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Verkehrssicherungspflicht – Freischneiderarbeiten am Straßenrand

OLG Düsseldorf – Az.: I-22 U 271/17 – Urteil vom 20.08.2018

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 21.11.2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung

vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) und die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

A.

Der Klägerin steht – aus abgetretenem Recht – der ihr vom LG zuerkannte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.825,80 EUR gegen die Beklagte gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu, da die Beklagte bei den von ihr durchgeführten Arbeiten mit einem Freischneider gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen hat und hierdurch an dem in Rede stehenden Fahrzeug mit dem notwendigen anspruchsbegründenden Kausal-/Zurechnungszusammenhang ein Schaden durch den Freischneider aufgewirbelte Splitt-Steinchen entstanden ist (dazu unter I.), die Beklagte insoweit schuldhaft gehandelt hat (dazu unter II.), der Leasinggeberin als Zedentin infolgedessen ein Schaden in Höhe von 5.825,80 EUR entstanden ist (dazu unter III.) und die Beklagte ihr ein Mitverschulden nicht entgegenhalten kann (dazu unter IV.).

I.

Der Klägerin steht – aus abgetretenem Recht – der ihr vom LG zuerkannte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.825,80 EUR gegen die Beklagte zu (§ 823 Abs. 1 BGB), da die Beklagte bei den von ihr durchgeführten Arbeiten mit einem Freischneider gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen hat und hierdurch an dem in Rede stehenden Fahrzeug mit dem notwendigen anspruchsbegründenden Kausal-/Zurechnungszusammenhang ein Schaden infolge durch den Einsatz des Freischneiders aufgewirbelte Splitt-Steinchen entstanden ist.

1.1.

Im Bereich von Bau- bzw. Arbeitsstellen jedweder Art (insbesondere bei der hier in Rede stehenden Ausführung von Arbeiten des Bereichs Garten-/Landschaftsbau bzw. -pflege am Rand einer Straße bzw. Brücke) gelten die allgemeinen Regeln der Verkehrssicherungspflichten (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 77. Auflage 2018, § 823, Rn 45 ff. mwN) dahingehend, dass primär verkehrssicherungspflichtig der Werkunternehmer ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2014, VI ZR 47/13, NJW 2015, 940, dort Rn 11). Solange der Werkunternehmer die tatsächliche Herrschaft über das Werkgeschehen und über die Bau- bzw. Arbeitsstelle hat, muss er die Werkarbeiten (d.h. hier die garten-/landschaftspflegerischen Arbeiten) so durchführen und die Bau-bzw. Arbeitsstelle mit zumutbaren Mitteln so sichern, dass objektiv vorhersehbare Gefahren von Dritten ferngehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.03.1996, IX ZR 77/95, NJW 1996, 2035; BGH, Urteil vom 12.11.1996, VI ZR 270/95, VersR 1997, 250; BGH, Urteil vom 21.01.1975, VI ZR 74/73, VersR 1975, 714 – Fahrbahnverschmutzungen -; OLG Köln, Urteil vom 11.04.2003, 19 U 102/02, VersR 2003, 1185 – Bauzaun – ; Palandt-Sprau, a.a.O., § 823, Rn 191 mwN – zu „Bauarbeiten/Baustellen“ und Rn 222 – zu „Straßenbauarbeiten“; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn 2355 ff. mwN), so – nur beispielhaft – durch Vorsorge gegen Beschädigungen des Eigentums Dritter durch hohen Staubanfall (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 06.07.1990, 2 U 224/89, VersR 1992, 629; Palandt-Sprau, a.a.O:, § 823, Rn 192 mwN) bzw. sonstige Emissionen, insbesondere auch von Feststoffen.

1.2.

Der BGH hat bei Mäharbeiten, die mit motorgetriebenen Rasenmähern zwischen einzelnen Parkbuchten eines städtischen Parkplatzes durchgeführt wurden und bei denen die Mitarbeiter der Stadt die betroffenen Flächen zuvor nach Steinen abgesucht hatten, das Ergreifen von weiteren Schutzmaßnahmen für zumutbar und daher erforderlich erachtet. Dabei hat der BGH – beispielhaft – den Einsatz von Schutzplanen und sogar den Verzicht auf motorgetriebene Geräte in Erwägung gezogen (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002, III ZR 122/02, juris, dort Rn 6-8). Dem lag die Erwägung zugrunde, dass wegen der unmittelbaren Nähe der Arbeiten zu den dort geparkten Fahrzeugen bei dem Einsatz von motorgetriebenen Rasenmähern eine nicht unerhebliche Gefahr von Schadensfällen besteht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.07.2015, I-11 U 169/14, juris, dort Rn 22 mwN).

