Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Der Fall vor Gericht
- 2.1 OLG Hamm Urteil: Kommune haftet für Motorradschaden durch fehlerhafte Fahrbahnschwelle – Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
- 2.2 Ausgangslage: Motorradfahrer erleidet Schaden durch Aufsetzen auf Fahrbahnschwelle der Stadt
- 2.3 Streitpunkt Verkehrssicherungspflicht: War die Fahrbahnschwelle eine unzulässige Gefahrenstelle?
- 2.4 Entscheidung des OLG Hamm: Stadt haftet teilweise für den Motorradschaden
- 2.5 Urteilsbegründung: Fehlerhafte Konstruktion der Fahrbahnschwelle begründet Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
- 2.6 Kein Mitverschulden des Motorradfahrers an dem Unfall
- 2.7 Anrechnung der Betriebsgefahr: Motorradfahrer trägt Teil des Schadens selbst
- 2.8 Konkrete Schadensberechnung und Abzüge: Reparatur, Gutachten, aber kein Nutzungsausfall
- 2.9 Kosten des Rechtsstreits und keine Zulassung der Revision
- 3 Die Schlüsselerkenntnisse
- 4 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 4.1 Welche Pflichten hat eine Kommune bezüglich der Sicherheit von Straßen und Wegen?
- 4.2 Was bedeutet „Verkehrsberuhigung“ im rechtlichen Sinne und welche Grenzen gibt es?
- 4.3 Wie wird festgestellt, ob eine Fahrbahnschwelle „fehlerhaft“ konstruiert ist?
- 4.4 Welche Rolle spielt die „angepasste Fahrweise“ bei der Beurteilung der Haftung?
- 4.5 5. Welche Arten von Schäden können bei einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geltend gemacht werden?
- 5 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 6 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 7 Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: I-11 U 163/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Hamm
- Datum: 11.03.2022
- Aktenzeichen: I-11 U 163/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Verkehrssicherungspflicht, Schadensersatz
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Fahrer eines Motorrades, dessen Fahrzeug beim Überfahren einer Fahrbahnschwelle beschädigt wurde. Er behauptet, die Schwelle sei fehlerhaft gewesen, und forderte Schadensersatz. Er legte Berufung gegen die erstinstanzliche Klageabweisung ein.
- Beklagte: Die Kommune, in deren Stadtgebiet die beschädigende Fahrbahnschwelle errichtet wurde.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Am 10. Juni 2017 fuhr der Kläger mit seinem Motorrad über eine von der Beklagten errichtete Fahrbahnschwelle zur Verkehrsberuhigung. Dabei setzte das Motorrad auf der Schwelle auf und wurde beschädigt.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Streitpunkt war, ob die Beklagte (Kommune) ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte, indem sie eine ihrer Ansicht nach mangelhaft konstruierte Fahrbahnschwelle errichtete. Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht Hamm änderte das Urteil des Landgerichts Münster teilweise ab. Die Beklagte (Kommune) wurde verurteilt, an den Kläger 2.532,28 Euro nebst Zinsen als Schadensersatz zu zahlen. Die Beklagte wurde auch zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten an eine Versicherung (Z-AG) verurteilt.
- Begründung: Das Gericht bejahte einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte. Die Fahrbahnschwelle wurde als falsch konstruiert und als Gefahrenstelle für Motorradfahrer eingestuft. Dies wurde durch ein Sachverständigengutachten und die Nichtübereinstimmung mit einschlägigen Richtlinien (RASt 06) begründet.
- Folgen: Die Beklagte (Kommune) haftet für 70% des dem Kläger entstandenen Schadens. Die restlichen 30% des Schadens muss der Kläger selbst tragen, da ihm die Betriebsgefahr seines Motorrades angerechnet wurde. Die Kosten des Rechtsstreits wurden entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen verteilt.
Der Fall vor Gericht
OLG Hamm Urteil: Kommune haftet für Motorradschaden durch fehlerhafte Fahrbahnschwelle – Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass eine Stadt teilweise für den Schaden an einem Motorrad haftet, der durch das Überfahren einer mangelhaft konstruierten Fahrbahnschwelle entstanden ist.

Die Entscheidung mit dem Aktenzeichen I-11 U 163/21 vom 11. März 2022 betont die Verantwortung von Kommunen für die Sicherheit von Verkehrswegen und die Grenzen bei der Gestaltung von Elementen zur Verkehrsberuhigung.
Ausgangslage: Motorradfahrer erleidet Schaden durch Aufsetzen auf Fahrbahnschwelle der Stadt
Am 10. Juni 2017 ereignete sich der Vorfall, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt. Ein Motorradfahrer war gegen 13:00 Uhr mit seinem serienmäßigen Motorrad auf der Inselstraße im Gebiet der beklagten Stadt unterwegs. Sein Fahrzeug, Modell KR01, wies eine übliche Bodenfreiheit von etwa 10 Zentimetern auf. Die Stadt hatte auf dieser Straße zur Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit eine Fahrbahnschwelle installiert. Beim Überqueren dieses Hindernisses setzte das Motorrad des Fahrers, genauer gesagt der Hauptständer, auf der Schwelle auf. Dies führte zu erheblichen Beschädigungen am Motorrad. Der Fahrer war der Ansicht, die Schwelle sei konstruktiv fehlerhaft gewesen und habe somit eine unzulässige Gefahrenquelle dargestellt. Er forderte daraufhin Schadensersatz von der verantwortlichen Stadt. Das Landgericht Münster hatte seine Klage zunächst abgewiesen, woraufhin der Motorradfahrer Berufung beim OLG Hamm einlegte.
