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Beseitigung einer widerrechtlichen Grenzbebauung – Verjährung

LG Berlin – Az.: 18 O 48/15 – Urteil vom 25.09.2019

In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Berlin – Zivilkammer 18 – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.08.2019 für Recht erkannt:

1. a) der Beklagte zu 1. wird verurteilt, den auf seinem Grundstück an der Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück – gemäß Plan zur Klageschrift rot markiert – errichteten Weg in dem Bereich, in dem dieser in lichter Höhe von mehr als 50 cm über dem Grundstück der Kläger verläuft, bis in einem Abstand von 1,20 m von der Grundstücksgrenze zu beseitigen.

1. b) die Beklagten zu 2. und zu 3. werden verurteilt, den auf ihrem Grundstück an der Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück – gemäß Plan zur Klageschrift blau markiert – errichteten Weg in dem Bereich, in dem dieser in lichter Höhe von mehr als 50 cm über dem Grundstück der Kläger verläuft, bis in einem Abstand von 1,20 m von der Grundstücksgrenze zu beseitigen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten haben die Kläger ½, die Beklagte zu 1. ¼ sowie die Beklagten zu 2. und 3. je 1/8 zu tragen. Die Kläger haben die Hälfte aller außergerichtlichen Kosten – einschließlich ihrer eigenen und derer der Streithelferin der Beklagten – zu tragen. Die Beklagte zu 1. hat ¼, die Beklagten zu 2. und 3. haben je 1/8 der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen. Im Übrigen tragen die Beklagten und ihre Streithelferin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von den Beklagten, eine auf deren Grundstücken erbaute befestigte Geländeerhöhung, auf der die Zuwegung zu den Grundstücken verläuft, teilweise zurückzubauen.

Beseitigung einer widerrechtlichen Grenzbebauung – Verjährung
Symbolfoto: Von wolfness72/Shutterstock.com

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks K… … in Berlin…. Die Kläger ließen im Jahr 2011 Teile von ihrem Grundstück abtrennen und als eigenständige Grundstücke im Grundbuch anlegen, die sie sodann an die Beklagten verkauften. Die Beklagten ließen auf den erworbenen Grundstücken Einfamilienhäuser errichten; der Beklagte zu 1. bewohnt das Grundstück K… …, die Beklagten zu 2. und zu 3. bewohnen das Grundstück K… ….

Das Gelände, auf denen die Grundstücke der Parteien liegen, fiel von der Straße aus ab. Die Beklagten ließen auf ihren Grundstücken eine Aufschüttung vornehmen, sodass diese insgesamt etwa das straßenseitige Höhenniveau wahren. Sie beauftragten ihre Streithelferin, entlang der Grenze zum Grundstück der Kläger einen befestigten Weg herzustellen. Dazu wurden vorgefertigte Betonelemente in L-Form aufgestellt, es wurden Leitungen für Gas und andere Medien in diese Form hineingelegt, dann das Erdreich bis zur Oberkante der Betonelemente aufgefüllt und verfestigt. So entstand im Jahre 2012 eine gemeinsame Zuwegung, die die Grundstücke der Beklagen und ein weiteres, von der Straße betrachtet dahinter liegendes Grundstück erschließt. Dieses Grundstück steht im Eigentum der Zeugen H…, zu deren Gunsten ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht an den Grundstücken der Beklagten besteht. Die Streithelferin der Beklagten rechnete ihre Leistungen mit Schlussrechnung vom 28. November 2013 (vgl. Kopie als Anlage B1, Bl. 30 f. d. A.) zu einem Preis von insgesamt 31.725,00 Euro (netto) ab.

Das Grundstück der Kläger ist mit einem Einfamilienhaus bebaut. An der Grenze zu den Grundstücken der Beklagten findet sich ferner ein Schuppen. Der Abstand zwischen der in diesem Bereich etwa einen Meter hohen Wand, die die L-förmigen Betonelemente ausmachen und der den Grundstücken der Beklagten zugewandten Außenwand des Schuppens beträgt an der schmalsten Stelle etwa 80 cm.

