Skip to content
Menu

Verkehrsunfall zwischen zwei rückwärts ausparkenden Fahrzeugen auf Parkplatz

Parkplatz-Drama: Rückwärts-Crash zwischen Skoda und BMW

Das Gericht hat die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, da sie für den Verkehrsunfall auf einem Parkplatz voll verantwortlich waren. Der Unfall war weder für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs noch für den Beklagten zu 1) unvermeidbar, jedoch lag das überwiegende Verschulden beim Beklagten zu 1). Die Höhe des Schadensersatzes basiert auf den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten und weiteren Schadenspositionen, die das Gericht als angemessen und notwendig erachtet hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.:114 C 119/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Vollständige Verantwortung der Beklagten: Die Beklagten müssen den gesamten Schaden des Klägers übernehmen, da sie zu 100 % für den Unfall verantwortlich sind.
  2. Unfall auf öffentlichem Parkplatz: Der Unfall ereignete sich auf einem öffentlichen, allgemein zugänglichen Parkplatz.
  3. Keine Unabwendbarkeit des Unfalls: Für keine der Parteien war der Unfall unter Einhaltung äußerster Sorgfalt vermeidbar.
  4. Eingeschränkte Sicht und Verhalten des Klägers: Die Sicht des klägerischen Fahrers war eingeschränkt, jedoch hielt er an, um Passanten passieren zu lassen.
  5. Versäumnisse des Beklagten: Der Beklagte zu 1) hat das klägerische Fahrzeug übersehen und die erforderliche Rückschau beim Rückwärtsfahren nicht vorgenommen.
  6. Berechnung des Schadens: Die Höhe des Schadensersatzes basiert auf nachweisbaren Kosten wie Reparatur-, Sachverständigen- und zusätzlichen Kosten.
  7. Ersatzfähigkeit zusätzlicher Kosten: Kosten für Reinigung, Corona-Schutzmaßnahmen und Sicherheitsmaßnahmen bei der Ofentrocknung wurden als ersatzfähig anerkannt.
  8. Rechtsanspruch auf Schadensersatz: Der Klägerin steht ein rechtlicher Anspruch auf Schadensersatz zu, der auf den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG basiert.

Verantwortung bei Verkehrsunfällen auf Parkplätzen: Eine rechtliche Betrachtung

Bei Verkehrsunfällen, insbesondere auf Parkplätzen, stellt sich oft die Frage nach der Verantwortung und den daraus resultierenden Schadensersatzansprüchen. Solche Situationen, in denen Fahrzeuge beim Rückwärtsausparken kollidieren, erfordern eine detaillierte Untersuchung der Umstände und der jeweiligen Verhaltensweisen der beteiligten Fahrer. Im Zentrum stehen dabei Aspekte wie Sichtverhältnisse, Geschwindigkeit und die Einhaltung der Sorgfaltspflichten. In der Regel trägt der Fahrer, der beim Ausparken einen anderen Verkehrsteilnehmer übersieht oder nicht ausreichend Rücksicht nimmt, eine höhere Verantwortung.

Die juristische Aufarbeitung solcher Fälle erfolgt unter Berücksichtigung verschiedener Gesetze und Vorschriften, wie dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Dabei spielen auch Beweisführungen und Zeugenaussagen eine wesentliche Rolle, um den Verursachungsbeitrag und damit die Haftungsverteilung zu klären. Im Folgenden wird ein konkreter Fall eines solchen Verkehrsunfalls auf einem Parkplatz erörtert, der Aufschluss über die Komplexität und die rechtlichen Feinheiten solcher Vorfälle gibt. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt der juristischen Analyse, um zu erfahren, wie das Gericht in diesem speziellen Fall entschieden hat und welche Lehren daraus gezogen werden können.

Kollision auf dem Parkplatz: Schadensersatz nach Verkehrsunfall

Am 22. August 2020 kam es auf einem REWE-Parkplatz in der Stadt C zu einem ungewöhnlichen Verkehrsunfall: Zwei Fahrzeuge, ein Skoda Superb und ein BMW 5er, kollidierten beim Rückwärtsausparken. Der Skoda, gefahren vom Zeugen N und im Eigentum der B GmbH, stand unter der Halterung der Klägerin, während der BMW bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert und von dem Beklagten zu 1) gefahren wurde. Der Unfall führte zu einem Rechtsstreit, der vor dem Amtsgericht Bonn unter dem Aktenzeichen 114 C 119/21 verhandelt wurde.

Detailreiche Beweisaufnahme und Sachverständigengutachten

Im Kern des Streits stand die Frage, wer für den Unfall verantwortlich war und ob der Schaden am Skoda Superb von den Beklagten zu tragen sei. Die Klägerin argumentierte, ihr Fahrzeug sei zum Zeitpunkt der Kollision bereits zum Stehen gekommen, während der Beklagte zu 1) ungebremst in das stehende Fahrzeug gefahren sei. Die Beklagten hingegen behaupteten, die Kollision sei für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs vermeidbar gewesen. Das Gericht zog zur Klärung dieser widersprüchlichen Aussagen sowohl Zeugenaussagen als auch ein Sachverständigengutachten heran. Aus den Aussagen des Zeugen N und der Zeugin X sowie dem Gutachten des Sachverständigen T ergab sich, dass der Skoda zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden hatte und somit keine Möglichkeit mehr bestand, den Unfall zu vermeiden.