Streitpunkt Verkehrssicherungspflicht: War die Fahrbahnschwelle eine unzulässige Gefahrenstelle?
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob die beklagte Stadt ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Diese Pflicht ergibt sich für Träger der Straßenbaulast, wie Kommunen, aus verschiedenen gesetzlichen Regelungen, darunter § 839 BGB (Amtshaftung) in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz sowie den einschlägigen Landesstraßengesetzen (§§ 9, 9a, 47 StrWG NW). Die Verkehrssicherungspflicht verlangt, dass Straßen und Wege so gestaltet und unterhalten werden, dass Verkehrsteilnehmer bei normaler Sorgfalt nicht zu Schaden kommen.
Die Stadt hatte die Fahrbahnschwelle unstrittig zur Verkehrsberuhigung angelegt. Grundsätzlich ist die Errichtung solcher Hindernisse erlaubt, um gewünschte Fahrverhalten zu fördern. Allerdings dürfen diese Hindernisse nicht selbst zur Gefahr werden. Sie müssen so beschaffen sein, dass Fahrzeuge sie bei angepasster Fahrweise und verkehrsgerechtem Verhalten ohne Beschädigung überfahren können. Das Gericht betonte, dass Kostenerwägungen bei der Wahl der Mittel zur Verkehrsberuhigung nur dann eine Rolle spielen dürfen, wenn verschiedene, gleich gut geeignete und sichere Alternativen zur Verfügung stehen. Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer hat Vorrang. Der Motorradfahrer argumentierte, genau diese Sicherheit sei durch die spezifische Bauart der Schwelle nicht gewährleistet gewesen.
Entscheidung des OLG Hamm: Stadt haftet teilweise für den Motorradschaden
Das Oberlandesgericht Hamm kam zu dem Schluss, dass die Berufung des Motorradfahrers teilweise begründet ist und änderte das Urteil des Landgerichts Münster entsprechend ab. Die Stadt wurde zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Konkret muss die Kommune dem Motorradfahrer 2.532,28 Euro zuzüglich Zinsen zahlen. Darüber hinaus wurde die Stadt verurteilt, die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Versicherung des Klägers in Höhe von 367,23 Euro nebst Zinsen zu übernehmen. Die weitergehenden Forderungen des Motorradfahrers wurden jedoch abgewiesen. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits wurden zwischen den Parteien aufgeteilt: Der Motorradfahrer trägt 30 Prozent, die beklagte Stadt 70 Prozent der Kosten.
Urteilsbegründung: Fehlerhafte Konstruktion der Fahrbahnschwelle begründet Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
Das Gericht begründete seine Entscheidung ausführlich und stützte sich dabei maßgeblich auf die Feststellungen eines Sachverständigen und anerkannte technische Regelwerke. Zunächst stellte das Gericht fest, dass der Schaden am Motorrad zweifelsfrei durch das Aufsetzen auf der Fahrbahnschwelle verursacht wurde. Der Motorradfahrer hatte den Unfallhergang in seiner Anhörung glaubhaft und nachvollziehbar geschildert. Diese Schilderung wurde durch die Gutachten des Sachverständigen A bestätigt, der die Schäden am Motorrad schlüssig auf das Aufsetzen zurückführte und andere Ursachen ausschließen konnte.
Entscheidend war die Bewertung der Fahrbahnschwelle selbst. Das OLG Hamm kam zu dem Ergebnis, dass die Stadt ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, indem sie eine mangelhaft konstruierte Fahrbahnschwelle errichtet und unterhalten hat. Das Gericht bezeichnete die Schwelle als „falsch konstruiert“ und somit als „abhilfebedürftige Gefahrenstelle für Motorradfahrer“. Das Problem lag in der spezifischen Geometrie der Schwelle: Sie war so gestaltet, dass sie für Fahrzeuge mit geringer Bodenfreiheit, wie das betroffene Motorrad, eine besondere Gefahr darstellte. Bei solchen Fahrzeugen kann die Schwelle zwischen Vorder- und Hinterrad vollständig als Hindernis wirken, was das Aufsetzen des Fahrzeugunterbodens ermöglicht oder sogar provoziert.
Da die Inselstraße für den allgemeinen Fahrzeugverkehr freigegeben war, musste die Stadt auch damit rechnen, dass sie von Motorrädern befahren wird. Sie hätte die Schwelle daher so gestalten müssen, dass auch diese Fahrzeuge sie gefahrlos passieren können.
Das Gericht stützte seine Überzeugung von der Fehlerhaftigkeit der Konstruktion maßgeblich auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen A. Dieser hatte in seinen Gutachten, unter anderem durch praktisches Nachstellen am Unfallort, demonstriert und fotografisch dokumentiert, dass das Motorrad des Klägers mit seiner Bodenfreiheit von ca. 10 cm tatsächlich auf der Schwelle aufsetzen konnte. Allein die Tatsache, dass ein Aufsetzen physisch möglich war, wertete das Gericht als Beleg für eine unzureichende und damit pflichtwidrige Errichtung.
