Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 U 19/14 – Beschluss vom 06.05.2016
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 25.10.2013, Az. 9 O 31/06, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
II. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung kann nach § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Es ist ohne größere Überlegung feststellbar, dass beides hier nicht der Fall ist.
1. Die in der Berufungsbegründung geltend gemachten Verfahrensfehler liegen tatsächlich nicht vor. Der Sachverständige N. hat sich hinreichend mit den Einwendungen der Beklagten gegen sein Gutachten auseinandergesetzt.
Die Schriftsätze, in denen die Beklagte zu den Gutachten des Sachverständigen N. Stellung genommen hat, sind diesem nebst Anlagen, also auch den Stellungnahmen des Privatgutachters P., vor den Terminen, in denen er seine Gutachten erläutert hat, zugesandt worden. Im Falle des Schriftsatzes vom 06.02.2011 und der Stellungnahme des Privatgutachters P. vom 23.08.2011 geschah das mit der Ladung zu dem zunächst für den 14.02.2102 vorgesehenen Termin (Bl. 652 d. A.), im Falle des Schriftsatzes vom 08.02.2013 nebst Stellungnahme des Privatgutachters P. vom 05.02.2013 mit der Ladung zu dem zunächst für den 14.05.2013 vorgesehenen Termin (Bl. 748 d. A.).
In beiden Fällen sind die Gutachten des Sachverständigen N. umfassend erörtert worden, und die Beklagte hatte Gelegenheit, ihn aufgrund ihrer Einwendungen zu befragen. In beiden Fällen ist im Protokoll vermerkt worden, dass offene Fragen nicht mehr bestehen (Prot. v. 19.06.2012, Bl. 692 – 699 d. A.; Prot. v. 12.08.2013, Bl. 769 – 775 d. A.), sodass nicht erkennbar ist, welche Einwände der Beklagten offen geblieben sein könnten. Es ist ausgeschlossen, dass die Beklagten auf Fragen an den Sachverständigen verzichtet hat, weil das Landgericht eine Zusammenfassung des Sach- und Streitstandes in Aussicht gestellt hatte. Abgesehen davon, dass dadurch auch aus Sicht der Beklagten ihre Fragen an den Sachverständigen nicht überflüssig wurden, ist diese Zusage im Termin vom 19.06.2012 erst gemacht worden, nachdem der Sachverständige bereits entlassen war.
Es ist davon auszugehen, dass in den Terminen auch der Inhalt der Stellungnahmen des Privatgutachters P. vom 23.02.2012 und 09.08.2013 erörtert worden ist. Eine vorherige Zusendung an den Sachverständigen war in beiden Fällen entbehrlich. Die Stellungnahme vom 23.02.2012 beschäftigt sich – neben einer Zusammenfassung der bereits vorher geäußerten Kritik an dem Gutachten des Sachverständigen N. – in erster Linie mit einem Schriftsatz des Klägervertreters vom 13.02.2012 (Bl. 663 – 669 d. A.). Eine gesonderte Stellungnahme des Sachverständigen N. dazu war entbehrlich.
2. Das Landgericht hat seine Entscheidung keineswegs allein aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen N. getroffen, sondern die Ausführungen aller beteiligten Gutachter zur Kenntnis genommen. Es hat sich insbesondere ausreichend mit den Einwendungen der Beklagten aufgrund der Stellungnahmen der Privatgutachter P. und K. auseinandergesetzt. Jedenfalls würde auch eine nähere Auseinandersetzung an dem Ergebnis nichts ändern.
Zu Recht hat das Landgericht die Ausführungen der Sachverständigen K. und N. als nicht widerlegt durch die Stellungnahmen der Privatgutachter auf Beklagtenseite angesehen. Deren Ausführungen bleiben überwiegend theoretisch, da beide Privatgutachter das betroffene Gebäude zwar einmal äußerlich besichtigt, jedoch keine näheren Feststellungen vor Ort getroffen haben.
