LG Flensburg, Az.: 1 S 169/12
Beschluss vom 23.04.2013
In dem Berufungs-Prozesskostenhilfeverfahren … wird der Antrag der Antragstellerin vom 20.12.2012 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Antrag der Klägerin und Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung war zurückzuweisen. Denn die Voraussetzungen, unter denen nach § 114 S. 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, liegen nicht vor.
Die Berufung bietet überwiegend keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (dazu 1.); im Übrigen ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mutwillig (dazu 2.).
1. Die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Schleswig vom 16.11.2012 – Az.: 31 C 79/12 – bietet, soweit die Klägerin über einen Betrag von 203, 64 € hinaus materiellen und immateriellen Schadensersatz geltend macht, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die umfassende Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ergibt eine anteilige Haftung der Antragsgegnerin für den der Antragstellerin entstandenen materiellen und immateriellen Schaden von lediglich 1/4, während die Antragstellerin den ihr entstandenen Schaden überwiegend, nämlich zu 3/4, selbst zu tragen hat.
Die Voraussetzungen eines der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zustehenden Schadensersatzanspruchs liegen dem Grunde nach vor. Denn der der Antragstellerin anlässlich der Auseinandersetzung der beiden Hunde am 23.05.2011 entstandene Schaden ist ihr (auch) durch den Hund der Antragsgegnerin zugefügt worden. Dies ergibt sich bereits aus dem übereinstimmenden Parteivorbringen.
Der Geschädigte muss zur Begründung eines Anspruchs aus § 833 Satz 1 BGB darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihm durch ein vom Beklagten/ Antragsgegner gehaltenes sogenanntes Luxustier Schaden zugefügt wurde (Wagner, in: MüKo, BGB, 5. Auflage 2009, § 833 Rdnr. 63 m. w. N.). Allerdings muss das Verhalten des Tieres des Beklagten/ Antragsgegners nicht die einzige Ursache für die Verletzung sein, sondern die Mitverursachung oder bloß mittelbare Verursachung reicht aus (Wagner, a. a. O., § 833 Rdnr. 7 m. w. N.; Eberl-Borges, in: Staudinger, BGB – Neubearbeitung 2012 – § 833 Rdnr. 27 m. w. N.). Die (anteilige) Haftung eines Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB kommt mithin auch dann in Betracht, wenn die unmittelbar zur Verletzung führende Handlung, etwa der Biss, nicht vom Tier des in Anspruch genommenen Tierhalters, sondern von dem vom Geschädigten selbst gehaltenen Tier ausgeführt wurde, solange und soweit der eben dargelegte jedenfalls mittelbare Verursachungs- bzw. Zurechnungszusammenhang besteht (vgl. Eberl-Borges, a. a. O., § 833 Rdnr. 27; LG Flensburg, Urteil vom 01.02.1996, Az.: 1 S 119/95, mit insoweit zustimmender Anm. v. Gaisbauer, VersR 1997, 1110; LG Hamburg, VersR 1993, 1496 (1497)).
Vor diesem Hintergrund haftet die Antragsgegnerin auch angesichts dessen dem Grunde nach für den der Antragstellerin entstandenen Schaden, dass es nicht erwiesen ist, welcher der beiden Hunde der Antragstellerin den Biss zugefügt hat. Diesbezüglich hat das Amtsgericht angesichts seiner durch Inaugenscheinnahme getroffenen Feststellung, die Gebisse beider Hunde wiesen annähernd die gleiche Breite auf, rechtsfehlerfrei von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen, da es an ausreichenden Anknüpfungstatsachen fehlt. Unstreitig – wenn auch die Antragsgegnerin behauptet, ihr Hund hätte den Hund der Antragstellerin im Nacken gepackt, während die Antragstellerin darlegt, der Hund der Antragsgegnerin habe ihren Hund ins Ohr gebissen – hat der Hund der Antragsgegnerin den Hund der Antragstellerin bzw. einen Körperteil dieses Hundes jedenfalls im Maul gehabt, während ebenso unstreitig der Hund der Antragstellerin den Hund der Antragsgegnerin nicht gebissen hat. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Antragstellerin wiederum unstreitig im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der beiden Hunde gebissen wurde, ist auch ausgehend davon, dass der eigene Hund der Antragstellerin diese gebissen hat, die sich in der unmittelbar vorangehenden Auseinandersetzung der beiden Hunde – insbesondere dem Packen bzw. Beißen – realisierende Tiergefahr des Hundes der Antragsgegnerin für den Biss und die dadurch hervorgerufene Verletzung der Antragstellerin in adäquater Weise mitursächlich geworden.
