Skip to content
Menu

Räumungsschutzantrag als Verzögerungstaktik?

In einem ungewöhnlichen Fall rügt das Landgericht Ravensburg die Entscheidung des Amtsgerichts Riedlingen, den Räumungsschutz einer Frau abzulehnen, und verweist den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Die Richter kritisieren, dass das Amtsgericht die gesundheitlichen Risiken der Räumung für die Frau nicht ausreichend berücksichtigt und ihr rechtliches Gehör verletzt habe. Nun muss geprüft werden, ob die drohende Zwangsräumung ihres Hauses tatsächlich eine unzumutbare Härte für die psychisch erkrankte Frau darstellt und eine neue medizinische Begutachtung erforderlich ist.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Ravensburg
  • Datum: 16.05.2024
  • Aktenzeichen: 1 T 17/24
  • Verfahrensart: Beschwerdeverfahren im Rahmen eines Räumungsschutzantrags
  • Rechtsbereiche: Zivilprozessrecht, Mietrecht

Beteiligte Parteien:

  • Schuldnerin: Die Schuldnerin wehrt sich gegen die Räumung des zwangsversteigerten Hauses, indem sie einen Räumungsschutzantrag stellt. Sie argumentiert, dass eine Unzumutbare Härte aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation vorliegt. Ihre Anträge und Einwände wurden bisher als rechtsmissbräuchlich angesehen.
  • Gläubiger: Der Gläubiger fordert die Räumung des Hauses und trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, nachdem die Beschwerde der Schuldnerin Erfolg hatte.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Schuldnerin reichte einen Räumungsschutzantrag ein, um die bevorstehende Räumung ihres Hauses, das zwangsversteigert wurde, zu verhindern. Sie beruft sich auf unzumutbare Härte aufgrund gesundheitlicher Probleme. Das Amtsgericht wies ihren Antrag ab und sah darin eine Verzögerungsabsicht.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, ob die Schuldnerin einen Anspruch auf Rechtliches Gehör und eine erneute Begutachtung ihrer gesundheitlichen Situation hat, die im Antragsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Landgericht Ravensburg hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Prüfung zurück, da der Anspruch der Schuldnerin auf rechtliches Gehör verletzt wurde.
  • Begründung: Das Gericht stellte fest, dass das Amtsgericht sich nicht ausreichend mit dem Vorbringen der Schuldnerin auseinandergesetzt hat. Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör wurde nicht gewahrt, da das Gericht die Möglichkeit einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung ohne ausreichenden fachlichen Rat beurteilte.
  • Folgen: Die Schuldnerin erhält eine erneute Prüfung ihres Antrags, und der Fall wird an das Amtsgericht zurückverwiesen. Der Gläubiger muss die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen. Das Urteil verdeutlicht, dass eine Entscheidung ohne vollständige Berücksichtigung des gesundheitlichen Vorbringens der Schuldnerin nicht rechtens ist.

Räumungsschutzantrag: Mieterrechte im Fokus eines wegweisenden Urteils

Der Schutz der Wohnung ist ein elementares Grundbedürfnis und ein zentrales Thema im Mietrecht. Mieterrechte bieten Mietern wichtige Instrumente, um sich gegen ungerechtfertigte Kündigungen und Räumungsklagen zu verteidigen. Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren den Kündigungsschutz stetig weiterentwickelt, um Mieter vor schnellen und existenzbedrohenden Wohnungsverlust zu schützen.

Besonders der Räumungsschutzantrag hat sich als bedeutendes Rechtsmittel etabliert, mit dem Mieter eine drohende Wohnungsräumung gerichtlich überprüfen und verzögern können. Dabei spielen verschiedene Faktoren wie Härtefallprüfungen, individuelle Lebenssituationen und prozesstaktische Überlegungen eine entscheidende Rolle im Kampf um den Erhalt der Mietwohnung.

Die nun folgende Analyse beleuchtet einen konkreten Gerichtsfall, der die Grenzen und Möglichkeiten eines Räumungsschutzantrags exemplarisch aufzeigt.

Der Fall vor Gericht


Landgericht hebt Ablehnung eines Räumungsschutzantrags wegen Verfahrensmängeln auf

Frau in der Tür mit Dokumenten, Polizei in Uniform spricht ins Radio, ruhige Straße in Deutschland.
Räumungsschutzantrag und Kündigungsschutz im Mietrecht | Symbolfoto: Flux gen.

