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Reiseveranstalterhaftung: Zurechnung des Verschuldens des Reisebüros

AG Frankfurt, Az.: 30 C 2636/09 (45), Urteil vom 14.09.2010

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 943,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.08.2009 zuzüglich vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 155,30 € zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin oder die Nebenintervenientin jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Haftung Reisebüro / Reiseveranstalter
Symbolfoto: Dmytro Sidelnikov/Bigstock

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Flugbuchung geltend.

Die Klägerin hatte zunächst am 27.08.2008 über die Fa…. bei der Beklagten einen Flug B…-Kapstadt-B… mit Hinflug am 08.12.2008 und Rückflug am 19.01.2009 gebucht. Diese Buchung erhielt die Flugreferenznummer 42KPFT.

Am 17.09.2008 buchte die Klägerin sodann über die Nebenintervenientin bei der Beklagten erneut einen Flug B…-Kapstadt-B… diesmal mit Hinflug am 28.12.2008 und Rückflug am 19.01.2009, obwohl die ursprüngliche Buchung von … zu diesem Zeitpunkt noch nicht storniert worden war. Die Buchung über die Nebenintervenientin erhielt die Flugreferenznummer 5I9C5Y.

Nach der – automatisch generierten – Buchungsbestätigung bemerkte die Beklagte, dass für die Klägerin für den Flug am 19.01.2009 bereits eine Reservierung vorlag und gab daher am 18.09.2008 eine sogenannte „Dupe Notification“ an die Nebenintervenientin heraus.

Mit dieser automatisch generierten Meldung wies die Beklagte auf die zur Buchungsreferenz 42KPFT bereits bestehende Buchung hin und teilte mit, dass die zuletzt – also von der Nebenintervenientin – getätigte Buchung gestrichen werde.

Im Buchungssystem der Beklagten verblieben mithin die von der Fa…. (gebuchten Flüge B…-Kapstadt-B… mit Hinflug am 08.12.2008 und Rückflug am 19.01.2009, sowie der von der Nebenintervenientin gebuchte Flug B…-Kapstadt am 28.12.2008.

Nachdem die Fa…. sodann ihre Buchung stornierte, wurden die Flüge B…-Kapstadt-B… mit Hinflug am 08.12.2008 und Rückflug am 19.01.2009 aus dem System gelöscht, so dass für die Klägerin lediglich noch der über die Nebenintervenientin gebuchte Hinflug B…-Kapstadt am 28.12.2008 vorhanden war, welchen die Klägerin auch antrat.

Als die Klägerin am 19.01.2009 in Kapstadt den Rückflug nach B… antreten wollte, wurde ihr von der Beklagten erklärt, dass kein Rückflug für sie gebucht sei.

Die Klägerin war daher gezwungen, vor Ort erneut ein Ticket für den Flug Kapstadt-B… zu erwerben, wofür ihr Kreditkartenkonto mit umgerechnet 933,74 € und 9,34 € Auslandseinsatzentgelt belastet wurde.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Ersatz dieser Aufwendungen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte müsse sich ein Verschulden der Nebenintervenientin zurechnen lassen, da diese nach Abschluss der Buchung Erfüllungsgehilfin der Beklagten geworden sei.

Das Verschulden der Nebenintervenientin liege darin, dass diese sie, die Klägerin, nicht über die „Dupe Notification“ informiert habe.

Die Klägerin stellt den Antrag, auf den erkannt wurde.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie kein Verschulden treffe. Sie habe die Nebenintervenientin rechtzeitig per „Dupe Notification“ über die Doppelbuchung informiert, so dass diese verpflichtet gewesen wäre, sich mit der Klägerin und ihr in Verbindung zu setzen.

Die Nebenintervenientin, welche im Übrigen nach ihrer Ansicht Erfüllungsgehilfin der Klägerin sei, habe aber trotz erteilter „Dupe Notification“ nichts unternommen, um sich gegen die Streichung des Rückflugs oder für die Neueinbuchung des Rückflugs zu kümmern.

Sie selbst, die Beklagte, habe keine andere Möglichkeit zur Information der Kundin gehabt, da die Klägerin die Flüge nicht unmittelbar bei ihr, sondern über die Nebenintervenientin gebucht habe.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu.

Der Klägerin ist der geltend gemachte Schaden entstanden, weil die Beklagte den zuvor unter der Flugreferenznummer 5I9C5Y bestätigten Flug Kapstadt-B… vom 19.01.2009 storniert hat und die Klägerin, welche über die Stornierung zuvor nicht informiert worden war, daher gezwungen war, vor Ort nochmals ein Ticket für diesen Flug zu erwerben.

Wie die Klägerin zu Recht hinweist, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25.04.2006 (Az.: X ZR 198/04) entschieden, dass nach getroffener Auswahlentscheidung des Reisekunden das Reisebüro bei den weiteren Informationen über die Durchführung der konkret gewählten Reise nur noch als Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters tätig wird.

Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass die Nebenintervenientin spätestens nach erfolgter Buchung gegenüber der Klägerin nur noch als Erfüllungsgehilfin der Beklagten tätig wurde.

Entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich diese daher im vorliegenden Fall ein etwaiges Verschulden der Nebenintervenientin zurechnen lassen.

Hierbei kann aber nach Ansicht des Gerichts im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Nebenintervenientin mithilfe der „Dupe Notification“ ausreichend und in der für das Reisegewerbe üblichen Form über die automatische Streichung des Rückfluges wegen vermeintlicher Doppelbuchung informiert hat, oder ob sie es versäumt hat, die „Dupe Notification“ über spezielle, so genannte „Queues“ an die Nebenintervenientin weiterzuleiten.

Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Beklagte überhaupt berechtigt war, die zunächst bestätigte Buchung ohne vorherige Rücksprache mit dem Kunden automatisch zu stornieren, da in allen Fällen die Beklagte die Verantwortung für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden zu tragen hat, sei es aus eigenem Verschulden, sei aus dem anzurechnenden Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfin.

Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus § 288 BGB.

Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der nicht anrechenbaren vorprozessualen Rechtsanwaltskosten gemäß Nr. 2300 W zuzüglich der Postpauschale nach Nr. 7002 W RVG und 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 W RVG aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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