Ihr Hauptargument, die Kellerabdichtung könne nicht mangelhaft sein, weil nicht nachgewiesen sei, dass Wassereinbrüche in den Keller auf eine mangelhafte Abdichtung zurückzuführen seien (etwa Stellungnahmen P. vom 23.08.2011, S. 2, Bl. 635 d. A., und vom 23.02.2012, S. 4, Bl. 691 d. A.; Stellungnahme Kempin vom 10.06.2009, S. 2, Bl. 498 d. A.), ist rechtlich bedeutungslos. Denn ein Mangel liegt bereits dann vor, wenn die anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten worden sind (BGH NJW 2013, 1226). Dass bereits ein Schaden eingetreten ist, ist nicht erforderlich.
Die Ausführungen des Privatgutachters P. werden dadurch entwertet, dass sie teils unsachlich sind. So verweist er auf die Baukunst der Römer (Stellungnahme vom 14.03.2007, S. 6, AB), meint, dem Sachverständigen N. die Funktion einer Dränage erklären zu müssen (Stellungnahme vom 23.08.2011, S. 5, Bl. 638 d. A.), und mutmaßt sogar in der Stellungnahme vom 03.05.2007 (S. 5, Bl. 299 d. A.), vor dem Schadensereignis im Januar 2007 seien die Pumpen absichtlich abgestellt worden, um einen Schaden herbeizuführen, und der Sachverständige K. habe dies nicht erkannt oder wolle es nicht vortragen, ohne dass er Anhaltspunkte für einen solchen strafrechtlich relevanten Vorwurf vorweisen kann.
Aufgrund der nachvollziehbaren und gut verständlichen, nach örtlichen Untersuchungen getroffenen Aussagen der sachkundigen Sachverständigen hat das Landgericht zur Recht Mängel der Kellerabdichtung festgestellt. Im Einzelnen gilt Folgendes:
a) Die beteiligten Gutachter sind sich darüber einig, dass im Bereich der ehemaligen Baugrube wegen des anstehenden bindigen Bodens und der Hanglage die Gefahr des aufstauenden Sickerwassers und des Zulaufs von Schichtenwasser besteht. Auch der Sachverständige K. ist zu diesem Ergebnis gekommen, nachdem er zunächst davon ausgegangen war, dass Grundwasser anstehe (Prot. v. 05.06.2007, S. 2, Bl. 317 d. A.). Der Privatgutachter P. hat diesen Sachverhalt bereits in seiner ersten Stellungnahme vom 14.03.2007 beschrieben (S. 6, AB). Auch der Sachverständige N. geht davon aus (Gutachten vom 15.06.2011, S. 5, 10).
Ebenso herrscht Einigkeit darüber, welche Maßnahmen zur Abdichtung getroffen werden müssen. Es muss eine funktionsfähige Drainage vorhanden sein und die Kelleraußenwände müssen gegen Feuchtigkeit abgedichtet werden.
b) Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen K. und N. steht fest, dass die Ringdrainage nicht nach den anerkannten Regeln der Technik eingebaut worden ist. So liegt nach den Feststellungen des Sachverständigen K. die Sohle des Drainagerohrs nicht überall wie gefordert unterhalb der Sohle (Gutachten vom 04.02.2006, S. 32 f.). Oberhalb der Drainage befindet sich z. T. nicht ausreichend sickerfähiges Material als Verfüllung der ehemaligen Baugrube (Gutachten vom 04.02.2006, S. 20). Kontroll- und Spülschächte, vor allem bei Richtungswechseln der Drainage, fehlen (Gutachten vom 04.02.2006, S. 32). Letztere Feststellungen werden von dem Sachverständigen N. bestätigt (Gutachten vom 15.06.2011, S. 15 f.; Prot. v. 19.06.2012, S. 3, Bl. 694 d. A.). Er hat außerdem ausgeführt, dass das Gefälle von 0,33 % zu gering ist, um die Gefahr der Sedimentation auszuschließen (Gutachten vom 15.06.2011, S. 6; Prot. v. 19.06.2012, S. 4, Bl. 695 d. A.).