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg hat einen Beschluss des Amtsgerichts Riedlingen aufgehoben, der den Räumungsschutzantrag einer von Zwangsräumung bedrohten Schuldnerin abgewiesen hatte. Das Gericht verwies die Sache zur erneuten Prüfung zurück ans Amtsgericht, da dieses das rechtliche Gehör der Antragstellerin verletzt habe.

Mangelnde Auseinandersetzung mit gesundheitlichen Risiken

Die Schuldnerin hatte sich mit ihrem Antrag gegen die bevorstehende Räumung ihres zwangsversteigerten Hauses gewandt und dabei auf eine unzumutbare Härte verwiesen. Sie legte einen aktuellen Arztbrief vom 18.04.2024 vor, der aufgrund der drohenden Räumung von einem „derart gesteigerten inneren Verzweiflungszustand“ berichtete, dass eine Selbstgefährdung nicht auszuschließen sei. Das Amtsgericht wies den Antrag dennoch zurück und unterstellte der Schuldnerin eine „rechtsmissbräuchliche Verzögerungsabsicht“.

Grundlegende Verfahrensfehler des Amtsgerichts

Das Landgericht kritisierte, dass sich das Amtsgericht weder im ursprünglichen Beschluss noch im Nichtabhilfebeschluss hinreichend mit dem Vorbringen der Schuldnerin auseinandergesetzt habe. Besonders schwer wiege, dass ein im Verfahren zitierter früherer Gerichtsbeschluss der Schuldnerin und ihrem Anwalt gar nicht zugestellt worden sei. Die bloße Bezugnahme auf ein früheres Räumungsschutzverfahren reiche nicht aus, um den aktuellen Antrag abzuweisen.

Notwendigkeit aktueller medizinischer Begutachtung

Das Landgericht betonte, dass bei ernsthaften Gesundheits- oder Suizidgefahren in der Regel ein Medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt werden müsse, da Gerichte diese Risiken ohne fachliche Hilfe nicht beurteilen könnten. Die vom Amtsgericht herangezogene frühere Begutachtung vom Juli 2023 sei angesichts der chronischen depressiven Erkrankung der Schuldnerin nicht mehr aktuell. Das Amtsgericht müsse nun prüfen, ob eine neue Begutachtung erforderlich sei.

Vorgaben für die erneute Prüfung

Nach der Zurückverweisung muss das Amtsgericht der Schuldnerin die Möglichkeit geben, ihre aktuelle gesundheitliche Situation darzulegen und sich zu eventuell bereits erfolgter psychiatrischer oder psychologischer Behandlung zu äußern. Auch ihre Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Hilfen zur Minderung der gesundheitlichen Folgen einer Räumung soll sie darlegen können. Das Landgericht wies darauf hin, dass zwar die mehrfachen Räumungsschutzanträge und der Zeitablauf den Interessen des Gläubigers größeres Gewicht verleihen würden. Allerdings könne allein aus dem Ergreifen zulässiger Rechtsbehelfe noch keine Rechtsmissbräuchlichkeit abgeleitet werden.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil stärkt die Rechte von Schuldnern im Räumungsschutzverfahren, indem es die Bedeutung des rechtlichen Gehörs hervorhebt. Gerichte müssen sich nachvollziehbar mit allen vorgebrachten Argumenten auseinandersetzen, auch wenn diese bereits in früheren Verfahren genannt wurden. Besonders bei gesundheitlichen Einwänden gegen eine Zwangsräumung ist eine sorgfältige Prüfung erforderlich, wobei auch neue ärztliche Stellungnahmen zu berücksichtigen sind.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie von einer Zwangsräumung bedroht sind und gesundheitliche Gründe dagegen sprechen, haben Sie das Recht auf eine gründliche Prüfung Ihrer Situation. Das Gericht muss sich mit Ihren Argumenten und ärztlichen Nachweisen ausführlich befassen – auch wenn Sie diese Gründe bereits früher vorgebracht haben. Sie können sich darauf berufen, dass neue ärztliche Stellungnahmen berücksichtigt werden müssen. Bei unzureichender Würdigung Ihrer Argumente durch das Gericht haben Sie gute Chancen mit einer Beschwerde. Lassen Sie sich rechtlich beraten, um Ihre Rechte optimal wahrzunehmen.

