehensvertrag obliegende Pflicht schuldhaft verletzt (§ 280 Abs.1 BGB). Unstreitig ist, dass die Klägerin in Zahlungsverzug war und die Beklagte das Darlehn daraufhin berechtigt zur sofortigen Rückzahlung kündigte.

d.

Der Beklagten steht ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu (§§ 280 Abs.1, Abs. 3, 281 Abs.1, Satz 1, Abs.2 BGB). , Die Klägerin hat die nach dem Darlehnsvertrag geschuldeten Leistungen nicht wie vereinbart erbracht (§ 281 Abs.1, Satz 1 BGB). Sie hat die geschuldeten Darlehnsbeträge in Höhe von 306.000 € (nach Kündigung) und 22.722,32 € (Zwischenvergleich) zum Teil vor den vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten zurückgezahlt. Die ursprünglich vereinbarte Zeit der Kapitalnutzung verkürzt sich. Die für diese Zeit vertraglich vereinbarten Zinsen als Entgelt für die Kapitalnutzung wurden und werden nicht mehr an die Beklagte gezahlt.

Eine Fristsetzung durch die Beklagte ist nach § 281 Abs.2, 2. Alt. BGB entbehrlich. Es liegen besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruches rechtfertigen. Das Darlehen ist nach der berechtigten Kündigung durch die Beklagte von der Klägerin vorzeitig zurückgezahlt.

e.

Weder die Vorschriften der §§ 490 Abs.2 Satz 3 und 502 BGB noch die Vorschrift des § 497 Abs. 1 BGB steht einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs.3, 281 BGB entgegen.

aa.

Es geht vorliegend nicht um eine Vorfälligkeitsentschädigung i.S. der §§ 490 Abs. 2 Satz 3 und 502 BGB, sondern um Schadensersatz statt der Leistung. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist nicht derjenige Schaden, der dem Darlehensgeber aus jeder zur Beendigung des Darlehensvertrages führenden Kündigung entsteht (so aber Palandt/Weidenkaff, BGB, a.a.O., § 490 Rn. 8 m.w.N.). Denn grundsätzlich versteht die allgemeine Bank- und Gerichtspraxis unter einer sogenannten „Vorfälligkeitsentschädigung“ das „Aufhebungsentgelt“, welches in der Regel dann zu entrichten ist, wenn sich das Kreditinstitut auf Wunsch des Darlehensnehmers mit einer vorzeitigen Darlehensrückerstattung einverstanden erklärt (vgl. z. B. Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch Band II, § 83, Rdnr. 157/ OLG Zweibrücken, Urteil vom 24. Juli 2000 – 7 U 47/00 –, Rn. 17, juris). Das Gesetz sieht eine Vorfälligkeitsentschädigung vor, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig gekündigt hat (§ 490 Abs. 2 Satz 3 BGB) oder bei Darlehen, bei denen eine Zeit für die Rückzahlung nicht bestimmt ist, vorzeitig zurückgezahlt hat. Die Vorschrift des § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB ist aber insbesondere auch dann anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des § 490 Abs. 2 BGB nicht gegeben, zwischen den Parteien streitig oder unsicher sind, d.h. in allen Fällen der einvernehmlichen vorzeitigen Aufhebung von Darlehensverträgen oder einvernehmlichen Beendigung des Darlehensvertrages (Palandt/Weidenkaff, BGB, a.a.O., § 490 Rn. 8 m.w.N.).

Keiner dieser Fallgruppen ist hier gegeben. Es geht um die Frage ob die Beklagte als Darlehnsgeberin von der Klägerin Schadensersatz statt der Leistung von den Parteien bezeichnet als „Vorfälligkeitsentschädigung“ für den hier vorliegenden Fall verlangen kann, in dem sie als Bank den Darlehnsvertrag mit der Klägerin aufgrund des Verzuges der Darlehensnehmerin, der Klägerin, gekündigt hat.

bb.

Die Beklagte macht keinen Verzugsschadensersatzanspruch geltend. Es handelt sich bei dem vorliegenden Darlehen zwar um ein „Verbraucherdarlehen“ und um Schadensersatz in Bezug auf den „geschuldeten Betrag“ i.S. § 497 Abs. 1 BGB. Die Regelung des § 497 Abs. 1 BGB erfasst jedoch nur Verzugsschadensersatzansprüche.

aaa.

