Ein Grundstückseigentümer erlebte im April 2015 einen Schock: Baggerarbeiten auf dem Nachbargrundstück durchtrennten sein 48 Meter langes Erdwärmekollektorrohr. Dieser Erdwärmekollektor Schaden entzündete einen erbitterten Rechtsstreit, denn der Eigentümer forderte einen kompletten Austausch, das Bauunternehmen hingegen nur eine einfache Reparatur. Zwei Gutachten, zwei Meinungen – und die Frage, welche Pflichten der Verursacher wirklich hat, blieb jahrelang ungeklärt.
Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Der Fall vor Gericht
- 2.1 Was geschah auf dem Nachbargrundstück und welche Kettenreaktion löste es aus?
- 2.2 Warum stritten der Eigentümer und das Bauunternehmen über das Ausmaß des Schadens?
- 2.3 Weshalb war der Grundstückseigentümer mit dem ersten Urteil unzufrieden?
- 2.4 Reparatur oder kompletter Austausch: Wie bewertete das Oberlandesgericht den Rohrschaden?
- 2.5 Musste das Unternehmen auch für das Gutachten des Eigentümers zahlen, obwohl es falsche Schlüsse zog?
- 2.6 Wie errechnete das Gericht den endgültigen Schadensersatz?
- 2.7 Was entschied das Gericht über zukünftige Schäden und Anwaltskosten?
- 3 Wichtigste Erkenntnisse
- 4 Benötigen Sie Hilfe?
- 5 Das Urteil in der Praxis
- 6 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 6.1 Welches Prinzip regelt die Höhe des Schadensersatzes bei Sachbeschädigung?
- 6.2 Unter welchen Umständen ist bei einem Sachschaden eine Reparatur ausreichend und wann kann ein kompletter Austausch gefordert werden?
- 6.3 Wer trägt die Kosten für ein notwendiges Sachverständigengutachten zur Schadensermittlung bei einem Sachschaden?
- 6.4 Können die Kosten für ein Sachverständigengutachten auch dann eingefordert werden, wenn dessen erste Einschätzung des Schadensumfangs später abweicht oder sich als überhöht erweist?
- 6.5 Wann können Ansprüche auf zukünftige, noch nicht eingetretene Schäden geltend gemacht werden?
- 7 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 8 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 9 Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az. 17 U 8292/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 20.01.2025
- Aktenzeichen: 17 U 8292/21
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Deliktsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Grundstückseigentümer, dessen Erdwärmekollektorrohr beschädigt wurde. Er forderte von der Beklagten Schadensersatz für den vollständigen Austausch des Rohres und weitere Kosten.
- Beklagte: Ein Unternehmen, dessen Mitarbeiter Baggerarbeiten auf einem Nachbargrundstück ausführte. Es bestritt die Notwendigkeit eines vollständigen Rohraustauschs und lehnte Teile der geforderten Kosten ab.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Ein Mitarbeiter der Beklagten beschädigte bei Baggerarbeiten ein Erdwärmekollektorrohr auf dem Nachbargrundstück des Klägers. Der Kläger forderte daraufhin Schadensersatz.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Musste die Beklagte die Kosten für einen kompletten Austausch des beschädigten Erdwärmerohrs oder nur die einer Reparatur bezahlen? Und inwieweit mussten auch Gutachter- und Anwaltskosten erstattet werden?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Die Berufung des Klägers wurde teilweise erfolgreich. Das Gericht sprach dem Kläger einen höheren Schadensersatz zu als die Vorinstanz, jedoch weniger als von ihm gefordert.
- Zentrale Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte für den Schaden haftet, der Kläger aber nur die Kosten einer fachgerechten Reparatur des Erdrohrs, nicht aber eines kompletten Austauschs verlangen kann.
- Konsequenzen für die Parteien: Der Kläger erhielt einen Großteil der Reparaturkosten und die Sachverständigenkosten zugesprochen, musste aber einen Großteil der Prozesskosten selbst tragen, und sein Antrag auf Feststellung zukünftiger Schäden wurde abgewiesen.
Der Fall vor Gericht
Was geschah auf dem Nachbargrundstück und welche Kettenreaktion löste es aus?
An einem Frühlingstag im April 2015 ahnte ein Grundstückseigentümer aus einer bayerischen Kleinstadt noch nichts von dem langwierigen Rechtsstreit, der ihm bevorstand. Auf dem Nachbargrundstück waren Baggerarbeiten im Gange. Ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens manövrierte seine schwere Maschine, als es passierte: Die Baggerschaufel erfasste und durchtrennte ein im Boden des Eigentümers verlegtes Rohr.

