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Gaslieferungsvertrag – Recht zur Preisanpassung?

AG Winsen, Az.: 18 C 825/09, Urteil vom 12.01.2010

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 576,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 31.12.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

Von den Kosten des Rechtsstreits nach einem Wert von 917,61 Euro tragen die Klägerin 37% und der Beklagte 63%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist mit dem Beklagten durch einen seit langer Zeit bestehenden Gaslieferungsvertrag verbunden.

In dem schriftlich abgeschlossenen Gaslieferungsvertrag heißt es u.A. die Klägerin sei

„… berechtigt, ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen.“

Das Vertragsverhältnis wurde zunächst problemlos abgewickelt. Steigende Preise wurden beklagtenseits zum Anlass genommen, mit Datum vom 16.09.2005 erstmals Widerspruch gegen die Preiserhöhung zu erheben. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das später wiederholt worden ist und seit dieser Zeit die Rechnungen der Klägerin nicht unwidersprochen geblieben sind.

Gaslieferungsvertrag – Recht zur Preisanpassung?
Symbolfoto: Leonid Eremeychuk/Bigstock

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Gaspreisänderungen – im Wesentlichen Erhöhungen – rechtens seien, insbesondere sie lediglich unvermeidbare Lieferungspreiserhöhungen weitergegeben habe.

Die Klägerin errechnet sich ihre Forderungen aus den Rechnungen vom 22.02.2005, 25.03.2006, 21.03.2007 und vom 22.03.2008, sowie den in Tabelle K11 – ggf. mit schriftsätzlichen Erläuterungen – dargestellten Zahlungen und meint, dass ihr deshalb eine Forderung vom 917,61 Euro zustehe.

Daher beantragt die Klägerin, den Beklagten zu verurteilen, an sie 917,61 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2008 zu zahlen.

Beklagtenseits wird beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe kein Recht zu den Gaspreiserhöhungen gehabt. im Übrigen seien die geltend gemachten Preiserhöhungen auch nicht durch Kostensteigerungen gerechtfertigt gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die bis zur mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

Grundsätzlich hat die Klägerin gegen den Beklagten aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Gaslieferungsvertrages – hier in der Sonderform des Gaslieferungssondervertrages, wie er in Anlage K2 eingereicht worden ist – einen Anspruch auf Vergütung gem. § 433 Abs. 2 BGB, jedoch nur auf der Basis des letzten unwidersprochenen Preises.

Soweit in einer Jahresabrechnung ein Kilowattpreis unwidersprochen gebliebene ist, ist das der Preis, der fortan gilt, es sei denn, dass die Parteien sich in einer neuen, unwidersprochen gebliebenen Preis geeinigt haben – oder sei es, dass das Energieversorgungsunternehmen berechtigterweise einen anderen Preis bestimmt hat.

Zur (konkludenten) vertraglichen Einigung von Gasvertragsparteien auf einen unwidersprochen gebliebenen Preis hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.11.2008 – VIII ZR 138/07 – ausgeführt:

… Soweit die Beklagte in der Folgezeit auf der Grundlage von § 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV vom 21. Juni 1979, BGBl. I S. 676), die auf den Streitfall noch Anwendung findet, einseitig Preiserhöhungen vorgenommen hat, hat der Kläger bis zum Ende des Jahres 2004 die auf diesen (erhöhten) Tarifen basierenden Jahresrechnungen unbeanstandet hingenommen. Indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne in angemessener Zeit eine Überprüfung der Billigkeit etwaiger Preiserhöhungen nach § 315 BGB zu verlangen, ist auch über von der Beklagten bis zum 31. Dezember 2004 geforderte – gegenüber dem bei Vertragsschluss geltenden allgemeinen Tarif erhöhte – Preise konkludent (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AVBGasV) eine vertragliche Einigung der Parteien zustande gekommen (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 36).