Die Vermessungsarbeiten zur Abtrennung der Grundstücke der Beklagten von dem Grundstück der Kläger im Jahre 2011 hatte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Z… vorgenommen. Die Beklagten hatten diesen vor der Errichtung der Zuwegung veranlasst, die Grundstücksgrenze mit Holzpflöcken abzustecken, welche zur Markierung des Grenzverlaufs mit einem Band verbunden wurden. Im Jahre 2015 beauftragten die Kläger den Zeugen Z… zu überprüfen, ob der Verlauf der Grundstücksgrenze bei der Errichtung der Zuwegung eingehalten worden war. Dieser stellte fest, dass die Außenkannte der durch die L-förmigen Betonelemente gebildeten Stützmauer bis zu 22 cm in das klägerische Grundstück hineinragte. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K3 in Kopie vorgelegte „Skizze zur Grenzmarkierung“ vom 4. September 2015 (vgl. Bl. 9 d. A.) verwiesen.

Der Beklagte zu 3. hatte, da die Zuwegung auch als Baustraße genutzt werden sollte, im Jahre 2013 ein geologisches Kurzgutachten eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage K5 (vor Bl. I/42 d. A.) verwiesen wird.

Mit der am 22. Dezember 2015 eingereichten und den Beklagten am 6. Februar 2016 zugestellten Klage haben die Kläger die Beklagten zunächst nur auf Rückbau der auf dem Grundstück der Kläger errichteten Teile der Aufschüttung/Zuwegung in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017, den Beklagten zugestellt am 23. Februar 2017, haben die Kläger die Klage dahin erweitert, dass die Beklagten die Aufschüttung/Zuwegung soweit auf ihre Grundstücke zurückbauen mögen, dass sie einen Abstand von 1,20 m zur Grundstücksgrenze wahrt.

Die Kläger tragen vor, die Stützmauer diene allein dazu, die von den Beklagten vorgenommene Aufschüttung zu fixieren; sie nutze weder den Klägern, noch sei sie gemeinsam oder mit Zustimmung der Kläger errichtet worden, und es handele sich auch nicht um eine ortsübliche Einfriedung. Die Aufschüttung betreffe mehr als 30 m² Grundstückfläche und hätte daher nach § 62 Abs. 1 Nr. 8 BauO Berlin einer Baugenehmigung bedurft; eine solche sei mit der Genehmigung der Errichtung der Einfamilienhäuser im vereinfachten Verfahren nach § 64 BauO Berlin nicht erteilt worden. Die Erdaufschüttung und die Winkelstützen übten ausweislich der von dem Hersteller der Winkelstützen überlassenen statischen Berechnungen aus den Jahren 2004 (vgl. Anlage K4, nach Bl. I/41 d. A.) und 2015 (vgl. Anlage K9, Bl. I/100 ff. d. A.) erheblichen Druck auf den angrenzenden Boden des klägerischen Grundstücks aus, was nach § 20 NachbG Berlin unzulässig sei. Wenn die Kläger nun auch nur geringste Abgrabungen auf ihrem Grundstück vornehmen oder beispielsweise den Schuppen mit der Bodenplatte abbrechen würden, könne es zum Grundbruch kommen. Wollten die Kläger im Bereich der Grundstücksgrenze Baumaßnahmen durchführen, müssten sie zum Schutz der Aufschüttung hohen Aufwand betreiben; das sei ihnen nicht zuzumuten. Die Beklagten müssten gemäß §§ 1004 BGB, 20 NachbarG Berlin die Mauer nebst Aufschüttung entfernen. Soweit diese auf dem Grundstück der Kläger errichtet worden sei, müssten die Kläger den Überbau nicht nach § 912 BGB dulden, da der Weg kein Gebäude oder größeres Bauwerk im Sinne dieser Vorschrift darstelle. Der Überbau sei nicht geringfügig. Die Außenkannte der Stützwand rage teils mehr als 20 cm in das Grundstück der Kläger hinein. Dies betreffe gerade den Bereich am Schuppen, dort sei aus einem schmalen ein unpassierbarer Durchgang geworden. Die Winkelelemente stünden auf einem Betonfundament, das um bis zu weitere 40 cm in das klägerische Grundstück hineinrage. Der Aufwand für den geforderten Rückbau werde etwa 25.000,00 Euro ausmachen.