Es handelte sich dabei nicht um eine gewöhnliche Leitung, sondern um ein 48 Meter langes Erdwärmekollektorrohr, ein wesentlicher Bestandteil seiner Lüftungsanlage. Zwar war die Anlage noch nicht in Betrieb, doch der Schaden war unbestreitbar. Dieses Ereignis setzte eine Kette von Gutachten, Forderungen und Gerichtsverhandlungen in Gang, die erst ein Jahrzehnt später vor dem Oberlandesgericht München ihr vorläufiges Ende finden sollte.
Warum stritten der Eigentümer und das Bauunternehmen über das Ausmaß des Schadens?
Nachdem der erste Schock überwunden war, stand der Grundstücksbesitzer vor der Frage: Wie teuer wird die Reparatur? Um diese Frage zu klären und eine Grundlage für seine Forderungen zu haben, beauftragte er einen privaten Sachverständigen. Dieser kam in seinem Gutachten zu einem klaren Ergebnis: Eine einfache Reparatur des zerrissenen Rohres sei nicht ausreichend. Das gesamte, 48 Meter lange Erdrohr müsse komplett ausgetauscht werden. Der Eigentümer argumentierte daraufhin, dass solche Rohre ohnehin nur in einer Standardlänge von 50 Metern geliefert würden. Seine Forderung an das Bauunternehmen, beziehungsweise dessen Haftpflichtversicherung, belief sich daher auf die Kosten für eine vollständige Neuverlegung.
Die Versicherung sah das jedoch völlig anders. Sie hatte bereits ein eigenes Gutachten erstellen lassen und war der Meinung, dass eine Reparatur des beschädigten Teilstücks technisch möglich und vollkommen ausreichend sei. Sie zahlte vorgerichtlich einen Betrag von 1.207 Euro, lehnte aber jede weitere Zahlung kategorisch ab. Der Streit entzündete sich also an einer zentralen Frage: Muss der Schädiger die Kosten für eine von ihm bevorzugte, perfekte Neulösung tragen oder nur für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, auch wenn diese technisch weniger aufwendig ist? Für den Eigentümer ging es um eine Summe von über 6.000 Euro, für das Bauunternehmen um die Abwehr einer aus seiner Sicht überzogenen Forderung.
Weshalb war der Grundstückseigentümer mit dem ersten Urteil unzufrieden?
Der Fall landete zunächst vor dem Landgericht Ingolstadt. Nach Prüfung der Sachlage sprach das Gericht dem Grundstückseigentümer eine weitere Zahlung von lediglich 683 Euro zu, zuzüglich Zinsen und eines kleinen Teils der Anwaltskosten. Im Wesentlichen folgte das Gericht damit der Argumentation des Bauunternehmens, dass eine Reparatur ausreiche und die Kosten für einen kompletten Austausch nicht ersatzfähig seien. Der Großteil der Klage wurde abgewiesen.
Für den Eigentümer war dieses Urteil eine herbe Enttäuschung. Er war nach wie vor davon überzeugt, dass nur ein vollständiger Austausch den Schaden wirklich beheben würde und ihm die Kosten dafür zustünden. Außerdem fühlte er sich um die Kosten für sein Privatgutachten geprellt, das ihm ja erst die Grundlage für seine Forderung geliefert hatte. Entschlossen, für sein Recht zu kämpfen, legte er Berufung beim Oberlandesgericht München ein. Er forderte nicht nur die restlichen Reparaturkosten, sondern auch die vollen Kosten für sein Gutachten und wollte zusätzlich gerichtlich feststellen lassen, dass das Bauunternehmen auch für alle künftigen, noch nicht absehbaren Schäden haften müsse.
Reparatur oder kompletter Austausch: Wie bewertete das Oberlandesgericht den Rohrschaden?
Das Oberlandesgericht München nahm den Fall nun grundlegend neu unter die Lupe. Die zentrale Frage blieb: Wie ist das Rohr zu reparieren und was muss der Schädiger dafür bezahlen? Das Gericht stützte sich hierbei maßgeblich auf die Gutachten zweier gerichtlich bestellter, neutraler Sachverständiger. Diese kamen, anders als der private Gutachter des Klägers, zu einem eindeutigen Schluss: Eine Reparatur des Rohres ist nicht nur möglich, sondern entspricht dem Stand der Technik.