Zusätzlich zog das Gericht die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) heran, die in Nordrhein-Westfalen als verbindliches technisches Regelwerk gelten. Diese Richtlinien sehen eine Fahrbahnschwelle der hier verwendeten Art und Dimensionierung nicht vor. Für vergleichbare bauliche Elemente wie Teilaufpflasterungen schreiben die RASt 06 eine Mindestlänge des horizontalen Plateaubereichs von 5 Metern vor. Diese Länge soll sicherstellen, dass auch längere Fahrzeuge oder solche mit geringer Bodenfreiheit nicht zwischen den Achsen aufsetzen. Die von der beklagten Stadt errichtete Schwelle mit ihrer Höhe von 9 bis 10 cm und ihrer kurzen Ausdehnung erfüllte diese Anforderung nicht. Ihre Geometrie führte dazu, dass das Vorderrad des Motorrads bereits wieder die abfallende Rampe befuhr, während das Hinterrad die Schwelle noch nicht vollständig erklommen hatte, was das kritische Aufsetzen in der Fahrzeugmitte ermöglichte. Die Konstruktion entsprach somit nicht den anerkannten Regeln der Technik.
Kein Mitverschulden des Motorradfahrers an dem Unfall
Das Gericht prüfte auch, ob dem Motorradfahrer ein Mitverschulden an dem Unfall gemäß § 254 Abs. 1 BGB anzulasten ist. Ein solches Mitverschulden hätte zu einer Kürzung oder sogar zum vollständigen Ausschluss seines Schadensersatzanspruchs führen können. Das OLG Hamm verneinte jedoch ein vorwerfbares Fehlverhalten des Fahrers. Es sei ihm nicht anzulasten, dass er die fehlerhafte Konstruktion der Schwelle und das damit verbundene Gefahrenpotenzial nicht erkannt habe. Als Verkehrsteilnehmer durfte er grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Stadt als zuständige Behörde die Fahrbahnschwelle ordnungsgemäß und gefahrlos errichtet hat. Ein durchschnittlicher Fahrer ist nicht verpflichtet, jedes bauliche Element auf mögliche Konstruktionsfehler hin zu untersuchen.
Auch ein konkreter Verkehrsverstoß, wie etwa eine überhöhte Geschwindigkeit, konnte dem Fahrer nicht nachgewiesen werden. Zwar galt im Bereich der Schwelle vermutlich eine reduzierte Geschwindigkeit (oft Schrittgeschwindigkeit), aber der Sachverständige A hatte durch das langsame Hinaufschieben des Motorrades auf die Schwelle gezeigt, dass das Aufsetzen auch bei sehr geringer Geschwindigkeit möglich war. Eine überhöhte Geschwindigkeit war somit nicht die entscheidende Ursache für den Schaden.
Anrechnung der Betriebsgefahr: Motorradfahrer trägt Teil des Schadens selbst
Obwohl dem Fahrer kein Verschulden nachgewiesen wurde, musste er sich dennoch einen Teil seines Schadens selbst zurechnen lassen. Dies geschah über die sogenannte Betriebsgefahr des Motorrades, die gemäß §§ 9 StVG (Straßenverkehrsgesetz), 254 BGB bei der Schadensabwägung zu berücksichtigen ist. Die Betriebsgefahr beschreibt das generelle Risiko, das vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht, unabhängig von einem Verschulden des Fahrers.
Das Gericht argumentierte, dass der Unfall für den Motorradfahrer kein unabwendbares Ereignis darstellte. Ein „Idealfahrer“, also ein besonders umsichtiger und vorausschauender Fahrer, hätte die spezifische Gefahr der Schwelle möglicherweise erkennen und ihr ausweichen können, zum Beispiel durch seitliches Umfahren, sofern dies möglich und zulässig gewesen wäre. Da diese theoretische Möglichkeit bestand, war der Unfall nicht gänzlich unabwendbar.
Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge wog das Gericht die fehlerhafte Konstruktion der Schwelle durch die Stadt als schwerwiegender ein als die reine Betriebsgefahr des Motorrades. Es legte eine Haftungsquote fest: Die Stadt trägt aufgrund ihrer Pflichtverletzung den Hauptanteil des Schadens (75%), während der Motorradfahrer aufgrund der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs 25% seines Schadens selbst tragen muss.
Konkrete Schadensberechnung und Abzüge: Reparatur, Gutachten, aber kein Nutzungsausfall
Auf Basis dieser Haftungsquote von 75% zu Lasten der Stadt berechnete das Gericht den zu zahlenden Schadensersatz. Der Gesamtschaden des Motorradfahrers wurde wie folgt ermittelt:
- Reparaturkosten laut Rechnung der Firma K: 2.029,35 Euro.
- Kosten für ein Ersatzgetriebe von Firma R: 400,00 Euro.
- Eine Unkostenpauschale für allgemeine Aufwendungen (Telefon, Porto etc.): 25,00 Euro (geschätzt nach § 287 ZPO).