Die Kläger beantragen,

1.a) den Beklagten zu 1. zu verurteilen, den auf seinem Grundstück an der Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück – gemäß Plan zur Klageschrift rot markiert – errichteten Weg bis in einem Abstand von 1,20 m von der Grundstücksgrenze zu beseitigen,

1.b) die Beklagten zu 2. und zu 3. zu verurteilen, den auf ihrem Grundstück an der Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück – gemäß Plan zur Klageschrift blau markiert – errichteten Weg bis in einem Abstand von 1,20 m von der Grundstücksgrenze zu beseitigen,

hilfsweise zu 1.a)/1.b)

2. a) den Beklagten zu 1. zu verurteilen, die Beseitigung des auf seinem Grundstück an der Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück – gemäß Plan zur Klageschrift rot markiert – errichteten Weges bis zu einem Abstand von 1,20 m von der Grundstücksgrenze zu dulden,

2. b) die Beklagten zu 2. und zu 3. zu verurteilen, die Beseitigung des auf ihrem Grundstück an der Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück – gemäß Plan zur Klageschrift blau markiert – errichteten Weges bis zu einem Abstand von 1,20 m von der Grundstücksgrenze zu dulden,

weiter hilfsweise zu 2.a)/2.b)

3. a) den Beklagten zu 1. zu verurteilen, die auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Teile des an der gemeinsamen Grundstücksgrenze angelegten befestigten Weges – gemäß Plan zur Klageschrift rechts der roten Markierung – zu beseitigen, die Erde in dem überbauten Bereich auf das Oberflächenniveau des klägerischen Grundstücks abzutragen und die beräumte Fläche an die Kläger herauszugeben,

3. b) die Beklagten zu 2. und zu 3. zu verurteilen, die auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Teile des an der gemeinsamen Grundstücksgrenze angelegten befestigten Weges – gemäß Plan zur Klageschrift rechts der blauen Markierung – zu beseitigen, die Erde in dem überbauten Bereich auf das Oberflächenniveau des klägerischen Grundstücks abzutragen und die beräumte Fläche an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagten und ihre Streithelferin beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, der Klage könne schon deswegen nicht stattgegeben werden, weil dadurch in die Rechte der Zeugen H… an der Zuwegung eingegriffen würde. Die Betonelemente seien entlang der von dem Zeugen Z… abgepflockten Markierung errichtet worden, sodass die Stützmauer genau die Grundstücksgrenze markiere. Es treffe nicht zu, dass die Zuwegung teilweise auf dem Grundstück der Kläger verlaufe. Lediglich die 12 cm breite Wegmauer, die die Grenzmarkierung darstelle, rage an einigen Stellen wenige Zentimeter in das Grundstück der Kläger hinein. Bei der den Zufahrtsweg begrenzenden Mauer handele es sich um eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 BGB, die zur Stabilisierung der Aufschüttung und des Weges erforderlich sei, mithin auch dem Grundstück der Kläger diene. Die Aufschüttung sei baurechtlich genehmigt worden; die vorliegenden Höhenquoten seien in den vorbehaltlos genehmigten Bauantragsunterlagen angegeben worden. Die Stützwand sei im gegenseitigen Einvernehmen errichtet worden; die Kläger hätten sogar darum gebeten, den Weg mit benutzen zu dürfen, was die Beklagten jedoch zurückgewiesen hätten. Die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls verjährt, da die Zuwegung bereits im Jahre 2012 errichtet worden sei, die Kläger den Rückbauanspruch aber erst seit dem Jahre 2017 geltend machten. Eine Gefahr eines Grundbruchs hätten die Kläger nicht schlüssig dargetan; der Weg sei während der Bauphase sogar durch Schwerlastfahrzeug mit Fertighausteilen befahren worden, ohne dass es zu Schäden gekommen sei. Wenn die Kläger Abgrabungen auf ihrem Grundstück vornähmen, hätten sie ohnehin Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Soweit tatsächlich ein geringfügiger Überbau vorliege, sei dieser jedenfalls nach § 912 BGB zu dulden. Die betroffene Fläche betrage im Bereich des Grundstücks der Beklagten zu 2. und zu 3. etwa 1,4 m²; im Bereich des Grundstücks des Beklagten zu 1. sei sie noch geringer. Die Beseitigung des Weges und der Bau eines neuen Weges würde Kosten von mindestens 60.000,00 Euro verursachen, zumal im Zuge des Umbaus auch die Medien-, Gas- und Abwasserleitungen erneuert werden müssten. Die Forderung der Kläger sei als unverhältnismäßig zurückzuweisen, zumal ihnen durch den Überbau kein erheblicher Nachteil entstehe.