Die Experten erklärten, dass das beschädigte Stück durch ein neues Rohrsegment ersetzt und mittels spezieller Muffenverbindungen vom Hersteller mit dem alten Rohr verbunden werden kann. Diese Methode sei technisch einwandfrei, dauerhaft haltbar und auch aus hygienischer Sicht unbedenklich. Die Einwände des Eigentümers, eine solche Verbindung sei fehleranfällig oder könne zu Dehnungsproblemen führen, wurden von den Sachverständigen überzeugend widerlegt. Sie zeigten auf, dass solche Verbindungen auch bei Lüftungsschächten üblich und notwendig sind und sich bei Bedarf mit Spezialgeräten reinigen lassen.
Das Gericht folgerte daraus, dass der Eigentümer keinen Anspruch auf die Kosten eines kompletten Austauschs hat. Beim Schadensersatzrecht geht es darum, den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Der Geschädigte soll so gestellt werden, als wäre der Schaden nie passiert – er soll aber keinen Vorteil daraus ziehen. Die vollständige Neuverlegung eines 48 Meter langen Rohres wäre eine solche Besserstellung. Daher kann der Eigentümer nur den Geldbetrag verlangen, der für eine fachgerechte Reparatur erforderlich ist. Diesen Betrag schätzte das Gericht auf Basis der Gutachten auf 1.890 Euro netto.
Musste das Unternehmen auch für das Gutachten des Eigentümers zahlen, obwohl es falsche Schlüsse zog?
Nun stand die Frage der Kosten für das private Gutachten im Raum, das immerhin 1.333,92 Euro gekostet hatte. Das Bauunternehmen argumentierte, es sei nicht einzusehen, für ein Gutachten zu bezahlen, dessen zentrale Schlussfolgerung – die Notwendigkeit des kompletten Austauschs – vom Gericht als falsch bewertet wurde.
Das Oberlandesgericht sah dies jedoch anders und sprach dem Eigentümer den vollen Ersatz dieser Kosten zu. Die Richter wandten hier den Rechtsgedanken des sogenannten „Herausforderungsschadens“ an. Man kann sich das so vorstellen: Durch die Beschädigung des Rohres wurde der Eigentümer vor eine Herausforderung gestellt. Er musste als juristischer und technischer Laie herausfinden, wie groß der Schaden ist und was eine Reparatur kostet, um seine Ansprüche überhaupt beziffern zu können. Aus seiner Sicht war es ein vernünftiger und notwendiger Schritt, einen Experten zu Rate zu ziehen.
Dass dieser Experte später zu einer überzogenen Einschätzung kam, konnte der Eigentümer zu dem Zeitpunkt, als er ihn beauftragte, nicht wissen. Das Gutachten war die Grundlage für seine Rechtsverfolgung. Das Gericht urteilte, dass die Kosten für diesen Schritt daher als Teil des Gesamtschadens vom Schädiger zu tragen sind – eben weil der Schädiger durch sein Handeln den Geschädigten erst in diese Situation gebracht hat.
Wie errechnete das Gericht den endgültigen Schadensersatz?
Mit diesen grundlegenden Entscheidungen konnte das Gericht den endgültigen Anspruch des Grundstückseigentümers beziffern. Die Berechnung war ein einfacher Rechenschritt, der die verschiedenen Schadensposten zusammenführte:
- Reparaturkosten für das Rohr: Das Gericht setzte die notwendigen Kosten für eine fachgerechte Reparatur eines 8 Meter langen Teilstücks an. Dies ergab einen Betrag von 1.890,00 Euro.
- Kosten für das Privatgutachten: Diese wurden dem Eigentümer in voller Höhe als notwendiger Teil des Schadens zugesprochen. Das waren 1.333,92 Euro.
- Gesamtschaden: Die Summe dieser beiden Positionen ergibt einen Gesamtschaden von 3.223,92 Euro.
- Abzug der Vorleistung: Davon wurde der Betrag abgezogen, den die Haftpflichtversicherung des Bauunternehmens bereits vor dem Prozess bezahlt hatte, nämlich 1.207,00 Euro.
Im Ergebnis verurteilte das Oberlandesgericht das Bauunternehmen zur Zahlung eines Restbetrags von 2.016,92 Euro an den Grundstückseigentümer.