Benötigen Sie Hilfe?

Von Zwangsräumung bedroht? Wir schützen Ihre Rechte.

Eine drohende Zwangsräumung ist eine belastende Situation, besonders wenn gesundheitliche Gründe dagegensprechen. Wir setzen uns für Ihre Rechte ein und prüfen sorgfältig, ob in Ihrem Fall die Voraussetzungen für einen Räumungsschutz vorliegen. Dabei berücksichtigen wir Ihre individuellen Umstände und setzen uns mit Nachdruck für Ihre Interessen gegenüber dem Gericht und dem Gläubiger ein.

Sprechen Sie mit uns – wir beraten Sie umfassend und entwickeln gemeinsam die beste Strategie für Ihre Situation.

Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Voraussetzungen müssen für einen erfolgreichen Räumungsschutzantrag erfüllt sein?

Ein Räumungsschutzantrag erfordert ein rechtskräftiges Räumungsurteil und eine Räumungsmitteilung des Gerichtsvollziehers.

Formelle Voraussetzungen

Der Antrag muss spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingereicht werden. Bei einer unverschuldeten Verhinderung können Sie den Antrag ausnahmsweise auch später, jedoch noch vor dem Räumungstermin stellen.

Folgende Unterlagen müssen Sie dem Antrag beifügen:

  • Räumungsurteil oder Räumungsvergleich
  • Räumungsmitteilung des Gerichtsvollziehers
  • Personalausweis oder Reisepass
  • Nachweise über die geltend gemachten Härtegründe

Materielle Voraussetzungen

Es müssen besondere Härtegründe vorliegen, die eine Räumung zum angekündigten Termin unzumutbar machen. Als anerkannte Härtegründe gelten:

  • Eine kurz bevorstehende alternative Wohnmöglichkeit nach dem Räumungstermin
  • Schwangerschaft während der gesetzlichen Mutterschutzfrist
  • Eine schwere, vorübergehende Erkrankung
  • Nachgewiesene Suizidgefahr
  • Altersbedingte Gebrechlichkeit

Gerichtliche Prüfung

Das Gericht prüft bei der Entscheidung über den Räumungsschutzantrag die Interessen beider Parteien. Die bloße Tatsache, dass kein Ersatzwohnraum gefunden wurde, reicht für einen erfolgreichen Räumungsschutzantrag nicht aus.

Bei gesundheitlichen Gründen muss eine konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit nachgewiesen werden. Hierfür ist in der Regel ein ausführliches fachärztliches Attest erforderlich.

Die Dauer des gewährten Räumungsschutzes darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. Während der Schutzzeit darf weder der Gerichtsvollzieher noch der Vermieter die Wohnung räumen lassen.


zurück

Ab wann gilt ein Räumungsschutzantrag als rechtsmissbräuchlich?

Ein Räumungsschutzantrag wird als rechtsmissbräuchlich eingestuft, wenn er ausschließlich der Verzögerung der Räumung dient und keine ernsthaften Härtegründe vorliegen.

Typische Anzeichen für Rechtsmissbrauch

Wiederholte Anträge ohne neue Gründe gelten als rechtsmissbräuchlich. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn neue Beweisangebote vorgelegt werden.

Vorschieben von Drittpersonen zur Begründung des Räumungsschutzes ist ebenfalls missbräuchlich. Wenn beispielsweise hochbetagte Verwandte kurz vor dem Räumungstermin in die Wohnung geholt werden, um einen Härtefall zu konstruieren.

Grenzen der Schutzwürdigkeit

Ein Antrag ist nicht schutzwürdig, wenn:

  • Sie keine ernsthaften Bemühungen unternehmen, eine Ersatzwohnung zu finden
  • Sie gesundheitliche Probleme als Grund anführen, aber keine ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen
  • Sie die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist vor dem Räumungstermin ohne triftigen Grund versäumen

Legitime Härtefälle

Im Gegensatz dazu sind Anträge nicht missbräuchlich, wenn echte Härtegründe vorliegen wie:

  • Eine konkrete Ersatzwohnung steht in Kürze zur Verfügung
  • Eine Geburt steht unmittelbar bevor
  • Eine nachgewiesene ernsthafte Gesundheitsgefährdung besteht

Die Beweislast für das Vorliegen der Härtegründe liegt bei Ihnen als Antragsteller. Sie müssen die angeführten Gründe durch entsprechende Unterlagen wie ärztliche Atteste oder neue Mietverträge belegen.


zurück

Welche Bedeutung haben ärztliche Atteste für den Räumungsschutzantrag?