Ein Widerspruch kann gegen die in einer Jahresabrechnung enthaltenen Preiserhöhungen gerichtet sein. Dann gilt als vereinbarter Preis derjenige, der vor der ersten in der Rechnung enthaltenen Preiserhöhung gültig war – im Regelfall ist das der erste in einer Rechnung genannte Preis, es sei denn, die Rechnung beginnt mit einer Periode, die den ersten Tag einer Preiserhöhung enthält. Oder aber der Widerspruch richtete sich ausdrücklich gegen eine bestimmte Preiserhöhung. Dann kommt mit der nächsten Jahresabrechnung eine konkludente Preisvereinbarung auf den letzten vor der genannten Preiserhöhung aufgeführten Preis zustande. Wenn also aufgrund eines Widerspruchs eine „vertragliche Preisfestschreibung“ nicht in Betracht kommt, dann ist eine Preiserhöhung nur dann wirksam, wenn eine rechtmäßige einseitige Preisänderungsbestimmung des Energieversorgungsunternehmens vorliegt.

Mit Datum vom 16.09.2005 wurde erstmals widersprochen. Nach den vorgenannten Grundsätzen in Verbindung mit dem Inhalt des Widerspruchschreibens bezieht sich die Preiserhöhung auf die ab 01.08.2005 erfolgte Preiserhöhung. Nach dem Inhalt des Widerspruchs ist der davor gültig gewesene Preis unwidersprochen geblieben. Damit haben die Parteien sich konkludent auf einen Preis von 4,120 ct/kWh als Vertragspreis geeinigt.

Dieser Preis ist für das weitere Vertragsverhältnis zugrunde zu legen, weil die Klägerin nicht berechtigt war, einseitig eine Preisänderung vorzunehmen. Soweit beklagtenseits (max.) 2% Erhöhung „zugebilligt“ wurden, ist diese Steigerung nicht zugrunde zu legen. Hierbei handelt es sich um kein Anerkenntnis, sondern dies ist als Angebot der Beklagtenseite zu verstehen, sich auf diesen Erhöhungsfaktor zu verständigen, ohne jedoch dass die Klägerin auf das Angebot eingegangen wäre; die Klägerin wollte keine Preiserhöhung um lediglich 2% und hat damit das Angebot ausgeschlagen. Beklagtenseits wollte man hier gleichwohl einseitig ein Nachforderungsrisiko mildern und „good will“ zeigen. Aus beiden Gründen ist daher ein um 2% erhöhter Preis nicht vereinbart worden, so dass es bei dem vorgenannten Preis bleiben muss.

Die Klägerin kann sich hinsichtlich der von ihr vorgenommenen Preisänderungen nicht auf den zwischen den Parteien abgeschlossenen Gassondervertrag und die darin im Sinne von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Klausel, wonach die Klägerin

„… berechtigt (sei), ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen“,

stützten, denn diese Klausel ist unwirksam. Sie ist unklar (also nicht eindeutig auslegbar), intransparent und verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 BGB.

In mehreren Urteilen (vgl. z.B. Urteil vom 15.07.2009 – VIII ZR 225/07) hat der Bundesgerichtshof zu Recht entschieden, dass nicht eindeutige AGBs grundsätzlich in der kundenfeindlichsten Auslegung zu prüfen sind.

Bei dieser Auslegung lässt die von der Klägerin verwendeten Formulierungen „ist berechtigt“ zumindest eine Auslegung zu, nach der die Klägerin zwar berechtigt ist, bei Kostensteigerungen die Preise nach oben anzugleichen, aber nicht verpflichtet ist, eine Preisanpassung nach unten vorzunehmen, wenn die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung gesunken sind. Damit hätte die Klägerin die Möglichkeit, niedrigeren Bezugskosten nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung an den Kunden weiter zu geben, aber Kostensteigerungen sofort. Eine solche Preisanpassungsklausel benachteiligt den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben jedenfalls schon deshalb unangemessen, weil sie nur das Recht des Versorgers vorsehen, Erhöhungen der Gasbezugskosten an die Kunden weiterzugeben, nicht aber die Verpflichtung, bei gesunkenen Gestehungskosten den Preis zu senken. Da die Preisanpassungsklausel aber das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahren muss, ist sie gem. § 307 BGB nichtig.

Darüber hinaus ist die Klausel auch intransparent. Sie berechtigt die Klägerin lediglich, den Preis „anzupassen“, wobei in keiner Weise bestimmt ist, in welcher Weise die Anpassung zu erfolgen hat. In Anlehnung an das Urteil des BGH vom 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 muss eine solche Preisanpassungsklausel als nicht hinreichend klar und nicht hinreichend verständlich bezeichnet werde, welche die Kunden der Klägerin deshalb unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Nach ihrem Wortlaut kann die Klägerin die Gaspreise, „der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt“ anpassen. Eine solche Bestimmung regelt weder die Voraussetzungen, wann die Klägerin zu einer Preisänderung berechtigt sein soll, noch wie sich der Gaspreis bei etwaigem Vorliegen von Voraussetzung ändern soll.