Was entschied das Gericht über zukünftige Schäden und Anwaltskosten?
Der Eigentümer hatte auch beantragt, dass das Bauunternehmen für alle künftigen Schäden haften müsse. Diesen Antrag wies das Gericht ab. Die Begründung war pragmatisch: Fast zehn Jahre nach dem Vorfall waren keinerlei Anzeichen für Folgeschäden aufgetreten. Der Kläger konnte auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür nennen, welche Schäden in Zukunft noch eintreten könnten. Die bloße abstrakte Angst vor Spätfolgen reichte dem Gericht nicht aus.
Bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten kam es zu einer juristischen Finesse. Grundsätzlich, so die Richter, hätte der Eigentümer keinen Anspruch darauf gehabt, da er seinen Anwalt beauftragt hatte, bevor das Bauunternehmen rechtlich in Zahlungsverzug geraten war. Allerdings hatte das erstinstanzliche Landgericht ihm einen kleinen Betrag von 147,56 Euro zugesprochen. Da das Bauunternehmen diesen speziellen Punkt in seiner eigenen Berufung nicht angegriffen hatte, durfte das Oberlandesgericht diese Entscheidung nicht zum Nachteil des Klägers ändern. Es blieb also bei der Zahlung dieser geringen Summe, obwohl sie nach Ansicht des OLG eigentlich nicht gerechtfertigt war.
Wichtigste Erkenntnisse
Gerichte definieren klar, wie sich der Schadenersatz nach einem Unfall bemisst und welche Kosten der Schädiger tatsächlich trägt.
- Wiederherstellung des Ursprungszustands: Schadensersatz stellt den Geschädigten so, als wäre der Schaden nie eingetreten, ohne ihm daraus einen Vorteil zu verschaffen; ist eine fachgerechte Reparatur technisch möglich, genügt sie dem Ersatzanspruch.
- Herausforderungsschaden: Ein Schädiger trägt die Kosten für ein Privatgutachten, das der Geschädigte zur ersten Klärung und Bezifferung des Schadens beauftragt, auch wenn dessen Einschätzung später als überzogen gilt.
- Feststellung künftiger Schäden: Gerichte bestätigen die Haftung für künftige Schäden nur, wenn konkrete Anhaltspunkte deren Eintritt wahrscheinlich machen und nicht nur eine abstrakte Besorgnis besteht.
Diese Grundsätze leiten die faire und zielgerichtete Bemessung von Schadensersatzansprüchen und prägen das Vertrauen in die juristische Konfliktlösung.
Benötigen Sie Hilfe?
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Das Urteil in der Praxis
Selten hat ein Gericht die „Kosten des Unwissens“ so klar in die Rechnung des Schädigers gestellt wie in diesem Fall. Es ist ein Paukenschlag für Geschädigte: Selbst wenn ein vorab eingeholtes Privatgutachten am Ende zu einer überzogenen Einschätzung kommt, können dessen Kosten vom Schädiger erstattungsfähig sein. Dieses wegweisende Urteil stellt klar, dass der Geschädigte nicht das Risiko tragen muss, wenn er als Laie fachkundige Hilfe zur Schadensbezifferung in Anspruch nimmt. Während der Geschädigte keine „Besserstellung“ durch einen kompletten Austausch verlangen kann, stärkt das Urteil seine Position bei der anfänglichen Schadensfeststellung erheblich und schafft ein wichtiges Gleichgewicht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welches Prinzip regelt die Höhe des Schadensersatzes bei Sachbeschädigung?
Das Prinzip, das die Höhe des Schadensersatzes bei Sachbeschädigung regelt, zielt darauf ab, den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte. Der Geschädigte soll durch den Ersatz nicht bessergestellt werden, als er vor dem Schaden war.
Stellen Sie sich vor, Ihr gebrauchtes Fahrrad wird beschädigt. Sie erhalten die Kosten für eine fachgerechte Reparatur oder den Zeitwert des alten Rades ersetzt. Es wäre aber nicht vorgesehen, dass Sie den Preis für ein fabrikneues Modell bekommen. Der Sinn ist, den Zustand vor dem Schaden wiederherzustellen, ohne einen zusätzlichen Vorteil zu gewähren.