Ärztliche Atteste sind bei gesundheitlichen Gründen für einen Räumungsschutzantrag zwingend erforderlich und müssen sehr hohe Anforderungen erfüllen.

Inhaltliche Anforderungen

Fachärztliche Atteste müssen detailliert folgende Aspekte darlegen:

  • Art und Schwere der Erkrankung
  • Konkrete gesundheitliche Einschränkungen
  • Zu erwartende Verschlechterung durch einen Umzug

Die bloße Behauptung gesundheitlicher Probleme oder allgemein gehaltene Atteste reichen nicht aus. Das Attest muss eine konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit nachweisen.

Medizinische Begutachtung

Bei der Prüfung von Gesundheitsgefahren muss das Gericht in der Regel ein Sachverständigengutachten einholen. Der Sachverständige untersucht dabei:

  • Den aktuellen Gesundheitszustand
  • Die konkrete Prognose bei Durchführung der Räumung
  • Den Schweregrad möglicher Gesundheitsfolgen

Anerkannte Krankheitsbilder

Ein Räumungsschutz kommt bei folgenden medizinischen Situationen in Betracht:

Schwere psychische Erkrankungen mit eingeschränkter Anpassungsfähigkeit

Neurologische Erkrankungen, bei denen sich der Gesundheitszustand durch einen Umzug erheblich verschlechtern könnte

Altersbedingte Erkrankungen in Verbindung mit langjähriger Verwurzelung im Wohnumfeld

Aktualität und Form

Die ärztlichen Atteste müssen aktuell sein und von einem Facharzt stammen. Bei psychischen Erkrankungen oder Suizidgefahr ist ein psychiatrisches Gutachten erforderlich.

Bereits die ernsthafte Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung kann als Härtegrund ausreichen – es müssen keine sicheren Folgen nachgewiesen werden.


zurück

Welche Rechte haben Schuldner im Räumungsschutzverfahren?

Antragstellung und Fristen

Ein Räumungsschutzantrag nach § 765a ZPO muss spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin beim zuständigen Vollstreckungsgericht gestellt werden. Wenn die Gründe erst später entstehen oder der Schuldner unverschuldet an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war, kann der Antrag auch noch später eingereicht werden.

Darlegung besonderer Härten

Bei der Antragstellung können Sie gesundheitliche, soziale oder wirtschaftliche Härten geltend machen. Dabei reicht die drohende Obdachlosigkeit allein nicht aus – es müssen besondere Umstände vorliegen, die über die üblichen Folgen einer Räumung hinausgehen.

Gesundheitliche Aspekte

Wenn Sie gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend machen, müssen diese durch aktuelle fachärztliche Gutachten konkret nachgewiesen werden. Bei psychischen Erkrankungen oder Suizidgefahr muss das Vollstreckungsgericht von Amts wegen prüfen, ob und welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind.

Rechtsmittel und Beschwerdemöglichkeiten

Gegen ablehnende Entscheidungen können Sie sofortige Beschwerde einlegen. Das Gericht muss Ihren Anspruch auf rechtliches Gehör wahren und Ihre vorgebrachten Gründe sorgfältig prüfen.

Verlängerung des Vollstreckungsschutzes

Wenn sich die Umstände ändern, können Sie einen Antrag auf Verlängerung des gewährten Vollstreckungsschutzes stellen. Das Gericht muss dann erneut eine umfassende Interessenabwägung vornehmen.

Mitwirkungspflichten

Als Schuldner müssen Sie aktiv an der Problemlösung mitwirken. Dazu gehört insbesondere die ernsthafte Suche nach Ersatzwohnraum. Bei gesundheitlichen Problemen wird erwartet, dass Sie sich in ärztliche Behandlung begeben und an therapeutischen Maßnahmen mitwirken.

