OLG Koblenz, Az.: 2 U 741/15, Beschluss vom 17.03.2016
1. Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil der 1 Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Koblenz vom 02.06.2015, Az. 1 O 340/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Hierzu besieht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 06.04.2016.
Gründe
Der Beklagte ist Inhaber eines Tankcenters, zu weichem auch eine automatische Waschstraße gehört, in welcher die zu reinigenden Fahrzeuge – bei einem Verbleib des Fahrers im Fahrzeug – mittels einer Schleppkette, die in einer Führungsschiene verläuft, durch die Waschanlage gezogen werden. Am 19.9.2014 nutze der Gesellschafter der Klägerin mit einem im Eigentum der Klägerin stehenden Fahrzeug diese Waschstraße. Dabei geriet das Vorderrad des Fahrzeugs aus der Führungsschiene. Hierdurch kam es zu einer Kollision des Fahrzeugs mit einzelnen Waschaggregaten, was zu einer Beschädigung der Fahrzeugfront führte.
In der Waschanlage, die im Jahr 2004 errichtet und zuletzt am 2.6.2014 fachmännisch gewartet worden war, werden jährlich rund 35.000 Fahrzeuge gereinigt. Ein vergleichbares Unfallereignis hatte es zuvor nur am 17.10.2013 gegeben. In dem dieses Unfallereignis betreffenden Rechtsstreit hatte das zuständige Amtsgericht ein Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl. Ing. F. J. vom 10.11.2014 (Termin der Inaugenscheinnahme der Waschanlage durch den Sachverständigen: 21.7.2014) eingeholt, welches eine fehlerhafte Waschanlageneinrichtung nicht festzustellen vermochte, sondern zu dem Ergebnis gelangte, dass ein „Verlassen der Schleppkette mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch Einflussnahme des Fahrzeuglenkers, durch eine fehlerhafte Achsgeometrie oder unterschiedliche Luftdruckparameter erklärbar“ sei.
Der Beklagte bzw. dessen Versicherung lehnten einen Schadensausgleich ab. Mit ihrer Klage hat die Klägerin Ersatz des ihr entstandenen Schadens in der behaupteten Höhe von 6.222,70 € (nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten) geltend gemacht. Das Landgericht hat die während des Waschvorgangs im Fahrzeug befindliche Ehefrau des Gesellschafters der Klägerin als Zeugin vernommen sowie das von dem Amtsgericht in dem parallel gelagerten Schadensfall eingeholte Sachverständigengutachten zum Gegenstand auch dieses Rechtsstreits gemacht.
Mit seinem angegriffenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung darauf gestützt, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, eine Pflichtverletzung des Beklagten als Waschstraßenbetreiber zu beweisen. Grundsätzlich sei insoweit die Klägerin beweisbelastet gewesen, wobei eine Einschränkung nur dahingehend gelte, dass ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung des Betreibers geschlossen werden könne, wenn der Geschädigte darlege und beweise, dass die Schadensursache allein und ausschließlich aus dem Verantwortungsbereich des Waschstraßenbetreibers herrühren könne, also alle anderen Schadensursächlichkeiten ausgeschlossen seien. Dieser Beweis sei der Klägerin nicht gelungen, da unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin sowie der Ausführungen des Sachverständigen offen bleibe, was hier schadensursächlich geworden sei. So könne schon nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer von der Zeugin unbemerkten Einflussnahme des Fahrers auf das Lenkrad oder die Bremsen des Fahrzeugs gekommen sei. Unabhängig davon könnten auch eine fehlerhafte Achsgeometrie oder unterschiedliche Luftdruckparameter des Fahrzeugs zu dessen Überklettern der Führungsschiene geführt haben. Auf die Einzelheiten der Urteilsbegründung im Übrigen, insbesondere die weiteren rechtlichen Ausführungen sowie tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts einschließlich der konkreten Antragstellung der Parteien wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren umfassend weiterverfolgt. Dem Landgericht sei eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorzuhalten, da auf Grundlage der Aussage der Zeugin feststehe, dass der Fahrer in der