Die Kammer hat Beweis erhoben über die Behauptung der Kläger, von der Aufschüttung gingen unzulässige Auswirkungen in Form eines überhöhten Erddrucks aus, die sie in der Nutzung ihres Grundstücks unzumutbar beeinträchtigten durch schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. M… und dessen ergänzende Anhörung. Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 18. Oktober 2017 (vgl. Bl. II/64 f. d. A.) in Gestalt der Änderungsbeschlüsse vom 11. Januar 2018 (vgl. Bl. II/81 d. A.) und vom 15. März 2018 (vgl. Bl. II/106 d. A.), das schriftliche Gutachten vom 7. Februar 2019 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2019 (vgl. Bl. III/46 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht zwischen den Beklagten und den Zeugen H… nicht deswegen eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 ZPO, weil letzteren ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht an den Grundstücken der Beklagten zusteht. Die befestigte Aufschüttung und der über diese verlaufende Weg sind im Sinne des § 94 BGB wesentlicher Bestandteil des jeweiligen Grundstücks, auf dem sie sich befinden. Sind die Beklagten mithin alleinige Eigentümer des streitgegenständlichen Weges, so ist die Klage nicht deswegen unzulässig, weil sie sich nicht auch gegen die Zeugen H… richtet. Diese mögen aus dem Geh-, Fahr- und Leitungsrecht zwar gemäß §§ 1027, 1004 BGB von den Klägern Unterlassung einer Änderung der Zuwegung verlangen können. Denkbar ist auch, dass die Kläger den aktuellen Verlauf der Zuwegung im Verhältnis zu den Zeugen H… nach einem im Zuge der Grundstücksteilung im Jahre 2011 abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag oder auf anderer schuldrechtlicher Grundlage dulden müssen, sodass die Zeugen H… die Vollstreckung der streitgegenständlichen Ansprüche gegen die Beklagten aus eigenem Recht verhindern könnten. Die allein an Hand des Nachbarrechtsverhältnisses zwischen den Klägern und den Beklagten zu beurteilende Frage, ob die Kläger als Grundstückseigentümer die Zuwegung gegenüber den Beklagten als deren Eigentümern dulden müssen, kann jedoch ohne notwendige Beteiligung der Zeugen H… geklärt werden. Dabei ist unerheblich, ob den Klägern die geltend gemachten Ansprüche womöglich (auch) gegenüber den Zeugen H… als (Mit-) Erbauern der Zuwegung zustehen mögen.

