LG Berlin, Az.: 27 O 605/12
Urteil vom 14.03.2013
1. Die einstweilige Verfügung vom 19. September 2012 wird bestätigt.
2. Der Antragsgegner hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Antragsteller wenden sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von ….
Die Antragsteller sind die “special administrator” des Nachlasses des am …2009 verstorbenen Sängers …. Für den Inhalt des von … hinterlassenen Testaments wird Bezug genommen auf die Anlage Ast 2. Mit Verfügung vom 4.1.2010 verlängerte der “Los Angeles Superior Court” die Verfügung zur Bestellung der Antragsteller als “special administrator” (Sondererbschaftsverwalter) mit den Befugnissen eines “general administrator” und der Vollmacht zur Verwaltung des Nachlasses gemäß dem “Independent Administration of Estates Act” mit beschränkter Vollmacht vom 12.11.2009 auf unbestimmte Zeit. Die Bestellung wurde am 14.1.2010 erteilt. Für den weiteren Inhalt der gerichtlichen Verfügung und Bestellung wird Bezug genommen auf die Anlage Ast 4.
Der Antragsgegner ist ein eingetragener Verein und ist verantwortlich für die Internetseite www…..de, auf der er sich als Verein zur Unterstützung benachteiligter Kinder in aller Welt bezeichnet. Er warb auf seiner Internetseite sowie der Internetseite www…..com für ein Gewinnspiel “The Mystery Hunt” unter Verwendung von Namen und Bildnis von …. Ferner kündigte er an, in Gedenken an … den weltgrößten Heißluftballon zu bauen und mit einem …-Motiv zu versehen. Sowohl für das Gewinnspiel als auch für den Heißluftballon bot der Antragsgegner die Vermarktung von Werbeflächen an. Für den weiteren Inhalt der Internetseiten wird Bezug genommen auf die Anlagen Ast 6 bis Ast 10. Mit diversen Pressemitteilungen wies der Antragsgegner auf die Aktionen hin (vgl. Anlagenkonvolut Ast 11).
Die Antragsteller sind der Ansicht, auch zur Geltendmachung postmortaler Persönlichkeitsrechte von … befugt zu sein. Sie verweisen dazu auf ein Gutachten der Kanzlei …, … & … (Anlage Ast 5) und ein Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2.5.2012 (auszugsweise als Anlage Ast 16 vorgelegt). Die massive werbliche Vereinnahmung des Namens und der Persönlichkeit …s beeinträchtige vor allem die materiellen Aspekte des postmortalen Persönlichkeitsrechts. Die angebliche Mildtätigkeit des Antragsgegners bestreiten sie mit Nichtwissen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.9.2012 forderten die Antragsteller den Antragsgegner vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Antragsteller haben die einstweilige Verfügung vom 19.9.2012 erwirkt, durch die dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr mit dem Namen und/oder dem Bildnis …s für eigene und/oder fremde Waren und/oder Dienstleistungen zu werben, insbesondere wenn dies geschieht wie in den Anlagen Ast 8 bis Ast 12 der Antragsschrift vom 17. September 2012.
Gegen die ihm am 8. Oktober 2012 zwecks Vollziehung zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch des Antragsgegners.
Er behauptet, es handele sich um Wohltätigkeitsprojekte im Sinne von … und dessen Angehörigen ohne kommerzielle Interessen. Alle Einnahmen kämen nach Abzug der notwendigen Kosten wohltätigen Zwecken zu Gute, wie sich auch aus der Bescheinigung des Finanzamts Hamburg Nord über die Verfolgung mildtätiger Zwecke i. S. d. §§ 51 ff. AO, 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ergebe (Anlage AG 5). Mutter, Vater und Schwester von … wüssten von dem Spiel “Mystery Hunt” und befürworteten dieses Projekt wegen der karitativen Zielrichtung. Die Antragsteller seien auch nicht aktiv legitimiert, wie sich aus einem Urteil des LG Mannheim vom 22.10.2009 (Anlage AG 2) ergebe. Das Gutachten einer von ihnen beauftragten Anwaltskanzlei sei zur Glaubhaftmachung ungeeignet. Die kostenpflichtige Beauftragung von Anwälten durch die Antragsteller bedürfe zudem einer gerichtlichen Genehmigung, die nicht vorliege.
Zumindest sei die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, da die Antragsteller ihren Sitz im Ausland hätten und eine Vollstreckung wegen der Kosten sowie eines Schadensersatzes gemäß § 945 ZPO problematisch sei.
Der Antragsgegner beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen, hilfsweise, die Vollziehung der einstweilige Verfügung von einer Sicherheitsleistung der Antragsteller abhängig zu machen.
