AG Erfurt, Az.: 5 C 1738/12
Urteil vom 17.12.2014
Das Versäumnisurteil bleibt aufrecht erhalten; die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die (weiteren) Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister. Die Beklagte wurde von der am 12.05. 2009 verstorbenen Mutter, Frau Elfriede R., durch Testament vom 12.03.2009 als alleinige Erbin eingesetzt. Die Klägerin beansprucht als Pflichtteilsberechtigte Auskunft über den Bestand des Nachlasses sowie – im Wege der Klageerweiterung – Versicherung der Richtigkeit an Eides Statt und sodann Auszahlung des sich nach Erfüllung der vorgenannten Ansprüche ergebenden Pflichtteils.
Unter dem AZ VI 688/09 erstellte die Beklagte vor dem Amtsgericht Erfurt am 29.06.2009 ein Nachlassverzeichnis, woraus sich unter Berücksichtigung der Nachlassmasse abzüglich Nachlassverbindlichkeiten und Todesfallschulden ein negativer Saldo, d.h. eine Nachlassüberschuldung ergibt.
Die Klägerin behauptet, sie sei hinreichend prozessfähig.
Das Nachlassverzeichnis habe die Beklagte unvollständig und teilweise falsch ausgefüllt. Insbesondere seien Rückerstattungen aus einer Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2009 (anteilig), die hochwertige Wohnungseinrichtung, Hausrat und Schmuck nicht hinreichend angegeben bzw. bei der Wertstellung berücksichtigt worden.
Die Klägerin ist schließlich der Auffassung, der Auskunftsanspruch sei nicht durch Erfüllung erloschen.
Mit der am 09.07.2012 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 25.07.2012 zugestellten Klage hat die Klägerin zunächst den Auskunftsanspruch und auf den weiteren Stufen Auszahlung des Pflichtteils nebst Zinsen sowie Anfechtung des Testamentes geltend gemacht.
Nachdem die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.04.2013 nicht erschienen und auch ihre Verhandlungsunfähigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, ist auf Antrag der Beklagten klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen.
Gegen das am 27.04.2013 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin mit Schriftsatz gleichen Datums, bei Gericht am 02.05.2013 eingegangen, Einspruch eingelegt. Den Antrag auf Testamentsanfechtung hat sie mit Schriftsatz vom 30.06. 2014 zurückgenommen und klageerweiternd beantragt, die Richtigkeit und Vollständigkeit der beklagtenseitigen Angaben an Eides Statt versichern zu lassen.
Die Klägerin beantragt nunmehr: Unter Aufhebung des Versäumnisurteils wird die Beklagte gemäß den Anträgen aus dem Schriftsatz vom 30.06.2014 (Auskunftserteilung, eidesstattliche Versicherung und Auszahlung des sich danach ergebenden Pflichtteils) verurteilt.
Die Beklagte beantragt: Wie erkannt.
Sie bestreitet die Prozessfähigkeit der Klägerin. Im Übrigen ist sie der Auffassung, die Auskunft sei hinreichend erteilt und bestreitet in diesem Zusammenhang die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Forderungen und Vermögenswerte.
Im Hinblick auf den nachträglich mit Schriftsatz vom 30.06.2014 in den Rechtsstreit eingeführten Anspruch auf Versicherung der Richtigkeit an Eides Statt erhebt die Beklagte, die Einrede der Verjährung.
Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Durch den form- und fristgerechten Einspruch ist der Prozess in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Erlass des Versäumnisurteils befand (§ 342 ZPO).
In diesem Zusammenhang ist das Gericht nach Anhörung der Klägerin im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung aufgrund des gewonnenen unmittelbaren persönlichen Eindrucks der Auffassung, dass die Klägerin zwar im Einzelfall außergewöhnliche Ansichten vertreten haben mag (insbesondere auch im Hinblick auf die medizinische Behandlung ihrer Mutter), aber durchaus prozessfähig im Sinne der §§ 51 f. ZPO ist. Die Klägerin ist nach Überzeugung des Gerichtes hinreichend in der Lage, prozessuale Erklärungen mit rechtsverbindlicher Wirkung abzugeben und darüber hinaus ohne weiteres deren Sinngehalt und Rechtsfolgen zu erfassen. Auf den Inhalt des Protokolls kann ergänzend Bezug genommen werden.