Klar ist zum einen schon einmal, was überhaupt die „Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt“ ist. Es werden vielfältige Energiestoffe zur Wärmeentwicklung in Haushalten benutzt. So wird neben Gas ferner Öl, Kohle, Holz, Strom, Erdwärme, Solarenergie etc. zur Haushaltserwärmung genutzt. Soll die Klausel bedeuten, dass die Klägerin berechtigt sein sollte, bei einer Steigerung des Strom- oder Holzpreises die Preise für Gas anzupassen, obwohl beides nichts mit den Beschaffungskosten zu tun hat? Das würde bedeuten, dass die Klägerin davon profitieren dürfte, dass immer mehr Kunden sich einen Holzofen anschaffen und deshalb der Holzpreis steigt. Das hätte mit dem Gaspreis rein gar nichts zu tun und würde in keiner Weise eine Preisanpassung der Klägerin rechtfertigen.

Unklar ist – mit BGH aaO – zudem, wie die „Anpassung“ erfolgen und welches Verhältnis diese gegebenenfalls zur in Bezug genommenen Größe haben soll. Die Bestimmung ist in diesem Punkt objektiv mehrdeutig. Der BGH hat ausgeführt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und ihrem typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise verstanden werden. Zu prüfen sei, wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom angesprochenen Kundenkreis vernünftigerweise aufgefasst werden durften, wobei von den Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Kunden auszugehen sei. Maßgeblich sei in erster Linie der Wortlaut, daneben der Sinn und Zweck und die systematische Stellung der fraglichen Klausel (st. Rspr. vgl. BGHZ 77, 116, 118; 167, 64, 69 f.).

Anhand einer Preisanpassungsklausel, nach der „der vorstehende Gaspreis (sich) ändert, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarifpreise eintritt.“ hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, die Klausel sei zwar so zu verstehen, dass die Gaspreise sich jeweils in der gleichen Richtung wie die Tarifpreise ändern sollen, dass also bei einer Senkung der allgemeinen Tarifpreise nur eine Senkung, nicht aber eine Erhöhung des Gaspreises in Betracht kommt und umgekehrt. Aber auch im Wege der Auslegung lasse sich die Frage nach dem Umfang der jeweiligen Erhöhung oder Senkung nicht hinreichend klären. Insofern kämen zumindest die folgenden Auslegungsmöglichkeiten in Betracht:

– Eine Änderung der Tarifpreise wird nominal auf die Sonderkundenpreise übertragen (Beispiel: bei einer Erhöhung bzw. Senkung der Tarifpreise um 0,5 Cent/kWh werden auch die Sonderkundenpreise um 0,5 Cent/kWh erhöht bzw. gesenkt.).

– Eine Änderung der Tarifpreise wird prozentual auf die Sonderkundenpreise übertragen (Beispiel: der Tarifpreis von 5 Cent/kWh wird um 0,5 Cent/kWh – also um 10 % – erhöht bzw. gesenkt; der Sonderkundenpreis beträgt 4 Cent/kWh, er wird um 10 % – also 0,4 Cent/kWh – erhöht bzw. gesenkt.).

– Bei einer Änderung der Tarifpreise besteht ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten, die Preise für Sonderkunden zu erhöhen (im Falle einer Erhöhung der Tarifpreise) oder zu senken (im Falle einer Senkung der Tarifpreise), ohne dass eine feste rechnerische Bindung an die Änderung der Tarifpreise besteht.

Der BGH hat daraus geschlussfolgert, dass auch die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führe, denn es lasse sich schon nicht feststellen, welche Auslegungsvariante am kundenfreundlichsten ist. So wäre – ausgehend von der Annahme, dass der Sonderkundenpreis niedriger als der Tarifpreis ist – bei einer Preiserhöhung die zweite Variante, bei einer Preissenkung aber die erste Variante für den Kunden günstiger.