Die Beklagte hat zwar die Berechnung der Höhenlage der Drainage angegriffen, aber eingeräumt, dass auch nach ihrer Berechnung die Drainage zu hoch liegt (Schriftsatz vom 22.05.2006, Bl. 213 d. A.). Die Privatgutachter haben zur Errichtung der Drainage nur ausgeführt, nach Aktenlage seien die Spülrohre vorhanden, sei seien auf Plänen eingezeichnet, und die Baugrube sei mit Kies verfüllt worden (etwa Stellungnahme Kempin vom 10.08.2007, S. 7, AB). Die Spülrohre lägen unter der Bodenoberfläche (Stellungnahme P. vom 11.08.2007, S. 3, AB). Feststellungen vor Ort haben die Privatgutachter aber nicht getroffen. Nachdem der Privatgutachter P. durch die Fotos im Gutachten des Sachverständigen N. vom 15.06.2011 feststellen musste, dass Spülrohre in den Ecken tatsächlich nicht vorhanden sind, meinte er, dass sie auch nicht wünschenswert seien, da sie die Manipulation der Drainage erlaubten (Stellungnahme vom 23.08.2011, S. 10, Bl. 643 d. A.), obwohl auch er zunächst der Meinung war, die Schächte müssten bei Fehlen nachgerüstet werden (Stellungnahme vom 24.11.2008, S. 2, Bl. 466 d. A.).
c) Eine Flächendrainage unterhalb der Sohle ist notwendig, aber nicht vorhanden. Der Sachverständige K. hat das Material unterhalb der Kellersohle untersucht und festgestellt, dass es nicht als Flächenfilter geeignet ist und Rohre zur Ableitung der Feuchtigkeit durch die Fundamente fehlen (Gutachten vom 04.02.2006, S. 19, 25, 32). Dagegen wenden die Privatsachverständigen der Beklagten nur ein, es lägen Lieferscheine vor, nach denen geeigneter Kies eingebaut worden sei (etwa Stellungnahme P. vom 23.08.2011, S. 9, Bl. 642 d. A.). Sie haben aber weder Feststellungen vor Ort getroffen noch die Untersuchung des Sachverständige K. nachvollziehbar angegriffen.
Die Flächendrainage ist nicht verzichtbar. Zwar trifft es zu, wie der Privatgutachter P. einwendet, dass auf sie verzichtet werden kann, wenn der Untergrund der Baugrube wasserundurchlässig ist (etwa Stellungnahme vom 24.11.2008, S. 2 f., Bl. 466 f. d. A., vom 17.06.2009, S. 2 f., Bl. 502 f. d. A., und vom 23.08.2011, S. 8 f., Bl. 641 f. d. A.). Hier allerdings lässt sich die Beschaffenheit des Untergrunds nicht mehr feststellen. Die von der Beklagten beauftragten Bodengutachter haben allerdings empfohlen, aufgrund der Beschaffenheit des Baugrundes einen Flächenfilter einzubauen (S. der GEOTEST H. Freund GmbH v. 17.07.1996, Anlage B 12, AB). Hier ist zu befürchten, dass ein Wechsel von durchlässigen und nicht durchlässigen Bodenschichten ansteht oder eine wasserführende Schicht angeschnitten worden ist. Dafür spricht insbesondere, dass unterhalb der Kellersohle in geringem Abstand Wasser und ein Wasserzufluss an der Grenze zwischen gewachsenem Boden und Auffüllung festgestellt worden ist. All das hat der Sachverständige K. nachvollziehbar ausgeführt (Gutachten vom 04.02.2006, S. 15; 2. Ergänzung vom 09.03.2007, S. 8; Prot. v. 05.06.2007, S. 5, Bl. 320 d. A.; Prot. v. 14.12.2010, S. 2 ff. Bl. 561 ff. d. A.) und der Sachverständige K. bestätigt (Gutachten vom 15.06.2011, S. 9, 14; Prot. v. 19.06.2012, S. 5, Bl. 696 d. A.). Zu diesem Wasserzufluss unterhalb der Sohle haben die Privatgutachter nicht Stellung genommen, sodass ihre Annahme, es könne kein Wasser unter die Sohle gelangen, das abgeleitet werden müsse, nicht nachvollziehbar ist.
d) Auf die Abdichtung der Kellersohle auch außerhalb der Souterrainwohnung kann nicht verzichtet werden. Zwar ist es richtig, wie die Privatgutachter der Beklagten einwenden, dass sie verzichtbar ist, wenn an die Räume, wie bei Kellerräumen, nur geringe Ansprüche zu stellen sind (etwa Stellungnahme P. vom 17.06.2009, S. 3, Bl. 503 d. A., und vom 23.08.2011, S. 8, Bl. 641 d. A., und vom 05.02.2013, S. 4, Bl. 737 d. A.). Das gilt aber nur, wenn unterhalb der Kellersohle eine kapillarbrechende Schicht vorhanden ist, die hier nach dem unter c) ausgeführten fehlt. Das ist von dem Sachverständige K. festgestellt (Gutachten vom 04.02.2006, S. 33) und von dem Sachverständigen N. bestätigt worden (Gutachten vom 15.06.2011, S. 13 ff.).