Haftung und Verantwortlichkeit bei Parkplatzunfällen

Auf Basis der Beweisaufnahme kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Beklagten für den entstandenen Schaden vollumfänglich haften. Gemäß § 17 StVG erfolgte eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile. Dabei wurde deutlich, dass der Unfall für den Beklagten zu 1) vermeidbar gewesen wäre, hätte er die nötige Sorgfalt beim Rückwärtsfahren beachtet. Der Anscheinsbeweis sprach gegen den Beklagten zu 1), da er zum Zeitpunkt der Kollision nicht stand. Die Unabwendbarkeit des Unfalls für beide Parteien konnte nicht nachgewiesen werden, weshalb die Beklagten nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG zu 100% hafteten.

Schadensersatzforderungen und Urteil

Die Klägerin forderte ursprünglich 4.835,28 Euro sowie zusätzlich 454,20 Euro. Nach teilweiser Regulierung durch die Beklagte zu 2) reduzierte sich der Forderungsbetrag auf 4.591,28 Euro plus Zinsen sowie 40,30 Euro für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten. Das Gericht gab der Klägerin in vollem Umfang Recht und verurteilte die Beklagten zur Zahlung der geforderten Summen. Bei der Beurteilung der Schadensersatzforderungen berücksichtigte das Gericht die vorgelegten Reparaturrechnungen, Sachverständigenkosten und weitere Kostenpositionen wie Verbringungskosten und Aufwendungen für Corona-Schutzmaßnahmen. Diese Positionen wurden als erforderliche Herstellungskosten im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anerkannt.

Fazit: Rechtliche Konsequenzen eines Parkplatzunfalls

Das Urteil des Amtsgerichts Bonn unterstreicht die Bedeutung der Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren auf Parkplätzen und die Tragweite des Anscheinsbeweises. Es verdeutlicht zudem, wie komplex die Klärung von Schadensersatzansprüchen bei Verkehrsunfällen sein kann, insbesondere wenn sich widersprüchliche Darstellungen der Unfallbeteiligten gegenüberstehen. Dieser Fall zeigt, dass die detaillierte Beweisaufnahme durch das Gericht und die Hinzuziehung von Sachverständigen entscheidend für die Urteilsfindung sein können.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird der Begriff „Unabwendbarkeit“ im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG bei Verkehrsunfällen interpretiert?

Der Begriff „Unabwendbarkeit“ im Kontext des § 17 Abs. 3 StVG bezieht sich auf ein Ereignis, das auch bei äußerster Sorgfalt, einschließlich der Einhaltung aller geltenden Verkehrsvorschriften, nicht verhindert werden kann. Es bedeutet nicht absolute Unvermeidbarkeit eines Unfalls.

Die Prüfung der Unabwendbarkeit erstreckt sich nicht nur darauf, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, sondern auch, ob ein solcher Idealfahrer überhaupt in diese Gefahrenlage geraten wäre. Ein „Idealfahrer“ wird dabei als jemand definiert, der ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus an den Tag legt.

Die Beweislast für die Unabwendbarkeit eines Ereignisses trägt die Person, die sich darauf beruft. Bloße Zweifel am unfallursächlichen Fahrverhalten können die Feststellung der Unabwendbarkeit ausschließen.

Sowohl der Halter als auch der Fahrer des Fahrzeugs müssen „jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben“. Wenn sich beide Autofahrer „ideal“ verhalten haben, entfällt der Ausgleich gänzlich und jeder trägt seinen eigenen Schaden allein.

Ein Unfall, der durch einen plötzlich auf der Fahrbahn befindlichen Gegenstand verursacht wird, ist (mit Einschränkung) kein unabwendbares Ereignis, auch wenn sich der Gegenstand nachts unbeleuchtet auf der Straße befunden hat.

Die Anwendung des Begriffs „Unabwendbarkeit“ im Kontext von Verkehrsunfällen ist komplex und erfordert eine genaue Prüfung der Umstände jedes einzelnen Falles.


Das vorliegende Urteil

AG Bonn – Az.: 114 C 119/21 – Urteil vom 10.01.2023

1. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 4.591,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.08.2021 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 40,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.08.2021zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 22.08.2020 in C ereignete.

Am 22.08.2020 kollidierten das klägerische Fahrzeug (Skoda Superb) mit dem amtlichen Kennzeichen ##-##-### und das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte Fahrzeug (BMW 5er) mit dem amtlichen Kennzeichen ##-## #### auf dem REWE-Parkplatz am E-weg in C. Der Zeuge N setzte als Fahrer des klägerischen Fahrzeugs rückwärts aus einer Parklücke heraus. Der Fahrer des Beklagten Fahrzeugs befuhr rückwärts eine Fahrspur auf dem Parkplatz und kollidierte hierbei mit dem aus Sicht des Beklagten zu 1) linksgelegenen klägerischen Fahrzeug. Während des Rückwärtsfahrens hat der Beklagte zu 1) über die rechte Schulter Rückschau gehalten. Das klägerische Fahrzeug steht im Eigentum der B GmbH mit Sitz in N. Halterin ist die Klägerin. Die Eigentümerin hat der klagenden Partei die Freigabe zur Reparatur im Rahmen der Leasingvertragsbedingungen erteilt. Auf die diesbezügliche Einverständniserklärung vom 23.02.2021 wird Bezug genommen (Bl. 11 d. A.). Halter des Beklagtenfahrzeugs ist der Beklagte zu 1).