Die Beklagte macht einen Verzugsschaden nicht geltend. In Bezug auf Voraussetzungen und Zweck ist zu trennen zwischen dem Verzugsschaden und dem hier streitigen Anspruch statt der Leistung, der sich auf entgangene vertraglich geschuldete Zinsen richtet. Beim Verzugsschaden ist der Darlehnsnehmer mit der Rückzahlung des geschuldeten Betrages teilweise oder ganz in Verzug. Verzug liegt vor, wenn der Darlehensnehmer den vereinbarten Rückzahlungszeitpunkt nicht eingehalten hat. Der Darlehensgeber erhält das geschuldete Kapital nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt zurück. Das bedeutet, dass dem Darlehensnehmer die Kapitalnutzung über den ursprünglich vereinbarten Nutzungszeitraum (der mit der vereinbarten Fälligkeit endet) hinaus zusteht.

Bei dem Anspruch auf entgangenen Zins liegt genau die umgekehrte Situation vor. Der Darlehensnehmer hat den geschuldeten Darlehnsbetrag entweder ganz oder zum Teil vor den vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten zurückgezahlt. Die ursprünglich vereinbarte Zeit der Kapitalnutzung verkürzt sich.

Dem Darlehensgeber entstehen in beiden Situationen gänzlich andere „Schäden“, die er ausgeglichen haben will.

Im Falle des Verzugs erhält der Darlehensgeber den geschuldeten Betrag nicht wie vereinbart zurück. Regelmäßig wird in dieser Situation anerkannt, dass der Darlehensgeber einen Schadensersatz dafür erhält, dass er das nicht vorhandene Kapital nicht anlegen (entweder im Rahmen einer weiteren Kreditgewährung oder im Rahmen einer Geldanlage) und entsprechende Verzinsung erzielen kann. Nur diesen Fall regelt § 497 Abs. 1 BGB. In dieser Situation verbleibt die Kapitalnutzung beim Darlehensnehmer über die vereinbarte Zeit hinaus. Für die ursprünglich vereinbarte Nutzungsdauer erhält der Darlehensgeber den vereinbarten Vertragszins. Bei der Frage, ob der Darlehensgeber auch nach Verzugseintritt noch den vereinbarten Vertragszins geltend machen kann, handelt es sich daher nicht um eine Frage des entgangenen Gewinns (da die Kapitalnutzung die vertraglich vorgesehene Dauer erreicht, erhält der Darlehensgeber den kalkulierten Gewinn), sondern es geht um die Frage, in welcher Höhe dem Darlehensgeber ein Schadensersatzanspruch zusteht, wenn die Kapitalnutzung über die vereinbarte Dauer hinaus beim Darlehensnehmer verbleibt. § 497 BGB regelt für diesen Fall, dass nicht der Vertragszins sondern nur der Verzugszins, bei Immobiliendarlehensverträgen, wie hier, nach § 503 Abs. 2 BGB in Höhe von 2,5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu beanspruchen ist.

Im Falle der vorzeitigen Rückzahlung (vor Fälligkeit) erhält der Darlehensgeber den geschuldeten Betrag vor vereinbarter Fälligkeit zurück. Die ursprünglich vereinbarte Zeit der Kapitalnutzung verkürzt sich. Der Darlehensgeber erhält den vereinbarten Vertragszins nicht für die ursprünglich vereinbarte Nutzungsdauer, sondern nur bis zur vorzeitigen Rückzahlung. Der Schaden des Darlehensgebers besteht hier im vertraglich vereinbarten Zinsgewinn. Er hatte für die vereinbarte Nutzungsdauer einen Zinsgewinn kalkuliert. Diese Leistung (Zinszahlung bis zum Ende der vereinbarten Nutzungsdauer) kann nicht mehr erbracht werden, so dass Schadensersatz statt der Leistung gefordert wird.