Entsprechend hat der BGH bei an längeren Abschnitten einer Bundesstraße mit Handmotorsensen (bzw. sog. Freischneidern) durchgeführten Mäharbeiten zumindest den abschnittsweisen Einsatz einer mobilen, auf Rollen mitführbaren Schutzplane für zumutbar erachtet und dies u.a. damit begründet, dass gerade der Einsatz von solchen Handmotorsensen (bzw. sog. Freischneidern) eine besondere Gefahr des Fortschleuderns von Gegenständen mit sich bringt (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2013, II ZR 250/12, juris, dort Rn 15-17 mwN). Auch in der Rechtsprechung verschiedener OLG bzw. LG in ähnlich gelagerten Fällen, in denen sog. Freischneider an stärker befahrenen Bundes- oder Landstraßen zum Einsatz gelangten, wurden wegen der mit dem Einsatz dieser Geräte verbundenen erheblichen Gefahren für die anderen Verkehrsteilnehmer zusätzliche Sicherungsmaßnahmen (wie etwa der Einsatz einer Schutzplane oder der Einsatz eines Fahrzeugs als Schutzschild, Wahl einer verkehrsarmen Zeit für die Durchführung der Mäharbeiten, Verzicht auf den Einsatz motorgetriebener Geräte) für möglich und zumutbar erachtet (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 17.07.2012, 2 U 56/11, juris, dort Rn 31; OLG Rostock, Urteil vom 09.05.2008, 5 U 112/08, juris; LG Saarbrücken, Urteil vom 24.09.2008, 4 O 38/08, juris, dort Rn 32 ff. mwN; LG Magdeburg, Urteil vom 07.12.2001, 5 O 101/01, juris, dort Rn 6 ff. mwN).

Verkehrssicherungspflicht - Freischneiderarbeiten am Straßenrand
(Symbolfoto: Von Johannes Kornelius/Shutterstock.com)

Eine andere Beurteilung kann ausnahmsweise dann gerechtfertigt sein, wenn das Mäh- oder Schneidegerät (insbesondere der an einem Kfz befestigte Mähausleger) durch eine Schutzvorrichtung (Kettenschutz mit Gummilippe) schon hinreichend sicheren Schutz bietet (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2005, VI ZR 115/04, juris, dort Rn 14/16; OLG Köln, Urteil vom 24.05.2007, 7 U 163/06, juris, dort Rn 9-13; OLG Stuttgart, Urteil vom 25.03.2003, 4 U 41/03, juris, dort Rn 11; OLG Hamm, Urteil vom 03.07.2015, a.a.O., dort Rn 25 ff.; LG Köln, Urteil vom 08.01.2008, 5 O 344/07, Rn 20 ff. mwN; LG Aachen, Urteil vom 22.06.2005, 4 O 293/04, juris, dort Rn 10; nur einschränkend: OLG Rostock, Urteil vom 01.10.1998, 1 U 122/97, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.09.2005, 4 U 386/04, juris, dort Rn 20-22).

2.

Die Beklagte hat unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze schuldhaft gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen und hierdurch ist an dem in Rede stehenden Fahrzeug mit dem notwendigen anspruchsbegründenden Kausal-/Zurechnungszusammenhang ein Schaden infolge durch den sog. Freischneider aufgewirbelte Splitt-Steinchen entstanden.

2.1.

Für den objektiven Tatbestand einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, das diesbezügliche Verschulden, den Schaden und den haftungsbegründenden Kausal-/Zurechnungszusammenhang trifft grundsätzlich den Anspruchsteller die Beweislast i.S.v. § 286 ZPO, wobei ihm indes die Regeln des sog. Indizienbeweises bzw. des sog. Anscheinsbeweises zugutekommen können.

2.1.1.

Zur Führung des Vollbeweises im Sinne von § 286 ZPO genügt – insoweit anders als bei der sog. Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 11.09.2003, IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139; Zöller-Greger, ZPO, 32. Auflage 2018, § 294, Rn 6 mwN) – als Beweismaß keine überwiegende Wahrscheinlichkeit der jeweiligen Beweistatsache. Es bedarf für den Vollbeweis im Sinne von § 286 ZPO vielmehr eines „für das praktische Leben brauchbaren Grades persönlicher Gewissheit“ im Sinne einer Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der jeweiligen Beweistatsache, „die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“ (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.1993, IX ZR 238/91, BGH NJW 1993, 935; Zöller-Greger, a.a.O., § 286, Rn 19 mwN).

2.1.2.

Entscheidungserheblich sind zwar regelmäßig nur Tatsachen, die einen unmittelbaren Bezug zum Streitgegenstand bzw. zum Beweistatbestand haben. Das schließt aber – insbesondere bei Beweisnot bzw. Unzumutbarkeit der Beweisführung für unmittelbare Tatsachen – die Beweiserheblichkeit auch sog. „mittelbarer Tatsachen“ (bzw. Beweisanzeichen, Indizien) nicht aus, wenn diese geeignet sind, logische Rückschlüsse auf den unmittelbaren Beweistatbestand (sei es bestärkend oder sei es entkräftend) haben. Dieser ernstlich mögliche Bezug muss beim Beweisantritt schlüssig dargelegt werden, um eine Beweiserhebung über solche Indiztatsachen zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, dort Rn 43; Zöller-Greger, § 286, Rn 9a mwN; Vor § 284, Rn 5 mwN

2.1.3.

Der sog. Anscheinsbeweis erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines bestimmten Verhaltens, dessen Schuldhaftigkeit bzw. des anspruchsbegründenden Kausal-/Zurechnungszusammenhang mit dem geltend gemachten Schaden ohne exakte Tatsachengrundlage, sondern aufgrund von Erfahrungssätzen. Indes müssen die Tatsachen („Vermutungsgrundlagen“), aus denen nach einem solchen Erfahrungssatz auf eine typischerweise eintretende Folge bzw. eine bestimmte Ursache geschlossen werden kann, entweder unstreitig oder durch Vollbeweis i.S.v. § 286 ZPO (sei es durch Beweis unmittelbarer oder sei es durch den Beweis im vorstehenden Sinne tauglicher „mittelbarer Tatsachen“) bewiesen sein (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., Vor § 284, Rn 29).

