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Haftpflichtversicherung – Abzug Alt für Neu für beschädigte Brille bei abweichenden Dioptrienwerten

LG Osnabrück – Az.: 9 S 161/19 – Beschluss vom 27.09.2019

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht Meppen hat im Ergebnis zutreffende rechtliche Folgerungen gezogen, die durch das Vorbringen in der Berufungsbegründung nicht erschüttert werden. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der Regelung zu §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Dazu im Einzelnen:

1.

Die Kammer ist an die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts Meppen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Zur Überzeugung der Kammer ergeben sich weder aus den Urteilsgründen noch aus dem Akteninhalt oder der Berufungsbegründung Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen.

Insbesondere ist dem Amtsgericht keine fehlerhafte Bewertung der durchgeführten Beweisaufnahme vorzuwerfen. Das Amtsgericht Meppen hat im Wege der Rechtshilfe die Geschädigte N. als Zeugin durch das Amtsgericht Bruchsal vernehmen lassen. Nach der Aussage der Zeugin N. ist der Kläger auf ihre am Boden liegende Brille getreten, wodurch diese beschädigt worden ist. Ferner hat die Zeugin angegeben, dass der Kläger an sie einen Betrag in Höhe von 650,00 € gezahlt habe.

Diese amtsgerichtliche Beweiswürdigung, welche in der Berufungsinstanz ohnehin nur einer eingeschränkten Kontrolle unterliegt, ist auch für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Zwar verhält sich das Amtsgericht Meppen in seiner Urteilsgründen nicht zur Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Zeugin beziehungsweise deren Aussage. Offensichtlich bestehen für das Amtsgericht Meppen keine Zweifel an den Angaben der Zeugin, so dass dementsprechende Angaben nicht veranlasst waren. Seitens der Beklagten sind weder erstinstanzlich noch im Rahmen der Berufungsbegründung zu der Aussage der Zeugin N. substantiierte Einwendungen erhoben worden.

Dem Amtsgericht Meppen ist auch nicht anzulasten, dass weiterer Beweis hätte erhoben werden müssen durch eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen M. beziehungsweise durch die Einholung eines Obergutachtens im Sinne der Regelung zu § 412 ZPO.

Der Sachverständige M. ist mündlich gehört worden. Die Parteien haben Gelegenheit erhalten, dem Sachverständigen Fragen zu stellen beziehungsweise Vorhaltungen zu machen. Der Sachverständige hat im Rahmen der persönlichen Anhörung ausgeführt, dass seine Feststellungen zum Zustand der Brillengläser beziehungsweise des Brillengestells auf Vermutungen und seiner beruflichen Erfahrung beruhen. Er selber habe die beschädigte Brille nicht gesehen. Die Äußerungen zum Alter der Brille decken sich ferner mit den Angaben der geschädigten Zeugin. Schließlich geben die mündlichen Ausführungen zur Refraktion und der dadurch bedingten Frage, welcher Vorteil für die Sehfähigkeit der Geschädigten N. durch neue Brillengläser eintritt, auch keinen Anlass für begründete Zweifel, welche eine weitere Beweiserhebung erforderlich machen.

Soweit die Beklagte nunmehr im Rahmen der Berufungsbegründung durch die Einholung eines Privatgutachtens meint, Einwendungen und Fehler gegen die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu erheben, folgt dem die Kammer nicht. Die Parteien haben im Rahmen der Anhörung des Sachverständigen die Möglichkeit erhalten, Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen zu erheben. Die Beklagte hat im Rahmen des Verfahrens vor dem Amtsgericht Meppen jedoch eine Stellungnahme zu den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen nicht abgegeben.

2.

Haftpflichtversicherung – Abzug Alt für Neu für beschädigte Brille bei abweichenden Dioptrienwerten
(Symbolfoto: Dima Sobko/Shutterstock.com)

Das angegriffene Urteil ist im Ergebnis auch nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 650,00 € aus dem Versicherungsschein in Verbindung mit Ziffer 5.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, im Folgenden AHB. Danach hat der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Kosten, die zur Abwendung einer berechtigten Schadensersatzforderung erforderlich sind.