Verzugsschaden und entgangener Zinsgewinn können nicht den gleichen Zeitraum betreffen. Denn in einem Fall ist das Kapital nicht zurückgezahlt (Verzug) und im anderen Fall ist es vorzeitig zurückgezahlt (entgangener Zinsgewinn). Ein Darlehensnehmer kann sich mit demselben Betrag nicht gleichzeitig in Verzug (verspätete Rückzahlung) und in dem Bereich der Vorfälligkeit (verfrühte Rückzahlung) befinden. Bei der Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers ist zudem zu trennen zwischen der Rückzahlung des geschuldeten Betrages (Tilgung) und der Zahlung der auf diesen Betrag anfallenden Zinsen. Es kommt hier allein darauf an, ob die Beklagte im Hinblick auf die vorzeitig zurückgezahlten Beträge in Höhe von 306.000 € (nach Kündigung) und 22.722,32 € (Zwischenvergleich) (Tilgungsanteil) Verzugsschadensersatz und/ oder entgangenen Zins verlangen kann.

bbb.

Die Regelung des § 497 Abs. 1 BGB erfasst nur Verzugsschadensersatzansprüche. Die Auslegung dieser Vorschrift führt nicht zu dem Ergebnis, dass § 497 Abs. 1 BGB eine abschließende Regelung dahingehend ist, dass auch außerhalb des Verzuges die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches statt der Leistung in Höhe der entgangenen Vertragszinsen ausgeschlossen ist.

(1)

Der Wortlaut des § 497 Abs. 1 BGB setzt Verzug voraus. Das Wort Verzug findet sich sowohl in der Überschrift als auch im Text. Es geht um den Verzugsschadensersatz.

(2)

Aus der Einordnung des § 497 Abs. 1 BGB in den Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung und seiner Bedeutung in dieser (systematische Auslegung) ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass § 497 Abs. 1 BGB über den Verzugsschadensersatz hinaus auch den Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form entgangener Vertragszinsen erfasst.

Grundsätzlich hat ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form entgangener Vertragszinsen, der, wie hier, ab dem Zeitpunkt der Rückzahlung der Valuta geltend gemacht wird, mit einem Verzug nichts zu tun, da der Anspruch nicht durch den Verzug sondern nur durch die vorzeitige Rückzahlung der Valuta begründet wird (OLG München, Urteil vom 31. März 2014 17 U 4313/13, juris RdNr. 20).

Überdies ergibt sich aus den oben erwähnten Vorschriften §§ 490 Abs. 2 S. 3 und 502 BGB, dass in allen Fällen der einvernehmlichen vorzeitigen Aufhebung von Darlehensverträgen oder einvernehmlichen Beendigung oder vorzeitiger Rückzahlung von Darlehen bei denen eine Zeit für die Rückzahlung nicht bestimmt ist, die entgangene Zinserwartung geschützt ist. Es findet sich keine Stütze im Gesetz, den Schutz der entgangenen Zinserwartung davon abhängig zu machen, ob die Bank eine „entgangene Zinserwartung“ nach einvernehmlicher Aufhebung eines Darlehensvertrages oder nach vom Darlehensnehmer verursachter beansprucht. Eine derartige Beschränkung findet sich auch nicht in § 281 BGB.

Sollte der § 497 Abs. 1 BGB insoweit abschließend sein, ergäbe sich aus der Gegenüberstellung des vertragstreuen Darlehensnehmers mit dem vertragsuntreuen eine in den weiteren Gesetzesnormen zum Darlehensvertrag und zum Schadensersatz nicht vorhandene Gleichstellung. Der Vertragstreue hätte bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit bzw. der Zinsbindung den Vertragszins zu zahlen, während der vertragsuntreue Darlehensnehmer vom Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung aufgrund der Kündigung, die er durch sein vertragswidriges Verhalten verursacht hat, keinerlei Zahlungen mehr an die Bank zu leisten hätte. Jeder Darlehensnehmer könnte sich einseitig von seinen Verpflichtungen lösen, auch wenn das Darlehen eine feste Laufzeit habe, er sich ab diesem Zeitpunkt in Verzug befände, aufgrund einer Kündigung die Darlehensvaluta zurückzahlen könne, zzgl. der ausstehenden Raten und der darauf entfallenden Verzugszinsen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung könnte die Bank nicht geltend machen (OLG München, Urteil vom 31. März 2014 (17 U 4313/13, zitiert nach juris RdNr. 21).

(3)

Der aus der Entstehungsgeschichte zu ermittelnde Gesetzeszweck gebietet keine vom Wortlaut abweichende Auslegung.