Die Antragsteller beantragen, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Sie verteidigen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen. Der Vortrag des Antragsgegners zur angeblichen Mildtätigkeit sei widersprüchlich und unsubstantiiert. Die Bescheinigung des Finanzamtes sei lediglich eine vorläufige Bescheinigung aufgrund der Satzungsprüfung, nicht aufgrund der tatsächlichen Tätigkeit des Antragsgegners.
Für das weitere Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
1. Die einstweilige Verfügung vom 19. September 2012 ist zu bestätigen, weil sie zu Recht ergangen ist (§§ 936, 925 ZPO). Denn die Antragsteller haben gegen den Antragsgegner einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 22 Abs. 1 Satz 3 KUG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit dem Namen oder dem Bildnis von … für eigene oder fremde Waren oder Dienstleistungen zu werben oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in den Anlagen Ast 8 bis Ast 12 der Antragsschrift.
a) Gemäß Art. 40 EGBGB ist auf das Verfahren deutsches Recht anzuwenden. Dieser Norm unterfällt auch der Persönlichkeitsschutz einschließlich sich daraus herleitender Unterlassungsansprüche (BGH v. 25.10.2011, VI ZR 93/10, juris Rn. 15). Handlungsort i.S.d. Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist hier Deutschland, da der Antragsgegner hier das Gewinnspiel veröffentlicht und für den Heißluftballon geworben hat. Selbst wenn man aufgrund der Verbreitung des Spiels im weltweit zugänglichen Internet einen Erfolgsort i.S.d. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB auch in den Vereinigten Staaten annehmen wollte, haben die Antragsteller ihren Antrag auf deutsches Recht gestützt und somit ihr ggf. bestehendes Bestimmungsrecht nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu Gunsten des deutschen Rechts ausgeübt.
b) Nach deutschem Recht wird die Persönlichkeit des Menschen auch über den Tod hinaus geschützt. Bei einer Verletzung der ideellen Bestandteile des zivilrechtlichen postmortalen Persönlichkeitsrechts stehen dem Wahrnehmungsberechtigten Abwehransprüche, nicht auch Schadensersatzansprüche zu. Das zivilrechtliche postmortale allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt allerdings mit seinen vermögenswerten Bestandteilen auch vermögenswerte Interessen der Person. Bei einer Verletzung können Schadensersatzansprüche bestehen, die von den Erben des Verstorbenen geltend gemacht werden können. Die Befugnisse des Erben aus den vermögenswerten Bestandteilen des postmortalen Persönlichkeitsrechts leiten sich vom Träger des Persönlichkeitsrechts ab und dürfen nicht gegen dessen mutmaßlichen Willen eingesetzt werden. Eine Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts kann nur nach sorgfältiger Abwägung angenommen werden. Die mitwirkende Absicht der Gewinnerzielung schließt die Unbedenklichkeit des Vorgehens nicht ohne weiteres aus (vgl. BGH v. 5.10.2006, I ZR 277/03, juris Rn. 10 ff. m.w.N.). Die Verbreitung des Bildnisses des Verstorbenen kann auch ohne die Einwilligung der Angehörigen nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zulässig sein, selbst wenn eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden (BGH v. 14.11.1995, VI ZR 410/94, juris Rn. 27). Hier werden sowohl in dem Spiel als auch auf dem Heißluftballon das stilisierte Bildnis von … verwendet; zudem wird sein Name für die Verwendung eigener Zwecke des Antragsgegners in der Öffentlichkeit genutzt und nicht lediglich, um die Öffentlichkeit über zeitgeschichtliche Ereignisse zu informieren.
c) Vorliegend ist eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von … durch das mit seinem Namen und Bildnis beworbene Spiel “Mystery Hunt” sowie die Vermarktung von Werbeflächen an dem Heißluftballon mit stilisiertem Bildnis von … anzunehmen, da davon auszugehen ist, dass damit in erster Linie kommerzielle Zwecke des Antragsgegners verfolgt werden und der mutmaßliche Wille des Verstorbenen nicht entgegensteht (vgl. BGH v. 1.12.1999, I ZR 49/97, juris Rn. 72 ff.).