Die Klage ist teilweise – nämlich für den Bereich des Weges, in dem dieser in lichter Höhe von mehr als 50 cm über dem Grundstück der Kläger verläuft, mithin die Betonelemente weniger als 50 cm in den Erdboden hineinragen – bereits hinsichtlich der in erster Linie verfolgten Ansprüche auf teilweisen Rückbau der Zuwegung bis zu einem Abstand von 1,20 m von der Grundstücksgrenze nach Maßgabe der Klageanträge zu 1.a) und 1.b) begründet, sodass über die nur hilfsweise verfolgten Klageanträge zu 2.a)/b) insoweit keine Entscheidung ergeht. Die die übrigen Bereiche des Weges betreffenden Hilfsklageanträge zu 2.a)/b) sind unbegründet, da von dem Weg in diesen Bereichen keine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks ausgeht. Über die hilfsweise zur Entscheidung gestellten Klageanträge zu 3.a)/b) ergeht insgesamt keine Entscheidung, da diese sich ausweislich der in Bezug genommenen Skizze nur auf denjenigen Bereich des Weges beziehen, in dem dieser schon nach den Hauptanträgen zu 1.a)/b) zurückzubauen ist. Zwischen den Parteien ist inzwischen zwar unstreitig, dass die zur Lagerung der Betonstützen erbauten Betonfundamente unterhalb der Erdoberfläche (auch) entlang der übrigen Abschnitte des Weges in das Grundstück der Kläger hineinragen. Die Hilfsanträge beziehen sich nach Verständnis der Kammer aber nur auf einen etwaigen oberirdischen Überbau, nicht auf die unterhalb der Erdoberfläche um wenige Zentimeter über die Grundstücksgrenze hinausragenden Teile der Betonfundamente; daran ist die Kammer gemäß § 308 Abs. 1 ZPO gebunden.

1. Die Klageanträge zu 1.a)/b) sind in Bezug auf die nicht standsicher errichteten Bereiche des Weges begründet, im Übrigen unbegründet.

a) Soweit die Kläger gestützt auf § 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. § 20 Berliner Nachbarrechtsgesetz (im Folgenden: „NachbG“) geltend machen, die Beklagten hätten die Aufschüttung und die zu ihrer Abstützung dienenden Betonelemente schon ganz grundsätzlich nicht bis zur Grundstücksgrenze heranbauen, sondern, und zwar unter Wahrung eines gehörigen Grenzabstandes, allein auf ihren Grundstücken errichten dürfen, wäre ein etwaiger Rückbauanspruch gemäß §§ 3 NachbG, 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Es kann deswegen offen bleiben, ob die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung sich auch auf die Errichtung der Aufschüttung und der Zuwegung bezieht. Den Klägern war von Anfang an bekannt, dass die Aufschüttung unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichtet wurde, ohne dass die Beklagten einen Mindestabstand zum Grundstück der Kläger eingehalten hätten. Der Bau der Zuwegung wurde im Jahre 2012 abgeschlossen, sodass die Verjährung eines etwaigen Anspruchs der Kläger auf Entfernung der Stützelemente von der Grundstücksgrenze unter Wahrung eines Mindestabstands zum Grundstück der Kläger am 1. Januar 2013 begann und die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2016 endete. Innerhalb der Verjährungsfrist haben die Kläger nur die nunmehr „weiter hilfsweise“ verfolgten Klageansprüche zu 3.a)/3.b) erhoben; die vorrangig verfolgten Klageanträge zu 1.a)/1.b) haben sie erst mit der Klageerweiterung vom 15. Februar 2017 anhängig gemacht.

b) Ein Anspruch auf Rückbau entlang der gesamten Zuwegung steht den Klägern auch nicht gemäß §§ 1004, 907 Abs. 1 BGB zu. Nach diesen Normen hat ein Grundstückseigentümer Anspruch darauf, dass auf dem Nachbargrundstück keine Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich nicht feststellen, dass von der Zuwegung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unzulässige Einwirkungen auf das Grundstück der Kläger ausgehen werden.