In der Sache selbst war das die Klage abweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten, da der Klägerin die geltend gemachte Ansprüche nicht zustanden (§ 343 S. 1 ZPO). Auch im Hinblick auf den nach Erlass des Versäumnisurteils erweiterten Antrag (Versicherung der Richtigkeit an Eides Statt) war die Klage abzuweisen.
Im Einzelnen: Der auf der ersten Stufe geltend gemachte, nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB zu beurteilende Auskunftsanspruch hatte in der Sache bereits deswegen keinen Erfolg, weil er durch Erfüllung (§ 362 BGB) untergegangen ist. Die Beklagte hat nämlich mit dem erstellten Nachlassverzeichnis vom 29.06.2009 bereits hinreichend Auskunft erteilt. Sie hat darin mit ihrer Unterschrift versichert, dass sie die aufgeführte Nachlassmasse und die Nachlass- bzw. Todesfallschulden vollständig und richtig angegeben hat. Mehr kann von ihr nicht verlangt werden. Insoweit ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Auskunft in einer öffentlichen Urkunde gegenüber einer für die Entgegennahme der Auskunft zuständigen Stelle (Nachlassgericht) niedergelegt hat.
Die nach o. g. Norm zu erteilende Auskunft ist nämlich eine reine Wissens-, keine Willenserklärung (vgl. BGH NJW 1994, S. 1958). Dies wird klägerseits nicht hinreichend berücksichtigt. Soweit die Klägerin meint, eine Nebenkostennachzahlung sei nicht aufgeführt worden, hat die Beklagte zuletzt im Schriftsatz vom 28.11.2014 nochmals ausdrücklich hervorgehoben, eine solche sei ihr in keiner Weise bekannt. Die Erfüllung der Auskunftserteilung bleibt danach bestehen. Im Übrigen bemüht die Klägerin im Schriftsatz vom 30.06.2014 zur Stützung ihrer Auffassung lediglich das Argument, der Nachlasswert sei im Einzelnen unzutreffend angegeben worden. Dies berührt ebenfalls nicht die Wirksamkeit der erteilten Auskunft. Dies zeigt sich auch darin, dass das Gesetz gerade wegen der für den Erben häufig schwierigen Bezifferung des Wertes in § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB ein entsprechendes (von der Auskunftserteilung streng zu trennendes) Instrumentarium vorsieht.
Die von der Klägerin angezweifelte inhaltliche Richtigkeit der hier unstreitig erteilten Auskunft vermag die Erfüllung des Anspruchs nicht in Frage zu stellen; insbesondere ist auch der klägerseits aufgeführte Ausnahmetatbestand nach allem nicht darstellbar. Eine (lediglich behauptete) Unvollständigkeit/Unrichtigkeit kann nicht durch bloßes Beharren auf einer weiter zu erteilenden Auskunft geltend gemacht werden; auf der Ebene des Auskunftsbegehrens könnte dies allenfalls im Wege der Vollstreckung von Bedeutung sein (vgl. hierzu beispielsweise BGH a.a.O. sowie OLG Schleswig FamRZ 2011, S. 1979).
Rechtssystematisch vielmehr zutreffend hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.06.2014 den Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit geltend gemacht.
Dieser Anspruch ist zwar entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verjährt (vgl. §§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB i. V. mit Art. 229 § 23 EGBGB: Für – wie hier – vor dem 01.01.2010 eingetretenen Erbfälle gilt bezüglich aller erbrechtlichen Hilfsansprüche noch die 30-jährige Verjährungsfrist; die dreijährige Regel-Verjährungsfrist ist wegen Wegfalls von § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst auf danach eingetretene Erbfälle anwendbar).