- Kosten für das erste Schadensgutachten des Sachverständigen A vom 20.06.2017: 571,56 Euro.
- Kosten für eine ergänzende Plausibilitätsprüfung durch denselben Sachverständigen vom 04.10.2019, die zur Prozessvorbereitung notwendig war: 350,46 Euro.
Der Gesamtschaden belief sich somit auf 3.376,37 Euro. Davon muss die Stadt 75% ersetzen, was dem zugesprochenen Betrag von 2.532,28 Euro entspricht.
Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Reparatur wurde dem Motorradfahrer jedoch nicht zugesprochen. Er hatte selbst angegeben, während dieser Zeit über einen Pkw verfügt zu haben. Nach gängiger Rechtsprechung liegt eine „fühlbare“ Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit, die Voraussetzung für einen Nutzungsausfallanspruch ist, in der Regel nicht vor, wenn ein alternatives Fortbewegungsmittel zur Verfügung steht.
Die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Anwaltskosten wurden entsprechend dem Wert des zugesprochenen Schadensersatzes berechnet und beliefen sich auf 367,23 Euro. Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung und die Anwaltskosten ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen zum Verzug (§§ 280, 286 BGB).
Kosten des Rechtsstreits und keine Zulassung der Revision
Die Entscheidung über die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits erfolgte nach § 92 Abs. 1 ZPO. Da beide Parteien teilweise gewonnen und teilweise verloren haben, wurden die Kosten entsprechend ihrer jeweiligen Obsiegens- und Unterliegensquoten verteilt (70% für die Stadt, 30% für den Motorradfahrer). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils basiert auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Das OLG Hamm hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Es sah keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder Notwendigkeit einer Entscheidung durch das höchste deutsche Zivilgericht zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 ZPO). Die Entscheidung ist somit rechtskräftig, sofern keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und erfolgreich durchgeführt wird.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Kommunen bei verkehrsberuhigenden Maßnahmen wie Fahrbahnschwellen für deren sichere Konstruktion verantwortlich sind und bei Verletzung dieser Verkehrssicherungspflicht für entstandene Fahrzeugschäden haften können. Besonders relevant ist die Erkenntnis, dass Fahrbahnschwellen so gestaltet sein müssen, dass alle zugelassenen Fahrzeuge sie ohne Beschädigung überqueren können, wobei technische Regelwerke wie die RASt 06 als verbindlicher Maßstab gelten. Die Entscheidung stärkt die Rechte von Verkehrsteilnehmern gegenüber Kommunen und könnte dazu führen, dass Städte ihre verkehrsberuhigenden Einrichtungen überprüfen und gegebenenfalls nachbessern müssen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Pflichten hat eine Kommune bezüglich der Sicherheit von Straßen und Wegen?
Kommunen, also Städte und Gemeinden, haben eine wichtige Pflicht, wenn es um die Sicherheit der Straßen, Wege und Plätze geht, die in ihrer Zuständigkeit liegen. Diese Pflicht wird als Verkehrssicherungspflicht bezeichnet.
Was bedeutet Verkehrssicherungspflicht?
Im Kern bedeutet die Verkehrssicherungspflicht, dass die Kommune die für den öffentlichen Verkehr bestimmten Wege, Straßen und Plätze in einem Zustand erhalten muss, der eine sichere Benutzung im Rahmen ihrer Bestimmung ermöglicht. Es geht darum, die Nutzer vor Gefahren zu schützen, die für sie nicht vorhersehbar oder vermeidbar sind.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen oder fahren auf einem öffentlichen Weg. Sie erwarten, dass dieser Weg in einem allgemein üblichen und sicheren Zustand ist. Die Kommune muss durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass dies der Fall ist, soweit es zumutbar ist.
Welche Gesetze sind relevant?
Die Grundlage für diese Pflicht findet sich in verschiedenen Gesetzen:
- Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) legt im § 839 BGB eine allgemeine Haftung des Staates (und damit auch der Kommune als Teil des Staates) für die Verletzung von Amtspflichten fest, wozu auch die Verkehrssicherungspflicht gehört.
- Die genauen Zuständigkeiten und Pflichten sind außerdem in den jeweiligen Landesstraßengesetzen der Bundesländer geregelt. Diese Gesetze bestimmen, wer für welche Art von Straße (z.B. Bundesstraße, Landesstraße, Gemeindestraße) verantwortlich ist. Für Gemeindestraßen und oft auch für Gehwege ist das in der Regel die Kommune.
Was gehört zur Verkehrssicherung?
Die Verkehrssicherungspflicht umfasst verschiedene Maßnahmen, aber nicht die Garantie einer absoluten Gefahrenfreiheit. Es geht um den Schutz vor ungewöhnlichen oder unerwarteten Gefahren. Dazu können gehören:
- Regelmäßige Kontrollen: Die Kommune muss Straßen und Wege in angemessenen Abständen überprüfen, um mögliche Gefahrenstellen zu erkennen (z.B. große Schlaglöcher, lockere Gehwegplatten, Schäden an Brücken). Die Häufigkeit der Kontrollen hängt von der Bedeutung des Weges und dem Grad der möglichen Gefahr ab.