Waschstraße nicht auf sein Fahrzeug eingewirkt habe, wodurch eine der Klägerin anzulastende Schadensursächlichkeit auszuschließen sei. Dem vom Landgericht beigezogenen Sachverständigengutachten könne schon aus dem Grund nichts Gegenteiliges entnommen werden, dass sich der Sachverständige nicht mit dem streitgegenständlichen Zeitpunkt und dem streitgegenständlichen Vorfall auseinandergesetzt habe, insbesondere bei seiner Gutachtenerstattung die Bekundungen der Zeugin nicht habe berücksichtigen können. Zudem könne diesem Gutachten gerade nicht entnommen werden, dass die Schadensursache mit 100-prozentiger Sicherheit aus der Risikosphäre des Fahrzeuglenkers gestammt habe. Einen Entlastungsbeweis im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Anlage habe der Beklagte nicht zu führen vermocht. Hiergegen spreche bereits, dass ungefähr ein Jahr vor dem hiesigen Schadensereignis in der Waschanlage ein nahezu gleicher Schaden entstanden sei. Zumindest die mit dem Betrieb einer Waschanlage verbundene Betriebsgefahr habe hier eine Teilausurteilung nach sich ziehen müssen. Unabhängig davon habe das Landgericht nicht ohne Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten, Anhörung des Sachverständigen bzw. Einholung eines Obergutachtens sowie Vernehmung des einweisenden Mitarbeiters des Beklagten seine Entscheidung treffen dürfen. Dass die Führungsschiene so konstruiert und so hoch sei, dass ein Überklettern nicht möglich sei, werde bestritten. Auch fehle es an einem Vortrag des Beklagten zu den Wartungsintervallen sowie an einer Vorlage der Digitalisierung der Waschvorgänge zum streitgegenständlichen Zeitpunkt. Hinsichtlich des Vorbringens im übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat beabsichtigt nach Beratung, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Senat ist nach Prüfung der Sach- und Rechtslage davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts ebenso wenig wie eine mündliche Verhandlung geboten ist.
Schon in ihrem Ansatz verkennt die Berufungsbegründung, dass es der Klägerin als Geschädigter obliegt, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die letztlich zum Fahrzeugschaden führende Ursache der Risikosphäre des Beklagten zuzuordnen ist. Dabei ist – worauf schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat (vgl. auch die weitergehenden Rechtsprechungsnachweise auf S. 4 des landgerichtlichen Urteils) – in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass ausnahmsweise allein aus der Schädigung eines Fahrzeugs im Rahmen eines Waschvorgangs auf eine Pflichtverletzung des Waschstraßenbetreibers geschlossen werden kann, wenn der Fahrzeuglenker dartut und beweist, dass die Schadensursache allein und ausschließlich aus dem Verantwortungsbereich des Waschstraßenbetreibers herrühren kann (erst dann kann der von der Berufungsbegründung thematisierte Entlastungsbeweis des Beklagten Relevanz erlangen). Diesen Anforderungen wird die Klägerin – auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der Berufungsbegründungsschrift – nicht gerecht.
So bleibt bereits nach der Aussage der Zeugin G. unklar, ob sie nur ein Festhalten/Berühren des Lenkrads mit den Händen durch den Fahrzeuglenker ausschließen konnte oder sich ihre Angabe auch auf sämtliche, möglicherweise durch die getragene Kleidung verdeckten Teile des Körpers des Fahrers erstrecken sollte. Ebenso wenig lässt sich der Aussage der Zeugin entnehmen, ob der Fahrer – was erforderlich gewesen wäre und worauf ein entsprechendes Schild an der Einfahrt zur Waschstraße hingewiesen hatte – den Motor des Fahrzeuges angelassen und die Schaltung des mit einer Automatikschaltung („tiptronic“) ausgestatteten Fahrzeuges auf N gestellt hatte. Berücksichtigt man ergänzend, dass als weitere der Sphäre der Klägerin zuzurechnende Schadensursachen noch eine fehlerhafte Achsgeometrie des Fahrzeugs oder auch nur unterschiedliche Luftdruckparameter in Betracht kommen, wird deutlich, dass sie den ihr obliegenden Nachweis, dass die Schadensursache nur aus der Sphäre des Beklagten stammen kann, nicht erbracht hat.