Hat der Beweispflichtige diese Voraussetzungen erfüllt, obliegt es seinem Gegner, den Anschein durch einen „vereinfachten Gegenbeweis“ zu erschüttern. Hierzu genügt zwar einerseits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen („atypischen“) Ablaufs. Andererseits müssen vom Gegner die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet werden soll, ihrerseits im vorstehenden Sinne von § 286 ZPO voll bewiesen sein (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., Vor § 284, Rn 29 mwN).

Erst wenn dem Gegner der Vollbeweis eines „atypischen Ablaufs“ und damit die Erschütterung des Anscheinsbeweises gelingt, trifft den Anspruchsteller die volle und dann uneingeschränkte Beweislast i.S.v. § 286 ZPO (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., Vor § 284, Rn 29 mwN).

2.2.

Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen (zu 2.1.) hat die Klägerin – jedenfalls unter Berücksichtigung der ihm zugutekommenden Beweiserleichterungen durch den Indizienbeweis (kraft mittelbarer Tatsachen) – eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte und den haftungsbegründenden Kausal-/Zurechnungszusammenhang mit den von ihr dokumentierten Schäden an dem in Rede stehenden Leasing-Fahrzeug hinreichend bewiesen.

Selbst wenn der Senat annehmen wollte, dass der Beweistatbestand (Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht und haftungsbegründender Kausal-/Zurechnungszusammenhang) als solcher von der Klägerin durch den Indizienbeweis nicht hinreichend i.S.v. § 286 ZPO bewiesen worden sein sollte, hätte die Klägerin jedenfalls hinreichende Tatsachen bewiesen, die nach den o.a. Regeln des Anscheinsbeweises die tatsächliche Vermutung begründen, dass das hier in Rede stehende Leasing-Fahrzeug am 19.03.2015 durch unter Verletzung von Verkehrssicherungspflichten der Beklagten auf der Eisenbahnbrücke „H.-Weg, D.“ von dem Zeugen L. (als Mitarbeiter der Beklagten) durchgeführten Landschaftspflegearbeiten mittels eines sog. Freischneiders beschädigt worden ist und die Beklagte wäre für solche Tatsachen den notwendigen Vollbeweis i.S.v. § 286 ZPO fällig geblieben, die diese tatsächliche Vermutung im o.a. Sinne „erschüttern“.

Der Senat geht mit dem LG im Rahmen der notwendigen Gesamtschau der unstreitigen (unmittelbaren bzw. mittelbaren) Tatsachen sowie der Ergebnisse der erstinstanzlichen Beweisaufnahme davon aus, dass die Klägerin nach den o.a. Grundsätzen hinreichend beweiskräftige unmittelbare bzw. mittelbare Tatsachen bzw. hilfsweise/jedenfalls – von der Beklagten nicht erschütterte – Vermutungstatsachen für einen typischen Geschehensablauf (im o.a. Sinne eines Anscheinsbeweises) bewiesen hat, dass von einer Beschädigung des hier in Rede stehenden Leasingfahrzeugs durch die von der Beklagten durchgeführten und nach den o.a. Grundsätzen von ihr als Verkehrssicherungspflichtigen zu verantwortenden Landschaftspflegearbeiten unter Einsatz eines sog. Freischneiders auf der in Rede stehenden Eisenbahnbrücke mit dem notwendigen haftungsbegründenden Kausal- bzw. Zurechnungszusammenhang auszugehen ist. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes:

2.2.1.

Es bedarf nach den vorstehenden Grundsätzen für den Indizien- bzw. Anscheinsbeweis keiner unmittelbar beweiskräftigen Feststellungen dahingehend, durch welche ganz konkreten Vorgänge (d.h. insbesondere infolge welcher konkreten Arbeitshaltung des Zeugen bzw. infolge welchen konkreten Winkels des Freischneiders zum Boden bzw. infolge welcher konkreten Anzahl von dabei aufgewirbelten Splitt-Steinen etc.) das in Rede stehende Leasing-Fahrzeug auf welche konkrete Weise (d.h. durch wieviele Splitt-Steine, in welchem Aufprallwinkel etc.) beschädigt worden ist.

2.2.1.1.

Denn es ist unstreitig (und zudem durch die Aussagen der Zeugen L. und K. beweisen sowie außerdem durch die beiden vom Geschäftsführer der Klägerin am Tag des Vorfalls gefertigten Lichtbilder, vgl. AB-G, urkundlich belegt), dass an dem in Rede stehenden Tag die beiden Zeugen als Mitarbeiter der Klägerin auf der in Rede stehenden Eisenbahnbrücke Arbeiten mit einem sog. Freischneider der Fa. S. ausgeführt haben, der dort (am Boden liegend) zu sehen ist.

2.2.1.2.

Ebenso ist unstreitig (bzw. jedenfalls durch die Zeugenaussage der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin, die mit dessen Angaben im Rahmen seiner informatorischen Anhörung im Einklang steht, mit Bindungswirkung für das Berufungsverfahren gemäß §§ 529, 531 ZPO bewiesen, da von der Berufung der Beklagten nicht in Abrede gestellt), dass der Geschäftsführer der Klägerin und seine Ehefrau mit dem Leasing-Fahrzeug am 19.03.2015 an der in Rede stehenden Arbeitsstelle auf der Eisenbahnbrücke vorbeigefahren sind und zu diesem Zeitpunkt der Zeuge L. Landschaftspflegearbeiten mit dem sog. Freischneider ausgeführt hat.

Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung geltend macht, die Aussage der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin sei widersprüchlich und belege keinesfalls, dass die Fahrzeugschäden nicht schon vorher vorhanden gewesen seien, da die Zeugin einerseits behaupte, das Fahrzeug gut gekannt zu haben und Vorschäden ausschließen zu können, andererseits aber nicht einmal den erheblich auffälligeren Parkschaden gekannt habe, hat sie damit keinen Erfolg, denn die Zeugin hat ihre Aussage sie kenne das Fahrzeug gut, auf „derartige Schäden“ (vgl. Seite 4 des Protokolls bzw. 78 GA) bzw. „die hier relevanten Schäden“ (vgl. Seite 5 des Protokolls bzw. 79 GA) bezogen bzw. beschränkt, d.h. die hier in Rede stehenden besonders gearteten Schäden.

2.2.1.3.

Aus dem ersten der beiden von der Klägerin vorgelegten beiden Lichtbildern (AB-G) ergibt sich zudem hinreichend zweifelsfrei, dass die Pylone in einem geringen Abstand von – geschätzt – nur ca. 50-75 cm von der Bürgersteigkante des – geschätzt – ca. 1,75 – 2,25 m breiten Bürgersteigs positioniert worden sind, so dass eine Vorbeifahrt an im Bereich des Geländers ausgeführten Freischneidearbeiten in einem Abstand von 2,25 bis 3,0 m zzgl. des Abstandes des Fahrzeugs von den Pylonen (bzw. bei nahe an der Bürgersteigkante ausgeführten Freischneidearbeiten ggf. noch deutlich weniger) ohne weiteres möglich war.

Soweit der Sachverständige – auch bei seinem Versuchsaufbau – als seitlichen Abstand zwischen Geländer und Fahrzeug von 4,50 Meter zugrunde gelegt hat, ist dies also noch eine der Beklagten eher günstige Annahme.

Denn die Zeugin B. hat hierzu zum einen angegeben, dass ihr Ehemann von den Pollern zwar einen größtmöglichen Abstand eingehalten habe, er aber natürlich auch auf den Gegenverkehr habe achten müssen, so dass nicht viel Platz zum Ausweichen gewesen sei (vgl. Seite 3 des Protokolls bzw. 63 GA unten).

Die Zeugin B. hat hierzu zum anderen angegeben, dass aus ihrer Erinnerung heraus der Arbeiter mit Ohrenschutz und Schutzbrille (d.h. derjenige, der die Freischneidearbeiten ausgeführt hat) sich „eher näher an den Pöllern“ (gemeint: Pylone) befand (vgl. Seite 4 des Protokolls bzw. 64 GA).

2.2.1.4.

Aus den Angaben der Zeugin, des Geschäftsführers der Klägerin und den schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen folgt beweiskräftig, dass das in Rede stehende Leasingfahrzeug nach der Vorbeifahrt an den Freischneidearbeiten der Beklagten auf der Eisenbahnbrücke Schäden aufgewiesen hat, die sich (mit Ausnahme der vom LG berücksichtigten Vorschäden, für die das LG eine entsprechende Reduzierung der Klageforderung gemäß § 287 ZPO vorgenommen hat) nach den schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen ohne weiteres als kausale Folge dieser Vorbeifahrt des Fahrzeugs an den Freischneidearbeiten der Beklagten darstellen.

2.2.2.

Auf Grundlage dieser teilweise bereits unstreitigen bzw. teilweise unmittelbar und teilweise mittelbar (im Sinne von Indizien) bewiesenen tatsächlichen Umstände hat die Klägerin – zumindest – den mittelbaren Vollbeweis (Indizienbeweis), jedenfalls aber den Anscheinsbeweis dafür geführt, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten aus mehrfachen Gründen verletzt hat und dadurch das in Rede stehende Leasingfahrzeug die vom LG berücksichtigten Beschädigungen davongetragen hat.

2.2.2.1.

Aus der – über www.stihl.com allgemein zugänglichen und damit gerichtsbekannten – Unterlage „Sicheres Arbeiten mit Motorsense und Freischneider“ (pdf) des Herstellers (S.) des hier verwendeten Freischneiders ergeben sich eindeutig folgende Hinweise zur Sicherheit und Arbeitstechnik, die die Beklagte im Sinne von Sicherungsvorgaben bzw. Verhaltensmaßregeln ohne weiteres zu beachten hatte:

Seite 2 unten rechts

„Der Schutz des Motorgeräts kann den Benutzer nicht vor allen Gegenständen (Steine, Glas, Draht usw.) schützen, die vom Schneidwerkzeug weggeschleudert werden. Diese Gegenstände können irgendwo abprallen und dann den Benutzer treffen.“

Seite 4 unten Mitte

„Das Motorgerät wird nur von einer Person bedient – keine weitere Person im Umkreis von 15 Meter dulden – auch nicht beim Starten – durch weggeschleuderte Gegenstände – Verletzungsgefahr!“

Seite 5 oben Mitte

„Im Umkreis von 15 m darf sich keine weitere Person aufhalten – durch weggeschleuderte Gegenstände – Verletzungsgefahr!

„Diesen Abstand auch zu Sachen (Fahrzeugen, Fensterscheiben) einhalten – Gefahr der Sachbeschädigung!“

Seite 6 oben Mitte

„Gelände überprüfen: Feste Gegenstände – Steine, Metallteile o.Ä. können weggeschleudert werden – Verletzungsgefahr! – und können das Schneidwerkzeug sowie Sachen (z.B. parkende Fahrzeuge, Fensterscheiben) beschädigen (Sachbeschädigung). In unübersichtlichem, dicht bewachsenem Gelände besonders vorsichtig arbeiten. Beim Mähen in hohem Gestrüpp, unter Gebüsch und Hecken: Arbeitshöhe mit dem Schneidwerkzeug mindestens 15 cm – Tiere nicht gefährden.“

(Unterstreichung jeweils durch den Senat, Fettdruck jeweils im Original)

2.2.2.2.