- Beseitigung von Gefahren: Erkannte Gefahren müssen beseitigt oder zumindest abgesichert werden. Ein tiefes Schlagloch muss repariert, ein Ast, der auf den Weg zu stürzen droht, entfernt oder zumindest der Bereich gesperrt werden.
- Warnung vor Gefahren: Wenn eine Gefahr nicht sofort beseitigt werden kann, muss die Kommune davor warnen, zum Beispiel durch Schilder bei einer Baustelle oder bei Glatteis.
Die Kommune muss dabei nur solche Gefahren sichern, die ein durchschnittlicher, aufmerksamer Verkehrsteilnehmer nicht ohne Weiteres erkennen oder vermeiden kann. Normale, hinzunehmende Unebenheiten oder witterungsbedingte Gefahren wie leichter Schneefall oder Laubfall fallen in der Regel nicht unter die Pflicht, solange keine besondere, ungewöhnliche Gefahr entsteht.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Kommune hat die Pflicht, die ihr unterstehenden öffentlichen Verkehrsflächen in einem Zustand zu halten, der für den normalen Gebrauch ausreichend sicher ist, um Nutzer vor vermeidbaren und nicht offensichtlichen Gefahren zu schützen.
Was bedeutet „Verkehrsberuhigung“ im rechtlichen Sinne und welche Grenzen gibt es?
„Verkehrsberuhigung“ meint im rechtlichen Sinne Maßnahmen, die von zuständigen Behörden, meist Kommunen, ergriffen werden, um den Verkehr in bestimmten Bereichen zu verlangsamen oder einzudämmen. Das übergeordnete Ziel ist dabei oft, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, Lärm und Abgase zu reduzieren und die Lebensqualität für Anwohner zu verbessern. Solche Maßnahmen basieren in Deutschland auf den Regelungen der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), insbesondere auf § 45 StVO, der den Behörden grundsätzlich erlaubt, Verkehrszeichen aufzustellen und Verkehrseinrichtungen anzuordnen, um die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs zu gewährleisten.
Grenzen verkehrsberuhigender Maßnahmen
Obwohl Kommunen weitreichende Befugnisse zur Verkehrsgestaltung haben, sind diese nicht unbegrenzt. Die Maßnahmen müssen rechtmäßig sein und dürfen keine unnötige oder unerwartete Gefahr für Verkehrsteilnehmer darstellen. Zwei zentrale rechtliche Prinzipien setzen hierfür den Rahmen:
Verhältnismäßigkeit
Eine verkehrsberuhigende Maßnahme muss verhältnismäßig sein. Das bedeutet:
- Sie muss geeignet sein, das angestrebte Ziel (z.B. Geschwindigkeitsreduzierung, erhöhte Sicherheit) zu erreichen.
- Sie muss erforderlich sein, das heißt, es darf kein milderes, aber gleich wirksames Mittel geben.
- Sie darf nicht übermäßig belastend sein. Der Nachteil für den Verkehr (z.B. längere Fahrzeit, Beeinträchtigung bestimmter Fahrzeugtypen) darf nicht außer Verhältnis zum angestrebten Vorteil (z.B. erhöhte Sicherheit für Fußgänger) stehen.
Stellen Sie sich eine Bodenschwelle vor: Sie ist geeignet, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Sie ist erforderlich, wenn andere Mittel wie Schilder allein nicht wirken. Sie ist aber nur verhältnismäßig, wenn ihre Höhe und Form so gestaltet sind, dass sie bei angemessener Geschwindigkeit sicher überfahren werden kann und nicht zu unnötigen Schäden an Fahrzeugen führt oder Rettungsdienste übermäßig behindert.
Erkennbarkeit
Verkehrsberuhigende Maßnahmen müssen für die Verkehrsteilnehmer erkennbar sein.
- Sie müssen deutlich gekennzeichnet oder gestaltet sein, sodass ein aufmerksamer Fahrer sie rechtzeitig wahrnehmen kann.
- Sie dürfen nicht überraschend oder versteckt sein.
Eine Bodenschwelle muss beispielsweise in der Regel durch ein Verkehrszeichen angekündigt werden. Auch die Gestaltung selbst, wie die farbliche Hervorhebung, trägt zur Erkennbarkeit bei. Eine Maßnahme, die bei normaler Aufmerksamkeit nicht erkennbar ist und dadurch zur Gefahr wird, kann rechtswidrig sein.
Für Sie als Verkehrsteilnehmer bedeutet das: Maßnahmen wie Bodenschwellen, Fahrbahnverengungen oder auch die Einrichtung von Tempo-30-Zonen sind rechtlich zulässig, müssen aber so gestaltet und gekennzeichnet sein, dass sie ihren Zweck erfüllen, ohne selbst zur Gefahr zu werden und die Verkehrsteilnehmer unangemessen zu behindern.
Wie wird festgestellt, ob eine Fahrbahnschwelle „fehlerhaft“ konstruiert ist?
Um festzustellen, ob die Konstruktion einer Fahrbahnschwelle fehlerhaft ist, betrachtet man im Wesentlichen zwei Hauptbereiche: die Einhaltung technischer Standards und Richtlinien und die Bewertung durch technische Sachverständige.