Bei der Kollision wurde das klägerische Fahrzeug beschädigt. Die Klägerin holte zunächst ein Gutachten bei dem KfZ-Sachverständigenbüro K vom 26.08.2020 ein. Darin wurde unter anderem der Reparaturkostenaufwand auf 6.281,56 Euro (netto) und die Wertminderung auf 488,00 Euro beziffert. Auf das Gutachten wird Bezug genommen (Bl. 12-37 d. A.). Der Sachverständige stellte für seine Tätigkeit ein Honorar in Höhe von 862,60 Euro (netto) in Rechnung. Auf die Rechnung des Sachverständigen vom 27.08.2020 wird Bezug genommen (Bl. 41-42 d. A.). Die sodann durch die B GmbH vorgenommene Reparatur wurde mit 6.663,58 Euro (netto) in Rechnung gestellt. Auf die diesbezügliche Rechnung vom 02.09.2020 wird Bezug genommen (Bl. 43 d. A.). Die Klägerin hat einen Schaden in Höhe von insgesamt 8.922,19 Euro geltend gemacht. Hierauf hat die Beklagte zu 2) vorgerichtlich bereits zu 50% reguliert und einen Betrag in Höhe von 4.086,81 Euro an die Klägerin überwiesen, nachdem Abzüge an den Reparaturkosten vorgenommen wurden. Die Beklagte zu 2) hat von den durch die Klägerin geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 6.663,58 Euro (netto) lediglich 6.475,34 Euro anerkannt und Abzüge insgesamt in Höhe von 188,24 Euro vorgenommen für Arbeitslohn wegen Sicherheitsmaßnahmen für die Ofentrocknung, für Fahrzeugreinigungskosten, Corona-Schutzmaßnahmen und für Verbringungskosten zum Lackierbetrieb. Bezüglich der Abzüge wird insbesondere auf die Klageerwiderung vom 30.08.2020 (Bl. 79-83 d. A.) und auf den klägerischen Schriftsatz vom 13.09.2021 (Bl. 119-129 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs bedingt durch Fußgänger und andere Fahrzeuge angehalten habe. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs habe sich zunächst beim Rückwärtsfahren langsam vorgetastet und das Fahrzeug sodann zum Stehen gebracht, um der Rückschaupflicht Genüge zu tun. Demgegenüber sei der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug ungebremst in das stehende Fahrzeug der Klagepartei gefahren. Die Klägerin ist der Ansicht, sowohl die Reparaturkosten als auch die Sachverständigenkosten seien unberechtigterweise gekürzt worden.

Die Klägerin hat bezüglich der Hauptforderung ursprünglich beantragt, 1.) die Beklagten zu verurteilen, an die Klagepartei 4.835,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie 2.), an die Klagepartei 454,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Nachdem die Beklagte an die Klägerin nach Klageerhebung einen Betrag in Höhe von 657,90 Euro überwiesen hat, davon auf die Hauptforderung des Klageantrags zu 1.) einen Betrag in Höhe von 244,00 Euro für Wertminderung und auf den Antrag zu 2.) in Höhe von 413,90 Euro für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, hat die Klägerin in Höhe dieser Beträge Erledigung erklärt. Die Beklagten haben sich mit Schreiben vom 26.08.2021 dieser Teilerledigungserklärung angeschlossen.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

1. die Beklagten zu verurteilen, an die Klagepartei 4.591,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie

2. die Beklagten zu verurteilen, an die Klagepartei 40,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten behaupten, die Kollision sei für den Fahrer des klägerischen Fahrzeuges vermeidbar gewesen. Denn das Beklagten-Fahrzeug habe sich langsam und in Schrittgeschwindigkeit unübersehbar auf der Hauptfahrgasse rückwärts genähert, was dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs bei der erforderlichen Rückschau nicht hätte verborgen bleiben können. Der Beklagte zu 1) sei unter permanentem Schulterblick auf der Hauptfahrgasse in Schrittgeschwindigkeit rückwärts gefahren. Zuvor hatte der Beklagte zu 1) durch die Rückspiegel im Fahrzeug festgestellt, dass die komplette Fahrgasse im rückwärtigen Bereich frei gewesen sei. Weder habe er das klägerische Fahrzeug noch habe er Fußgänger auf der rückwärtsgelegenen Fahrbahn gesehen. Zudem habe sich das klägerische Fahrzeug unmittelbar vor der Kollision noch in Bewegung befunden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Herrn N und Frau X sowie durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.01.2022 und auf das Sachverständigengutachten vom 30.06.2022 verwiesen

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichem Umfang begründet.

