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Unzulässigkeit der Errichtung einer „Sichtschutzwand“ zum Nachbargrundstück

AG Bremen. Az.: 7 C 268/2010, Urteil vom 04.02.2011

Die Beklagte wird verurteilt, den auf ihrem Grundstück S.-straße 6 errichteten „Sichtschutzzaun“ – gelegen auf der Seite zum Grundstück des Klägers S.-straße 8 hin, neben der vorhandenen gemeinsamen Einfriedung (hüfthoher Maschendrahtzaun) – auf ihre Kosten zurückzubauen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 2.250,00.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf Euro 2.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Unzulässigkeit der Errichtung einer "Sichtschutzwand" zum Nachbargrundstück
Symbolfoto: Von Stasy/Shutterstock.com

Der Kläger begehrt von der Beklagten den Rückbau einer „Sichtschutzwand“.

Die Parteien sind Nachbarn (Reihenhausbebauung).

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes S.-straße 8 und die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstückes S.-straße 6.

Diese Grundstücke werden – wie auch bei den Nachbargrundstücken – durch einen gemeinschaftlichen etwa 1,00 Meter hohen Maschendrahtzaun, befestigt an Betonpfosten, voneinander getrennt.

Zwischen den Parteien gab es in der Vergangenheit und gibt es auch aktuell diverse Streitigkeiten. Hierzu wird auf das Verfahren zum Az. 19 C 316/2005 sowie auf den wechselseitigen Vortrag im vorliegenden Verfahren Bezug genommen.

Vor diesem Hintergrund errichtete die Beklagte ab Ende Juni 2010 parallel zur gemeinschaftlichen Einfriedung in einem seitlichen Abstand von ca. 10 cm – 20 cm eine „Sichtschutzwand“ über eine Länge von ca. 23 Metern.

Hierzu wurden Pfosten mit einer Höhe von 2,15 m eingebracht, Querlatten befestigt und auf diese Kunststoffwellplatten verschraubt. Diese in einer Höhe tw. bis zu ca. 2,15 m.

Die Beklagte hat auch noch in anderen Bereichen anderweitigen „Sichtschutz“ angebracht. Dieser ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte zur Entfernung des Sichtschutzzaunes verpflichtet sei. Er stellt hierbei u.a. auf die Unzulässigkeit solch eines Baukörpers, nicht fachmännische Herstellung, damit einhergehende Gefahrenlage, etc. ab.

Der Kläger beantragt, Frau L. zu veranlassen, den Rückbau ihres Sichtschutzzaunes in vollem Umfang unverzüglich und auf eigene Kosten vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Diese hatte sich schriftsätzlich kaum eingelassen und auf Fotografien sowie auf diversen Schriftverkehr hingewiesen. Ein Mitarbeiter des „Bauamtes“ habe ihr aber mündlich mitgeteilt, dass ein Zaun von 2,20 m bis 2,30 m rechtlich unbedenklich sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hatte die Beklagte zudem u.a. auch darauf abgestellt, dass es sich bei dem Sichtschutzzaun um eine Reaktion auf die Eingriffe des Klägers handele: Ausführung der Balkontreppe, Sichtmöglichkeiten auf ihr Grundstück bzw. ihre Fenster im betroffenen Bereich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Die Akte des Amtsgerichts Bremen zum Az. 19 C 316/2005 wurde beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat bereits gem. §§ 922 Satz 3 iVm 1004 BGB gegenüber der Beklagten einen Anspruch darauf, dass diese die ohne seine Zustimmung errichtete Sichtschutzwand entfernt.

Bei dem bereits ursprünglich vorhandenen und auch ortsüblichen Maschendrahtzaun als Einfriedung der beiden Nachbargrundstücke handelt es sich um eine gemeinschaftliche Grenzanlage iSd. § 921 BGB (vgl. hierzu grundsätzlich auch: Bundesgerichtshof, Urt.v. 23. November 1984, NJW 1985, S. 1458).

Solange einer der Nachbarn an dem Fortbestand der Einrichtung ein Interesse hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden (§ 922 S. 3 BGB).