Nichts anderes gilt hier für die Berechtigung einer „Anpassung an die Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt“. Dürfte – gäbe es überhaupt so etwas wie einen Wärmemarkt – hier die Klägerin auch dann (wie und in welchem Umfang??) prozentual die Preise erhöhen, wenn sich die Preisentwicklung erhöht, aber ihre Gasbeschaffungspreise gänzlich unverändert bleiben oder gar fallen? Müsste / Dürfte sie sich an einem „statistischen Wärmepreis“ orientieren und was bedeutet dann eine „Anpassung“, d.h. in welchem Umfang dürfte sie „anpassen“? Prozentual gleich oder dürfte sie frei anpassen?

All diese Fragen lassen sich anhand der von der Klägerin verwendeten Klausel nicht klären. Die Klausel ist daher intransparent und ist nicht geeignet, dem Kunden / der Kundin die Frage zu beantworten, wann denn sein / ihr Preis erhöht werden darf.

Die Klausel wäre daher möglicherweise auch geeignet, der Klägerin die Möglichkeit zu geben, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Das wäre aber unzulässig (vgl. dazu auch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29. April 2008 – KZR 2/07, vom 21. April 2009 – XI ZR 78/08 und vom 15. Juli 2009 – VIII ZR 225/07).

Die Preisanpassungsklausel im Formularvertrag der Klägerin hält folglich einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand und begründete deshalb kein Recht der Klägerin zur einseitigen Änderung des Gaspreises.

Die Klägerin kann auch nicht argumentieren, wenn die Klausel nichtig sei, dann würden halt die Vorschriften der AVBGas bzw. der GasGVV gelten.

Zwar hat die Rechtsprechung (trotz einer insoweit unklaren Regelung des Wann und Wie) aus der AVBGas den Schluss gezogen, die AVBGas gebe dem Versorger das Recht – und die Pflicht (!) – zu einer Preisanpassung genau entsprechend der Kostenentwicklung, allerdings greift die AVBGas / GasGVV nicht ein.

So heißt es je nach verwendetem Formular der Klägerin, die Bestimmungen des Vertrages hätten bei Widerspruch zu den AVBGas Vorrang. Das bedeutet, dass die Verwenderin geregelt wissen wollte, dass die Vertragsklausel der Preisanpassung und nicht die der AVBGas gelte. Damit haben die Parteien die gesetzliche Regelung gerade ausgeschlossen, so dass auf die Preisanpassungsklausel von AVBGas bzw. der GasGVV nicht zurückgegriffen werden kann.

Auch soweit es in den allgemeinen Bestimmungen weiter heißt, die Parteien würden sich bei unwirksamen Vertragsklauseln verpflichten, diese durch neue, ihrem wirtschaftlichen Erfolg möglichst nahe kommende zu ersetzen, ergibt sich daraus nichts anderes.

Zum einen wäre der Klägerin entgegen zu halten, dass solche neue Vertragsklauseln nicht existieren und die Klägerin bisher auch noch nicht einmal den Wunsch geäußert hat (für die Zukunft) neue zu vereinbaren.

Zum anderen hat der BGH in seiner Entscheidung vom 17.12.2008 zu Recht ausgeführt:

Der Beklagten ist auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht zuzubilligen.

Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam und richtet sich sein Inhalt gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Dazu zählen zwar auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG). Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69, 77 f.; 137, 153, 157). Das ist hier nicht der Fall.

Gemäß § 5 Nr. 2 des Sondervertrages steht der Beklagten das Recht zu, sich nach zweijähriger Vertragsdauer mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Abrechnungsjahres vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne Weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2008 – KZR 2/07, WuW/E DE-R 2295, zur Veröffentlichung in BGHZ 176, 244 bestimmt – Erdgassondervertrag, Tz. 33).

Da hier aber noch nicht einmal eine solche Kündigungsfrist besteht, besteht kein Grund zu einer anderen Beurteilung. Es ist allgemeiner Grundsatz in der Rechtsprechung, dass derjenige, der unwirksame Vertragsklauseln verwendet, selbst die wirtschaftlichen Nachteile hieraus hinnehmen muss, wie z. B. Kreditinstitute bei unwirksamen Zinsvereinbarungen, Vermieter bei unwirksamen Schönheitsreparaturklauseln u. a. immer wieder feststellen mussten.