Entsprechende Vorgaben finden sich auch in der (ebenso im Internet frei zugänglichen und damit gerichtsbekannten) „Muster-Betriebsanweisung für den Umgang mit Freischneidern der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (www.svlfg.de), wo es ebenfalls u.a. heißt: „Gefahren durch wegschleudernde Gegenstände“ bzw. „Beachten Sie den vom Hersteller vorgeschriebenen Sicherheitsabstand“ bzw. „Sicherheitsabstand einhalten (mindestens 5 Meter, im öffentlichen Bereich mind. 15 Meter)“.

In dem an gleicher Stelle abrufbaren Merkheft „Grünpflege im Gartenbau“ heißt es auf Seite 25 zu Freischneidern:

„Beim Unfallgeschehen stehen Augen- und Beinverletzungen durch hochgeschleuderte Fremdkörper, insbesondere beim Aufenthalt im Gefahrenbereich, im Vordergrund. Die Hersteller gegen in ihren Bedienungsanleitungen oftmals große Gefahrenbereiche vor. Daher können z.B. Freischneider mit Fadenmähkopf oder Dickichtmesser häufig in den öffentlichen Bereichen nicht bestimmungsgemäß eingesetzt werden. Deshalb gewinnen Freischneider mit speziellen Arbeitswerkzeugen, von denen keine oder eine geringe Gefahr von fortgeschleuderten Fremdkörpern ausgeht, zunehmend an Bedeutung. …“

2.2.2.3.

Es ist in der Fachwelt dementsprechend allgemein anerkannt, dass Freischneider und Motorsensen „gefährliche Werkzeuge“ sind (vgl. www. arbeitsschutz-portal.de), wobei die o.a. vom Gerätehersteller vorgegebenen Sicherheitsabstände gemäß Unfallverhütungsvorschriften eingehalten werden müssen (vgl. VSG 3.1 „Technische Arbeitsmittel“, dort § 3 Abs. 3; vgl. auch VSG 4.3. „Forsten“).

2.2.3.

Nach alledem hätte die Beklagte hier dafür Sorge tragen müssen, dass während der Durchführung der Freischneidearbeiten Passanten bzw. Fahrzeuge zu diesen Freischneiderarbeiten den vorstehenden Abstand von 15 Metern einhalten und dementsprechend ggf. – soweit die Breite der Brücke dafür nicht ausreichte – eine zeitweise Sperrung der Brücke (ggf. mit entsprechender ordnungsbehördlicher Erlaubnis) veranlassen müssen. Alternativ hätte die Beklagte für eine ausreichende Abschirmung des die Freischneidearbeiten passierenden Fahrzeugverkehrs im Sinne der o.a. Rechtsprechung (z.B. durch eine roll- bzw. verschiebbare Schutzplane etc.) vornehmen müssen.

Hier ist indes von der Beklagten noch nicht einmal vorgetragen oder sonst ersichtlich (vielmehr vom Geschäftsführer der Klägerin und der Zeugin B. ausdrücklich verneint worden), dass die Beklagte – über die mit viel zu geringem Abstand gesetzte Reihe von wenigen Pylonen hinaus – zumindest irgendwelche Warnschilder o.ä. verwendet hat, die indes – nach den vorstehenden Feststellungen des Senats – für sich allein jedenfalls als eine völlig unzureichende Sicherungsmaßnahme dargestellt hätte.

2.2.4.

Dass die Beklagte hier „neue Technik für sichere Arbeit“ eingesetzt hat, d.h. einen wesentlich ungefährlicheren Freischneider mit zwei gegenläufig rotierenden Messerblättern im Schneidkopf, die verhindern, dass Gegenstände weggeschleudert werden (vgl. www.arbeitsschutz-portal.de), hat sie in beiden Instanzen nicht dargetan und dies ist auch sonst für den Senat nicht erkennbar.

2.3.

Die Beklagte ist für solche Sachverhalte, die den logischen Bezug der o.a. Indizien zum Beweistatbestand in Frage stellen bzw. die klägerseits hinreichend bewiesenen Tatsachen für die Vermutung einer Beschädigung des in Rede stehenden Leasingfahrzeugs durch die Freischneidearbeiten (im Sinne eines Anscheinsbeweises) in beiden Instanzen bereits hinreichendes tatsächliches Vorbringen fällig geblieben.

2.3.1.

Eine erneute Vernehmung von Zeugen zu Einzelheiten der Freischneidearbeiten bzw. der zeitgleichen Vorbeifahrt des in Rede stehenden Leasingfahrzeugs beantragt die Berufung der Beklagten nicht und dazu besteht – entsprechend den vorstehenden Feststellungen des Senats – auch kein Anlass.

2.3.2.

Soweit die Beklagte im Rahmen ihres Berufungsvorbringens die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens beantragt, besteht dazu ebenfalls kein begründeter Anlass.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung ohne Erfolg geltend, das LG habe eine Verursachung der Schäden am Fahrzeug der Klägerin durch ihre (der Beklagten) Mitarbeiter unterstellt, die mit dem unstreitigen bzw. bewiesenen Sachverhalt nicht in Einklang zu bringen sei.