Schutz durch Betreuung

In besonderen Fällen, etwa bei psychischen Erkrankungen, kann die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung sinnvoll sein. Der Betreuer kann dann die Interessen im Räumungsschutzverfahren wahrnehmen und zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten erschließen.


zurück

Wie lange kann ein Räumungsaufschub maximal gewährt werden?

Die maximale Dauer eines Räumungsaufschubs beträgt ein Jahr nach Rechtskraft des Räumungsurteils. Diese gesetzliche Höchstfrist darf auch bei mehrfachen Verlängerungen nicht überschritten werden.

Grundsätzliche Fristen

Bei einem normalen Räumungsprozess gewährt das Gericht zunächst meist eine Räumungsfrist von zwei bis drei Monaten. In Fällen von Zahlungsrückständen wird in der Regel eine Mindestfrist von sechs Wochen festgesetzt, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.

Verlängerungsmöglichkeiten

Wenn Sie eine bereits gewährte Räumungsfrist verlängern möchten, müssen Sie den Antrag spätestens zwei Wochen vor Ablauf der bestehenden Frist stellen. Für eine erfolgreiche Verlängerung müssen neue Umstände eingetreten sein, die bei der ursprünglichen Entscheidung noch nicht berücksichtigt wurden.

Bemessungsfaktoren

Die Dauer des gewährten Räumungsaufschubs richtet sich nach verschiedenen Faktoren:

  • Bei einer mehrköpfigen Familie und angespannter Wohnungsmarktsituation kann eine Frist von etwa fünf Monaten angemessen sein
  • Für Familien mit schulpflichtigen Kindern sind Fristen von sechs bis acht Monaten möglich
  • Die Verlängerung setzt voraus, dass Sie sich nachweislich intensiv um Ersatzwohnraum bemühen
  • Die Zahlungsfähigkeit während der Räumungsfrist muss gewährleistet sein

Ein reiner Räumungsaufschub als Verzögerungstaktik wird von den Gerichten nicht akzeptiert. Die Gerichte prüfen genau, ob tatsächlich besondere Härtegründe vorliegen und ob Sie sich ausreichend um eine neue Wohnung bemühen.


zurück


Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Räumungsschutzantrag

Ein rechtliches Instrument im Zwangsvollstreckungsrecht, mit dem Mieter oder Hauseigentümer eine drohende Zwangsräumung vorübergehend abwenden können. Der Antrag muss eine besondere Härte nachweisen, die durch die Räumung entstehen würde. Geregelt ist dies in § 765a ZPO (Vollstreckungsschutz). Ein typischer Härtefall liegt vor bei schwerer Krankheit, hohem Alter oder drohender Obdachlosigkeit. Der Antrag kann mehrfach gestellt werden, wenn sich neue Umstände ergeben. Beispiel: Eine alleinerziehende Mutter mit drei kleinen Kindern kann durch einen Räumungsschutzantrag Zeit gewinnen, eine neue Wohnung zu finden.


Zurück

Rechtliches Gehör

Ein fundamentales Grundrecht im deutschen Prozessrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), das jedem Verfahrensbeteiligten garantiert, sich zu allen relevanten Aspekten des Verfahrens äußern zu können. Das Gericht muss diese Äußerungen zur Kenntnis nehmen und in seiner Entscheidung berücksichtigen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist ein schwerer Verfahrensfehler und kann zur Aufhebung der Entscheidung führen. Beispiel: Wenn ein Gericht eine Entscheidung auf Dokumente stützt, die einer Partei nicht zur Verfügung gestellt wurden.


Zurück

Unzumutbare Härte

Ein Rechtsbegriff aus dem Vollstreckungsrecht (§ 765a ZPO), der eine außergewöhnliche Situation beschreibt, die für den Betroffenen zu schwerwiegenden, nicht hinzunehmenden Nachteilen führen würde. Die Härte muss über die üblichen Belastungen einer Zwangsvollstreckung deutlich hinausgehen und sittenwidrig erscheinen. Gesundheitliche oder familiäre Notlagen können eine unzumutbare Härte begründen. Beispiel: Eine schwer kranke Person, bei der eine Räumung zu einer akuten Gesundheitsgefährdung führen würde.