e) Die Kunststoffmodifizierte Dickbeschichtung ist nicht fachgerecht hergestellt worden. Diese Art der Abdichtung der Kelleraußenwände war zurzeit der Errichtung des Baus in der Norm noch nicht vorgesehen, aber bereits Stand der Technik. Es war notwendig, den Herstellervorgaben zu folgen, die u. a. eine Vorbehandlung des Untergrundes vorsahen, Hier ist der Untergrund nicht geglättet worden, sodass keine einheitliche Schichtstärke aufgetragen und so keine spannungsfreie Beschichtung hergestellt worden ist. Das führt zu Fehlstellen. Das hat der Sachverständige K. festgestellt (Gutachten vom 04.02.2006, S. 34; Prot. v. 05.06.2007, S. 5, Bl. 320 d. A.; Prot. v. 13.11.2007, s. 3 f., Bl. 367 f. d. A.; 4. Ergänzung vom 12.05.2009, S. 15) und ist von dem Sachverständigen N. bestätigt worden (Gutachten vom 15.06.2011, S. 11, 17 f.; Prot. v. 19.06.2012, S. 3, Bl. 694 d. A.). Da ein Systemfehler vorliegt, waren die stichprobenartigen Feststellungen der Sachverständigen ausreichend. Die Privatgutachter der Beklagten haben auch zu diesem Punkt keine Feststellungen vor Ort getroffen.
Der Privatgutachter K. konzediert, dass eine Schichtdicke von 3 mm notwendig gewesen wäre (Stellungnahme vom 23.04.2008, S. 5, Bl. 414 d. A.). Der Privatgutachter P. bestätigt, dass die Kunststoffmodifizierte Dickbeschichtung zurzeit des Baus noch nicht in die Norm aufgenommen, aber Stand der Technik war. Sein Einwand, die Empfehlung der Auftragsdicke durch die Hersteller resultiere aus dem Wunsch nach dem Verkauf großer Mengen, und seine Vermutung, die Beschichtung sei ordnungsgemäß aufgebracht worden (Stellungnahme vom 24.11.2008, S. 2, Bl. 466 d. A., und vom 17.06.2009, S. 3, Bl. 503 d. A.), ist angesichts der Feststellungen der Sachverständigen vor Ort nicht stichhaltig.
f) Soweit der Privatgutachters P. Ausführungen zur Höhe der Mangelbeseitigungskosten aufgrund eines Angebots aus einer von ihm betreuten Mangelbeseitigung macht (Stellungnahme vom 05.02.2013, Bl. 734 – 745 d. A.), musste das Landgericht nicht zu einem niedrigeren Vorschuss kommen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass er die Kosten der Planung nach dem JVEG statt nach der HOAI ermitteln will. Weiter fehlt in der Darstellung die Abdichtung der Kellersohle. Schließlich steht nicht fest, dass auch der WEG die dort angenommenen Preise angeboten werden. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine genaue Berechnung der Mangelsbeseitigungskosten nicht notwendig ist, weil über den Vorschuss abzurechnen ist.
3. Weitere Einwendungen gegen das Urteil erhebt die Beklagte nicht. Auch der Senat hält die weiteren Ausführungen des Landgerichts für zutreffend.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Anwendbarkeit des § 633 Abs. 3 BGB a. F. trotz der fehlenden Abnahme unproblematisch ist. Es ist nicht das allgemeine Leistungsstörungsrecht anzuwenden. Denn wenn ein Bauträger – wie hier – durch die Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen den Eindruck erweckt, die Abnahme sei bereits erfolgt, kann er sich nach Treu und Glaube nicht darauf berufen, der Vertrag befinde sich noch in der Leistungsphase (BGH, Urteil vom 25.02.2016, VII ZR 49/15, Rn. 41 bei juris).