I.

Der Klägerin steht aus dem Unfallereignis gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG ein Schadensersatzanspruch in Höhe von noch 4.591,28 Euro zu.

Nach der Vorschrift des § 7 Abs. 1 StVG haftet der Halter eines Kfz dem Geschädigten gegenüber für alle beim Betrieb seines Kfz verursachten Schäden. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor. Denn der Beklagte zu 1) war Halter des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten am Unfall beteiligten Kfz. Der kausale Schaden zulasten des Klägers ist durch die Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug erfolgt.

1.

Der Anwendung des § 7 StVG steht nicht entgegen, dass sich der Unfall auf einem Parkplatz ereignete. Denn öffentlicher Verkehr ist auch bei – wie hier vorliegend – öffentlichen und allgemein zugänglichen Parkplätzen zu bejahen (MüKoStVR/Engel, 1. Aufl. 2017, StVG § 7 Rn. 10).

2.

Die Beklagten haben vollumfänglich für den entstandenen Schaden des Klägers einzustehen, da der Verursachungsbeitrag an dem Schadensereignis nach den Feststellungen des Gerichts mit 100 % zulasten der Beklagten anzusetzen ist.

a.

Der Unfall war für keine der Parteien unabwendbar. Gemäß § 17 Abs. 3 StVG ist die Verpflichtung zu einem etwaigen Schadensausgleich unter mehreren beteiligten Fahrzeugen gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht.

(1)

Ein Verkehrsunfall ist unabwendbar, wenn dieser auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (BGH, Urt. v. 17. 3. 1992 – VI ZR 62/91; vgl. NK-GVR/Azime Zeycan, 3. Aufl. 2021, StVG § 17 Rn. 41). Gefordert wird nicht die absolute Unvermeidbarkeit, sondern ein an durchschnittlichen Verhaltensanforderungen gemessenes ideales, also überdurchschnittliches Verhalten (BGH, Urt. v. 28. 5. 1985 – VI ZR 258/83; OLG Koblenz, Urt. v. 4. 10. 2005 – 12 U 1236/04), welches sachgemäß, geistesgegenwärtig ist und über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinausgeht, wobei alle möglichen Gefahrenmomente zu berücksichtigen sind. Die Prüfung der Unabwendbarkeit im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darf sich nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein Idealfahrer reagiert hat, sondern ist auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein Idealfahrer überhaupt in eine konkrete Gefahrenlage geraten wäre. Denn ein Unfall, der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelt, wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr – zu spät – ideal verhält (BGH, Urt. v. 13. 12. 2005 – VI ZR 68/04, NJW 2006, 896, 898, Rn. 21; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31. 3. 2020 – 1 U 101/19).

Keine der Parteien vermochte den Nachweis der Unabwendbarkeit gemäß § 17 Abs. 3 StVG zu erbringen. So war das Unfallgeschehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts weder für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs noch für den Beklagten zu 1) unvermeidbar.

(2)

Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen T lässt sich für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs aus technischer Sicht keine eindeutige Vermeidbarkeit herausarbeiten (Bl. 307 d. A.). Auch wenn nach diesem Ergebnis der Unfall für den Kläger nicht eindeutig vermeidbar war, ist damit der Nachweis der Unvermeidbarkeit noch nicht erbracht.

Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen T steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Sicht zu Beginn des Ausparkvorgangs durch parkende Autos für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs eingeschränkt war. Zwar konnte der Sachverständige das Ausmaß der Sichteinschränkung nicht eindeutig klären. Allerdings war aus technischer Sicht darstellbar, dass die Sicht für den Fahrer des Fahrzeugs der Klägerin zu Beginn des Ausparkvorgangs durch parkende Fahrzeuge eingeschränkt war (Bl. 307 d. A.). Ein Idealfahrer hätte sich bereits bei leichter Einschränkung aus der Parklücke ausweisen lassen, sodass der Unfall für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs unter Beachtung der äußersten möglichen Sorgfalt und unter Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente nicht unvermeidbar war.

Für den Beklagten war der Unfall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ebenso vermeidbar. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens und den Bekundungen der Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmung. Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen T wäre der Unfall für den Beklagten zu 1) aus technischer Sicht im Falle des folgenden Verlaufs unvermeidbar gewesen:

Wird angenommen, dass das Fahrzeug der Klägerin nur einen Meter aus der Parktasche herausbewegt worden ist, kann technisch dargestellt werden, dass dieser Vorgang in ca. 1,5 Sekunden bis 2 Sekunden abgeschlossen worden ist. Wird weiter angenommen, dass eine Eindringung des Hecks des Fahrzeugs der Klägerin von ca. 0,5 Meter eine Reaktionsaufforderung für den Beklagten darstellt, benötigt das Fahrzeug der Klägerin von 0,5 Meter Eindringung bis Stillstand bei einem Meter Eindringung ca. 0,7 Sekunden. Sollte sich das Fahrzeug des Beklagten zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung somit ca. 1 Sekunde vor der Kollision befunden haben, wäre die Kollision für den Beklagten aus technischer Sicht, bei Betrachtung dieser Randbedingung, nicht mehr vermeidbar gewesen (Bl. 307 d.A.).