Im Rahmen der zweitinstanzlichen Überprüfung der erstinstanzlichen Würdigung von Ergebnissen einer Beweisaufnahme durch Einholung von Sachverständigengutachten gilt § 412 Abs. 1 ZPO nur noch im Rahmen von § 529 ZPO. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit von erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten können sich aus der Person des Gutachters und/oder dem Gutachten als solchem ergeben, auch wenn der Sachverständigenbeweis ansonsten fehlerhaft erhoben wurde. Solche Zweifel sind gerechtfertigt, wenn das Gutachten bzw. die Gutachten in sich widersprüchlich und/oder unvollständig ist bzw. sind, wenn der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig war, sich der dem/den Gutachten zugrunde gelegte Sachverhalt, d.h. die tatsächlichen Grundlagen (Anschlusstatsachen) durch i.S.v. § 531 ZPO zulässige Noven geändert haben und/oder es neue wissenschaftliche Erkenntnismöglichkeiten zur Beantwortung der Beweisfrage/n gibt (vgl. BGH, Urteil vom 05.09.2006, VI ZR 176/05, NJW-RR 2007, 212; BGH, Urteil vom 15.07.2003, VI ZR 361/02, NJW 2003, 3480; Zöller-Heßler, a.a.O., § 529, Rn 9 mwN).

Diese Anforderungen erfüllt das Berufungsvorbringen der Beklagten nicht.

2.3.2.1.

Soweit die Beklagte geltend macht, die Schäden könnten nicht von dem in Rede stehenden Vorfall stammen, jedenfalls „nicht im Wesentlichen“ von diesem Vorfall, da weder die Anzahl der am Arbeitsort vorhandenen Steine noch die Körperhaltung des Maschinenführers noch die Ausrichtung des Fadenkopfes die klägerseits behaupteten Schäden hätten ermöglichen können, hat sie damit keinen Erfolg.

2.3.2.1.1.

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf eine zu geringe Anzahl von am Arbeitsort vorhandenen Steinen bzw. Steinchen stützen. Aus dem vom Geschäftsführer der Klägerin vorgelegten Lichtbild (AB-G, vorletzte Seite) ergibt sich im Sinne eines urkundlichen Belegs, dass sich der Bürgersteig auf der Brücke im Zeitpunkt des Vorfalls in einem äußerst schlechten und ungepflegten Zustand befand. So weist der Teer dort teilweise großflächige Lücken auf und darunter ist eine unbefestigte, „steinige“ Oberfläche zu sehen. Zudem sind weitere Fehlstellen bzw. Flickstellen mit lockerem bzw. gelockertem Untergrund im Bereich der Bürgersteigkante zu sehen.

Dabei handelt es sich um Bereiche, bei denen auch nicht erkennbar ist, dass sie vor Ausführung der Freischneidearbeiten – zumindest grob – abgekehrt worden sind.

Zudem befindet sich im Bereich des Brückengeländers kein begrenzender Randstein, sondern unterhalb des Geländers endet die Teerschicht und es wachsen dort diverse Gras- und Pflanzenbüschel, wobei auch bei diesen Pflanzen offenbar der Rückschnitt durch einen sog. Freischneider durchgeführt werden sollte bzw. worden ist, womit ein Herumschleudern von Steinen, Splitt etc. ohne weiteres vereinbar ist.

Entsprechende Feststellungen lassen sich aus den vom Sachverständigen später gefertigten Lichtbildern (Foto 3/4) treffen, zu denen der Sachverständige ausgeführt hat, dass es sich um eine sichtbar mehrfach geflickte Asphaltdecke handele, die in aller Regel mit Kalt- oder Heißasphalt geflickt werde, wobei zum Abschluss regelmäßig Split über diese Flächen gestreut werde, der sich dann indes oft von der Asphaltdecke wieder löse und dann lose auf dem Gehweg liege und dies sei auch an der von ihm fotografierten, hier in Rede stehenden Stelle so (vgl. Seite 6 des Protokolls bzw. 66 GA).

2.3.2.1.2.

Dass durch eine konkrete Körperhaltung bzw. durch eine konkrete Ausrichtung des Kopfes des Freischneiders es hier ausgeschlossen gewesen sein soll, dass sich die o.a. besonderen Gefahren eines Einsatzes von Freischneidern (ohne hinreichende Schutzeinrichtungen) an dem in Rede stehenden, vorbeifahrenden Leasingfahrzeug verwirklicht haben sollen, ist weder den Angaben der von der Beklagten benannten Zeugen zu entnehmen noch ergibt sich dies hinreichend nachvollziehbar aus dem sonstigen Beklagtenvorbringen.

2.3.2.2.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung ebenso ohne Erfolg geltend, die – laut Ausführungen des Sachverständigen – „hunderte“ Schäden könnten nicht durch den von den Zeugen L. und K. beschriebenen Einsatz eines Freischneiders an der streitgegenständlichen Stelle erfolgt sein, denn selbst ein mehrmaliges Aufsetzen des Freischneiders auf den Boden, das Voraussetzung für einen „Beschuss“ des klägerischen Fahrzeugs wäre, würde keinesfalls eine derart hohe Anzahl von Steinen aufwirbeln, da während des kurzen Zeitraums der Vorbeifahrt zwangsläufig nur Steine aus einem eng begrenzten Raum aufgewirbelt werden könnten.