In der Bundestagsdrucksache 11/5462 S. 13 ff. unter 2. a) geht es um das Anwachsen der Schulden nach Restfälligkeit aufgrund hoher Verzugszinsen und aufgrund der Anrechnungsregelung des § 367 BGB. Der Verbraucher solle vor einem übermäßigen Anwachsen der Verbindlichkeiten durch auflaufende Zinsen (Schlagwort Schuldturm) geschützt werden (Bundestagsdrucksache 11/5462 S. 13 ff.). Die Regelung des § 367 BGB führe dazu, dass sich die Restschuld während des Verzugs nicht ausreichend vermindere und durch hohe Verzugszinsen höhere Schulden entstünden. Mit einer vorzeitigen Rückzahlung des Kapitals (hiesiger Fall) hat die dort beschriebene Situation nichts zu tun. Aus der Bundestagsdrucksache unter 2. b) aa), ergibt sich, das das Problem des „raschen Anwachsens der Schulden nach Restfälligkeitsstellung“ vor allem für das Verzugsschadensrecht gilt. Der Fall, dass nach Kündigung im Verzugsfalle vorzeitig zurückgezahlt wird, wird dort nicht erörtert. Aus der Bundesdrucksache XI/5462 S. 13 und 40 folgt kein genereller Schutz vor einem Schuldturm. Geregelt wird nur der Schutz vor übermäßig anwachsenden Zinsen während des Verzugs.

Die Entstehung des VerbrKrG bestätigt diese Auslegung. § 11 Abs. 3 des Regierungsentwurfs zum VerbrKrG (Bundestagsdrucksache 11/5462 S. 7 und S. 28) sah vor, dass der Kreditgeber den Vertragszins in der Gesamthöhe, begrenzt durch den insgesamt geschuldeten Vertragszins, verlangen kann. Diese Bestimmung ist auf Vorschlag des Rechtsausschusses später gestrichen worden, der gemeint hat, sie sei nicht praktikabel und die bereits zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach der der Vertragszins nach Kündigung des Vertrages allenfalls nach dem Rechtsgedanken des § 628 Abs. 2 BGB weiter verlangt werden könne, überholt (Bundestagsdrucksache 11/ 8274 S. 22 unten). Nur wenn die Bank einen konkret auf das Darlehn bezogenen höheren Schaden etwa durch die Refinanzierungskosten nachweise, könne sie einen höheren Schaden nach § 497 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen. Auf S. 14 dieser Stellungnahme unter c) wird deutlich, dass auch der gestrichene § 11 Abs. 3 VerbrKrG nur den Fall des Verzugs regelte. Im Übrigen ergibt sich aus S. 14 rechte Spalte oben, dass es im Rahmen des Verzugsschadens wesentlich ist, wie bereits oben ausgeführt, den geschuldeten Betrag und die darauf angefallenen Zinsen grundsätzlich auseinanderzuhalten. Bestätigt wird dieses durch den ersten Absatz in der linken Spalte auf S. 28 der Bundestagsdrucksache.

Nach Auffassung des Senats wird der Schutz vor dem übermäßigen Anwachsen der Schulden eines Kreditnehmers, der nicht in der Lage war, die Raten rechtzeitig zu bezahlen, durch die Vorgaben des Bundesgerichtshofs zur Berechnung der „Vorfälligkeitsentschädigung“, die der Senat auf den Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form entgangener Zinsen entsprechend anwenden würde, erreicht. Diese ist vom Gesetzgeber bewusst der Rechtsprechung überlassen worden und ergibt sich u. a. aus der Entscheidung des BGH vom 1. Juli 1997 (XI ZR 267/96, juris-Rdnr. 23). Danach ist die Höhe der „Vorfälligkeitsentschädigung“ so zu bemessen, dass der Darlehensgeber durch die Kreditablösung im Ergebnis finanziell weder benachteiligt noch begünstigt wird.

(4)

Die Sicht des Senats wird von der Kommentarliteratur geteilt.