Allerdings überwiegt das der Antragstellerin anzulastende Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB), welches die Kammer mit einem Haftungsanteil von 3/4 bemisst.
Sowohl die Tiergefahr des von der Antragstellerin gehaltenen Hundes, die hier für die Verletzung und den dadurch hervorgerufenen Schaden der Antragstellerin mitursächlich geworden ist, als auch das Eingreifen der Antragstellerin selbst mindern den geschuldeten Schadensersatz.
Hat bei der Entstehung des Schadens ein Tier des Geschädigten mitgewirkt, muss sich dieser die eigene Tiergefahr nach dem für die Gefährdungshaftung entsprechend geltenden § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen (Spindler, in: Beck’scher Online-Kommentar, BGB, Stand: 01.02.2013, Edition: 26, § 833 Rdnr. 38 m. w. N.; OLG Hamm, BeckRS 2011, 26424, zitiert nach beck-online; OLG Celle, VersR 1981, 1058; OLG Stuttgart, VersR 1978, 1123 (1124)). Zwar ist unstreitig, dass der Hund der Antragstellerin den Hund der Antragsgegnerin nicht gebissen hat. Jedoch hat nach übereinstimmendem Vorbringen der Hund der Antragstellerin die Straßenseite gewechselt, ist auf den Hund der Antragsgegnerin zugelaufen und hat so die Begegnung erst herbeigeführt.
Zudem liegt ein den geschuldeten Schadensersatz weiter minderndes Mitverschulden der Antragstellerin selbst nach § 254 Abs.1 BGB darin, dass sie sich zwischen die streitenden Hunde begeben hat.
Der Verletzte darf sich nicht ohne besonderen Grund in die gefahrbringende Nähe eines Tieres begeben haben oder sonst besondere Risiken heraufbeschworen haben (Spindler, a. a. O., § 833 Rdnr. 39 m. w. N.). Wird ein Hundehalter bei dem Versuch verletzt, sich streitende bzw. beißende Hunde zu trennen, so führt dies (in aller Regel) zu einem haftungsmindernden Mitverschulden des geschädigten Hundehalters (Spindler, a. a. O., § 833 Rdnr. 39 m. w. N.; Eberl-Borges, a. a. O., § 833 Rdnr. 202 m. w. N., 206 m. w. N.; Gaisbauer, a. a. O., S. 1111; OLG Hamm, a. a. O.; OLG Celle, a. a. O., S. 1058; OLG Stuttgart, a. a. O., S. 1124). Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin jedenfalls ihren Hund aus der Beißerei zurückgezogen, woraufhin ihr Hund rechts von ihr und der Hund der Antragsgegnerin links von ihr war, und sich dadurch unmittelbar zwischen die beiden sich streitenden Hunde begeben.
2. Soweit das Begehren der Antragstellerin nach Schadensersatzzahlung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, erweist sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren als mutwillig.
Denn der Erfolg versprechende Teil der beabsichtigten Berufung erreicht nicht die notwendige Mindestbeschwer von 600,01 €. Verspricht der Berufungsantrag, dessen Wert die Berufungssumme von 600,00 € übersteigt, sachlich nur teilweise Erfolg und liegt dieser Teil unterhalb der sich aus § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergebenden Mindestbeschwer, so darf dem Berufungskläger keine Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz gewährt werden, weil er keinen zulässigen Erfolg versprechenden Berufungsantrag stellen kann (vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 28. Auflage 2010, § 114 Rdnr. 28). Geht man, wie die Kammer, von einem Haftungsanteil der Antragsgegnerin von 1/4 aus, so ergibt sich bei einem Streitwert des Schmerzensgeldverlangens von 700,00 € und des materiellen Schadensersatzverlangens von 114,55 € ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin von lediglich 203,64 € (1/4 von 814,55 €).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1 GKG, 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.