Dagegen wäre das klägerische Fahrzeug für den Beklagten zu 1) erkennbar und der Unfall für diesen vermeidbar gewesen, wenn das klägerische Fahrzeug bereits länger als 1 Sekunde gestanden hätte oder über eine längere Distanz zurückgesetzt worden wäre (Bl. 307 d. A.). Eine mögliche Stillstandsdauer des Fahrzeugs der Klägerin unmittelbar vor der Kollision konnte der Sachverständige retroperspektiv allerdings nicht berechnen (Bl. 306 f. d. A.). Auch konnte der Sachverständige nicht ermitteln, wie weit das Fahrzeug der Klägerin aus der Parklücke herausgefahren war (Bl. 307 d.A.).

Aufgrund der durch die Zeugen X und N im Rahmen ihrer Vernehmung gemachten Angaben steht zur Überzeugung des Gerichts allerdings mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass das klägerische Fahrzeug vor der Kollision bereits einen Meter aus der Parklücke herausbewegt wurde und länger als eine Sekunde auf der Fahrbahn des Parkplatzes stand. Dass das klägerische Fahrzeug bei der Kollision stand, bestätigen neben den glaubhaften Bekundungen der Zeugen die Ausführungen des Sachverständigengutachtens. Danach können aus technischer Sicht im Beschädigungsbild an beiden Fahrzeugen keine Hinweise gefunden werden, die auf eine Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Klägerin zum Zeitpunkt der Kollision schließen lassen. So ist aus technischer Sicht darstellbar, dass die Gesamtheit der Beschädigungen an beiden Fahrzeugen durch das alleinige Rückwärtsfahren des Fahrzeugs des Beklagten entstanden ist (Bl. 306 d. A.). Die Ausführungen des Sachverständigen T sind glaubhaft. Als von der Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kraftfahrzeugschäden und -bewertung ist der Sachverständige T für die Begutachtung kompetent. Seine Ausführungen sind logisch, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei.

(3)

Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuge ist Folgendes festzuhalten: Die Zeugin X hat im Rahmen ihrer Vernehmung bekundet, dass das klägerische Fahrzeug bereits ein Stück aus der Parklücke herausgefahren sei und dann zum Stehen kam, weil der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs Passanten, die dort langliefen zunächst passieren lassen wollte. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) sei dann mit dem in dieser Position stehenden Klägerfahrzeug kollidiert. Das klägerische Fahrzeug habe vor der Kollision mehrere Sekunden in dieser Position gestanden. Die Zeugin habe den Vorgang beobachtet, während sie den Einkaufswagen zurückbrachte.

Der Zeuge N hat als Fahrer des klägerischen Fahrzeugs bekundet, mit dem Auto schon zur Hälfte aus der Parklücke herausgefahren zu sein, als die automatischen Systeme das Auto anhielten, weil Passanten im hinteren Bereich des Fahrzeuges waren. Er habe sodann, als er etwa zur Hälfte herausgefahren war, stehen bleiben müssen. Es herrschte nach Bekundung des Zeugen N starker Fußgängerverkehr, wobei er nicht mehr sagen konnte, wie viele Passanten dort waren. Der Zeuge gab weiter an, in dieser Position vor der Kollision etwa für die Dauer von 10 bis 20 Sekunden gestanden zu haben, was er als „jedenfalls nicht lange“ bewertete.

Nach der glaubhaften Schilderung des Zeugen N war der Ausparkvorgang des Fahrzeugs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit so weit vorangeschritten, dass sich das Fahrzeug jedenfalls mit einem Meter auf der Fahrbahn befand, da der Zeuge N bereits zur Hälfte mit dem Fahrzeug aus der Parklücke herausgefahren sei. Nach Bekundung beider Zeugen habe das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision jedenfalls über eine Sekunde in dieser Position gestanden. Bei Zeitangaben durch Zeugen ist zwar zu berücksichtigen, dass entsprechende Einschätzungen insbesondere im Erleben eines Unfallhergangs nur einen geringen Aussagewert haben. Exakte Zeitangaben können nicht erwartet werden. Für die hier streitentscheidende Frage steht durch die glaubhaften Bekundungen der Zeugen aber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass das Fahrzeug vor der Kollision jedenfalls über eine Sekunde in der beschriebenen Position auf der Fahrbahn stand. Die Bekundungen beider Zeugen sind glaubhaft, da sie logisch konsistent sind. Der Umstand, dass der Fahrer das klägerische Fahrzeug anhielt, um Passanten passieren zu lassen, rechtfertigt bereits aus lebensnaher Betrachtung eine Standzeit von jedenfalls über eine Sekunde. Für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen sprechen auch die detaillierte Wiedergabe des Geschehensverlaufs und das Eingeständnis von Erinnerungslücken.