Dass § 497 BGB nur den Verzugsschadensersatz erfasst wird bestätigt durch die Kommentierungen zu § 497 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Kommentierung im MüKo (Schönbrandt 6. Aufl., 2012, § 497 RdNr. 15 und 16) erwähnt nur die Situation des Verzugs. In Randnummer 15 geht es um den Ersatz von Anlageverlusten für den Fall, dass dem Darlehensgeber durch die verspätete Rückzahlung des Kredits eine konkrete Verwendungsmöglichkeit entzogen wird. In Randnummer 16 geht es um erhöhte Kreditkosten für den Fall, dass der Darlehensgeber den verzugsbedingten Liquiditätsmangel durch Aufnahme eines Kredits abdecken muss. Der Fall einer vorzeitigen Rückzahlung des Kapitals vor Fälligkeit wird in dieser Kommentierung nicht erwähnt. Das Gleiche gilt für die Kommentierung bei Ermann durch Saenger zu § 497, RdNr. 22. Auch hier geht es nur darum, dass die Kreditinstitute sich refinanzieren müssen, wenn ein Verbraucher mit der Rückzahlung seines Kredits in Verzug geraten ist. Der Fall, dass dem Darlehensgeber mehr Kapital aufgrund der vorzeitigen Rückzahlung zur Verfügung steht, wird nicht erfasst. Genauso lautet die Kommentierung von Weidenkaff in Palandt, 74. Aufl., § 497 RdNr. 5. Dort wird auch nur der Verlust von Anlagezins oder Aufwendungen durch Kreditzinsen erwähnt.

Die Kommentierung von Kessal-Wulf im Staudinger (2012, § 497 Rdnr. 1ff) weist darauf hin, dass es nach der Regelung des zu § 497 Abs. 1 S. 2 BGB einer Bank verwehrt sei, im Verzugsfalle Zinsen auf der Grundlage des Vertragszinses zu beanspruchen. Ob dieses auch für den Fall der vorzeitigen Rückzahlung gilt, ergibt sich auch aus dieser Kommentierung nicht ausdrücklich.

(5)

Der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. April 1988 zugrundeliegende Fall erfasst nicht die Situation, die hier vorliegt, dass nach vorzeitiger Rückzahlung Zinsen verlangt werden. Dort war durch die Kündigung fällig gestellt worden, aber nicht zurückgezahlt worden. Der dortige Fall ist heute in § 497 Abs. 1 BGB geregelt. Aus der Entscheidung ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, dass nach vorzeitiger Rückzahlung ein Anspruch auf den entgangenen Zinsgewinn besteht. Die Entscheidung könnte in RdNr. 9 so ausgelegt werden, dass das Recht des Kreditnehmers zur Nutzung des Kapitals nicht nur mit der vereinbarten Fälligkeit in Folge Zeitablaufs sondern auch durch Kündigung endet und im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung bei Kündigung auch deshalb kein entgangener Gewinn (Vorfälligkeit) verlangt werden kann. Denn dann ist nicht vor Fälligkeit sondern bei Fälligkeit (die Kündigung hat die Fälligkeit herbeigeführt) gezahlt worden. In diesem Sinne kann auch der letzte Satz in RdNr. 20 dieser Entscheidung gemeint sein. Er lautet: „Erfüllt der Kreditnehmer seine Verpflichtung zur Zahlung des Nettorestkreditbetrages unverzüglich nach Eintritt der vorzeitigen Fälligkeit, so werden von den Banken keine zusätzlichen Schadensersatzansprüche wegen des entgangenen Zinsgewinns für die Restlaufzeit gestellt“. Aus RdNr. 21 ist zu entnehmen, dass ein entgangener Zinsgewinn dann zu zahlen ist, wenn bei verschuldeter Vorfälligkeit (damit kann nur die Fälligstellung aufgrund Kündigung nach Verzug des Darlehensnehmers gemeint sein) ein Vertragszinsanspruch gemäß dem Rechtsgedanken des § 628 Abs. 2 BGB zuzusprechen ist. Der in dieser Randnummer erwähnte Zahlungsverzug bezieht sich nicht auf den Verzug mit vereinbarten Raten sondern auf den Verzug nach Gesamtfälligstellung durch Kündigung. Auch hier ist deutlich darauf hinzuweisen, dass kein eigentlicher Verzug vorliegt, denn vertragsgemäß waren diese Zahlungen noch nicht fällig. Sie sind nur durch die vorzeitige Kündigung fällig geworden. Es handelt sich um den Fall, dass strenggenommen kein Verzug vorliegt und das Kapital vor der vereinbarten Fälligkeit zurückgezahlt werden muss. Für diesen Fall ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. April 1988 ein Anspruch auf eine sog. Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe des Vertragszinses. Der Bundesgerichtshof weist ausdrücklich in der zitierten Randnummer darauf hin, dass dieser Anspruch sich nur auf das Darlehenskapital bezieht und spätestens im Zeitpunkt der im beendeten Darlehensvertrag vorgesehenen Fälligkeit endet oder auch zum Zeitpunkt des nächstens zulässigen vereinbarten Kündigungstermins. Dass es sich um einen Anspruch auf entgangenen Gewinn handelt, ergibt sich aus dem Hinweis des Bundesgerichtshofs in der RdNr. 21, dass nur für die Zeit bis zur vereinbarten Fälligkeit oder bis zum zulässigen Kündigungstermin eine rechtlich geschützte Zinserwartung besteht.

