LG Lüneburg – Az.: 2 O 164/16 – Urteil vom 05.07.2018
1. Auf die Klage wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.809,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. März 2016 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 20 % des Prämienmehraufwandes aus der Inanspruchnahme des Vollkaskoversicherers nach dem Verkehrsunfall vom 3. März 2016 auf der A 7 unter Beteiligung der Fahrzeuge mit den Kennzeichen … und … zu erstatten.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Auf die Widerklage werden die Klägerin und die Drittwiderbeklagten als Gesamtgläubiger verurteilt, an die Beklagte 12.779,56 €€ nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 10.094,13 € seit dem 17. Mai 2016 sowie auf weitere 2.474,70 € seit dem 10. November 2016, sowie auf weitere 210,73 € seit dem 20. Januar 2017 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Klägerin und die Drittwiderbeklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Beklagten sämtliche weiteren materiellen Schadensersatzansprüche nach einer Haftungsquote von 80 % zu erstatten, soweit diese auf den Verkehrsunfall vom 3. März 2016 auf der A 7 unter Beteiligung der Fahrzeuge mit den Kennzeichen … und … entstanden sind und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
Im Übrigen wird die Widerklage/Drittwiderklage abgewiesen.
5. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin und die Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 70 %. Die Klägerin trägt allein 9 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Die Beklagte trägt 21 % der Gerichtskosten. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte 40 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) trägt die Beklagte 24 %. Im Übrigen findet ein Kostenausgleich nicht statt.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
7. Der Streitwert für den Rechtsstreit wird für die Zeit bis zum 1. November 2016 auf 4.203,51 € festgesetzt sowie für die Zeit vom 2. November 2016 bis zum 20. Januar 2017 auf 22.808,05 € und für die Zeit danach auf insgesamt 23.071,46 €.
Tatbestand
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 3.März 2016 gegen 13.11 Uhr auf der A 7 bei … in Höhe des km 26, 45 in Fahrtrichtung … ereignete.
Der Drittwiderbeklagte zu 2) befuhr die Autobahn mit dem Pkw BMW X 3 mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halterin die Klägerin ist und das bei der Drittwiderbeklagten zu 3) versichert ist. Der Zeuge …, der bei der Beklagten als Beamter im Dienst ist, befuhr die A 7 in gleicher Fahrtrichtung mit dem Dienstfahrzeug des …, einem Pkw Opel Astra mit dem amtlichen Kennzeichen … bzw. …. Auf dem linken Fahrstreifen der dreispurigen Autobahn kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge, wobei das vom Zeugen … dienstlich geführte Fahrzeug auf das vom Drittwiderbeklagten zu 1) geführte Fahrzeug auffuhr. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung oder ein Überholverbot bestanden nicht. Die Fahrbahn war trocken, es herrschten gute Sichtverhältnisse. Die Einzelheiten des Unfallhergangs sind streitig, insbesondere die Frage, ob ein Fahrstreifenwechsel des Drittwiderbeklagten im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Kollision steht.
Die Beklagte hat vorgerichtlich eine Regulierung des Unfalls abgelehnt. Die Drittwiderbeklagte zu 3) lehnte umgekehrt eine Regulierung ebenfalls ab.
Die Klägerin hat ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen, die – unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 300,00 € auf die Reparaturkosten in Höhe von 11.582,82 € insgesamt 11.282,82 € gezahlt hat (Anlage K 5, Bl. 49, 50).
Die Klägerin behauptet, der Drittwiderbeklagte sei bereits geraume Zeit vor dem Zeugen … hergefahren, bevor es zu der Kollision kam. Es handele sich um einen typischen Auffahrunfall mit der Folge, dass die Beklagte in vollem Umfang haften müsse. Gegen den Zeugen … spreche der Beweis des ersten Anscheins. Die Klägerin beansprucht die Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 €, Nutzungsausfall für 12 Tage in Höhe von insgesamt 780,00 €, Wertminderung in Höhe von 1.400,00 € sowie die Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 €, ferner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Schließlich macht sie im Wege der Feststellung ihren Höherstufungsschaden geltend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Klageschrift vom 21. Juli 2016 (Bl. 1 ff. d.A.) ebenso wie auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 11. November 2016 (Bl. 159 ff. d.A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.505,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. März 2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. September 2016 zu zahlen.
3. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Prämienmehraufwand aus der Inanspruchnahme des Vollkaskoversicherers zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend und Drittwiderklagend beantragt die Beklagte,
1. die Klägerin sowie die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte 13.459,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Mai 2016 sowie weitere 3.145,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. November 2016 und weitere 263,41 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 20. Januar 2017 zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Klägerin und die Drittwiderbeklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen Schadensersatzansprüche nach einer Haftungsquote von 100 % zu erstatten, soweit diese auf den Verkehrsunfall vom 3. März 2016 auf der A 7 unter Beteiligung der Fahrzeuge mit den Kennzeichen … und … (entstanden sind und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Sie behauptet, ursächlich für den Verkehrsunfall sei ein unvermittelter Spurwechsel des Drittwiderbeklagten zu 2) gewesen. Dieser habe den rückwärtigen Verkehr nicht hinreichend beobachtet und den Spurwechsel auch nicht angezeigt. Eine Haftung der Beklagten komme nicht in Betracht. Trotz eingeleiteter Notbremsung sei der Unfall für den Zeugen … nicht vermeidbar gewesen. Nur infolge des Ausweichmanövers gegen die Mittelleitplanke sei ein noch höherer Schaden vermieden worden.
Die Klägerin könne Nutzungsausfall allenfalls für 8 Tage beanspruchen. Im Übrigen sei das Fahrzeug älter als fünf Jahre. Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten bestreitet die Beklagte die Zahlung und hält den Vortrag für unsubstantiiert.
Im Rahmen der Widerklage beansprucht die Beklagte einen eigenen Schaden am Dienstfahrzeug in Höhe von 9.280,00 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 1.162,51 €, Kosten für den Ausbau der Sondersignal-/Funkanlage in Höhe von 2.201,50 €, Nutzungsausfallentschädigung bzw. Vorhaltekosten in Höhe von 490,00 €, Abschlepp- und Standkosten in Höhe von 300,15 €, eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 €. Hinsichtlich der geltend gemachten Vorhaltekosten hat sie eine Rechnung für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs vorgelegt (Anlage B 18, Bl. 204 d.A.). Für entstandene Schäden an der Leitplanke macht sie 1.505,16 € geltend sowie weitere 1.640,22 € Verdienstausfall wegen der Fortzahlung der Dienstbezüge an den Zeugen … und Heilbehandlungskosten in Höhe von 263,41 €. Hierzu trägt sie vor, der Zeuge … sei in der Zeit vom 4. bis 16. März 2016 dienstunfähig gewesen und legt ein Attest des behandelnden Arztes … vom 7. März 2016 vor (Anlage B 11, Bl. 149) sowie eine Rechnung des Bundeswehrkrankenhauses (Anlage B 15, Bl. 193 d.A.) vor. Ferner legt sie eine Bezügeberechnung vor. Zu dem Feststellungsantrag trägt die Beklagte vor, dass der Antrag insbesondere weiteren Nutzungsausfall während der Ersatzbeschaffung, Heilbehandlungskosten sowie weitere Kosten für den Ausbau der Funkanlage betreffe. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 1. November 2016 (Bl. 69 ff. d.A.) und 8. Dezember 2016 (Bl. 179 ff. d.A.) sowie 18. Januar 2017 (Bl. 191 ff. d.A.) verwiesen.
Die Klägerin und die Drittwiderbeklagten 2) und 3) zu beantragen, die Widerklage sowie die Drittwiderklage abzuweisen.
Sie meinen, es fehle am erforderlichen Feststellungsinteresse. Aus dem Wiederbeschaffungswert sei der Mehrwertsteueranteil in Abzug zu bringen. Fiktive Umbaukosten könne die Beklagte nicht beanspruchen. Eine Nutzungsausfallentschädigung könne die Beklagte nicht geltend machen, da es sich um ein Behördenfahrzeug handele. Hinsichtlich der Standgelder werfen sie der Beklagten einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor. Den Schaden an der Leitplanke habe der Zeuge … verursacht. Die biomechanische Belastung, die auf den Körper des Zeugen … gewirkt habe sei so gering gewesen, dass durch sie keine körperlichen Beeinträchtigungen hätten entstehen könne.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … sowie Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens. Die Klägerin sowie der Drittwiderbeklagte wurden informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom … 11. Dezember 2017 (Bl. 254 ff. d.A.) ebenso wie auf die Sitzungsprotokolle vom 20. März 2017 (Bl. 224 ff. d.A.) und 15. Juni 2018 (Bl. 323 ff. d.A.) verwiesen.
Die Bußgeldakte des Landkreises Harburg, Az. … wurde beigezogen.
Entscheidungsgründe
Klage und Widerklage bzw. Drittwiderklage sind zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts für die Klage ergibt sich aus § 72 Abs. 2 Nr. 2 GVG. Das Landgericht ist auch örtlich zuständig, da sich der Unfallort im hiesigen Bezirk befindet, § 32 ZPO.
I. Klage
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.809,00 € nebst Zinsen bzw. Feststellung hinsichtlich des Höherstufungsschadens in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus § 839 BGB, Art. 34 GG i.V.m. §§ 7, 17 StVG, 76 BBG.
1. Beweiswürdigung
Die Beweisaufnahme hat nicht zu der Überzeugung des Gerichts geführt, dass die Kollision auf einen typischen Auffahrunfall zurückzuführen ist. Das Gericht ist im Gegenteil davon überzeugt, dass sich die Kollision in unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Spurwechsel des Drittwiderbeklagten zu 2) ereignet hat.
Der Zeuge … hat zwar im Termin vom 15. Juni 2018 (Bl. 323 f. d.A.) bekundet, dass der Zeuge … aus seiner Sicht der Unfallverursacher gewesen sei. Dieser habe zuvor massiv gedrängelt, zunächst ihn selbst und im weiteren Verlauf den Drittwiderbeklagten. Im weiteren Verlauf sei das vom Zeugen … geführte Fahrzeug in die Spurrille und gegen die Leitplanke gekommen, dann seien die Fahrzeuge kollidiert. Möglicherweise habe auch erst die Kollision stattgefunden und anschließend habe das Fahrzeug die Leitplanke touchiert. An einen Spurwechsel von der mittleren auf die linke Spur könne er sich nicht erinnern. Dafür habe auch keine Veranlassung bestanden.
Das Gericht hält die Angaben des Zeugen … indessen nicht für hinreichend zuverlässig, um eine Gewissheit im Sinne des § 286 ZPO davon zu gewinnen, dass das zu beweisende Ereignis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, die vernünftige Zweifel ausschließt, so geschehen ist. Auszugehen ist bei der Beweiswürdigung von der sogenannten „Nullhypothese“, d.h. es wird zunächst angenommen, die Aussage sei unwahr. Diese Annahme wird anhand verschiedener Hypothesen überprüft. Jede Zeugenaussage gilt solange als unzuverlässig, bis die sog. Nullhypothese eindeutig widerlegt ist. Auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. April 2003 (1 StR 88/03, zitiert nach juris) wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man bei der Bewertung von Aussagen von einer neutralen Anfangswahrscheinlichkeit für deren Zuverlässigkeit ausgeht und sodann überprüft, ob anhand von Qualitätsmerkmalen, sog. Realitätskriterien oder Realkennzeichen, eine (ausreichend) hohe Wahrscheinlichkeit für die Zuverlässigkeit der Aussage erreicht werden kann. Als solche Realitätskriterien gelten etwa der Detailreichtum einer Aussage, die Schilderung von Komplikationen, deliktstypische Einzelheiten, individuelle Prägung, Schilderung von gefühlsmäßigen Reaktionen; psychische Folgewirkungen, Verflechtung der Angaben mit anderen Geschehnissen und das Nichtsteuerungskriterium (inhaltlich und chronologisch nicht geordnete, sprunghafte Wiedergabe, vgl. Urteil des BGH vom 30. Juli 1999, 1 StR 618/98, zitiert nach juris).
Vorliegend lassen sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür finden, dass die Schilderung des Zeugen … objektiv richtig ist. Zwar handelt es sich um einen neutralen Zeugen. Realitätskriterien sind aber nicht in ausreichender Anzahl ersichtlich. Das Gericht verkennt nicht, dass es gerade im Bereich von Verkehrsunfällen zahlreiche Vorgänge gibt, die von vornherein wenig inhaltliche Realitätskriterien aufweisen können, weil es um schnelle Abläufe ohne besondere emotionale Beteiligung geht. Gleichwohl ist auch in diesem Bereich von der Nullhypothese auszugehen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 9. Oktober 2012, 22 U 109/11, Rn. 34f., zitiert nach juris). Die Schilderung des Zeugen … im Zusammenhang war vergleichsweise karg. Die Schilderung wies keine individuelle Prägung auf. Auffallend ist ferner, dass der Zeuge direkt nach dem Unfall der Polizei gegenüber keinen genauen Unfallhergang schildern konnte (Bl. 4 d. Beiakte). Wenn der Zeuge aber unmittelbar im Anschluss an das Unfallgeschehen keinen konkreten Hergang erinnern konnte, können Angaben, die er nach Ablauf von mehr als zwei Jahren zum Unfallgeschehen macht, nicht zuverlässig einer Entscheidung zugrunde gelegt werden. Es bestehen zu viele Zweifel, dass der Zeuge sich falsch erinnert hat oder aber durch Gespräche direkt nach dem Unfallgeschehen oder andere Verkehrsereignisse Geschehnisse unzutreffend einsortiert hat. Hinzukommt, dass der Sachverständige … im Rahmen seiner Anhörung im Termin vom 15. Juni 2018 sehr anschaulich – teils durch Simulation der möglichen Unfallhergänge – erläutert hat, dass der Unfallhergang so – wie ihn der Zeuge … im Termin geschildert hat, nicht mit den Unfallspuren in Einklang zu bringen ist (Bl. 325 d.A.).Wenn die Angaben des Zeugen … zuträfen, hätte der vom Zeugen …geführte Opel zwischenzeitlich zunächst auf 120 bis 130 km/h abbremsen müssen, um anschließend wieder auf 165 km/h zu beschleunigen, damit es zu der Kollisionssituation kommt. Die Differenzgeschwindigkeit von 40 bis 45 km/h sei mit den Angaben des Zeugen … letztlich nicht in Einklang zu bringen. Um die Schadensbilder zu erreichen müsse eine Ausgangsgeschwindigkeit des Opels von 200 km/h angenommen werden, auf die der Opel wieder beschleunigt habe werden müssen, wenn man von einer Geschwindigkeit des BMW von 120 bis 130 m/h ausgehe.
Eine Beschleunigung auf 200 km/h innerhalb so kurzer Zeit sei – so der Sachverständige … kaum möglich, zumal es sich um die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs handele. Diesen Erwägungen des Sachverständigen schließt sich das Gericht nach eigener kritischer Würdigung an.
Der Drittwiderbeklagte zu 2) hat im Rahmen seiner Anhörung im Termin vom 20. März 2017 (Bl. 224 f. d.A.) angegeben, dass er auf der linken Fahrspur gefahren sei. Selbstverständlich wechsle man auch mal häufiger die Fahrspur. Er sei schon mindestens 5 bis 6 Minuten auf der linken Fahrspur gefahren. Auf erneute Frage des Gerichts hat er wiederholt, dass er 5 bis 6 Minuten vor der Kollision auf den linken Fahrstreifen gefahren sei. Er habe dabei alle Vorsichtsmaßnahmen beachtet. Er fahre generell sehr vorsichtig und seit 60 Jahren unfallfrei. Er blinke auch immer vor einem Fahrstreifenwechsel. Das habe er auch hier gemacht.
Auch die Angaben des Drittwiderbeklagten zu 2) hält das Gericht nicht für hinreichend zuverlässig, um eine Gewissheit im Sinne von 286 ZPO davon zu gewinnen, dass die Angaben zutreffen. Eine ausreichende Anzahl von Realitätskriterien ist nicht vorhanden. Hinzu kommt, dass ein Strukturbruch im Aussageverhalten festzustellen war. Der Drittwiderbeklagte hat das Geschehen zur Kollision selbst vergleichsweise karg geschildert, während das Geschehen vor und nach der Kollision reicher an Details geschildert wurde. Überdies war teils eine unklare Wortwahl festzustellen („Man wechsle auch häufiger die Spur“). Maßgeblich ist schließlich, dass die Angaben vom Unfallhergang nicht mit den Schadensbildern an den Fahrzeugen in Einklang zu bringen sind. Auf die nachfolgende Beweiswürdigung zum Unfallrekonstruktionsgutachten wird verwiesen.
Die Klägerin, die als Beifahrerin im Fahrzeug des Drittwiderbeklagten saß, hat im Rahmen der Anhörung bestätigt, dass der Drittwiderbeklagte vor der Kollision die Spur gewechselt hat. Sie seien bereits 250 bis 300 m auf der linken Spur gefahren. Auf Vorhalt, dass ihr Mann von 5 bis 6 Minuten gesprochen habe, hat die Klägerin erläutert, sie meine, dass das ungefähr 250 bis 300 m seien, die man da zurücklege. Genau erinnern könne sie sich aber nicht mehr.
Das Gericht hält die zeitlichen Angaben der Klägerin angesichts ihrer Einschätzung, innerhalb einer Zeitspanne von fünf bis sechs Minuten werde (noch dazu auf der Autobahn) eine Strecke von 250 bis 300 m gefahren für wenig zuverlässig.
Den Angaben des Drittwiderbeklagten, der Klägerin sowie des Zeugen … stehen im Übrigen die Angaben des Zeugen … sowie das Gutachten des Sachverständigen … entgegen.
Der Zeuge … hat im Rahmen seiner Vernehmung in der Sitzung des Gerichts vom 20. März 2017 (Bl. 225 R f. d.A.) u.a. bekundet, dass er mit etwa 160 km/ h die linke Spur der A 7 befahren habe. Auf einmal habe ein Fahrzeug vor ihm die Spur gewechselt auf den linken Fahrstreifen. Das Fahrzeug habe vorher nicht geblinkt. Er habe dann eine Notbremsung eingeleitet und versucht, nach links auszuweichen. Das habe allerdings nicht gereicht. Es sei dann der Airbag ausgelöst worden. Er habe keine Sicht mehr gehabt und habe das Fahrzeug nach links gegen die Leitplanke gelenkt, um sich und den nachfolgenden Verkehr zu schützen. Nach seiner Erinnerung habe der Fahrstreifenwechsel 50 Meter vor ihm stattgefunden. Genau könne er das nicht sagen. Diesen Unfallhergang hat er im Termin vom 15. Juni 2018 (Bl. 324 d.A.) erneut bestätigt.
Das Gericht hält die Angaben des Zeugen … für glaubhaft. Realkennzeichen sind in ausreichender Anzahl festzustellen. Die Angaben waren detailliert. Erinnerungslücken (etwa hinsichtlich des Lkw auf der mittleren Spur/Geschwindigkeit des Unfallgegners) hat der Zeuge freimütig eingeräumt. Strukturbrüche waren nicht ersichtlich. Die Angaben stimmen in ihrem Kerngehalt auch inhaltlich mit der schriftlichen Aussage des Zeugen bei der Autobahnpolizei, die zeitlich kurz nach dem Unfall niedergeschrieben wurde – ebenso wie mit der Schilderung im Rahmen der Dienstunfallmeldung (Anlage B 19, Bl. 280 f. d.A.) überein (Bl. 13 der Beiakte). Schließlich sind die Angaben des Zeugen auch im Hinblick auf die Schadensbilder plausibel, wie der Sachverständige … erläutert hat.
Der Sachverständige … hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 11. Dezember 2017 (Bl. 254 ff. d.A.) – auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten verwiesen wird – ausgeführt, dass ein Unfallverlauf entsprechend den Angaben des Drittwiderbeklagten im Rahmen seiner Anhörung mit den dokumentierten Schadensbildern nicht in Einklang zu bringen ist. Der Anstoß des Opels gegen die Mittelschutzplanke wäre nicht möglich nach dem geschilderten Unfallhergang. Angesichts der Schadensbilder mit den jeweils zuzuordnenden EES-Werten von 25 bzw. 20 km/h sei von einer Differenzgeschwindigkeit zwischen beiden Fahrzeugen von knapp 45 km/h auszugehen. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 160 km/ h im Augenblick des heckseitigen Anstoßes müsse das vom Zeugen … geführte Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von gut 200 km/h in die Kollision eingefahren sein. Folge einer Kollision der Fahrzeuge in diesem hohen Geschwindigkeitsbereich seien anschließende Rotationen um die Hochachse jeweils im Uhrzeigersinn. Beide Fahrzeuge wären in diesem Fall nicht mehr lenkbar gewesen und nach rechts über den Fahrbahnbereich schleudern (Seite 9 des Gutachtens/Bl. 262 d.A.). Die Fahrzeuge waren nach der Kollision aber nicht instabil, sondern wurden kontrolliert zum Stillstand gebracht.
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Unfallverlauf gemäß der Darstellung des Zeugen … demgegenüber mit den Unfallspuren korrespondiere und sich technisch nachvollziehen lasse. Bei Geschwindigkeiten von 160 km/h (Opel) und 100 m/h (BMW) ergebe sich eine Kollisionsgeschwindigkeit von 105 bis 110 km/h. Es seien bei den niedrigeren Kollisionsgeschwindigkeiten dann nur geringe kollisionsbedingte Rotationen anzunehmen, so dass die Fahrzeuge stabil auslaufen. Es stelle sich ein Spurwechselbeginn des BMW gut 2,5 s vor der Kollision dar mit einer Reaktionsaufforderung für den Zeugen … von knapp 1,5 s vor Kollision. Der Abstand zwischen den Fahrzeugen habe dann etwa 45 m betragen bei einer Ausgangsgeschwindigkeit des Opels von etwa 165 km/h im Zeitpunkt des Spurwechselbeginns. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das Unfallgeschehen auf einen Spurwechsel von der mittleren auf die linke Fahrspur zurückzuführen sei.
Diese Ausführungen hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2018 überzeugend wiederholt und vertieft. Angesichts der von dem Sachverständigen im Rahmen der Anhörung mit dem Beamer aufgezeigten alternativen Unfallverläufe hat das Gericht keine Bedenken, das Gutachten des Sachverständigen zur Grundlage einer Entscheidung zu machen. Die Ausführungen des Sachverständigen waren sehr überzeugend, plausibel und – und insbesondere angesichts der vorgeführten Simulationen – sehr gut nachvollziehbar. Das Gericht schließt sich den Ergebnissen des Sachverständigen … nach eigener kritischer Würdigung an.
2. Haftungsverteilung
Die Beklagte haftet nach §§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 7, 17 StVG für den aus dem Unfall entstandenen Schaden lediglich in Höhe der von ihrem Dienstfahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr von 20 %.
Bei einer Kollision von zwei Fahrzeugen, deren Hergang sich nicht aufklären lässt bzw. ohne besondere Umstände ergibt sich regelmäßig eine Haftungsquote von 50 % für jeden Halter. Wenn auf beiden Seiten ein unabwendbares Ereignis nicht nachgewiesen werden kann ergibt der fiktive Gesamtschuldnerausgleich nach §§ 426 Abs. 1BGB, 17 StVG eine Haftung zu gleichen Anteilen. Von diesem Grundsatz ist vorliegend nicht auszugehen. Es ist eine Haftungsverteilung von 80 % (Klägerin) zu 20 % (Beklagte) vorzunehmen. Im Einzelnen:
Die Beklagte hat nicht beweisen können, dass der Unfall für den Zeugen … unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war. Die Klägerin bzw. die Drittwiderbeklagten haben ebenfalls ein unabwendbares Ereignis des Drittwiderbeklagten zu 2) nicht beweisen können. Der Sachverständige … hat in seinem schriftlichen Gutachten (Seite 12, Bl. 265 d.A.) ausgeführt, dass das Unfallgeschehen für den Drittwiderbeklagten vermeidbar gewesen wäre, wenn dieser die Annäherung des Beklagtenfahrzeugs auf der linken Fahrspur frühzeitig erkannt und auf den Spurwechsel zunächst verzichtet hätte. Für den Zeugen … stelle sich eine Vermeidbarkeit der Kollision mit dem in seine Fahrspur wechselnden Klägerfahrzeug bei geringerer Ausgangsgeschwindigkeit dar. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 150 km/h wäre die Kollision zeitlich gerade vermeidbar gewesen. Der Opel hätte sich dann dem BMW bis auf knapp einen Meter genähert, ohne dass es zu einem Aufprall gekommen wäre. Das Gericht schließt sich auch insoweit den überzeugenden und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen … an.
Im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei dürfen ausschließlich solche Umstände Berücksichtigung finden, die unstreitig oder bewiesen sind. Bei jedem Beteiligten ist zu prüfen, inwieweit sich sein zunächst in gleicher Höhe (50 %) bestehender Haftungsanteil durch spezifische Besonderheiten des Fahrzeugs oder Verstöße gegen die StVO erhöht.
Die Grundsätze des Anscheinsbeweises sind vorliegend nicht zu Lasten der Beklagten anwendbar. Zwar ist der Zeuge … mit dem von ihm geführten Fahrzeug auf das vom Drittwiderbeklagten zu 2) geführte Fahrzeug aufgefahren. Bei Unfällen durch Auffahren spricht auch regelmäßig der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden. Vorliegend fehlt es aber nach dem Ergebnis der vorstehend gewürdigten Beweisaufnahme an der Typizität der Auffahrsituation, so dass ein Verstoß des Zeugen … gegen § 4 Abs. 1 StVO nicht bewiesen ist und im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG daher nicht zu berücksichtigen ist.
Dem Drittwiderbeklagten zu 2) ist vorliegend ein Sorgfaltsverstoß beim Überholen und damit ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 1 StVO vorzuwerfen. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens und der Vernehmung des Zeugen … steht zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 286 ZPO), dass sich die Kollision in unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem unvermittelten Spurwechsel des Drittwiderbeklagten ereignet hat. Auf die vorstehenden Ausführungen zur Beweiswürdigung wird verwiesen.
Die Betriebsgefahr des vom Zeugen … geführten Fahrzeugs tritt nicht hinter dem Verkehrsverstoß des Drittwiderbeklagten zu 2) zurück. Entgegen der dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2015 (7 U 111/14) zugrundeliegenden Sachverhalt lässt sich vorliegend eine Überschreitung der Richtgeschwindigkeit feststellen. Der Zeuge … hat im Rahmen seiner Vernehmung selbst eine Ausgangsgeschwindigkeit vom etwa 160 km/h angegeben (Bl. 225 R). Der Sachverständige … hat eine Ausgangsgeschwindigkeit von etwa 165 km/h festgestellt und erläutert, dass der Unfall bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 150 km/h vermeidbar gewesen wäre. Unter diesen Umständen tritt die Betriebsgefahr nicht vollständig hinter dem Verkehrsverstoß des Drittwiderbeklagten zurück.
3. Schadenspositionen der Klägerin
Die Klägerin macht folgende Schadenspositionen geltend:
- Selbstbeteiligung: 300,00 €
- Nutzungsausfall für 12 Tage à 65,00 €: 780,00 €
- Wertminderung: 1.400,00 €
- Auslagenpauschale: 25,00 €
4. Quotenvorrecht
Hinsichtlich der Schadenshöhe ist hier zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihre Kaskoversicherung in Anspruch genommen hat, die – unter Berücksichtigung des Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 € auf die Reparaturkosten in Höhe von 11.582,82 € einen Betrag in Höhe von 11.282,82 € geleistet hat.
Um festzustellen, in welcher Höhe ein Forderungsübergang gem. § 86 VVG auf den Versicherer stattgefunden hat, ist zunächst zwischen den einzelnen Schadenspositionen zu differenzieren. Der Forderungsübergang bezieht sich allein auf solche Forderungen, die in den Schutzbereich der Kaskoversicherung fallen, mithin kongruent sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind dies die Reparaturkosten, Sachverständigenkosten, Wertminderung und Abschleppkosten. Hingegen fallen die geltend gemachten Positionen Nutzungsausfall und Unkostenpauschale nicht in den Bereich der Kaskoversicherung und sind infolgedessen nicht vom Forderungsübergang des § 86 VVG nicht erfasst. Die Klägerin macht insoweit Nutzungsausfall für 12 Tage in Höhe von insgesamt 780,00 € sowie die Auslagenpauschale 25,00 € geltend. Nutzungsausfall kann die Klägerin indessen mit Rücksicht auf die Ausführungen des Privatgutachters lediglich für 8 Tage beanspruchen, so dass sich ein Betrag in Höhe von 520,00 € ergibt. Von diesen inkongruenten Schadenspositionen kann die Klägerin die oben errechnete Quote von 20 % beanspruchen, so dass sich ein Betrag in Höhe von 109,00 € ergibt.
Unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts kann die Klägerin überdies den kongruenten Schaden ersetzt verlangen, unabhängig davon, ob dieser im Einzelfall von der Kaskoversicherung ersetzt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sog. Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers soll der Versicherungsnehmer durch die Leistung seiner Versicherung nicht schlechter gestellt werden. Die Zahlung der Versicherung bewirkt danach erst dann einen Forderungsübergang, wenn ein Restschaden bei dem Versicherungsnehmer nicht mehr verbleibt. Der Versicherungsnehmer behält daher seinen schuldrechtlichen Anspruch insoweit, als er ihn benötigt, um den verbleibenden kongruenten Schaden, welcher von der Versicherungsleistung nicht gedeckt ist, geltend zu machen. Ausschließlich in Höhe der Differenz zwischen dem ohne Leistung der Versicherung bestehenden Schadensersatzanspruches und dem bei ihm verbleibenden Restschaden geht der Anspruch auf die Versicherung über.
Der mit der Klage geltend gemachte kongruente Restschaden beträgt insgesamt 1.700,00 € (1.400,00 € Wertminderung/ Reparaturkosten in Höhe der Selbstbeteiligung von 300,00 €). Der schuldrechtliche Anspruch der Klägerin ohne Berücksichtigung der Kaskoleistung würde insgesamt 2.930,24 € betragen:
- Reparaturkosten: 11.582, 82 €
- Nutzungsausfall: 520,00 €
- Wertminderung: 1.400,00 €
- Sachverständigenkosten: 1.123,36 €
- Auslagenpauschale: 25,00 €
- Insgesamt: 14.651,18 €
- Davon 20 %: 2.930,24 €
Damit kann die Klägerin ihren kongruenten Restschaden in Höhe von 1.700,00 € in vollem Umfang geltend machen, weil ihr schuldrechtlicher Anspruch über dem Restschaden liegt.
Insgesamt ergibt sich aus kongruenten und inkongruenten Positionen einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 1.809,00 €.
5. Höherstufungsschaden
Der Feststellungsantrag ist zulässig und teilweise begründet.
Der Antrag ist zulässig. Der Höherstufungsschaden ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017, VI ZR 577/16, Rn. 4, zitiert nach juris) Folge des unfallbedingten Fahrzeugschadens. Der Höherstufungsschaden ist regelmäßig im Rahmen der Feststellungsklage geltend zu machen. Es kommt nicht entscheidend darauf an, dass die Prämiennachteile bereits berechenbar sind. Denn es ist nicht absehbar, ob der Prämiennachteil in voller Höhe vom Geschädigten zu tragen ist (etwa wegen vorzeitigen Verkaufs des Fahrzeugs).
Die Geltendmachung ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Geschädigte angesichts der auf ihn entfallenden Quote ohnehin eine Rückstufung erlitten hätte. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegt insoweit nicht vor, da der die Prämienerhöhung – unabhängig von der Höhe der vorgenommenen Regulierung bereits dadurch eintritt, dass Versicherungsleistungen der Kaskoversicherungen in Anspruch genommen werden (vgl. BGH vom 19. Dezember 2017, VI ZR 577/16, zitiert nach juris, Rn. 7).
Hinsichtlich des Höherstufungsschadens kann die Klägerin lediglich die ausgewiesene Quote beanspruchen, weil dieser eine inkongruente Position darstellt. Auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Februar 2011 (5 U 171/10) wird in diesem Zusammenhang Bezug genommen.
6. Rechtsanwaltskosten
Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin demgegenüber nicht beanspruchen.
Diese sind nicht schlüssig dargetan. Insbesondere hat die Beklagte eine Zahlung durch die Klägerin bestritten (Bl. 73 d.A.). Eine Rechnung ist insoweit nicht vorgelegt worden. Aus dem vorgerichtlichen Schreiben (Anlage K 1, Bl. 7 d.A., letzter Absatz) ergibt sich zudem kein bedingter Klagauftrag. Die Gebühr gemäß Nr. 20033 VV RVG kann dann nicht geltend gemacht werden, weil die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auch Tätigkeiten umfasst, die die Klage vorbereiten. Auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 14. September 2016, Az. 3 U 86/16 (Rn. 41, zitiert nach juris) wird insoweit verwiesen. Entgegen der Ankündigung im Schriftsatz vom 11. November 2016 (Bl. 159 d.A.) ist eine Umstellung des Antrages im Termin vom 20. März 2017 (Protokoll Bl. 229 d.A.) auf Freistellung nicht erfolgt. Eines Hinweises bedurfte es insoweit nicht, da lediglich eine Nebenforderung betroffen ist (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Im Übrigen hat die Beklagte auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen.
7. Zinsen
Der Zinsanspruch ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt.
II. Widerklage/Drittwiderklage
Die Beklagte hat gegen die Klägerin und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von insgesamt 12.779,56 € und Feststellung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus §§ 7, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG, 426 BGB.
Nach den vorstehenden Ausführungen haften die Klägerin und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu 80 %.
1. Sachschaden
Die Beklagte hat einen Fahrzeugschaden für das verunfallte Dienstfahrzeug unter Berücksichtigung von Reparaturkosten in Höhe von 34.448,63 € brutto, einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 11.900,00 € und einem Restwert in Höhe von 2.620,00 € in Höhe von 9.280,00 € geltend gemacht. Auf das vorgelegte Privatgutachten des Gutachters … vom 22. März 2016 wird insoweit Bezug genommen (Anlage B 4, Bl. 107 ff. d.A.). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für die Frage der Schadenshöhe nicht auf die Netto-Reparaturkosten an. Bei der Frage, in welcher Höhe ein Fahrzeugschaden geltend gemacht werden kann sind die Bruttobeträge zu vergleichen (BGH, Urteil vom 3. März 2009, VI ZR 100/08, Rn. 11 ff., zitiert nach juris). Vorliegend ist der Reparaturaufwand höher als der Wiederbeschaffungswert zzgl. 30 %, so dass eine Instandsetzung unvernünftig ist und ausschließlich die Wiederbeschaffungskosten unter Abzug des Restwertes verlangt werden können. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote verbleibt hinsichtlich des Fahrzeugschadens ein Anspruch in Höhe von 7.424,00 €.
Gutachterkosten hat die Beklagte in Höhe von 1.162, 51 € dargelegt und die entsprechende Auszahlungsanordnung vorgelegt, so dass an deren Zahlung keine Zweifel bestehen (Anlagen B 14, Bl. 182 d.A.). 80 % ergibt insoweit einen Betrag in Höhe von 930,01 €.
Die Beklagte macht ferner die Kosten für den Ausbau der Sondersignal- und Funkanlage geltend. Hierzu hat sie einen Kostenvoranschlag in Höhe von 2.201,50 € brutto vorgelegt (Anlage B 7, Bl. 144 d.A.). Da die Beklagte im Verlauf des Rechtsstreits keine Rechnung vorgelegt hat, sind insoweit mit Blick auf § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich die Nettokosten in Höhe von 1.850,00 € berücksichtigungsfähig. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote ergibt sich ein Betrag in Höhe von 1.480,00 €.
Nutzungsausfall kann die Beklagte demgegenüber nicht beanspruchen. Bei einem Ausfall von Behördenfahrzeugen kommt ein Nutzungsausfall nur in Betracht bei einem spürbaren Engpass. Dafür muss der Dienstablauf wesentlich beeinträchtigt werden (vgl. LG Darmstadt, 4.12.2013, 4 O 203/13). Hierzu hat die Beklagte nicht näher vorgetragen. Soweit sie ihren Nutzungsausfall umgestellt hat auf Vorhaltekosten kommt ein Anspruch ebenfalls mangels hinreichender Darlegung nicht in Betracht. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass die Reservehaltung im Hinblick auf fremdverschuldete Ausfälle messbar erhöht ist (vgl. nur Palandt-Grüneberg, § 249 BGB, Rn. 62 m.w.N.). Dazu fehlt jegliches Vorbringen. Die Vorlage einer Rechnung für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ist insoweit nicht ausreichend.
Abschlepp- und Standkosten hat die Beklagte in Höhe von 300,15 € nachgewiesen (B 8, Bl. 145 d.A.). Dabei beziehen sich die Standkosten auf die Zeit vom 3. bis 10. März 2016. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 240,12 €. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist insoweit nicht erkennbar.
Hinsichtlich der Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 € kann die Beklagte 80 %, mithin 20,00 € beanspruchen.
Die Beklagte hat ferner Kosten wegen der Beschädigung der Leitplanke in Höhe von 1.505,16 € nachgewiesen (Anlage B 10). Diese Kosten sind Folge der Kollision. Es kommt daher nicht darauf an, dass der Zeuge … das Fahrzeug im Rahmen des Ausweichmanövers gegen die Leitplanke gelenkt hat. Die Beklagte kann 80 % des Betrages beanspruchen, mithin 1.204,13 €.
Hinsichtlich der Sachschäden errechnet sich der Gesamtanspruch wie folgt:
- Fahrzeugschaden 7.424,00 €
- Gutachterkosten 930,01 €
- Sondersignal/Funkanlage 1.480,00 €
- Abschlepp-/Standkosten 240,12 €
- Auslagenpauschale 20,00 €
- Leitplanke 1.204,13 €
- Insgesamt: 11.298,26 €
Wegen der weitergehenden geltend gemachten Sachschäden war die Klage abzuweisen.
2. Personenschaden
Verdienstausfall wegen Dienstunfähigkeit des Zeugen … sowie Heilbehandlungskosten kann die Beklagte nach § 76 BBG beanspruchen. Der Anspruch des Zeugen … ist insoweit auf die Beklagte als Dienstherrin übergegangen.
Die Beklagte war als Dienstherrin infolge der unfallbedingten Körperverletzung zur Gewährung von Leistungen verpflichtet, nämlich der Fortzahlung der Dienstbezüge für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie zur Leistung von Unfallfürsorge hinsichtlich der Heilbehandlungskosten.
Zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) steht fest, dass der Zeuge … für die Dauer vom 4. März 2016 bis 16. März 2016 unfallbedingt nicht dienstfähig war. Kosten für die Heilbehandlung sind nur dann erstattungsfähig, wenn der Unfall zu einer Körperverletzung geführt hat. Der Begriff der Körperverletzung ist dabei weit auszulegen. Er beinhaltet jeden unbefugten Eingriff in die Integrität der körperlichen Befindlichkeit (BGH Urteil vom 17.09.2013, VI ZR 95/13, zitiert nach juris).
Der Zeuge … hat im Rahmen seiner Vernehmung in der Sitzung des Gerichts vom 20. März 2017 bekundet, dass er bei dem Unfall ein Schleudertrauma erlitten habe. Auch sei sein Daumen durch das Auslösen des Airbags überstreckt worden (Bl. 226 R. d.A.). In der Sitzung vom 15. Juni 2018 (Bl. 324R d.A.) hat der Zeuge ergänzend angegeben, dass er als Folge der Kollision krankgeschrieben worden sei. Er habe Probleme mit dem Nacken gehabt sowie einen überstreckten Daumen. Er sei zunächst nur geröntgt worden. Am Folgetag sei noch ein CT oder MRT gemacht worden. Einen weiteren Verkehrsunfall habe er im zeitlichen Zusammenhang zu der Kollision nicht erlitten. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Dienstunfallbericht des Zeugen … (Anlage B 19, Bl. 281 d.A.).
Das Gericht hält die Angaben des Zeugen … auch in Bezug auf die unfallbedingt erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen für glaubhaft. Auf die obigen Ausführungen zur Beweiswürdigung wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Die Angaben des Zeugen … werden gestützt durch das Attest des behandelnden Arztes … vom 7. März 2016 (Anlage B 11, Bl. 149 d.A.), wonach der Zeuge … in der Zeit vom 4. März bis 16. März 2016 krankgeschrieben war. Ferner ist aus der vorgelegten Rechnung über die Heilbehandlungskosten (Bl. 193 d.A.) ersichtlich, dass im Bundeswehrkrankenhaus am Folgetag des Unfalls ein CT der HWS durchgeführt wurde. Auch dieser Umstand spricht für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen … Es ist überhaupt nicht ersichtlich, dass die beklagten Beschwerden eine andere Ursache haben könnten, zumal der Zeuge sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch in dem Dienstunfallbericht unter Ziff. 16 bekundet hat, dass er zuvor keine Beschwerden in dem betreffenden Bereich hatte.
Angesichts der zeitlichen Nähe der erlittenen Beschwerden zu dem Verkehrsunfall hat das Gericht keine Zweifel an der Kausalität der körperlichen Verletzungen zu dem streitgegenständlichen Unfall. Es besteht keine Veranlassung zur Einholung eines biomechanischen/medizinischen Sachverständigengutachtens. Die gefahrenen Ausgangsgeschwindigkeiten auf der Autobahn ebenso wie die Differenzgeschwindigkeit bei Kollision, die der Sachverständige … mit 40 bis 45 km/h angegeben hat sind deutlich entfernt von der sog. Harmlosigkeitsgrenze, die bei Geschwindigkeiten von 10 bis 11 km/h anzusetzen ist. Das Gericht hat vorliegend keinerlei Zweifel, dass der Zeuge unfallbedingt an einer Prellung seines Daumens sowie Nackenbeschwerden bzw. einer HWS-Distorsion gelitten hat und infolgedessen für den benannten Zeitraum gesundheitlich unfähig war, seinen Dienstpflichten nachzukommen. Unabhängig davon, ob die Nackenbeschwerden den Grad eines Schleudertraumas erreicht haben, wären auch jedenfalls bereits die Nackenbeschwerden als solche sowie der überstreckte Daumen ausreichend, die kausal auf den Verkehrsunfall zurückzuführen sind und eine Körperverletzung darstellen.
Es handelt sich um Pflichtleistungen. Die Schadensersatzansprüche des Zeugen … sind insoweit im Augenblick des Unfalls auf die Beklagte übergegangen. Voraussetzung ist eine sachliche und zeitliche Kongruenz zwischen Leistung und Ersatzanspruch (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 12. Aufl., Rn. 733). Hinsichtlich vom Dienstherrn geleisteter Unfallfürsorge besteht eine solche sachliche Kongruenz (vgl. Küppersbusch, Rn. 734 m.w.N.).
Die Beklagte hat ausweislich der vorgelegten Rechnung des Bundeswehrkrankenhauses vom 19. Juli 2016 sowie der Anlage B 16 (Bl. 193/ 194) hinreichend dargelegt, dass Heilbehandlungskosten in der geltend gemachten Höhe angefallen sind und sie einen Betrag in Höhe von 263,41 € aus Unfallfürsorgemitteln erstattet hat. Hiervon kann die Beklagte 80 % beanspruchen, mithin 210,73 €.
Die Beklagte hat die Fortgewährung der Dienstbezüge unter Berücksichtigung der Zulagen und des Urlaubsanspruches für 13 Tage auf insgesamt 1.640,22 € brutto beziffert. Auf die detaillierte Berechnung in der Anlage B 12 wird insoweit Bezug genommen (Bl. 150/ 150R d.A.). Die Berechnung trifft zu. Insbesondere umfasst der Regress nicht ausschließlich das Bruttogehalt, sondern daneben das anteilige Urlaubsentgelt sowie anteilige Sonderzulagen (vgl. Küppersbusch, Rn. 737). Dabei sind indessen weggefallene Fahrtkosten und ersparte berufsbedingte Aufwendungen zu berücksichtigen. Das Gericht schätzt die ersparten Aufwendungen mangels konkreten Vortrags hierzu gem. § 287 ZPO pauschal auf 5 % des Bruttogehalts, mithin 82,01 €. Es verbleibt daher zunächst ein Verdienstausfall in Höhe von insgesamt 1.558,21 €, wovon die Beklagte 80 % erstattet verlangen kann, mithin 1.270,57 €.
Das zu berücksichtigende Quotenvorrecht des Beamten führt vorliegend nicht zu einer abweichenden Beurteilung, § 76 BBG. Danach kann der Anspruch nicht zum Nachteil des Beamten geltend gemacht werden. Daraus folgt ein Befriedigungsvorrecht des Beamten auch soweit aus Rechtsgründen ein Schadensersatzanspruch nicht voll durchgesetzt werden kann (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, Rn. 748 ff.). Da vorliegend eine Mithaftung von 20 % zugrunde zu legen ist, wäre zunächst aus dem quotierten Ersatzanspruch der nach Abzug der kongruenten Leistungen des Dienstherrn verbleibenden sog. Restschaden zu bedienen. Lediglich in Höhe des verbleibenden Betrages geht der Anspruch auf den Dienstherrn über (Küppersbusch aaO.). Ein Restschaden des Zeugen … ist vorliegend indessen nicht ersichtlich, da die Dienstbezüge in vollem Umfang weitergezahlt wurden. Entsprechendes gilt für die Heilbehandlungskosten. Die Beklagte hat die Rechnung zu 100 % aus Mitteln der Unfallfürsorge erstattet, so dass ein Restschaden des Zeugen … nicht ersichtlich ist. Der Anspruch ist mithin in Höhe der erstatteten Unfallfürsorge auf die Beklagte übergegangen. Andere Restschäden des Zeugen … sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
Zu den oben aufgeführten Sachschadenpositionen kommen daher folgende übergegangenen Ansprüche wegen Personenschäden hinzu:
Verdienstausfallschaden: 1.270,57 €
Heilbehandlungskosten: 210,73 €
Insgesamt: 1.481,30 €
3. Zinsen
Zinsen sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus §§ 286, 288 bzw. 291 BGB gerechtfertigt.
4. Feststellung
Der Feststellungsantrag ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Beklagte hat zwar nichts dafür vorgetragen, dass die Heilbehandlung des Zeugen … nach wie vor in der Entwicklung begriffen ist. Entsprechendes ist nach dem Zeitablauf seit dem Unfall im März 2016 und der überschaubaren Verletzungen auch nicht anzunehmen.
Nutzungsausfall oder Vorhaltekosten während der Ersatzbeschaffung kann die Beklagte nicht beanspruchen, da es an einem hinreichenden Vortrag fehlt.
Als möglicher Schaden verbleibt aber jedenfalls die Mehrwertsteuer hinsichtlich des Ausbaus der Sondersignal- und Funkanlage.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 100 Abs. 2, 709 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO,
Dabei entfallen im Rahmen der Klage 2.505,00 € auf den Antrag zu Ziff. 1 sowie 1.698,51 € auf den Feststellungsantrag. Der Antrag zu Ziff. 2 wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus.
Hinsichtlich der Widerklage entfallen auf den Antrag zu Ziff. 1 16.604,54 € sowie auf den Feststellungsantrag 2.000,00 € (18.604,54 €) bzw. ab dem Zeitpunkt der Erweiterung 16.867,95 € auf den Antrag zu Ziff. 1. (insgesamt 18.867,95 €).