Jedoch sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin nicht ansatzweise begründbar.
Gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. mit § 260 Abs. 2 BGB muss zwingend Grund zur Besorgnis bestehen, das Verzeichnis sei erkennbar und offensichtlich nicht sorgfaltspflichtgemäß aufgestellt worden. Selbst Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten vermögen keinen Anspruch auf Abgabe der Versicherung an Eides Statt zu begründen, wenn sie auf entschuldbar Unkenntnis oder Irrtum beruhen (vgl. zum ganzen Palandt, 73. Aufl., Rdnr. 13 zu § 259 f. BGB m.w.N.). Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalles. Indiziell sind insbesondere eine zögerliche Erteilung der Auskunft oder mehrfache Widersprüche heranzuziehen.
Letztere Umstände sind aus dem Sachverhalt nicht ansatzweise ersichtlich. Im Weiteren hat die Beklagte in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 28.11.2014 hinreichend eindeutig und plausibel erklärt, warum sämtliche dort unter 2. a) bis c) erteilten Auskünfte mit der nötigen Sorgfalt erteilt worden sind. Nach den Gesamtumstände des Falles besteht kein Anlass, der Klägerin im Einklang mit den vorgenannten Voraussetzungen einen darüber hinausgehenden Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit sämtlicher Angaben zu gewähren; es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagte dies mit der ihr zur Verfügung stehenden Kenntnis und Sorgfalt bei Aufstellung des Verzeichnisses in dem gerichtlichen Nachlassverfahren bereits getan hat.
Deswegen nur nochmals vorsorglich: Die Klägerin führt im Hinblick auf die Unrichtigkeit der Auskunft weitestgehend nur die falsche Bewertung von Hausrat, Möbeln und Schmuck ins Feld. Hierfür hätte der Klägerin lediglich der Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB zur Verfügung gestanden. Die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Auskunft und einen damit einhergehenden materiell-rechtlichen Anspruch auf diesbezügliche eidesstattliche Versicherung vermag dies jedoch nicht zu stützen. Es ist dem gesamten Vortrag und Akteninhalt insbesondere kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die Beklagte die Auskunft nicht nach bestem Wissen und Gewissen erteilt hat. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass sie die nötigen sachverständigen Kenntnisse hat, um unangreifbare Wertangaben zu machen.
Nicht zuletzt und ebenfalls vorsorglich ist zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin monierten Bewertungen (bis auf die marginale Position „Betriebskosten“) bereits durch das von der Erblasserin errichtete Testament entkräftet werden: Darin hat diese ausdrücklich klargestellt, dass sämtliche Einrichtungsgegenstände inklusive der Möbel und sämtlicher Schmuck gerade nicht auf die Erbin (Beklagte) übertragen werden, sondern vielmehr an die Enkelinnen gehen sollen. Hierbei handelt es sich um den klassischen Fall des Vermächtnisses. Insoweit hätte eine divergierende Bewertung bzw. Versicherung der Richtigkeit an Eides statt ohnehin keine rechtliche Relevanz, da diese Gegenstände den Wert des Erb- bzw. Pflichtteils im Ergebnis nicht schmälern oder erhöhen könnten.
Auch von daher wäre ein Anspruch auf eidesstattliche Versicherung gemäß § 260 Abs. 2 BGB – wie dann auch ein Wertermittlungsanspruch aus § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB – in der Sache nicht gegeben, wenn man insoweit nicht bereits jeweils das Rechtsschutzinteresse verneinen müsste.
Nach allem war auch der auf der dritten Stufe gestellte Antrag auf Zahlung gegenstands- bzw. erfolglos.
Die Entscheidung über die (weiteren) Kosten des Rechtsstreits hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO; ein Fall des § 709 S. 3 ZPO ist hier nicht einschlägig.