Der dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. April 1988 zugrundeliegende Fall erfasst jedoch nicht die Situation, die hier vorliegt, dass nach vorzeitiger Rückzahlung Zinsen verlangt werden. Dort war zwar durch die Kündigung fällig gestellt worden, aber nicht zurückgezahlt. Es kann ein Erstrechtschluss gezogen werden. Denn da der Bank nach Rückzahlung jedenfalls kein Verzugsschadensersatz mehr zusteht, müsste ihr nach den Argumenten in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erst recht ein Anspruch auf den entgangenen Zins zustehen.

Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 8. Oktober 1996 (XI ZR 283/95) juris RdNr. 13 spricht dafür, dass ein Anspruch auf entgangenen Zinsgewinn besteht. Zwar handelte es sich dort um ein unverbrauchtes „Disagio“ und eine „einvernehmliche“ Aufhebung eines Darlehensvertrags. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass „wenn ein Darlehensvertrag mit fester Laufzeit durch fristlose Kündigung der kreditgebenden Bank aus wichtigem Grund vorzeitig aufgelöst wird, weil der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen ist, der Bank ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zusteht, den sie durch die vorzeitige Beendigung des Vertrags erleidet. Das Disagio müsse als Teil der rechtlich geschützten Zinserwartung der Bank verbleiben“.

cc.

Die Höhe des Schadensersatzanspruches statt der Leistung in Form entgangener Zinsen ist zwischen den Parteien unstreitig (siehe oben). Die Berechnung entspricht zudem den obigen Grundsätzen. Aus den Schreiben der Beklagten vom 17. Januar 2013 (Anlage K3 Bl. 19 ff. GA) und vom 21. Juni 2013 (K4 Bl. 27 ff. GA) ergibt sich, dass die Beklagte erst ab Rückzahlung und nur bis zum Ende der Zinsbindung am 31. Oktober 2022 rechnet. Sie geht vom Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehns i.H.v. 306.000,00 Euro am 7. Januar 2013 und i.H.v. 22.900,00 Euro zum 30. Juni 2013 aus. Die Berechnung ergibt sich aus Bl. 72 ff. GA. Sie wird von den Beklagten nicht angegriffen. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

dd.

Die in der Berufung wieder aufgenommene Argumentation der Klägerin, eine Zinserwartung der Beklagten habe schon bei Abschluss des Darlehensvertrags deshalb nicht bestanden, da die Beklagte gewusst habe, dass es zweifelhaft sein würde, ob das gewährte Darlehen dauerhaft bedient werden könnte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen trägt die Klägerin widersprüchlich vor. Denn bereits in der Klagschrift führt sie aus, dass die sich aus dem Darlehensvertrag ergebenden Zahlungspflichten dadurch erfüllbar waren, dass die Mieten aus einem der Belastungsobjekte regelmäßig und vollständig flossen. Warum zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung bereits erkennbar hätte sein sollen, dass dieses irgendwann nicht mehr der Fall sein würde, wird von der Klägerin nicht ausgeführt. Das Risiko, dass Mieten nicht mehr regelmäßig und vollständig fließen und dadurch Zahlungspflichten nicht zu erfüllen sind, ist jedem Darlehensvertrag immanent. Zum anderen ergeben sich aus diesem Vortrag keine Anhaltspunkte für einen Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags.

Die Revision ist zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Weder aus dem Anerkenntnisurteil vom 15. Januar 2013 des 11. Senats des Bundesgerichtshofs (Verfahren des Oberlandesgerichts Frankfurt ((9 U 76/10)) noch aus der Rücknahme der Revision ebenfalls am 15. Januar 2013 vor dem 11. Senats des Bundesgerichtshofs (Verfahren des Oberlandesgerichts Frankfurt (23 U 386/09)) ist zu erkennen, ob der § 497 BGB auch den Schadensersatzanspruch statt der Leistung ausschließt.

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