Bei der Errichtung des hier streitgegenständlichen (geschlossenen) Sichtschutzzaunes mit einer Höhe von über 2 m unmittelbar parallel verlaufend zum gemeinschaftlichen Maschendrahtzaun von ca. 1 m handelt es sich um einen unzulässigen Eingriff. Diesen kann der Kläger nach Maßgabe der §§ 1004, 922 S. 3 BGB abwehren (vgl. nur Horst, 2.A., Rechtshandbuch Nachbarrecht, RdNr. 1540 ff. mwN).

Es kommt nicht einmal auf die Ortsüblichkeit einer (neuen) Einfriedung an, wenn die beiden Nachbargrundstücke seit Jahre durch eine dem Gesetz entsprechende Einfriedung getrennt waren und einer der beiden Grundstücksnachbarn nun eine Einfriedung errichtet, die den Charakter der vorhandenen Einfriedung nicht nur stört, sondern wie hier im Ergebnis beseitigt. In diesem Fall besteht schlicht ein Beseitigungsanspruch bezüglich der zweiten Einfriedung (AG Herne, Urt.v. 23. Februar 2005 – 20 C 507/04 – Jurisdokument = BeckRS 2005, 04016)

Aufgrund des unstreitig gebliebenen Klägervortrages kann das Gericht aber ohne Weiteres davon ausgehen, dass es in dem hier maßgebenden Bereich der Ortsüblichkeit entspricht, niedrige und einfache Einfriedungen zu errichten, wie vorliegend den niedrigen Maschendrahtzaun.

Bei der „Sichtschutzwand“ der Beklagten handelt es sich hingegen um einen „Fremdkörper“, fern von jeglicher Ortsüblichkeit.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass neben der vorhandenen ortsüblichen Einfriedung nicht eine weitere, andersartige gesetzt werden darf, welche diese in ihrem Erscheinungsbild völlig verändert (Bundesgerichtshof, Urt.v. 9. Februar 1979, NJW 1979, S. 1408 f.: 2 m hohe Mauer im Abstand von 20 cm zum vorhandenen 80 cm hohen Holzzaun; Bundesgerichtshof, Urt.v. 23. November 1984, NJW 1985, S. 1458: über 2 m hoher Holzbretterzaun neben dem ursprünglichen 60 cm hohen Holz-Spriegelzaun; vgl. entsprechend auch OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, S. 403: 2,8 m hoher Holzgeflechtzaun).

Der Maschendrahtzaun als gemeinschaftliche Grenzeinrichtung wird damit auch in ihrem Erscheinungsbild vor Beeinträchtigungen geschützt.

Eine unzulässige Beeinträchtigung ist nach der vorstehend dargestellten Rechtslage auch die Errichtung eines daneben auf dem eigenen Grundstück (des Störers) errichteten massiven und über doppelt so hohen „Sichtschutzzaunes“ (auch hierzu nur: Bundesgerichtshof, Urt.v. 23. November 1984, aaO; vgl. auch: Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 1. Teil, RdNr. 89).

In diesem Zusammenhang kommt es allerdings nicht auf die vom Kläger weitergehend geltend gemachten Beeinträchtigungen bzw. negative Einwirkungen an, wie ein Entzug des „Weitblicks“, dies wohl im Sinne auch von „Licht und Luft“ (vgl. nur: Bundesgerichtshof, Urt.v. 22. Mai 1992, NJW 1992, S. 2569 (2570)).

Im Verhältnis zwischen den Parteien kommt es auch nicht auf die Regelung über zulässige Einfriedungen nach der Bremischen Landesbauordnung an (vgl. hierzu: § 6 Abs. 7 Nr. 3 BremLBO: Höhe von 2 m).

An dieser Stelle sei allerdings noch das vorläufige Ergebnis der dann im Termin zur mündlichen Verhandlung abgebrochenen Erörterung zur Abklärung einer einvernehmlichen Regelung festgehalten.

So war der Kläger durchaus bereit, an der Errichtung einer neuen gemeinschaftlichen Einfriedung mitzuwirken. Dies auf der Grundlage der Ausführung gem. Angebot vom 23. Dezember 2010 (Anlage K 14 – Bl. 58 d.A.: Höhe 180 cm) und bei einer Beteiligung des Klägers mit 2/3 der Kosten.

Das Gericht kann nur anregen, dass die Beklagte diese Möglichkeit noch einmal überdenkt. Hierbei mag dann eine Absprache über den Ehemann der Beklagten erfolgen. Auf die ausführlichen Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung kann insoweit ergänzend Bezug genommen werden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

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