Auch damit setzt die Beklagte letztlich nur ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der sorgfältigen und ausführlichen Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil, die das LG auf Grundlage der vom Sachverständigen – nach einer hinreichend authentischen Versuchsanordnung – durchaus kritisch und abgewogen und insgesamt überzeugenden Ausführungen vorgenommen hat.

2.3.2.3.

Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung geltend macht, nur durch das mehrfache Halten eines Freischneiders in einen (eimergroßen) Haufen von Splitt habe durch den Sachverständigen an der beschossenen Platte ein vergleichbares Schadensbild wie an dem klägerischen Fahrzeug auftreten können, hat der Sachverständige seine Versuchsanordnung wörtlich und bildlich (vgl. AB-G, dort Fotos Nr. 19/20) eingehend dargestellt.

Dabei erscheint diese Versuchsanordnung zum einen im Hinblick auf die dabei ausgeschüttete Menge roten Splitts bzw. roter Steine als durchaus authentisch, wenn man den o.a. äußerst schlechten und teilweise nur notdürftig geflickten bzw. „aufgebrochenen“ Zustand des Bürgersteigs berücksichtigt.

Dabei erscheint diese Versuchsanordnung zum anderen auch im Hinblick auf die Körperhaltung bzw. die Gerätehaltung bzw. die Ausrichtung des Gerätekopfes als hinreichend authentisch, da der Freischneider – ausweislich Lichtbild auf Seite 2 der Anlagen zum Gutachten – nur ein relativ kleines „Schutzblech“ aufweist und zudem durch eine „schräge Haltung“ (vgl. dazu bereits das LG 138 GA sowie die Angaben des Zeugen L., 169/170 GA) bzw. durch ein entsprechendes „Verkanten“ des Geräts im Sinne eines steilen Schnittwinkels Gegenstände an dem relativ kleinen „Schutzblech“ (vgl. Zeuge L.: “… Plastikschutz, der eine bestimmte Richtung abdeckt …“, 169 GA) vorbeifliegen können. Diesen besonderen und in der Fachwelt und der Rechtsprechung bekannten und umfangreich erörterten Gefahren eines Freischneiders hatte die Beklagte ja gerade durch die oben festgestellten, von den UVV geforderten Schutzmaßnahmen zu begegnen.

2.3.2.4.

Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung weiter geltend macht, wegen der Vorbeifahrt mit ca. 50-60 km/h habe die Möglichkeit, das Fahrzeug zu treffen, für maximal eine Sekunde bestanden und die Versuchsanordnung des Sachverständigen habe dagegen erheblich länger gedauert, hat sie auch damit keinen Erfolg.

Zum einen steht schon nicht fest, dass sich das Fahrzeug mit ca. 50-60 km/h (entsprechend ca. 13,9 Meter bis ca. 16,7 Meter pro Sekunde) bewegt hat. Vielmehr hat die Zeugin B. die Fahrweise ihres Ehemannes als „langsam“ beschrieben (vgl. Seit 4 des Protokolls bzw. 64 GA). Hat sich das Fahrzeug beispielhaft – wegen der Arbeiten der beiden Zeugen bzw. der Pylone – mit ca. 30 km/h bewegt (entsprechend ca. 8,35 Meter pro Sekunde), kann auch ein eher kurzer Schwall von Splitt bei einer langsamem Vorbeifahrt mit ca. 30 km/h – nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auf Grundlage einer authentischen Versuchsanordnung – ohne weiteres ausreichen, um die hier in Rede stehenden Schäden an dem Fahrzeug zu verursachen.

2.3.2.5.

Aus gleichen Gründen ohne Erfolg bleibt auch der weitere Berufungseinwand der Beklagten, aus den von der Klägerin vorgelegen Fotos ergebe sich, dass an der fraglichen Stelle keinesfalls eine entsprechend hohe Anzahl von Splitt-Steinen vorhanden gewesen sei bzw. in der kurzen Zeit der Vorbeifahrt (von ca. 1 Sekunde) hätten daher aus dem engen räumlichen Bereich des Fadenkopfes max. 30-40 Steine aufgewirbelt werden können, die mit größter Sicherheit dann aber nicht alle das Fahrzeug getroffen und beschädigt hätten. Die Beklagte versucht auch insoweit durch schlichte Unterstellungen ein von ihr gewünschtes Beweisergebnis zu begründen. Zum einen berücksichtigt die Beklagte dabei wiederum den schlechten, teilweise notdürftig geflickten bzw. aufgebrochenen Zustand des Bürgersteiges und den unbefestigten Bereich unter dem Brückengeländer nicht hinreichend. Zum anderen basiert ihre Weg-Zeit-Berechnung auf unzutreffenden Annahmen bzw. Unterstellungen. Und schließlich hat der verwendete Freischneider ausweislich Seite 2 AB-G und dem ersten Lichtbild der Klägerin (vorletzte Seite AB-G) keineswegs nur einen „engen räumlichen Bereich des Fadenkopfes“. Die Beklagte verkennt auch insoweit die durch die Bauart, die Motorisierung (von 1,4 bis 2,8 KW, vgl. 66 GA) und die hohe Drehzahl (bis zu 9.000 Umdrehungen, vgl. 66 GA) eines Freischneiders bedingte Gefährlichkeit dieses Werkzeugs, die sich in den o.a. Sicherheitsvorgaben des Herstellers und der UVV eindrücklich widerspiegelt.

2.3.2.6.