Dies bedeutet, der Schädiger muss nicht immer die teuerste oder aufwendigste Lösung bezahlen, wie etwa den kompletten Austausch eines beschädigten Teils. Entscheidend ist vielmehr, ob eine fachgerechte Reparatur ausreicht, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. So wurde im Fall eines beschädigten Erdwärmekollektorrohrs vom Gericht entschieden, dass die Kosten für einen vollständigen Austausch abgelehnt werden, da eine technische Reparatur des beschädigten Teilstücks ausreichend und dauerhaft ist und dem Stand der Technik entspricht.
Diese Regelung stellt sicher, dass der Schadensersatz objektiv und fair bemessen wird und nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten führt.
Unter welchen Umständen ist bei einem Sachschaden eine Reparatur ausreichend und wann kann ein kompletter Austausch gefordert werden?
Bei einem Sachschaden ist eine Reparatur grundsätzlich ausreichend, wenn sie den ursprünglichen Zustand fachgerecht und dauerhaft wiederherstellt. Ein vollständiger Austausch des beschädigten Objekts ist nur dann erforderlich, wenn eine Reparatur technisch unmöglich ist oder nicht gewährleisten kann, dass das Objekt danach wieder vollständig und dauerhaft funktionsfähig ist.
Man kann sich das vorstellen wie bei einem kaputten Autoreifen: Ist nur ein kleines Loch zu flicken, reicht die Reparatur. Ist der Reifen jedoch völlig zerstört oder eine Reparatur würde die Sicherheit beeinträchtigen, muss der ganze Reifen ersetzt werden.
Eine Reparatur gilt als ausreichend, wenn sie dem Stand der Technik entspricht und sicherstellt, dass die Funktion und Haltbarkeit des beschädigten Teils vollständig wiederhergestellt sind. Der Verursacher eines Schadens muss nicht für eine teurere Komplettlösung aufkommen, wenn eine fachgerechte Reparatur das gleiche Ergebnis erzielt. Es geht darum, den Zustand vor dem Schaden wiederherzustellen, ohne dass der Geschädigte einen Vorteil durch die Art der Wiederherstellung erhält.
Die Entscheidung, ob eine Reparatur ausreicht oder ein Austausch notwendig ist, stützt sich oft auf die detaillierte Bewertung von unabhängigen Sachverständigen. Diese Fachleute beurteilen die technische Machbarkeit einer Reparatur und prüfen, ob diese den Anforderungen an eine vollständige und dauerhafte Wiederherstellung genügt.
Diese Regelung stellt sicher, dass der Geschädigte keinen ungerechtfertigten Vorteil aus dem Schaden zieht und gleichzeitig das Vertrauen in die sachgerechte Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gewahrt bleibt.
Wer trägt die Kosten für ein notwendiges Sachverständigengutachten zur Schadensermittlung bei einem Sachschaden?
Grundsätzlich trägt der Schädiger die Kosten für ein notwendiges Sachverständigengutachten bei einem Sachschaden. Diese Auslagen gehören zum ersatzfähigen Gesamtschaden, da sie entstehen, weil der Geschädigte als Laie den Schaden und seine Ansprüche nicht selbst beziffern kann.
Man kann es sich so vorstellen: Wenn ein Schaden so komplex ist, dass ein Laie ihn nicht überblicken und seine Forderung nicht selbst formulieren kann, muss er einen Experten zurate ziehen. Wenn jemand anderes den Schaden verursacht hat, ist es nur folgerichtig, dass diese Person auch die Kosten für die Expertise trägt, die zur Klärung des Schadens und zur Bezifferung der Ansprüche notwendig ist.
Die Beauftragung eines Sachverständigen gilt als vernünftiger und notwendiger Schritt für den Geschädigten. Sie ermöglicht es, eine fundierte Grundlage für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs zu schaffen. Selbst wenn das Gutachten später zu einer Einschätzung kommt, die sich als unzutreffend erweist, ändert dies nichts an der ursprünglichen Notwendigkeit der Beauftragung aus Sicht des Laien. Derjenige, der den Schaden verursacht hat, stellt den Geschädigten erst vor die Herausforderung, das Ausmaß des Schadens zu klären.
Diese Regelung stellt sicher, dass Geschädigte nicht zusätzlich finanziell belastet werden, wenn sie zur Klärung eines durch andere verursachten Schadens eine fachliche Expertise einholen müssen.
Können die Kosten für ein Sachverständigengutachten auch dann eingefordert werden, wenn dessen erste Einschätzung des Schadensumfangs später abweicht oder sich als überhöht erweist?