aa) Soweit die Kläger geltend machen, die Aufschüttung und ihre Befestigung durch die Betonformelemente führe zu unzulässigen Erddruck, sodass sie in der Nutzung ihres Grundstücks beschränkt würden, insbesondere zuvor unproblematisch mögliche Verkehrsbelastungen oder Baumaßnahmen im Bereich der Grundstücksgrenze nur noch erschwert unter Beachtung aufwändiger Vorsichtsmaßnahmen durchführen könnten, trifft dies nicht zu. Die Behauptung der Kläger, sie hätten ihr Grundstück entlang der Grundstücksgrenze vor Errichtung der Zuwegung mit möglichst schweren Lastfahrzeugen befahren können, was nun nicht mehr möglich sei, da dies zum Erdbruch und dem Einsturz der Aufschüttung führen könne, ist durch die Beweisaufnahme widerlegt. Der Sachverständige hat klargestellt, dass Belastungen des klägerischen Grundstücks im Bereich der durch die L-förmigen Betonteile gebildeten Wand deren Standsicherheit gerade nicht beeinträchtigen, sondern sich auf die Statik der Aufschüttung und ihrer Befestigung günstig auswirken. Soweit die Kläger meinen, sie hätten ihr Grundstück ursprünglich entlang der Grundstücksgrenze mit Schwerlastfahrzeugen befahren dürfen, ohne zuvor eine dafür geeignete Befestigung zu schaffen, trifft dies nicht zu. Vielmehr hätten die Kläger ihr Grundstück auch vor der Errichtung der Aufschüttung nicht in einer Weise nutzen dürfen, die zu einem Erdbruch oder zur Verdrängung und Verlagerung des Bodens auf die benachbarten Grundstücke der Beklagten geführt hätte.

Die Darstellung der Kläger, sie dürften – beispielsweise im Zuge von Baumaßnahmen im Bereich der Grundstücksgrenze – ohne die von den Beklagten errichtete Zuwegung Abgrabungen vornehmen, was nun nicht mehr möglich sei, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Nach dem Gesetz darf ein Grundstückseigentümer Anlagen und Bauwerke errichten oder das Niveau seines Grundstücks erhöhen und Aufschüttungen vornehmen, solange diese standsicher hergestellt werden. Will ein Eigentümer hingegen sein Grundstück vertiefen, so muss er gemäß § 909 BGB dafür Sorge tragen, dass der Boden des Nachbargrundstücks nicht abrutschen kann; erforderlichenfalls muss er durch Errichtung eines Widerlagers auf seinem Grundstück für eine ausreichende Befestigung des Bodens auf dem Nachbargrundstück sorgen. Abgrabungen im Bereich der Grundstücksgrenze hätten die Kläger also ohnehin nur behutsam vornehmen dürfen und durch erforderliche Schutzmaßnahmen sicher stellen müssen, dass der Boden auf den Grundstücken der Beklagten die notwendige Stütze behält.

Es mag zwar zutreffen, dass die befestigte Aufschüttung den ursprünglichen Spielraum der Kläger einschränkt und bei Baumaßnahmen im Bereich der Grundstücksgrenze zusätzliche oder aufwändigere Schutzmaßnahmen erforderlich macht. Das ist von den Klägern aber hinzunehmen und entspricht der eingangs dargestellten Konzeption des Gesetzgebers, wonach der Boden eines Grundstücks und auf dem Grundstück standsicher errichtete Anlagen oder Gebäude durch auf benachbarten Grundstücken herzustellende Vertiefungen nicht beeinträchtigt werden dürfen.

bb) Von der Zuwegung gehen auch nicht deswegen mit Sicherheit zu erwartende unzulässige Einwirkungen auf das Grundstück der Kläger aus, weil die Mauer aus L-förmigen Betonteilen nicht hinreichend standsicher errichtet wurde. Der Sachverständige hat zwar mit überzeugender Begründung ausgeführt, dass für die Bereiche des Weges, in denen die Betonelemente weniger als 50 cm in den Erdboden hineinragen, hinsichtlich der von ihm so bezeichneten „Lastfallkombination 2“ – nämlich Verkehrsbelastung der Zuwegung mit einem schweren Lastwagen der Lastgruppe 30 bei Ansatz der Fahrzeuglast seitlich/hinter dem Stützmauersporn – keine der Standsicherheiten (Grundbruch, Gleiten, Kippen) nachweisbar sind.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Versagen der Stützwand und ein Absturz der Aufschüttung auf das Grundstück der Kläger im Sinne des § 907 Abs. 1 BGB mit Sicherheit vorauszusehen wäre. Gegen eine solche Würdigung spricht schon, dass auf der Zuwegung unstreitig schon schwerere Lastwagen als solche der Lastgruppe 30 verkehrten, ohne dass es bisher zu einem Versagen der Stützmauer gekommen wäre. Der Sachverständige hat insoweit darauf hingewiesen, dass die Zuwegung gerade in ihrem kritischen Bereich, wo die lichte Höhe der Stützmauer vom Grundstück der Kläger betrachtet um einen Meter beträgt, wegen des gegenüber der Stützmauer aufstehenden Gebäudes besonders eng ist, sodass sich die Räder eines schweren Lastwagens in der Praxis stets über dem Winkelsporn befinden werden. Für diesen von dem Sachverständigen als „Lastfallkombination 1“ bezeichneten Fall des Ansatzes der Fahrzeuglast über dem Winkelsporn hat der Sachverständige aber festgestellt, dass die Standsicherheiten Grundbruch, Gleiten, Kippen nachgewiesen werden können, also kein Versagen der Stützmauer droht.