Nach alledem ist die Klägerin darauf zu verweisen, dass sie mit dem Beklagten (s. o.) zuletzt einen Preis von 4,120 ct/kWh vereinbart hat, auf die Weigerung des Kunden einen höheren Preis zu zahlen nicht etwa mit einer Vertragskündigung reagiert, sondern an dem streitbehafteten Vertrag mit der von ihr selbst verwendeten (unwirksamen) Preisanpassungsklausel festgehalten und daher nun auch die Folgen dessen hinzunehmen hat – nämlich die Tatsache, dass es auch in der Folgezeit aufgrund unwirksamer Preiserhöhungen bei dem Preis von 4,120 ct/kWh geblieben ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht für die Zeit ab dem 01.06.2007. Die streitbefangene Preisanpassungsklausel Wärmemarkt galt / gilt auch über den 31.05.2007 hinaus.

Der zwischen den Parteien abgeschlossene Sondervertrag hat sich weder zum 01.06.2007 in Luft aufgelöst, noch ist er von der Klägerin gekündigt worden. Vielmehr hat die Klägerin ihren Kunden lediglich ein freundliches Allgemeinschreiben geschickt, in dem sie mitteilt, dass die AVBGas nicht mehr gelte, sondern für den Kunden alles besser geworden sei, weil nunmehr die GasGVV statt der AVBGas gelte.

Eine Vertragslage ändert sich nicht dadurch, dass eine Partei einer anderen Partei plaudernd mitteilt, was denn nun ihres Erachtens gelte. Das Vertragsrecht nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Fürst seinen Untertanen mitteilt, was denn nun zu gelten habe, sondern das Vertragsrecht ist gekennzeichnet davon, dass zwei Vertragsparteien durch gleichlautende Willenserklärungen sich auf etwas geeinigt haben und dieses Etwas fortan für beide Seiten bindend ist. Von dieser bindenden Einigung kann man sich bei Bestehen eines Kündigungsrechts nur durch eine juristische Willenserklärung im Sinne von §§ 130 ff BGB lösen – mit dem Erfolg, dass das Vertragsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist erloschen ist. Eine solche Kündigungserklärung kann mit einem neuen Vertragsangebot verbunden werden. Auch kann jede Partei der anderen ein Vertragsänderungsangebot machen. Der neue oder der geänderte Vertrag ist dann zustande gekommen, wenn der andere Vertragspartner dieses Angebot durch eine mit dem Angebot gleichlautende Annahme-Willenserklärung angenommen hat.

Das in plauderndem Schreibstil gehaltene Schreiben der Klägerin stellt nach seinem Inhalt aber keine Kündigung des bestehenden Gaslieferungsvertrages mit gleichzeitigem Angebot eines neuen Gaslieferungsvertrages dar. Vielmehr wird darin dem Kunden lediglich im Schreibstil eines Werbefachmanns suggeriert, es habe sich alles automatisch für den Kunden zum Besseren geändert, ohne dass der Kunde einen Einfluss darauf habe, ohne dass der Kunde etwas daran ändern könne (und müsse) und ohne dass der Kunde irgendwie sein Einverständnis erklären müsse. Das Schreiben erwartet noch nicht einmal eine Einverständniserklärung des Kunden.

Dieses jede juristische Willenserklärungsqualitäten vermissen lassende Schreiben hat nach dem Empfängerhorizont eines normalen Kunden nur die Bedeutung ihm mitzuteilen, dass zukünftig überall dort, wo es im Sondervertrag bisher „AVBGas“ hieß nunmehr „GasGVV“ zu lesen ist. Mit dem Schreiben wurde dem Kunden kein neuer Sondervertrag angeboten. Von einer Kündigung des Vertragsverhältnisses und dem Anbieten eines neuen Sondervertrages kann deshalb nicht gesprochen werden.

Zwar schreibt die Klägerin in einem mehr oder weniger versteckten Nebensatz, dass sich die Preisanpassung nunmehr nach der GasGVV richte. Möglicherweise wollte die Klägerin damit ihren (Sondervertrags-)Kunden Glauben machen, dass damit die vertragliche Preisanpassungsklausel nicht mehr gelte. Das wäre allenfalls als (rechtlich irrelevantes) Irrtumserregungsmanöver zu bezeichnen, mit dem man dem rechtlich nicht versierten Kunden einzureden versuchte, die vereinbarte (und in Wahrheit unwirksame) Preisanpassungsklausel sei nicht mehr Gegenstand des Sondervertrags zwischen den Parteien. Juristisch gesehen aber hat sich durch das Schreiben bis auf den (bereits vorher erfolgten) automatisch erfolgten Austausch von AVBGas durch die GasGVV nichts geändert.