Für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen N spricht der detaillierte Geschehensverlauf des Ausparkens, insbesondere, indem er sich daran erinnert hat, dass die automatischen Systeme das Fahrzeug anhielten, weil mehrere Passanten sein Fahrzeug passierten, als er zurücksetzen wollte. Zugleich gestand er Erinnerungslücken dahingehend ein, dass er sich an die genaue Anzahl der Passanten nicht erinnere. Die Bekundung des Zeugen jedenfalls länger als eine Sekunde gestanden zu haben, ist insbesondere vor dem Hintergrund glaubhaft, dass er seine Verweildauer hinsichtlich einer etwaigen Mithaftung selbstbelastend als „jedenfalls nicht lange“ bewertete. Ob dieser Zeitraum dann – wie seitens des Zeugen vermutet – 10 bis 20 Sekunden andauerte, ist nicht maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, dass aus der Bekundung des Zeugen N glaubhaft hervorgeht, dass es bei fortgeschrittenem Ausparkvorgang zu einem Stehenbleiben des klägerischen Fahrzeugs kam, dass länger als eine Sekunde anzusetzen ist. Dies ist auch glaubhaft, da als Grund des Anhaltens detailliert und plausibel das Vorbeigehenlassen von Passanten angeführt wurde.

Für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin X spricht ebenso die detaillierte Schilderung des Geschehensablaufs, indem auch über Randgeschehen in Gestalt des Zurückbringens des Einkaufswagens berichtet wurde. Sie gestand dabei ein, sich nicht erinnern zu können, wie weit das klägerische Fahrzeug genau herausgefahren sei und wie lange genau der Zeitraum der Standzeit betrug. Allerdings ist ihre Aussage – gerade vor dem Eingeständnis von Erinnerungslücken – dahingehend glaubhaft, dass das klägerische Fahrzeug jedenfalls für eine gewisse Dauer, die nach den Schilderungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit jedenfalls über einer Sekunde gelegen haben mag, vor der Kollision auf der Fahrbahn stand.

(4)

Die im Rahmen der persönlichen Anhörung durch den Beklagten zu 1) gemachten Angaben stehen dem nicht entgegen. Er hat zwar bekundet, beim Rückwärtsfahren weder Passanten noch das klägerische Fahrzeug gesehen zu haben. Seiner Bekundung stehen allerdings die glaubhaften oben gewürdigten Aussagen der Zeugen N und X entgegen. Der Beklagte zu 1) hat die erforderliche Rückschau beim Rückwärtsfahren nicht vorgenommen. Nach eigener Bekundung hat der Beklagte beim Rückwärtsfahren über die rechte Schulter geschaut. Durch Blick über die rechte Schulter war bei lebensnaher Betrachtung der linke Bereich der Fahrbahn – in dem sodann die Kollision stattfand – nicht hinreichend einsehbar. Schriftsätzlich hat der Beklagte zu 1) zwar vorgetragen, vor Beginn der Rückwärtsfahrt auch über die Rückspiegel im Fahrzeug festgestellt zu haben, dass die komplette Fahrgasse im rückwärtigen Bereich frei gewesen sei. Aus dem Vortrag geht aber bereits nicht hervor, dass sich auch während der Rückwärtsfahrt der gesamte rückwärtig gelegene Raum vollständig im Blickfeld des Beklagten zu 1) befunden hat. Auch während des Zurückfahrens hat der Rückwärtsfahrende sorgfältig darauf zu achten, dass kein anderer von der Seite oder von hinten in den Gefahrenraum gelangt; er muss so langsam fahren, dass er erforderlichenfalls sofort anhalten kann(OLG Köln, Urteil vom 15.12.1993 – 13 U 162/93 = NZV 1994, 321, beck-online; vgl. hierzu Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann, 27. Aufl. 2022, StVO § 9 Rn. 69). Gemessen an diese Anforderung muss der Rückwärtsfahrende auch während des Rückwärtsfahrens den rückgelegenen Bereich vollständig einsehen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 15.12.1993 – 13 U 162/93 = NZV 1994, 321, beck-online). Diese Anforderung hat der Beklagte zu 1) nach den Feststellungen des Gerichts nicht erfüllt, sodass nach Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Beklagte zu 1) das klägerische Fahrzeug während des Rückwärtsfahrens übersehen hat.

Nach alledem war der Unfall für den Beklagten zu 1) vermeidbar.

b.

Die Beklagten haften aufgrund des Verursachungsbeitrags am Unfallgeschehen durch den Beklagten zu 1) gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG zu 100%.

Die Haftung richtet sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfall, insbesondere danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen, die sich unfallursächlich ausgewirkt haben (vgl. BGH NJW 2007, S. 506; KG NZV 1999, S. 512; NZV 2003, S. 291; Hentschel/König/Dauer, § 17 StVG, Rn. 5). Jede Seite hat dabei die Umstände zu beweisen, die der Gegenseite zum Verschulden gereichen und aus denen sie für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (BGH NZV 1996, S. 231, so auch ausdrücklich OLG Brandenburg, Urteil vom 01.07.2010 – 12 U 15/10, juris).