c) Für den Teilbereich des Weges, der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht standsicher errichtet ist, sondern unter den Bedingungen der „Lastfallkombination 2“ auf das klägerische Grundstück abstürzen könnte, ergibt sich der von den Klägern vorrangig verfolgte Rückbauanspruch aber aus § 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. § 20 NachbG. Ein Grundstückseigentümer hat nach diesen Normen Anspruch auf Beseitigung einer auf dem Nachbargrundstück vorgenommenen Bodenerhöhung, wenn der Nachbar nicht solche Vorkehrungen trifft und unterhält, dass eine Schädigung des eigenen Grundstücks insbesondere durch Absturz, Abschwemmung oder Pressung des Bodens ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn die Beklagten erbauten den Weg, ohne hinreichende Vorkehrungen zu treffen, um dessen Absturz sicher auszuschließen. Die Kläger weisen zu Recht darauf hin, dass es zukünftig zu einer Belastung des Weges nach dem Szenario der „Lastfallkombination 2“ kommen und dieser auf das Grundstück der Kläger abstürzen könnte; so etwa, wenn in einer Notfallsituation ein schweres Feuerwehrfahrzeug im kritischen Bereich des Weges besonders nah an dem dort aufstehenden Gebäude entlang rangieren würde, sodass seine Räder sich nicht über, sondern gerade neben dem Stützmauersporn befänden. Die von den Beklagten vorgeschlagene Maßnahme, den Weg für Schwerlastwagen zu sperren, ist einerseits bisher nicht umgesetzt, andererseits ungeeignet, das skizzierte Risiko sicher auszuschließen.

Statt den Weg zurückzubauen, ließe sich das Absturzrisiko allerdings auch durch eine verbesserte Befestigung ausschließen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich die Standsicherheitsnachweise führen ließen, wenn die Betonstützen in dem derzeit gefährdeten Bereich des Weges durch Stützen ausgetauscht würden, die mindestens 50 cm in den Boden hineinragen. Die Beklagten würden diese Maßnahme vermutlich als weniger belastend empfinden als den verlangten Rückbau des Weges, und die aus dem Nachbarschaftsverhältnis zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger müssten sich mit dieser Lösung auch zufrieden geben.

Die Klage kann gleichwohl nicht mit der Begründung abgewiesen werden, die Kläger hätten statt den Rückbau nur die ausreichende Befestigung des Weges verlangen dürfen. Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. § 20 NachbG richtet sich auf die Beseitigung der Aufschüttung, sodass schon fraglich ist, ob den Klägern ein Anspruch auf Verbesserung der Befestigung überhaupt zustünde. Hinzu kommt, dass nach der Konzeption des § 20 NachbG nicht der durch die Geländeerhöhung beeinträchtigte Grundstückseigentümer, sondern der aufschüttende Nachbar ermitteln und entscheiden muss, welche Vorkehrungen er zu treffen und aufrecht zu erhalten hat, um Absturzrisiken auszuschließen. Dieser hat folglich auch das Risiko einer Fehleinschätzung zu tragen und kann dieses auch nicht teilweise auf den Eigentümer des durch die unzureichend gesicherte Geländeerhöhung betroffenen Grundstücks verlagern; dem durch die Aufschüttung betroffenen Grundstückseigentümer ist es nicht zuzumuten, selbst geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ermitteln und sein Klagebegehren auf solche zu beschränken.