Dass auch das vom Landgericht beigezogene Sachverständigengutachten die Frage nach der Schadensursache nicht in eindeutiger Weise zu beantworten vermag, bleibt unerheblich, da der Sachverständige eine Vielzahl potentieller Schadensursachen aufführt, deren Nichtvorliegen im konkreten Schadensfall die Klägerin zu beweisen gehabt hätte. Selbst wenn der Gutachter unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin G. ein Einwirken des Fahrzeuglenkers als potentielle Ursache auszuschließen bereit gewesen wäre, verblieben noch eine fehlerhafte Achsgeometrie sowie die unterschiedlichen Luftdruckparameter als der Risikosphäre der Klägerin zuzurechnende Schadensursachen, zu welchen sich weder die Aussage der Zeugin noch der übrige Vortrag der Klägerin verhält. Mit der Ordnungsmäßigkeit der Führungsschiene der hier betroffenen Waschanlage hat sich der Sachverständige in seinem Gutachten konkret befasst. Das schlichte Bestreiten einer hinreichenden Höhe gibt keinen Anlass zu Zweifeln an den diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen, zumal die Inaugenscheinnahme der Waschanlage durch den Sachverständigen nur knapp zwei Monate vor dem hiesigen Schadensereignis erfolgt war. Einer Vorlage von Digitalisierungen der Waschvorgänge durch den Beklagten bedurfte es nicht, da der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten nachvollziehbar dargestellt hat, dass der Waschanlagenbetreiber nur in geringem Rahmen auf die Geschwindigkeit der Schleppkette Einfluss nehmen kann. Auffälligkeiten hinsichtlich der Schleppgeschwindigkeit hat die Zeugin G. nicht bekundet, so dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind – und von der Berufungsbegründung auch nicht vorgebracht werden -, dass die Schleppgeschwindigkeit für das Unfallereignis ursächlich gewesen sein könnte. Da nach den Darlegungen des Sachverständigen moderne Fahrzeuge praktisch selbstständig wieder in eine Geradeaus-Richtung auslenken, bedurfte es auch keiner Vernehmung des – erstinstanzlich von der Klägerin ohnehin gar nicht benannten – einweisenden Mitarbeiters des Beklagten. Das Überklettern der Führungsschiene durch das Fahrzeug erfolgte – ausweislich der Angaben der Zeugin („Schaum der Waschstraße … gerade vorbei“) – nämlich nicht am Eingang der Waschstraße, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, so dass selbst bei einem Einweisungsfehler des Mitarbeiters das Fahrzeug zwischenzeitlich selbstständig wieder in die Geradeaus-Richtung ausgelenkt gehabt hätte.
Dass es ungefähr ein Jahr vor dem hiesigen Schadensereignis bereits zu einem ähnlichen Schaden in dieser Waschstraße gekommen war, indiziert keine Fehlerhaftigkeit der Waschstraße als solcher. Bei 35.000 gereinigten Fahrzeuge binnen Jahresfrist liegt vielmehr nahe, dass in beiden Fällen eine der vom Sachverständigen „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ angenommenen, der Sphäre des jeweiligen Fahrzeuglenkers zuzurechnenden Schadensursachen vorgelegen hat. Eine schlichte Betriebshaftung des Beklagten für die nur wenige Monate vor dem hiesigen Schadensereignis gewartete und von dem gerichtlichen Sachverständigen als ordnungsgemäß funktionierend eingestufte Waschanlage kann gleichfalls nicht angenommen werden.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 6.222,70 € festzusetzen.