Folglich ist der zwischen den Parteien abgeschlossene Sondervertrag mit der eingangs zitierten – unwirksamen – Klausel nicht abgeändert worden, die – unwirksame – Klausel ist weiterhin Vertragsbestandteil und sperrt auch für die Zeit nach dem 01.06.2007 eine Anwendbarkeit der gesetzlichen Preisanpassungsvorschriften, jetzt die der GasGVV.

Also gilt fort, dass das Vertragsverhältnis der Parteien so abzurechnen ist, dass auch ab dem 01.08.2005 durchgängig der Preis von 4,120 ct/kWh anzusetzen ist.

Es ergibt sich daher im vorliegenden Fall nachfolgende Berechnung:

Der Beklagte hat erstmals am 16.09.2005 Widerspruch erhoben. Nach dem Inhalt des Widerspruchsschreibens und den vorstehenden Ausführungen zur Bedeutung eines Widerspruchschreibens betrifft der Widerspruch die Preiserhöhung ab dem 01.08.2005, so dass der Abrechnung der letzte unwidersprochen gebliebene Gaspreis als vertraglich vereinbarter (und nicht wirksam einseitig abgeänderter) Preis auch für die Abrechnungszeiten ab dem 01.08.2005 zugrunde zu legen ist, das sind 4,120 ct/kWh.

Das bedeutet für die erteilten Rechnungen:

Die Rechnung vom 22.02.2005:

– In der Zeit vom 22.02.2004 bis 30.09.2004 wurden verbraucht 24.179,900 kWh. Bei dem anzusetzenden Preis von 3,260 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 788,26 Euro.

– In der Zeit vom 01.10.2004 bis 31.01.2005 wurden verbraucht 24.968,130 kWh. Bei dem anzusetzenden Preis von 3,584 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 894,86 Euro.

– In der Zeit vom 01.02.2005 bis 09.02.2005 wurden verbraucht 2.187,070 kWh. Bei dem anzusetzenden Preis von 3,684 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 80,57 Euro.

Für die Zeit bis einschließlich 30.09.2004 ist ein Grundpreis angefallen in Höhe von 75,27 Euro. Für den Rechnungszeitraum ab 01.10.2004 ergibt sich ein Grundpreis von 52,08 Euro. Danach ergibt sich ein Nettobetrag von 1.891,04 Euro. Hierauf sind an MwSt. 302,57 Euro angefallen, so dass sich ein Bruttobetrag von 2.193,61 Euro ergibt. Davon sind abzusetzen die geleisteten Abschläge in Höhe von 1.596,00 Euro, so dass sich eine berechtigte Rechnungsforderung von 597,61 Euro ergibt. Ferner wurde nach Rechnungserstellung geleistet ein Betrag von 504,37 Euro (Pluswert = Kundenzahlung, Minuswert = Rückzahlung der Klägerin an die beklagte Partei.), so dass sich für diese Rechnung ein Forderungsbetrag von 93,24 Euro (Minuswert = Guthaben des Kunden) ergibt.

Die Rechnung vom 25.03.2006:

– In der Zeit vom 10.02.2005 bis 31.07.2005 wurden unstrittig 3.403,790 verbraucht. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 140,24 Euro.

– In der Zeit vom 01.08.2005 bis 31.12.2005 wurden unstrittig 3.034,300 verbraucht. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 125,01 Euro.

– In der Zeit vom 01.01.2006 bis 17.02.2006 wurden unstrittig 951,720 verbraucht. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 39,21 Euro.

Ferner ist für den Rechnungszeitraum ein Grundpreis von 98,10 Euro anzusetzen, so dass sich ein Nettobetrag von 402,56 Euro ergibt. Hierauf sind 16 % MwSt. = 64,41 Euro angefallen, so dass sich ein Betrag von 466,97 Euro ergibt. Darauf wurden 1.920,00 Euro an Abschlägen geleistet, so dass sich eine berechtigte Rechnungsforderung von – 1.453,03 Euro ergibt. Ferner wurde geleistet ein Betrag von – 1.267,35 Euro (Pluswert = Kundenzahlung, Minuswert = Rückzahlung der Klägerin), so dass sich für diese Rechnung ein Forderungsbetrag von – 185,68 Euro (Minuswert = Guthaben des Kunden) ergibt.