Technische Standards und Richtlinien als Maßstab
Für den Bau von Straßen und deren Bestandteilen, wie auch Fahrbahnschwellen, gibt es in Deutschland anerkannte technische Regeln und Richtlinien. Diese werden oft von spezialisierten Forschungseinrichtungen erarbeitet (zum Beispiel von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGSV). Darin sind detaillierte Vorgaben enthalten, etwa zur Höhe, Form, Länge oder Steigung von Schwellen. Auch Aspekte der Sichtbarkeit (z.B. durch Markierungen oder Schilder) sind dort geregelt.
Eine Fahrbahnschwelle, die von diesen verbindlichen oder empfohlenen Standards erheblich abweicht, kann bereits aufgrund dieser Abweichung als potenziell fehlerhaft angesehen werden. Diese Regeln dienen dazu, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und Risiken für Verkehrsteilnehmer zu minimieren.
Die Rolle von Sachverständigen
Ob eine Schwelle im Einzelfall tatsächlich als „fehlerhaft“ im Sinne einer Gefahrenquelle gilt, wird oft mithilfe von technischen Sachverständigen beurteilt. Stellen Sie sich einen Sachverständigen wie einen Experten vor, der das nötige Fachwissen über Straßenbau, Verkehrstechnik und die geltenden Regeln hat.
Der Sachverständige begutachtet die betreffende Fahrbahnschwelle vor Ort. Er misst die relevanten Maße, prüft die Materialien und die Sichtbarkeit. Dabei vergleicht er die vorgefundene Situation mit den oben genannten technischen Standards und Richtlinien.
In einem technischen Gutachten fasst der Sachverständige seine Feststellungen und seine fachliche Bewertung zusammen. Er kann beurteilen, ob die Konstruktion von den Regeln abweicht und ob diese Abweichung eine unzumutbare Gefahr für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer darstellt. Auch wenn formale Standards eingehalten sind, kann ein Sachverständiger beurteilen, ob die Schwelle unter den gegebenen Umständen (z.B. bei schlechten Lichtverhältnissen, fehlenden Warnschildern in einer bestimmten Situation) dennoch eine über das allgemeine Risiko hinausgehende Gefahr darstellt.
Die Ergebnisse solcher Gutachten sind oft entscheidend, wenn zum Beispiel Gerichte beurteilen müssen, ob eine Kommune ihrer Pflicht zur Sicherung des Verkehrs (der sogenannten Verkehrssicherungspflicht) nachgekommen ist. Die Fehlerhaftigkeit einer Konstruktion wird also durch den Abgleich mit technischen Regeln und die fachkundige Bewertung durch neutrale Experten festgestellt.
Welche Rolle spielt die „angepasste Fahrweise“ bei der Beurteilung der Haftung?
Wenn es nach einem Unfall darum geht, wer für Schäden aufkommen muss (also wer haftet), spielt nicht nur eine mögliche Ursache von außen, wie zum Beispiel ein Schlagloch oder ein fehlendes Schild, eine Rolle. Auch das eigene Verhalten am Steuer ist entscheidend. Hier kommt die sogenannte angepasste Fahrweise ins Spiel.
Vereinfacht gesagt bedeutet eine angepasste Fahrweise, dass Sie Ihr Fahrzeug immer so führen, wie es die aktuellen Umstände verlangen. Das betrifft in erster Linie Ihre Geschwindigkeit. Sie dürfen nicht einfach die erlaubte Höchstgeschwindigkeit fahren, wenn zum Beispiel die Sicht schlecht ist (Nebel, Starkregen), die Straße glatt (Eis, Nässe) oder die Strecke unübersichtlich (Kurven, Kuppen). Auch der Verkehr selbst (stockend, dicht) oder die Beschaffenheit der Straße (eng, holprig) erfordern eine Anpassung.
Zur angepassten Fahrweise gehört aber auch Ihre Aufmerksamkeit. Sie müssen den Verkehr und die Straße beobachten, um auf unerwartete Situationen reagieren zu können.
Selbst wenn eine Straße oder eine Verkehrseinrichtung einen Mangel hat – zum Beispiel ein tiefes Schlagloch, das eigentlich nicht da sein dürfte – kann Ihre Haftung beeinflusst werden, wenn Sie nicht angepasst gefahren sind. Wenn Sie etwa mit zu hoher Geschwindigkeit in das Schlagloch fahren und deshalb die Kontrolle verlieren, wird geprüft, ob der Unfall durch eine niedrigere Geschwindigkeit oder mehr Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können.
Das bedeutet: Obwohl ein Mangel an der Straße eine Unfallursache sein kann, kann Ihnen eine Mithaftung angelastet werden, wenn Sie durch Ihre nicht angepasste Fahrweise (zu schnell, unaufmerksam etc.) ebenfalls zum Unfall beigetragen haben. Im Einzelfall wird dann genau untersucht, welche Umstände vorlagen und ob das Verhalten des Fahrers diesen Umständen entsprach. Es geht also immer um eine Beurteilung aller Faktoren, die zum Unfall geführt haben.