aa) Der Vortrag des Antragsgegners zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke ist widersprüchlich und unsubstantiiert. Während er in der eidesstattlichen Versicherung vom 14.10.2011 (Anlage Ast 27) versichert, mehr als die Hälfte der Einnahmen nach Abzug der Kosten gingen an wohltätige Zwecke, behauptet er in der eidesstattlichen Versicherung vom 11.2.2013 (Anlage AG 3), sämtliche Einnahmen nach Abzug der Kosten seien für wohltätige Zwecke bestimmt. Vor allem fehlt jeder konkrete Vortrag dazu, für welche Projekte das Geld verwendet werden soll und wer darüber entscheidet. Die vorläufige Bescheinigung der Verfolgung mildtätiger Zwecke durch das Finanzamt ist irrelevant, da dieser Entscheidung nur die Satzungsprüfung zu Grunde liegt. Da der Antragsgegner nicht konkreter zu den von ihm verfolgten Zwecken vorträgt, gilt der Vortrag der Antragsteller, wonach der Antragsgegner eigene kommerzielle Zwecke verfolgt, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
bb) Dass der Verstorbene mit einer Verwendung seines Bildnisses und Namens für kommerzielle Zwecke des Antragsgegners einverstanden gewesen wäre, ist im Hinblick auf dessen intransparente Tätigkeit bzw. Mittelverwendung nicht ersichtlich. Hinzu tritt, dass der Antragsgegner Werbemöglichkeiten unter ausdrückliche Bezugnahme auf … “verkaufen” will. Dass der Verstorbene jemals damit einverstanden gewesen wäre, dass seine Person für Werbung für jedwede Produkte oder Dienstleistungen herhalten darf, auch wenn die Erlöse gemeinnützigen Zwecken zukommen sollten, ist weder dargetan noch ersichtlich. Auf seinen Manager und seinen Vater kommt es insoweit nicht an. Der Verstorbenen hat in seinem Testament weder andere Wohltätigkeitsorganisationen noch seine Erben mit vermögenswerten Bestandteilen seines Nachlasses bedacht, sondern sein gesamtes Vermögen in seine Familienstiftung überführt. Diese soll gemäß ihrer Satzung über die Verwendung entscheiden. Er hat die Antragsteller zu den Verwaltern seines Nachlasses bestimmt und damit ihnen die Entscheidung übertragen, seine Vermögensinteressen nach dem Tod geltend zu machen. Dass es Kontakte zwischen dem Verstorbenen und Vorständen oder Mitgliedern des Antragsgegners gab, trägt dieser nicht vor. Es ist daher nach dem im Testament zum Ausdruck gekommenen Willen des Verstorbenen davon auszugehen, dass auch hinsichtlich der kommerziellen Projekte des Antragsgegners den Antragstellern die Entscheidung überlassen bleiben sollte, ggf. vermögenswerte Interesse im Interesse des Nachlasses geltend zu machen.
d) Die Antragsteller sind auch als aktiv legitimiert anzusehen. Während die dem Schutz der ideellen Interessen des Verstorbenen dienenden Abwehransprüche von den Angehörigen gemäß § 22 Sätze 3 und 4 KUG oder von einem hierzu berufenen Wahrnehmungsberechtigten geltend zu machen sind, kommen als Träger der vermögenswerten Befugnisse allein die Erben in Betracht (BGH v. 1.12.1999, I ZR 49/97, juris Rn. 65). Die Antragsteller sind zwar nicht die Erben von …. Aus den vorgelegten gerichtlichen Entscheidungen des amerikanischen Gerichts geht aber hervor, dass den Antragstellern eine Stellung als Nachlassverwalter zukommt, die auch nach deutschem Recht die Erben von der Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen, ausschließt, § 1984 BGB. Die Stellung der Antragsteller als Nachlassverwalter von … ist auch unstreitig. Aus den vorgelegten Gerichtsbeschlüssen in Verbindung mit den gesetzlichen Befugnissen eines general personal representative nach dem California Probate Code (Anlage Ast 36) ergibt sich, dass die Antragsteller bevollmächtigt sind, alle vermögenswerten Ansprüche des Nachlasses geltend zu machen. Dazu zählen auch die hier nur maßgeblichen vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts, nicht die von den Antragstellern nicht geltend gemachten ideellen Bestandteile bzw. die den Angehörigen aus § 22 Abs. 3, 4 KUG zustehenden Rechte. Die ursprünglichen Einschränkungen bei der Bevollmächtigung der Antragsteller wie die Pflicht zur vorherigen gerichtlichen Genehmigung bei kostenpflichtiger Beauftragung von Anwälten sind nach den mit der Antragsschrift eingereichten Beschlüssen (Anlagenkonvolut Ast 4) mittlerweile alle entfallen bis auf die hier nicht maßgeblichen Beschränkungen bei der Grundstücksbelastung. Insoweit kommt es auf die Entscheidung des LG Mannheim (Anlage AG 2) nicht an.
Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung war nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Eine Vollziehungssicherheit kommt nur in Betracht, wenn die Vollziehung zu schwersten Eingriffen in den Gewerbebetrieb des Schuldners führt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 921 Rdz. 7). Davon kann im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner für sich in Anspruch nimmt, mildtätige Zwecke zu verfolgen, keine Rede sein.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO