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Erstattungspflicht verauslagter Beerdigungskosten durch einen nahen Angehörigen

AG Lübeck – Az.: 30 C 1129/18 – Urteil vom 07.12.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 2.342,40 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung zur Erstattung von Beerdigungskosten.

Die Klägerin ist die Schwester von J. M., die Beklagte ist dessen Tochter.

Die Klägerin wohnte im selben Gebäude wie ihr Bruder, hatte ein persönliches Verhältnis zu ihm und kannte dessen Willen zur Totenfürsorge.

Die Beklagte hatte keinen Kontakt zu ihrem Vater und kannte ihn nicht. Ihre Mutter hatte sich während der Schwangerschaft mit ihr vom Vater getrennt. Unterhaltszahlungen konnten auch in Beistandschaft des Jugendamtes nicht beigetrieben werden.

Klägerin und Beklagte kennen sich nicht. Der Aufenthaltsort der Beklagten war der Klägerin unbekannt.

J. M. verstarb am 21. Juli 2017. Darüber wurde die Klägerin informiert.

Für die Kühlung der Leiche zahlte die Klägerin unter dem 24. Juli 2017 EUR 50,00 an die S. Kliniken gemäß Anlage K 2, Bl. 5 d.A.

Unter dem 31. Juli 2017 zahlte die Klägerin EUR 10,00 für eine Geburtsurkunde, vgl. Anlage K 3, Bl. 6 d.A. Zudem zahlte die Klägerin EUR 43,00 für die Sterbeurkunde.

Die Klägerin sorgte auch für die Beerdigung. Sie zahlte an das Bestattungsunternehmen K. gemäß Rechnung vom 19. August 2017 für Einäscherung und Seebestattung EUR 2.213,40. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf Anlage K 1, Bl. 4 d.A.

Außerdem ermittelte die Klägerin die aktuelle Anschrift der Beklagten über verschiedene Einwohnermeldeamtsanfragen. Für die Einwohnermeldeamtsauskünfte der Gemeinden S. vom 24.11.2017 und L. vom 24.01.2018 zahlte die Klägerin für S. einen streitigen Betrag von EUR 13,00 und für L. EUR 13,00. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf Anlage K 4, Bl. 7 f d.A.

Diese Beträge (EUR 50,00, EUR 2.213,40, EUR 10,00, EUR 43,00, EUR 13,00 und EUR 13,00) sind die Klageforderung von EUR 2.342,40.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Februar 2018 setzte die Klägerin die Beklagte über den Tod des Vaters in Kenntnis und forderte, da die Beklagte die Bestattungspflichtige sei, die Beerdigungskosten und weitere Gebühren unter Fristsetzung bis zum 23. Februar 2018 zu erstatten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf Anlage K 5, Bl. 9 f d.A.

Mit vorgerichtlichem Schreiben vom 14. Februar 2018 wies die Beklagte die Forderung zurück. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf Anlage B 1, Bl. 19 f d.A.

Unter dem 21. Februar 2018 schlug die Beklagte zu Protokoll der Nachlassabteilung des Amtsgerichts Lübeck die Erbschaft aus. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf Anlage zum Schriftsatz v. 26.09.2018, Bl. 39 f d.A.

Die Beklagte hat die Einrede der Verwirkung erhoben, Bl. 17 d.A.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei das einzige Kind des Erblassers. Die gewählte Seebestattung sei die preiswerteste Bestattung gewesen, da jährliche Grabstättengebühren entfielen (Beweisangebot: Sachverständigengutachten, Bl. 22 d.A.). Für die Gemeinde S. habe sie ebenfalls EUR 13,00 Auskunftskosten gezahlt.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe in Geschäftsführung ohne Auftrag für die gem. §§ 13, 2 Nr. 12 des Landesbestattungsgesetzes Schleswig-Holstein bestattungspflichtige Beklagte gehandelt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 2.342,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass sie die einzige im Verhältnis zur Klägerin näher stehende Angehörige sei.

Die Beklagte behauptet, Seebestattung sei nicht die kostengünstigste Bestattungsart (Beweisangebot: Sachverständigengutachten, Bl. 38 d.A.)

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe ohne Fremdgeschäftsführungswillen ein Eigengeschäft geführt, da sie totenfürsorgeverpflichtet gewesen sei. Die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht sei unabhängig von zivilrechtlichen Verpflichtungen, vgl BGH IV ZR 132/11, juris Rdnr. 12.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von EUR 2.342,40.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von insgesamt EUR 2.316,40 Beerdigungskosten (Bestatter, Leichenkühlung und Urkundenbeschaffung).

Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 1968 BGB.

Gemäß § 1968 BGB trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers.

Die Beklagte ist nicht Erbin.

Erstattungspflicht verauslagter Beerdigungskosten durch einen nahen Angehörigen
(Symbolfoto: Von ALPA PROD/Shutterstock.com)

Zwar ist sie als Tochter des Erblassers in der gesetzlichen Erbfolge gemäß §§ 1922, 1924 BGB als Erbin berufen. Jedoch ist der Anfall der Erbschaft gemäß § 1953 Abs. 1 BGB nicht erfolgt, weil die Beklagte gemäß §§ 1942, 1944, 1945 BGB die Erbschaft mit Erklärung zur Niederschrift des Nachlassgerichts vom 21. Februar 2018 ausgeschlagen hat, nachdem sie zuvor mit Zugang des rechtsanwaltlichen Aufforderungsschreiben der Klägerseite vom 1. Februar 2018 am 2. Februar 2018 Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erlangt hat, mithin binnen zweieinhalb Wochen der insgesamt sechswöchigen Ausschlagungsfrist.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß §§ 670, 677, 683 BGB.

Gemäß dieser Vorschriften hat derjenige, der ein fremdes Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung im Interesse und Willen des Geschäftsherrn ausführt, Anspruch auf Ersatz der gemachten Aufwendungen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hat kein fremdes Geschäft für die Beklagten geführt.

Fremd ist ein Geschäft, wenn es objektiv zum Pflichten- und Interessenkreis einer anderen Person gehört. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Der Beklagten oblag nicht die Totenfürsorge für den Erblasser.

Totenfürsorge ist das Recht und die Pflicht der nächsten Angehörigen des Verstorbenen, über den Leichnam zu bestimmen, über die Art seiner Bestattung eine Entscheidung zu treffen und die letzte Ruhestätte für ihn auszuwählen, vgl. Küpper in MüKoBGB 7. Aufl, 2017 § 1968 Rdnr. 7. Als Nachwirkung des familienrechtlichen Verhältnisses, das zwischen Erblasser und seinen Angehörigen bestanden hat, handelt es sich um ein Pflichtrecht familienrechtlicher Natur; der Erblasser kann die Reihenfolge bestimmen, vgl. Küpper in MüKoBGB a.a.O. Einen ausdrücklichen Willen hat der Erblasser testamentarisch nicht bekundet, da die Beklagte ursprünglich in gesetzlicher Erbfolge stand. Da der Erblasser mit der Beklagten als Tochter zu Lebzeiten keinen Kontakt gepflegt hat, sie auch nicht im finanziellen Unterhalt, weder freiwillig noch unter Zwang unterstützt hat, seine Tochter also eine Fremde und quasi nichtexistent für ihn war, kann es nicht in seinem Willen gelegen haben, dass ausgerechnet sie sich um seine Bestattung zu kümmern hat. Demgegenüber stand die Klägerin als Schwester des Erblassers in Verbindung mit ihm. Sie haben räumlich im selben Gebäude gewohnt und sich ausgetauscht. Die Klägerin ist auch über sein Versterben informiert worden und hat sich für eine Seebestattung entschieden, während auch Erdbestattung in Betracht gekommen wäre, mit oder ohne Einäscherung. Damit ist die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten eine nähere Angehörige zum Erblasser als die Beklagte selbst.

Darauf, dass die Beklagte als Tochter gemäß § 13 Abs. 2 S. 1, § 2 Nr. 12 S. 2, S. 1 lit. c), lit e) des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein v. 4. Februar 2005 in der Fassung vom 25. Mai 2018 vor der Klägerin als Schwester in der Reihenfolge vor der Klägerin zur Bestattung verpflichtet ist, kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an. Die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht als Gefahrenabwehrrecht ist unabhängig von den zivilrechtlichen Verpflichtungen, vgl. BGH Beschluss vom 14.12.2011, Az. IV ZR 132/11, Fundstelle in DNotZ 2012, 543 ff Ziff. 12.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 812, 677, 684 BGB, da sie – wie oben ausgeführt – kein Geschäft der Beklagten geführt hat.

Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung der Adressermittlungskosten von insgesamt EUR 26,00.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß §§ 280, 670, 677, 683 BGB. Da die Klägerin kein Geschäft für die Beklagte geführt hat, liegt kein gesetzliches Schuldverhältnis vor. Eine Pflichtverletzung dahingehend, dass die Beklagte als Nichte der Klägerin als Tante ihre Wohnanschrift nicht mitteilt, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat aus denselben Gründen keinen Anspruch gemäß §§ 280, 812, 677, 684 BGB.

Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Mangels Hauptanspruch entfällt die Zinsforderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 i.V.m. 709 ZPO.

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