5. Welche Arten von Schäden können bei einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geltend gemacht werden?
Wenn die Verkehrssicherungspflicht verletzt wird und Ihnen dadurch ein Schaden entsteht, kann der Verantwortliche unter Umständen zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet sein. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen materiellen und immateriellen Schäden.
Materielle Schäden: Kosten für die Wiederherstellung und Folgeschäden
Materielle Schäden sind solche, die einen messbaren finanziellen Wert betreffen. Das Ziel des Schadensersatzes ist hier meist, den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte. Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem mangelhaft gesicherten Weg gestolpert und haben sich verletzt oder etwas ist zu Schaden gekommen.
Typische materielle Schäden können sein:
- Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten: Wenn zum Beispiel Ihr Eigentum (wie ein Fahrrad, ein Handy, ein Auto) durch den Vorfall beschädigt wurde, können die Kosten für die Reparatur oder, falls eine Reparatur nicht möglich oder unwirtschaftlich ist, die Kosten für einen gleichwertigen Ersatz geltend gemacht werden.
- Gutachterkosten: Wenn der Schaden schwer zu beziffern ist (z.B. bei komplexen Fahrzeugschäden) oder der Schadenhergang unklar ist, kann ein Sachverständigengutachten notwendig sein, um Art und Umfang des Schadens festzustellen. Die angemessenen Kosten für ein solches Gutachten können ebenfalls erstattungsfähig sein.
- Nutzungsausfall: Wenn eine Sache, die Sie für den Alltag benötigen (wie Ihr Auto), durch den Schaden nicht nutzbar ist und Sie in dieser Zeit zum Beispiel ein Ersatzfahrzeug mieten müssen oder einen finanziellen Nachteil erleiden, weil Sie die Sache nicht nutzen können.
- Arzt- und Heilbehandlungskosten: Wenn Sie durch den Vorfall körperlich verletzt werden, können die Kosten für notwendige ärztliche Behandlungen, Medikamente, Therapien oder Hilfsmittel erstattet werden, sofern diese nicht von Ihrer Krankenversicherung übernommen werden.
- Verdienstausfall: Können Sie aufgrund einer Verletzung Ihrer Arbeit nicht nachgehen, kann der dadurch entstandene finanzielle Nachteil (der entgangene Lohn oder Gewinn) ebenfalls einen erstattungsfähigen Schaden darstellen.
Der Nachweis materieller Schäden erfolgt in der Regel durch Belege. Dazu gehören Rechnungen für Reparaturen oder Ersatzkäufe, Gutachten, Mietverträge für Ersatzgegenstände, Quittungen für Arztbesuche oder Medikamente sowie Bescheinigungen über Ihren Verdienstausfall. Wichtig ist eine möglichst umfassende Dokumentation des Schadens (Fotos, Videos, Zeugen).
Immaterielle Schäden: Schmerzensgeld bei Verletzungen
Immaterielle Schäden sind solche, die keinen direkt in Geld messbaren Wert haben, sondern Beeinträchtigungen des Wohlbefindens oder der körperlichen Unversehrtheit betreffen. Der bekannteste immaterielle Schaden ist das Schmerzensgeld.
Schmerzensgeld kann geltend gemacht werden, wenn Sie durch die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht körperlich oder seelisch verletzt wurden. Es soll einen Ausgleich für erlittenes Leid, Schmerzen, Entstellungen oder dauerhafte Beeinträchtigungen schaffen.
Die Höhe des Schmerzensgeldes wird im Einzelfall unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren ermittelt. Dazu zählen:
- Die Art und Schwere der Verletzung.
- Die Dauer der Schmerzen und Beeinträchtigungen.
- Ob dauerhafte Schäden zurückbleiben (z.B. Narben, Einschränkungen der Beweglichkeit).
- Die Anzahl und Schwere der notwendigen Operationen oder Behandlungen.
- Psychische Folgen des Vorfalls.
Der Nachweis von immateriellen Schäden, insbesondere der Verletzungen selbst, erfolgt vor allem durch ärztliche Atteste, Krankenhausberichte, Befunde und gegebenenfalls Gutachten. Auch hier ist eine umfassende Dokumentation der Verletzungen und ihrer Folgen sehr wichtig.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Verkehrssicherungspflicht
Die Verkehrssicherungspflicht ist die rechtliche Pflicht einer Stelle, meist einer Kommune oder eines Straßenbetreibers, dafür zu sorgen, dass öffentliche Verkehrswege gefahrlos benutzt werden können. Sie verpflichtet die Kommune, Gefahrenquellen zu erkennen, zu beseitigen oder durch Warnungen abzusichern, damit Verkehrsteilnehmer bei gewöhnlicher Sorgfalt keinen Schaden erleiden. Grundlage sind unter anderem § 839 BGB (Amtshaftung) und die Landesstraßengesetze. Beispiel: Eine Stadt muss kaputte Straßenschäden reparieren oder zumindest mit Warnschildern kennzeichnen, damit niemand unerwartet zu Schaden kommt.