Wegen der besonderen Sorgfaltspflicht spricht gegen den Rückwärtsfahrer der Beweis des ersten Anscheins (OLG München NZV 2014, 416; KG NJW-RR 2010, 1116; LG Hagen ZfS 1992, 44), auch bei Kollisionen auf einem Parkplatz (BGH, Urt. v. 11. 10. 2016 – VI ZR 66/16 = r+s 2017, 93, beck-online; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann, 27. Aufl. 2022, StVO § 9 Rn. 69). Gemäß § 9 Abs. 5 StVO muss sich ein Fahrer beim Rückwärtsfahren so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Vorschrift ist auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter allerdings nicht unmittelbar anwendbar. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erlangt sie aber mittelbare Bedeutung über § 1 StVO (BGH, Urt. v. 11. 10. 2016 – VI ZR 66/16 = r+s 2017, 93, beck-online). So führt der BGH in seinem Urteil vom 11.10. 2016 – VI ZR 66/16 unter anderem Folgendes aus:

Entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO muss sich auch derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärtsfährt, so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann. Kollidiert der Rückwärtsfahrende mit einem anderen Fahrzeug, so können zugunsten desjenigen, der sich auf ein unfallursächliches Mitverschulden des Rückwärtsfahrenden beruft, die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Anwendung kommen. Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit)verursacht hat. Dagegen liegt die für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen einen Rückwärts fahrenden erforderliche Typizität des Geschehensablaufs regelmäßig nicht vor, wenn beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als der andere – rückwärtsfahrende – Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug hineingefahren ist.

(BGH, Urt. v. 11. 10. 2016 – VI ZR 66/16 = r+s 2017, 93 Rn. 9, beck-online).

Das Gericht schließt sich den oben stehenden Ausführungen an. Danach greift zulasten des Beklagten zu 1) ein Anscheinsbeweis aufgrund der erfolgten Kollision während eines rückwärtigen Fahrvorgangs. Dagegen greift der Anscheinsbeweis nicht zulasten des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs, da dieser zum Zeitpunkt der Kollision bereits stand.

Vor diesem Hintergrund und des im Übrigen geringen Verursachungsbeitrag des klägerischen Fahrers an dem Unfallgeschehen haften die Beklagten zu 100%. Der Unfall war zwar weder für den Beklagten zu 1) noch für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs unvermeidbar. Der Verursachungsbeitrag des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs ist allerdings als so gering zu bewerten, dass er wegen des überwiegenden Mitverschuldens des Beklagten zu 1) bei der gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung vollständig zurückzutritt. So liegen die Grenze zwischen dem Verhalten eines Idealfahrers und des tatsächlichen Verhaltens des Klägers derart nah beieinander, dass hinsichtlich der Verursachungsbeiträge keine Quotelung zulasten des Klägers erfolgt.

Der klägerische Fahrer stand ausweislich des oben stehenden Ergebnisses der Beweiswürdigung zum Zeitpunkt der Kollision. Zuvor hat er den Ausparkvorgang zwar bei eingeschränkten Sichtverhältnisses begonnen, kam allerdings noch vor der Kollision für den Beklagten zu 1) erkennbar und rechtzeitig zum Stehen, sodass der Beklagte zu 1) die Kollision hätte vermeiden können. Diesbezüglich wird auf die obenstehende Beweiswürdigung Bezug genommen. Der Umstand, dass der klägerische Fahrer beim Herausfahren in der Sicht eingeschränkt war, tritt als so gering zu bewertender Verursachungsbeitrag vollständig hinter den Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) zurück. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass das klägerische Fahrzeug bei der Kollision heute stand. Zum anderen hatte der Beklagte zu 1) die Möglichkeit, das eigene Fahrzeug vor der Kollision rechtzeitig anzuhalten. Außerdem ist auf Parkplätzen stets mit aus Parklücken fahrenden Fahrzeugen zu rechnen, sodass dem Beklagten zu 1) im besonderem Maße eine Sorgfaltspflicht dahingehend oblag, das eigene Fahrzeug jederzeit anhalten zu können und auf ausparkende Fahrzeuge entsprechend reagieren zu können.

3. Schaden

Der Klägerin steht ein noch zu ersetzender Schaden in Höhe von 4.591,38 Euro zu.

Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen (BGH, Urt. v. 15.9.2015 − VI ZR 475/14 = NZV 2015, 587 Rn. 18, beck-online; vgl. auch BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 63. Ed. 1.5.2022, BGB § 249 Rn. 185). Mit Vorlage einer Rechnung des mit der Schadensbeseitigung beauftragten Unternehmens genügt der Geschädigte in der Regel seiner Darlegungs- und Beweislast. Einfaches bestreiten seitens des Schädigers genügt nicht, um dem geltend gemachten Schadensersatz entgegenzutreten. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Allerdings ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch, denn entscheidend sind die im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten (BGH NZV 2015, 587 Rn. 19, beck-online; vgl. hierzu MüKoStVR/Almeroth, 1. Aufl. 2017, BGB § 249 Rn. 159).

a.

Die Klägerin macht ausweislich der Reparaturrechnung 02.09.2020 tatsächlich entstandene Reparaturkosten geltend. Gemessen an den oben genannten Anforderungen sind die durch die Klägerin geltend gemachten Schadensersatzpositionen nicht zu beanstanden.

b.

