LG Konstanz – Az.: C 61 S 61/20 – Urteil vom 08.07.2021
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Donaueschingen vom 18.11.2020, Az. 1 C 203/19 im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt geändert:
1) Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 1.800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2019 zu bezahlen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Subaru IMPREZA mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer ….
2) Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 255,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2019 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet:
1.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB auf Zahlung von 1.800 EUR zu.
a.
Zwischen den Parteien wurde am 11.11.2018 der auf Aktenseite 17 befindliche Kaufvertrag geschlossen, so dass ein Schuldverhältnis gegeben ist.
b.
Dem Beklagten ist zudem eine Pflichtverletzung gemäß § 241 II BGB vorzuwerfen.
Bei Vertragsschluss dürfen keine falschen Angaben gemacht werden; zudem hat bei einem Vertragsverhältnis jeder Vertragspartner die Pflicht den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für die Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind, sofern die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16.12.2009 (Az.: VIII ZR 38/09) entschieden, dass ein solcher für einen Gebrauchtwagenkäufer wesentlicher Umstand vorliegt, wenn der Verkäufer das Fahrzeug kurz zuvor von einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat. Darüber ist aufzuklären, da ohne einen solchen Hinweis ein Käufer davon ausgeht, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen hat, der als letzter Halter in den Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist. Hat ein Verkäufer das Fahrzeug von einer Person unbekannter Identität erworben, liegt der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu einer Manipulation, beispielsweise des Kilometerzählers, oder zu unsachgemäßen Behandlungen des Fahrzeugs oder die Verursachung eines Unfallschadens gekommen ist. Die Verlässlichkeit der Angaben des Verkäufers zum Fahrzeug wird dadurch grundlegend entwertet.
Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesgerichtshofs in der vorzitierten Entscheidung hat der Beklagte – bereits nach eigenem Vortrag – eine Pflichtverletzung begangen. Der Beklagte hat ausgeführt, dass sein Vater Mitte Juli am Rande des Betriebsgeländes eines Automobilverkäufers in … einen polnischen Händler getroffen habe, der ein dort erworbenes Fahrzeug auf seinen Transporter verladen habe. Auf diesem hätten sich noch weitere Fahrzeuge befunden. Der Vater sei mit dem polnischen Händler ins Gespräch gekommen und man habe sich über den Erwerb des Fahrzeug geeinigt. Der Vertragspartner, zu dem keine weiteren Angaben möglich waren, habe mitgeteilt, dass soweit ihm bekannt, das Fahrzeug keinen Unfallschaden erlitten habe. Der Vater habe das Fahrzeug an den Beklagten weitergegeben, da er es für diesen erworben habe.
Eine Aufklärung über den nicht näher bekannten Zwischenhändler ist vorliegend unstreitig unterblieben, wie die mündliche Anhörung vor dem Berufungsgericht ergab.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass zusammen mit dem Kaufvertrag, in dem es heißt „laut Vorbesitzer unfallfrei“ die Zulassungsbescheinigung Teil II übergeben wurde, in der neben dem Vater des Beklagten nur eine Frau … aufgeführt ist. Somit ist die Vertragserklärung „laut Vorbesitzer unfallfrei“ nach dem objektiven Empfängerhorizont dahingehend zu verstehen, dass Frau … dem Beklagten gegenüber erklärt hat, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat. Diese Erklärung ist aber nicht zutreffend. Wie der Beklagte selbst einräumte, kannte er den Vorbesitzer nicht und hatte nur von seinem Vater erfahren, dass das Fahrzeug nach dem Vorbesitzer keinen Unfall gehabt habe.
Durch die Aufnahme der vorgenannten Passage in den Kaufvertrag und die Nichtoffenlegung, dass er den Vorbesitzer nicht kenne, bei dem es sich um einen Zwischenhändler handelte, hat der Beklagte eine Pflichtverletzung begangen.
c.
Der Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Umstände zur Wiederlegung der Verschuldensvermutung hat der Beklagte nicht vorgebracht.
d.
Die unterbliebene Aufklärung über die Unbekanntheit des Vorbesitzers ist für den Schaden des Klägers ursächlich geworden. Derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, muss darlegen und beweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßen Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also den Hinweis unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Angaben den Kaufvertrag so wie geschehen geschlossen hätte. Diesbezüglicher Vortrag des Beklagten ist nicht erfolgt. Vielmehr hat der Kläger in seiner Anhörung angegeben, dass er, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug von einem Zwischenhändler, der nicht in den Papieren auftaucht, veräußert wurde und von diesem die Angabe unfallfrei stammt, er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. In einem solchen Fall sei mit mehr zu rechnen gewesen.
e.
Da infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten der oben genannte Vertrag zustande gekommen ist, hat der Kläger einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages und kann damit von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.800 EUR verlangen.
f.
Im Gegenzug ist der Kläger nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung verpflichtet, dem Beklagten das streitgegenständliche Fahrzeug Zug um Zug gegen Zahlung zu übergeben und zu übereignen.
g.
Der Kläger kann die Feststellung des Annahmeverzuges verlangen. Der Käufer hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Annahmeverzugs des Verkäufers, wenn er dadurch in den Stand gesetzt wird, das Urteil hinsichtlich der vom Verkäufer zu leistenden Zahlung des Kaufpreises zu vollstrecken, ohne seine eigene Leistung tatsächlich anbieten zu müssen. Hierzu ist ein Angebot notwendig, das Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB zu begründen vermag. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Hat der Zug um Zug leistungspflichtige Gläubiger erklärt, er werde die Gegenleistung nicht erbringen, genügt ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB. Dieses ist spätestens in der Klageerhebung zu sehen.
2.
Dem Kläger stehen Zinsen ab Rechtshängigkeit aus der zuerkannten Hauptforderung gemäß §§ 291, 288 BGB in Verbindung mit § 187 I BGB analog zu.
Die Höhe der berechtigten Zinsforderung ergibt sich aus § 288 I 2 BGB.
3.
Weiterhin kann der Kläger die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 EUR verlangen.
Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 280, 241 II, 311 BGB. Der Höhe nach kann der Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer aus einem Gebührenstreitwert von bis zu 2.000 Euro verlangen. Demnach errechnen sich erstattungsfähige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 Euro.
Deren Verzinsung ab Rechtshängigkeit steht dem Kläger gemäß §§ 291, 288 BGB ebenfalls zu.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe zur Zulassung der Revision im Sinne des § 543 II ZPO liegen nicht vor.