Verkehrssicherungspflichtverletzung
Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung liegt vor, wenn die zuständige Stelle ihre Pflicht nicht erfüllt und dadurch eine unzumutbare Gefahr entsteht, die einen Schaden verursacht. Im vorliegenden Fall war die Fahrbahnschwelle mangelhaft konstruiert, sodass sie eine potenzielle Gefahrenquelle darstellte und die Stadt dadurch ihre Pflicht verletzte. Ein solcher Fehler begründet die Anspruchsgrundlage für Schadensersatz. Beispiel: Wird eine ungenügend abgesicherte Baustelle auf einer Straße nicht erkennbar gemacht und jemand stürzt, ist dies eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Betriebsgefahr
Die Betriebsgefahr beschreibt das allgemeine Risiko, das vom Betrieb eines Fahrzeugs ausgeht, unabhängig von einem Verschulden des Fahrers. Sie vermindert den Schadensersatzanspruch, da der Fahrzeughalter einen Teil der Unfallfolgen selbst tragen muss. Das wird nach § 254 BGB bei der Haftungsverteilung berücksichtigt. Beispiel: Ein Motorrad hat immer ein Restrisiko, zum Beispiel durch technische Eigenheiten oder begrenzte Bodenfreiheit, die nicht vollständig zu vermeiden ist, weshalb der Fahrer einen Teil des Schadens selbst trägt.
Anerkannte Regeln der Technik
Die anerkannten Regeln der Technik sind allgemein anerkannte, bewährte technische Standards und Richtlinien, die bei der Planung, Konstruktion und dem Betrieb technischer Anlagen zu beachten sind. Im Straßenbau gelten dafür etwa die RASt 06, die genaue Vorgaben für Maße und Gestaltung von Fahrbahnschwellen enthalten. Werden diese Regeln nicht eingehalten, kann dies eine Pflichtverletzung darstellen. Beispiel: Wenn eine Fahrbahnschwelle kürzer oder steiler als vorgeschrieben gebaut wird und dadurch Schäden verursacht, gilt das als Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik.
Haftungsquote
Die Haftungsquote beschreibt den prozentualen Anteil, für den jede Partei bei einem Schaden haftet, wenn eine gemeinsame Verursachung vorliegt. Im vorliegenden Fall hat das Gericht festgestellt, dass die Stadt 75% und der Motorradfahrer 25% des Schadens tragen müssen, da neben der Verkehrssicherungspflichtverletzung auch die Betriebsgefahr des Fahrzeugs eine Rolle spielt (§ 254 BGB). Beispiel: Wird ein Unfall teilweise durch ein Hindernis auf der Straße verursacht und teilweise durch das Fahrzeug selbst, wird der Schaden zwischen Verantwortlichem und Betroffenem aufgeteilt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (Amtshaftung): Regelung zur Haftung des öffentlichen Vermögens bei Pflichtverletzungen von Amtsträgern; Kommunen haften für Schäden, die durch die Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht verursacht werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Stadt haftet für den Schaden am Motorrad, weil sie ihre Verkehrssicherungspflicht durch die mangelhafte Fahrbahnschwelle verletzt hat.
- Verkehrssicherungspflicht: Obliegt dem Träger der Straßenbaulast, verpflichtet ihn zur Gefahrenbeseitigung und -verhinderung auf öffentlichen Verkehrswegen, sodass Verkehrsteilnehmer bei gewöhnlicher Sorgfalt nicht geschädigt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG stellte fest, dass die Stadt diese Pflicht verletzt hat, indem sie ein falsch konstruiertes Hindernis schuf, das eine unzumutbare Gefahr für Fahrzeuge mit geringer Bodenfreiheit darstellt.
- RASt 06 (Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen): Technische Regelwerke mit Anforderungen an die Gestaltung von Fahrbahnschwellen und Verkehrsberuhigungen, die Mindestabmessungen und sichere Überfahrbarkeit vorschreiben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die vom OLG beanstandete Fahrbahnschwelle entsprach nicht den Vorgaben der RASt 06 und war somit technisch fehlerhaft und nicht ausreichend für die sichere Begehbarkeit durch Motorräder ausgelegt.
- § 254 Abs. 1 BGB (Mitverantwortung und Betriebsgefahr): Regelt die Mitverantwortung bei Schadensereignissen, berücksichtigt auch die allgemeine Betriebsgefahr von Fahrzeugen, unabhängig von einem Verschulden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die Stadt die Hauptschuld trägt, wurde dem Motorradfahrer aufgrund der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs ein Mitverschulden von 25% zugerechnet.
- §§ 280, 286 BGB (Schadensersatz wegen Verzugs): Vorschriften über Schadensersatzansprüche bei Pflichtverletzungen und Zahlungsverzug; sichern den Zinsanspruch für verspätete Schadenszahlungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Motorradfahrer hat Anspruch auf Verzugszinsen für den vom OLG zugesprochenen Schadensersatz und die Anwaltskosten, da die Kommune sich in Verzug befindet.
- § 92 Abs. 1 ZPO (Kostenentscheidung im Prozess): Vorschrift zur Verteilung der Prozesskosten nach Maßgabe des Obsiegens und Unterliegens der Parteien. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Prozesskosten wurden entsprechend dem Anteil des Obsiegens aufgeteilt (70% Stadt, 30% Motorradfahrer), da beide Parteien teilweise Recht bekamen.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: I-11 U 163/21 – Urteil vom 11.03.2022
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