Zurück

Selbstgefährdung

Ein medizinisch-rechtlicher Begriff, der eine erhebliche Gefahr für die eigene körperliche Unversehrtheit oder das Leben einer Person beschreibt. Im Vollstreckungsrecht kann eine konkrete Selbstgefährdung einen wichtigen Grund für einen Räumungsaufschub darstellen (§ 765a ZPO). Die Gefährdung muss durch ärztliche Atteste oder Gutachten nachgewiesen werden. Beispiel: Eine akute Suizidgefahr aufgrund einer schweren Depression, die durch eine Zwangsräumung ausgelöst oder verstärkt werden könnte.


Zurück

Medizinisches Sachverständigengutachten

Eine fachärztliche Beurteilung des Gesundheitszustands einer Person durch einen gerichtlich bestellten Experten. Im Räumungsschutzverfahren dient es als Beweismittel zur Einschätzung gesundheitlicher Risiken (§ 402 ff. ZPO). Das Gutachten muss aktuell sein und konkrete Aussagen über mögliche Gesundheitsgefahren durch die Räumung enthalten. Beispiel: Ein psychiatrisches Gutachten, das die Suizidgefahr bei Durchführung einer Zwangsräumung beurteilt.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG): Dieser Artikel garantiert das rechtliche Gehör, das bedeutet, dass jeder Beteiligte in einem Gerichtsverfahren die Möglichkeit haben muss, seine Argumente und Beweise vollständig darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, die vorgebrachten Ausführungen der Parteien zu berücksichtigen und in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör kann zur Aufhebung eines Urteils führen.
    Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht das rechtliche Gehör der Schuldnerin verletzt, da es ihre Beschwerdegründe nicht hinreichend geprüft und berücksichtigt hat. Dies führte dazu, dass die Entscheidung zur Nichtabhilfe zurückverwiesen werden musste.
  • Zivilprozessordnung (ZPO) § 567 Abs. 1 Nr. 1: Diese Vorschrift regelt die sofortige Beschwerde, die gegen Entscheidungen eingelegt werden kann, die das Recht auf Abhilfe betreffen. Die sofortige Beschwerde ist im Rahmen gerichtlicher Entscheidungen wirksam, die in der Sache für den Beschwerdeführer nicht endgültig sind.
    Die Schuldnerin hat fristgerecht eine sofortige Beschwerde gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eingelegt, um gegen den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vorzugehen. Diese Beschwerde wurde als zulässig und erfolgversprechend eingestuft.
  • Zivilprozessordnung (ZPO) § 572: Diese Regelung betrifft das Abhilfeverfahren, das angewendet wird, wenn das erstinstanzliche Gericht in einem Beschwerdeverfahren die Beschwerdegründe nicht ausreichend prüft. Das Abhilfeverfahren verpflichtet das Gericht, die Beschwerdegründe detailliert zu analysieren und zu begründen, warum eine Entscheidung nicht geändert wird.
    Im Fall der Schuldnerin hat das Amtsgericht dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, da es die Beschwerdegründe nicht hinreichend geprüft hat. Dadurch wurde das Verfahren aufgrund eines Verfahrensmangels zur erneuten Prüfung zurückverwiesen.
  • Zivilprozessordnung (ZPO) § 300: Dieser Paragraph bestimmt den Streitwert, der die Grundlage für die Berechnung der Gerichtskosten darstellt. Der Streitwert orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse der Parteien und beeinflusst maßgeblich die Kosten des Verfahrens.
    Im Beschwerdeverfahren der Schuldnerin wurde der Streitwert auf 46.600 Euro festgesetzt, was die Grundlage für die Kostenregelung und die Kostenentscheidung in diesem Verfahren bildete.
  • Zivilprozessordnung (ZPO) §§ 91–109 – Gerichtskosten: Diese Vorschriften regeln die Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten in Zivilverfahren. Sie bestimmen, wer welche Kosten tragen muss, abhängig vom Ausgang des Verfahrens und der Beteiligung der Parteien.
    In dem vorliegenden Fall trägt der Gläubiger die außergerichtlichen Kosten, die der Schuldnerin durch das Beschwerdeverfahren entstanden sind. Ebenso wurden keine Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren erhoben, was durch die entsprechenden ZPO-Regelungen ermöglicht wurde.

Das vorliegende Urteil


LG Ravensburg – Az.: 1 T 17/24 – Beschluss vom 16.05.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Wie können wir Ihnen helfen?

Wir sind Ihr Ansprechpartner in allen rechtlichen Angelegenheiten. Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Ersteinschätzung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!