Die Rechnung vom 21.03.2007:

– In der Zeit vom 18.02.2006 bis 31.10.2006 sind unstrittig 9.085,180 kWh verbraucht worden. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 374,31 Euro.

– In der Zeit vom 01.11.2006 bis 31.12.2006 sind unstrittig 4.520,330 kWh verbraucht worden. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 186,24 Euro. Ferner ist für diesen Zeitunterabschnitt ein Grundpreis von 125,06 Euro angefallen, so dass sich ein Nettobetrag von 685,61 Euro ergibt. Hierauf sind 16 % MwSt = 109,70 Euro angefallen. Das ergibt einen Bruttobetrag von 795,31 Euro.

– In der Zeit vom 01.01.2007 bis 14.02.2007 sind unstrittig 3.896,830 kWh verbraucht worden. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 160,55 Euro.

Ferner ist für diesen Zeitunterabschnitt ein Grundpreis von 17,75 Euro angefallen, so dass sich ein Nettobetrag von 178,30 Euro ergibt. Angesichts der Tatsache, dass die Mehrwertsteuer mit Wirkung ab 01.01.2007 auf 19 % erhöht worden ist, sind auf diesen 19 % MwSt = 33,88 Euro angefallen. Das ergibt für diesen Zeitunterabschnitt einen Bruttobetrag von 212,18 Euro.

Aus beiden Zeitunterabschnitten errechnet sich ein Gesamtbruttobetrag von 1.007,49 Euro. Darauf wurden 332,69 Euro an Abschlägen geleistet, so dass sich eine berechtigte Rechnungsforderung von 674,80 Euro ergibt. Ferner wurde geleistet ein Betrag von 225,31 Euro (Pluswert = Kundenzahlung, Minuswert = Rückzahlung der Klägerin), so dass sich für diese Rechnung ein Forderungsbetrag von 449,49 Euro (Minuswert = Guthaben des Kunden) ergibt.

Die Rechnung vom 22.03.2008 :

– In der Zeit vom 15.02.2007 bis 28.02.2007 sind unstrittig 1.122,370 kWh verbraucht worden. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 46,24 Euro.

– In der Zeit vom 01.03.2007 bis 31.05.2007 sind unstrittig 4.881,760 kWh verbraucht worden. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,12 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 201,13 Euro.

– In der Zeit vom 01.06.2007 bis 31.12.2007 sind unstrittig 10.057,750 kWh verbraucht worden. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 414,38 Euro.

– In der Zeit vom 01.01.2008 bis 29.02.2008 sind unstrittig 4.849,070 kWh verbraucht worden. Bei dem anzusetzenden Preis von 4,120 ct/kWh errechnet sich ein Betrag von 199,78 Euro.

Ferner ist für den Rechnungszeitraum ein Grundpreis von 149,52 Euro anzusetzen, so dass sich ein Nettobetrag von 1.011,05 Euro ergibt. Hierauf sind 19 % MwSt. = 192,10 Euro angefallen, so dass sich ein Betrag von 1.203,15 Euro ergibt. Hierauf wurden an Abschlägen geleistet 957,00 Euro, so dass sich eine berechtigte Rechnungsforderung von 246,15 Euro ergibt. Ferner wurde geleistet ein Betrag von 27,09 Euro (Pluswert = Kundenzahlung, Minuswert = Rückzahlung der Klägerin), so dass sich für diese Rechnung ein Forderungsbetrag von 219,06 Euro (Minuswert = Guthaben des Kunden) ergeben.

Zusammenfassung: Folglich ergeben sich aus der Rechnung vom 22.02.2005 93,24 Euro, aus der Rechnung vom 25.03.2006 – 185,68 Euro, aus der Rechnung vom 21.03.2007 449,49 Euro und aus der Rechnung vom 22.03.2008 219,06 Euro.

Mithin sind von dem Beklagten an die Klägerin 576,11 Euro zu zahlen.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 288, 291, 247 BGB.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Für eine Zulassung der Berufung besteht keine Veranlassung. Das Urteil entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung.

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