Ja, die Kosten für ein Sachverständigengutachten können in der Regel auch dann eingefordert werden, wenn dessen erste Einschätzung des Schadensumfangs später abweicht oder sich als überhöht herausstellt.
Stellen Sie sich vor, eine Person verursacht einen Schaden an Ihrem Eigentum, dessen Ausmaß für einen Laien nicht sofort ersichtlich ist. Um den genauen Schaden zu ermitteln und Ansprüche geltend zu machen, ist man gezwungen, einen unabhängigen Experten hinzuzuziehen. Es ist, als ob man durch das Handeln einer anderen Person vor ein komplexes Problem gestellt wird, dessen Lösung nur ein Spezialist kennt.
Entscheidend ist, ob die Beauftragung des Sachverständigen zum Zeitpunkt der Auftragserteilung aus Sicht des Geschädigten vernünftig und notwendig war. Man konnte in diesem Moment nicht wissen, ob das Gutachten später zu falschen Schlussfolgerungen führen oder den Schaden überhöht einschätzen würde. Das Gutachten dient als grundlegende Basis, um die eigenen Ansprüche überhaupt beziffern zu können.
Die Kosten für diesen Schritt sind Teil des Gesamtschadens, da der Schädiger durch sein Handeln den Geschädigten erst in die Situation gebracht hat, einen Experten konsultieren zu müssen.
Wann können Ansprüche auf zukünftige, noch nicht eingetretene Schäden geltend gemacht werden?
Ansprüche auf zukünftige, noch nicht eingetretene Schäden können grundsätzlich nur dann geltend gemacht werden, wenn deren Eintreten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Eine bloße abstrakte Möglichkeit oder Befürchtung reicht hierfür nicht aus.
Man kann es sich wie eine medizinische Prognose vorstellen: Ein Arzt kann aufgrund konkreter Befunde und des Krankheitsverlaufs mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftige Komplikationen vorhersagen. Eine solche Prognose ist fundiert und stützt sich auf überprüfbare Anzeichen. Hingegen würde niemand eine medizinische Behandlung oder Haftung auf die bloße, vage Sorge vor irgendwelchen späteren Beschwerden stützen, für die es aktuell keine Anhaltspunkte gibt. Es bedarf konkreter Hinweise, die auf das künftige Ereignis schließen lassen.
Dies bedeutet, dass eine Partei konkrete Anhaltspunkte oder eine hohe Wahrscheinlichkeit für das zukünftige Eintreten eines Schadens darlegen und beweisen muss. Ohne solche konkreten Beweise oder eine fundierte Prognose kann ein Gericht einem Antrag auf Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden nicht stattgeben.
Im vorliegenden Fall lehnte das Oberlandesgericht den Antrag auf Feststellung zukünftiger Schäden ab. Die Richter begründeten dies damit, dass fast zehn Jahre nach dem Vorfall keinerlei Anzeichen für Folgeschäden aufgetreten waren. Der Kläger konnte keine konkreten Anhaltspunkte dafür nennen, welche Schäden in Zukunft noch eintreten könnten. Die bloße abstrakte Angst vor Spätfolgen genügte dem Gericht nicht.
Diese Herangehensweise schützt davor, dass aufgrund rein spekulativer oder unbegründeter Befürchtungen voreilig Haftungen für die Zukunft festgelegt werden, und sorgt für Rechtssicherheit.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Herausforderungsschaden
Ein Herausforderungsschaden ist ein Schaden, der entsteht, weil eine Person durch das Verhalten einer anderen gezwungen wird, Kosten aufzuwenden, um das Ausmaß eines Schadens zu ermitteln. Dieser Rechtsgedanke besagt, dass die Kosten für solche notwendigen Schritte, die ein Laie zur Geltendmachung seiner Ansprüche unternehmen muss, ebenfalls vom Schädiger zu tragen sind, selbst wenn die dabei gewonnenen Erkenntnisse später teilweise korrigiert werden. Es geht darum, dass der Geschädigte nicht zusätzlich belastet wird, wenn er sich zur Klärung des Schadens fachkundiger Hilfe bedienen muss.
Beispiel: Die Kosten für das private Gutachten des Eigentümers wurden als Herausforderungsschaden anerkannt. Das Gericht urteilte, dass er als Laie durch die Beschädigung des Rohres gezwungen war, einen Experten zu beauftragen, um den Umfang des Schadens und seine Ansprüche überhaupt beziffern zu können.