Die streitigen Positionen namentlich Verbringungskosten, Reinigungskosten, Corona-Schutzmaßnahmen und Schutzmaßnahmen zur Ofentrocknung stellen allesamt ersatzfähige Schadenspositionen dar. Reinigungskosten in Höhe von 35,00 Euro im Anschluss an die Reparatur selbst sind angemessen. Neben der tatsächlichen Inrechnungstellung dieser Kosten ist bereits das durch die Klägerin vorgelegte Sachverständigengutachten eine diesbezügliche Bezifferung zu entnehmen. Das einfache Bestreiten der Beklagten mit dem Argument, die Reinigungskosten seien keine unfallbedingten Kosten, vermag die Position indes nicht in Frage stellen.

Zu den Reparaturkosten zählen auch konkret angefallene und in der Reparaturrechnung ausgewiesene Verbringungskosten zu einem Lackierbetrieb (MüKoStVR/Almeroth, 1. Aufl. 2017, BGB § 249 Rn. 168). Der Einwand der Beklagten, Lackierbetriebe würden die zu lackierenden Fahrzeuge kostenfrei abholen und wieder zurückbringen, verfängt nicht. Denn die durch die Klägerin vorgelegte Reparaturrechnung belegt Gegenteiliges. So kann gerade nicht auf eine übliche kostenfreie Verbringung geschlossen werden. Zudem fehlt es hier in Anbetracht der vorgelegten Rechnung durch die Klägerin an einem qualifizierten Bestreiten seitens der Beklagten.

Zudem darf in Zeiten der Corona-Pandemie darf der Geschädigte eine Desinfektion der wesentlichen Kontaktflächen vor Abholung des Fahrzeugs erwarten werden (LG Stuttgart , Urt. v. 21.7.2021 – 13 S 25/21 = r+s 2021, 543 Rn. 10, beck-online). Die Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen waren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Hier hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass die Schadensverursachung und – Begutachtung in der Hochphase der Pandemie stattfanden (September 2020). Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht hinreichend erforscht, dass das Virus überwiegend über Aerosole in der Luft und nicht über Kontaktflächen („Schmierinfektion“) übertragen wird.

Auch die geltend gemachten Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei der Ofentrocknung sind ersatzfähig. Selbst wenn diese Maßnahmen insbesondere darin bestehen, vor der Ofentrocknung das Fahrzeug auf im Fahrzeug befindliche Fremdgegenstände hin zu untersuchen, welche durch die Temperaturerhöhung Schaden nehmen und weiteren Schaden verursachen können, handelt es sich um eine ersatzfähige Position, da den Werkunternehmer grundsätzlich eine vertragliche Nebenpflicht trifft, Beschädigungen (worunter auch die Verunreinigungen eines Fahrzeuginnenraums fällt) an dem ihm zur Reparatur überlassenen Gut des Bestellers zu vermeiden (LG Bielefeld Urt. v. 9.11.2015 – 8 O 281/14, BeckRS 2016, 5689, beck-online).

Die durch den Kläger geltend gemachten Kosten für die Aufkleber in Höhe von insgesamt 3,01 Euro, die vom Sachverständigen mit 3,49 Euro beziffert und von den Beklagten im Übrigen nicht qualifiziert bestritten wurden, sind entsprechend des Klageantrags zu ersetzen.

Die geltend gemachten Sachverständigenkosten der Klägerin in Höhe von 862,60 Euro sind von den Beklagten vollumfänglich zu ersetzen. Dem sich in der Höhe aus der Sachverständigenrechnung vom 27.08.2020 ergebenden Netto-Betrag sind die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten. So fehlt – mit Ausnahme der Haftungsquote – jeglicher Vortrag, weshalb der geltend gemachte Betrag nicht in voller Höhe anerkannt wird.

Zusammenfassend ergibt sich unter Berücksichtigung der bereits vorgenommenen Zahlungen der Beklagten zu 2) und einer nunmehr zugrunde gelegten Haftungsquote von 100% zulasten der Beklagten insgesamt folgende Schadensberechnung: Die Beklagten haben auf als Restbetrag auf die Reparaturkosten 3.393,72 Euro, auf die Sachverständigenkosten 465,96 Euro, auf die Wertminderung 244,00 Euro, für die Aufkleber 3,01 Euro, weitere Mietwagenkosten in Höhe von 440,00 Euro und auf die Kostenpauschale noch 12,50 Euro, insgesamt also einen Betrag in Höhe von 4.559,19 Euro zu zahlen.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch einen Anspruch auf Ersatz der in den Schutzbereich des § 7 StVG fallenden außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von noch 40,30 Euro.

III.

Die jeweils für die Haupt- und Nebenforderung geltend gemachten Prozesszinsen rechtfertigen sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB

IV.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils auf § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils auf § 91a ZPO. Nach dem Sach- und Streitstand bestanden auch vor der Teilerledigungserklärung an der ursprünglichen Berechtigung der Klageforderung in der Hauptsache keine Bedenken. Nach billigem Ermessen waren daher auch diesbezüglich den Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

V.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis 5.000 EUR festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Wie können wir Ihnen helfen?

Wir sind Ihr Ansprechpartner in allen rechtlichen Angelegenheiten. Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Ersteinschätzung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!