Richtig ist es deswegen, die Beklagten nach Maßgabe der Klageanträge zum Rückbau zu verurteilen, denn diese Maßnahme sieht das Gesetz vor, und sie ist jedenfalls geeignet, das Absturzrisiko zu beseitigen. Den Beklagten steht es frei, zur Abwendung der Zwangsvollstreckung freiwillig alternative „Vorkehrungen“ im Sinne des § 20 NachbG zu planen, umzusetzen und zu unterhalten, die das Absturzrisiko ebenfalls auszuschließen vermögen. Eine dann gleichwohl durch die Kläger unternommene Vollstreckung des Urteils wäre rechtsmissbräuchlich, und die Beklagten könnten den Titel durch Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO neutralisieren.

Soweit der Rückbauanspruch der Kläger mithin begründet ist, ist er nicht verjährt. Die Beklagten waren nach § 20 NachbG nicht nur gehalten, zur Gefahrenabwehr hinreichende Vorkehrungen zu treffen, sondern solche auch zu unterhalten. Da die Befestigung des Weges von Anfang an unzureichend war, verstießen die Beklagten seit Fertigstellung des Weges fortwährend gegen ihre Obliegenheit, eine hinreichende Befestigung zu unterhalten; entsprechend entstehen bis heute ständig neue, mithin unverjährte Abwehransprüche der Kläger.

2. Die auf Duldung des Wegrückbaus gerichteten Klageanträge zu 2.a)/b) sind, soweit sie zur Entscheidung stehen, unbegründet. Zwar führt die Verjährung eines Abwehranspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht dazu, dass der Grundstückseigentümer die Beeinträchtigung nunmehr nach § 1004 Abs. 2 BGB dulden müsste. Vielmehr steht es ihm frei, seine Reche aus § 903 Satz 1 BGB auszuüben, indem er die Ursache für die Beeinträchtigung seines Eigentums auf eigene Kosten beseitigt; der Störer muss dies dulden (vgl. BGH – V ZR 181/13 -, Urt. v. 16.05.2014, GE 2014, 1055 ff., Rn. 8 m. w. N.).

Von dem Weg geht aber außerhalb des unzureichend befestigten Bereichs keine nach § 1004 Abs. 1 BGB abzuwehrende Beeinträchtigung für das klägerische Grundstück aus; die Kläger dürfen den Weg deshalb ohne Zustimmung der Beklagten nicht zurückbauen. Dabei kann auch an dieser Stelle offen bleiben, ob die den Beklagten erteilte Baugenehmigung die Errichtung der Aufschüttung entlang der Grundstücksgrenze öffentlich-rechtlich legitimiert oder ein solcher Verlauf in Berlin womöglich ohnehin ortsüblich und deshalb nach § 906 Abs. 1 BGB als allenfalls unwesentliche Beeinträchtigung hinzunehmen ist. Denn die Kläger wussten um die Planungen der Beklagten, führten mit diesen sogar Verhandlungen über eine mögliche gemeinsame Errichtung und Nutzung des Weges, ohne Bedenken gegen den Verlauf entlang der Grundstücksgrenze anzumelden oder den anschließenden Baumaßnahmen zu widersprechen. Wenn sie sich nunmehr auf den Standpunkt stellen, die Beklagten hätten bei Errichtung der Aufschüttung einen bestimmten Grenzabstand einhalten müssen, stellen sie sich in einen unauflöslichen Widerspruch zu ihrer früheren zumindest stillschweigenden Billigung der Anlage und handeln im Sinne des § 242 BGB treuwidrig. Eine relevante Beeinträchtigung ihres Grundstücks durch die anstehenden Betonelemente haben die Kläger ohnehin nicht dargetan. Soweit sie rügen, von dem Weg gehe unzulässiger Erddruck auf ihr Grundstück aus, ist dies durch die Beweisaufnahme widerlegt (vgl. oben 1.b) aa)).

Die Kostenentscheidung folgt §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 GKG, 3 ZPO.

 

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