Schadensersatzrecht
Das Schadensersatzrecht regelt, wie eine Person, die einen Schaden erlitten hat, finanziell so gestellt wird, als hätte der Schaden nie stattgefunden. Das zentrale Prinzip ist die sogenannte Naturalrestitution, also die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, oder ersatzweise eine Geldzahlung. Ziel ist es, den Geschädigten weder zu benachteiligen noch zu bereichern.
Beispiel: Im vorliegenden Fall ging es im Rahmen des Schadensersatzrechts darum, ob das Bauunternehmen für einen kompletten Austausch des Erdwärmekollektorrohrs zahlen muss oder nur für eine fachgerechte Reparatur. Das Gericht entschied, dass nur die Reparaturkosten ersatzfähig sind, um den Zustand vor dem Schaden wiederherzustellen, ohne den Eigentümer zu „besserzustellen“.
Stand der Technik
Der „Stand der Technik“ beschreibt den aktuell anerkannten und bewährten Entwicklungsstand einer Technologie oder Methode. Im juristischen Kontext dient er als Maßstab dafür, was als fachgerecht, sicher und angemessen gilt. Er ist nicht unbedingt der allerneueste Forschungsstand, sondern das, was sich in der Praxis bewährt hat und allgemein bekannt ist.
Beispiel: Das Oberlandesgericht stützte sich auf Gutachten, die bestätigten, dass eine Reparatur des Erdwärmekollektorrohrs mittels spezieller Muffenverbindungen nicht nur möglich ist, sondern auch dem „Stand der Technik“ entspricht und somit als fachgerecht und dauerhaft ausreichend angesehen wurde.
Zahlungsverzug
Zahlungsverzug liegt vor, wenn eine Person eine fällige Zahlung trotz Mahnung oder Ablauf einer bestimmten Frist nicht leistet. Er ist eine wichtige Voraussetzung für die Geltendmachung von Verzugszinsen oder Schadensersatz wegen der verzögerten Zahlung, zum Beispiel für Anwaltskosten, die erst nach Eintritt des Verzugs entstehen. Ohne Verzug ist der Schuldner nicht für solche Folgeschäden haftbar.
Beispiel: Im Fall der vorgerichtlichen Anwaltskosten wurde erörtert, dass der Eigentümer diese Kosten eigentlich nicht hätte einfordern können, da sein Anwalt beauftragt wurde, bevor das Bauunternehmen rechtlich in „Zahlungsverzug“ geraten war.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Herstellungsgrundsatz (§ 249 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB)
Wer einen Schaden verursacht, muss den Zustand wiederherstellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieses Prinzip war entscheidend für die Frage, ob das beschädigte Erdwärmerohr komplett ausgetauscht oder nur repariert werden musste, da der Eigentümer durch einen vollständigen Austausch bessergestellt worden wäre als vor dem Schaden.
- Kosten der Schadensfeststellung (Herausforderungsschaden) (abgeleitet aus § 249 BGB)
Kosten, die einem Geschädigten entstehen, weil er sich durch den Schaden gezwungen sieht, zur Ermittlung seiner Ansprüche fachkundigen Rat einzuholen, sind auch dann ersatzfähig, wenn das Ergebnis dieses Rates sich später als nicht vollständig zutreffend erweist.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kosten für das private Sachverständigengutachten des Eigentümers mussten vom Bauunternehmen erstattet werden, obwohl dessen Schlussfolgerung eines kompletten Austauschs vom Gericht als nicht notwendig bewertet wurde.
- Unerlaubte Handlung (Schadensersatzpflicht) (§ 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB)
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich beschädigt, ist verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph bildet die rechtliche Grundlage dafür, dass das Bauunternehmen überhaupt für den durch die Baggerarbeiten verursachten Schaden am Erdwärmerohr des Eigentümers haften muss.
- Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO)
Eine Partei kann gerichtlich feststellen lassen, ob ein Rechtsverhältnis oder die Verpflichtung zu Schadensersatz für zukünftige, noch nicht eingetretene Schäden besteht, wenn sie ein berechtigtes Interesse daran hat.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Antrag des Eigentümers, das Bauunternehmen zur Haftung für alle künftigen Schäden zu verurteilen, wurde auf dieser Grundlage geprüft und abgewiesen, da nach fast zehn Jahren keine konkreten Anhaltspunkte für weitere Schäden vorlagen.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 17 U 8292/21 – Endurteil vom 20.01.2025
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