Auf Grundlage der amtsgerichtlichen Feststellungen zum Haftungsgrund ist auch die Anspruchshöhe – unberücksichtigt der Einwendungen zu den Feststellungen zum Sachverständigengutachten – nicht zu beanstanden. Ob bei der Beschädigung einer Brille ein Abzug Neu für Alt zu erfolgen hat, ist umstritten, vgl. hierzu OLG Nürnberg NJW-RR 2016, 593. Ein Abzug Neu für Alt ist nur dann gerechtfertigt, wenn durch den Ersatz der gebrauchten durch eine neuwertige Sache eine messbare Vermögensmehrung eingetreten ist, die sich für den Geschädigten als wirtschaftlich vorteilhaft auswirkt und daher einen Vorteil des Schadensausgleiches darstellt. Ferner muss der Vorteilsausgleich für den Geschädigten zumutbar sein. Bei der Bestimmung des Abzuges ist somit zu berücksichtigen, dass es für gebrauchte Brillen keinen Zweitmarkt gibt, so dass diesen kein Wiederveräußerungswert beigemessen werden kann. Brillen unterliegen aber Gebrauchserscheinungen, wie zum Beispiel Kratzern auf den Gläsern, welche eine Neuanschaffung erforderlich machen. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass bei veränderten Sehstärken eine Neuanschaffung erforderlich sein kann. Allerdings ist eine Brille ein Gegenstand, der einen sofortigen Neuerwerb erforderlich macht. Ein Ausweichen auf ein Gebrauchtmodell ist wegen der spezifischen Eigenart der jeweiligen Brille allerdings nicht möglich. Der Geschädigte hat mithin keine Dispositionsfreiheit, ob und wann er sich einen Ersatz beschafft, vgl. LG Koblenz, Urteil vom 26. Februar 2016, Geschäftszeichen 2 O 290/14, zit. BeckRS 2016, 130475. Diese Erwägungen sind bei einem Abzug im Sinne des Vorteilsausgleiches mit zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dessen ist der ausgeurteilte Betrag von 650,00 € nicht zu beanstanden. Die Zeugin N. hat angegeben, dass ihre alte Brille ihr „sehr gute Dienste“ erbracht habe. Es habe nicht die Absicht bestanden, die Brille zu wechseln. Diese Ausführungen sind unbeanstandet geblieben. Der Geschädigten ist mithin im Sinne der vorstehenden Ausführungen ein Ersatzgegenstand aufgedrängt worden. Sie hätte die Brille im Alltag noch nach eigenen Angaben eine geraume Zeit weiter tragen können.

Den eingereichten Stellungnahmen des Herrn R. ist ferner nicht zu entnehmen, das für die Geschädigte N. die Anschaffung einer Brille mit neuen Gläsern unumgänglich war. Individuelle Messungen der Sehfähigkeit hat auch Herr R. nicht vorgenommen. Die behauptete Sehverbesserung von 25 Prozent beruht lediglich auf Schätzwerten.

Zwar mögen neue Gläserstärken wegen veränderter Dioptrienwerte indiziert gewesen sein. Die Zeugin N. wäre jedoch nicht zum ad hoc Erwerb einer Brille gezwungen worden, welche ihr nach eigenen Angaben beim Sehen Schwierigkeiten verursacht. Hierbei ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Brille nach den Angaben der Zeugin N. erst zweieinhalb Jahre alt war.

Die Kammer weist darauf hin, dass allein auf Grund des Zustandes der Gläser ein Rückschluss auf deren Alter nicht statthaft ist. Der Zustand eines Brillenglases hängt bekannter Weise davon ab, wie der Brillenträger mit seiner Sehhilfe umgeht beziehungsweise welche äußeren Einflüssen die Brille, wie zum Beispiel durch den Beruf des Brillenträgers, ausgesetzt ist.

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Geschädigte durch einen weiteren Abzug als auf einen Betrag von 650,00 € bevorteilt ist.

Demnach hat die Beklagte aufgrund der Vereinbarungen in den Versicherungsbedingungen an den Kläger, wie das Amtsgericht Meppen im Ergebnis zutreffend meint, diesen Betrag zu leisten.

Ebenso wenig sind die amtsgerichtlichen Ausführungen zu den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie zu den geltend gemachten Zinsen zu beanstanden.

II.

Da der Rechtsstreit auf im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung der Kammer erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, wird die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen sein. Der Beklagten ist aber zuvor Gelegenheit zu geben, Stellung zu nehmen und gegebenenfalls zur Einsparung weiterer Kosten die Berufung zurückzunehmen.

 

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