Ohne Erfolg bleibt auch der weitere Berufungseinwand, auch wegen der vom Zeugen L. beschriebenen Arbeitshaltung sei ausgeschlossen, dass eine derart hohe Anzahl von Steinen das klägerische Fahrzeug getroffen habe, denn dann habe er sich gleichsam durch die Beine schießen müssen, um das klägerische Fahrzeug zu treffen bzw. dabei hätte er selbst eine Vielzahl von Steinen abbekommen müssen, was aber nach seiner Aussage gerade nicht der Fall gewesen sei.

Die Beklagte berücksichtigt schon nicht hinreichend, dass – auch bei der vom Zeugen L. beschriebenen Arbeitshaltung (d.h. zum einen Körperhaltung, zum anderen Gerätehaltung) – das Herumschleudern von Splitt und Steinen keineswegs ausgeschlossen war, zumal auch das o.a. Schräghalten bzw. gewisse Verkanten des Geräts dazu führen kann.

Zudem ist die These der Berufung der Beklagten, der Zeuge L. habe sich dann durch die Beine schießen müssen, nicht nachvollziehbar, da das Gerät nach seinen Angaben von ihm auf der rechten Seite getragen wurde (vgl. 168 GA oben), d.h. ebenso wie in der Versuchsanordnung des Sachverständigen, vgl. AB-G, Lichtbild 20).

Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Arbeiten mit dem Freischneider nicht um einen statischen, sondern um einen dynamischen Vorgang handelt, bei dem sich sowohl der Bediener als auch das Gerät in ständiger Bewegung befinden, so dass es keine einheitliche „Schussrichtung“ geben kann, die die Berufung der Beklagten indes insoweit unzutreffend zugrunde legen will.

2.3.2.7.

Aus gleichen Gründen geht daher auch der weitere Berufungseinwand der Beklagten fehl, der vom Sachverständigen eingesetzte Helfer habe eine ganz andere Körperhaltung eingenommen.

2.3.2.8.

Soweit die Beklagte geltend macht, hätte der Zeuge L. eine solche Körperhaltung eingenommen, dann hätte das Fahrzeug hinten getroffen werden müssen, ist dies für den Senat schon deswegen nicht nachvollziehbar, da für die Frage, ob das Fahrzeug vorne oder hinten getroffen wird, allein maßgeblich ist, zu welchem Zeitpunkt der Vorbeifahrt der Schwall von durch den Freischneider aufgewirbelten Splitts bzw. Steinen das Fahrzeug in welchem Winkel trifft. Hierzu hat der Sachverständige indes – auf Basis der hinreichend authentischen Versuchsanordnung – überzeugende Ausführungen getroffen, die das LG sorgfältig und ausführlich gewürdigt hat, ohne dass die Beklagte insoweit hinreichend konkrete Anhaltspunkte für Zweifel i.S.v. §§ 529, 531 ZPO aufzeigt.

2.3.2.9.

Nach alledem macht die Berufung der Beklagten ebenso ohne Erfolg geltend, obwohl in dem Beweisbeschluss des LG vom 27.04.2017 hervorgehoben worden sei, dass ggf. die „Schussrichtung“ durch einen weiteren Sachverständigen geklärt werden müsse, habe sich das LG im angefochtenen Urteil mit dieser Thematik nicht auseinandergesetzt. Entsprechend den vorstehenden Feststellungen besteht zu weiteren sachverständigen Untersuchungen und Feststellungen zur „Schussrichtung“ – unter Berücksichtigung von §§ 529, 531 ZPO – kein begründeter Anlass, da sich der Sachverständige auf Grundlage einer hinreichend authentischen Versuchsanordnung damit bereits in überzeugender Weise und unter Berücksichtigung der gefährlichen Besonderheiten des hier von der Beklagten ohne vorschriftsmäßige Sicherheitsvorkehrungen verwendeten Freischneiders auseinandergesetzt hat.

2.3.2.10.

Dabei kann – entgegen der erstinstanzlichen Einwände der Beklagten (183 GA), die sie mit der Berufung nicht wiederholt – auch dahinstehen, dass hier ein Freischneider mit einem Fadenkopf verwendet worden ist, da in der notwendigen Gesamtschau der Angaben des Sachverständigen die grundlegenden Wirkprinzipien von Faden- und Messergeräten identisch sind (vgl. insbesondere Seite 5/6 des Protokolls bzw. 65/66 GA) und sich daraus keine unterschiedlichen Bewertungen des haftungsbegründenden bzw. ausfüllenden Kausal- und Zurechnungszusammenhangs ergeben.

II.

Die Beklagte hat insoweit schuldhaft – nämlich zumindest mit einfacher Fahrlässigkeit – gehandelt, denn sie hat (als für die Landschaftspflege- und Freischneidearbeiten verantwortliches Unternehmen) durch den Zeugen L. als Verrichtungsgehilfen durch die vorstehend vom Senat festgestellten Umstände als Fachunternehmen für Garten- und Landschaftbau – gegen die o.a. grundlegenden Sorgfalts- und Unfallverhütungspflichten verstoßen, die ihr nach dem maßgeblichen berufsgruppenbezogenen Sorgfaltsmaßstab bekannt sein mussten; die Beklagte hat sich auch nicht exkulpiert (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB).

III.

Die Höhe des vom LG zuerkannten Schadens von 5.825,80 EUR stellt die Beklagte mit ihrer Berufung nicht in Abrede.

IV.

Ein Mitverschulden der Klägerin i.S.v. § 254 BGB ist weder dargetan noch sonst für den Senat erkennbar.

B.

Zinsen schuldet die Beklagte aus Verzug (§§ 286, 288 BGB).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

D.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

E.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 5.825,80 EUR festgesetzt.

F.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

 

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