Ein Motorradfahrer überholte eine lange Fahrzeugkolonne, als plötzlich ein Pkw nach links in einen Feldweg ausscherte und es zur schweren Kollision kam. Die entscheidende Frage war, ob das riskante Kolonne-Überholen schwerer wiegt als die verletzte doppelte Rückschaupflicht des Abbiegenden.
Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Was passiert bei einem Unfall beim Überholen einer stehenden Fahrzeugkolonne?
- 3 Welche Gesetze regeln die Schuldfrage beim Verkehrsunfall?
- 4 Wie schilderten die Parteien den Zusammenstoß?
- 5 Wer trägt die Hauptschuld bei einer Kollision zwischen Überholer und Linksabbieger?
- 6 Welche finanziellen Folgen hat das Urteil für die Beteiligten?
- 7 Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?
- 8 Experten Kommentar
- 9 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 9.1 Bekommt der Überholer mehr Schuld, wenn er zu schnell war?
- 9.2 Hafte ich als Überholer auch ohne eigenen Fahrfehler mit?
- 9.3 Wer zahlt die Anwaltskosten bei einer Teilschuld von 75%?
- 9.4 Wie beweist man die Geschwindigkeit des Unfallgegners ohne Dashcam?
- 9.5 Wann gilt eine stehende Kolonne als unklare Verkehrslage?
- 10 Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 O 38/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Braunschweig
- Datum: 27. Juni 2023
- Aktenzeichen: 12 O 38/23
- Rechtsbereiche: Verkehrsunfallrecht, Schadensersatzrecht, Haftungsrecht
- Das Problem: Ein Motorradfahrer überholte eine lange stehende Autoschlange auf der Gegenfahrbahn. Gleichzeitig scherte eine Autofahrerin zum Linksabbiegen aus der Kolonne aus. Die Fahrzeuge stießen zusammen, und die Parteien stritten über die genaue Schuldverteilung am Unfall.
- Die Rechtsfrage: Wer trägt die Hauptschuld, wenn ein Abbieger seine Rückschaupflicht verletzt und mit einem Überholer kollidiert, der eine lange Kolonne überholte?
- Die Antwort: Die Autofahrerin (Klägerin) trägt die Hauptschuld, der Motorradfahrer (Beklagter) nur eine Teilschuld. Das Gericht verteilte die Haftung zu 75 Prozent zulasten der Autofahrerin und zu 25 Prozent zulasten des Motorradfahrers. Die Autofahrerin verletzte ihre Pflicht zur doppelten Kontrolle des rückwärtigen Verkehrs. Der Motorradfahrer schuf durch das Überholen der Kolonne eine erhöhte abstrakte Betriebsgefahr.
- Die Bedeutung: Wer aus einer Autokolonne links abbiegt, muss den rückwärtigen Verkehr äußerst sorgfältig prüfen. Das Überholen einer Kolonne erhöht das allgemeine Risiko für den Überholenden, selbst wenn dieser keine Geschwindigkeits- oder speziellen Überholregeln verletzt.
Was passiert bei einem Unfall beim Überholen einer stehenden Fahrzeugkolonne?
Ein sonniger Nachmittag im Oktober 2022 endete auf einer Landstraße bei Braunschweig mit Blechschaden und einem Rechtsstreit. Auf der Strecke von Groß Schwülper nach Harvesse staute sich der Verkehr vor einer Ampelkreuzung. Die Fahrzeugschlange war lang, mindestens 400 Meter. In dieser Kolonne stand eine junge Frau mit dem VW Golf ihrer Mutter. Von hinten näherte sich ein Motorradfahrer auf seiner BMW F 800 GT. Er wollte nicht warten. Der Biker setzte zum Überholen der stehenden Autos an und fuhr auf der linken Spur an der Kolonne vorbei.

Das Landgericht Braunschweig musste nun klären, wer für den Unfall haftet. Das Urteil vom 27. Juni 2023 (Az. 12 O 38/23) liefert wichtige Antworten zur Schuldverteilung in solchen Lagen. Es zeigt, dass auch ein regelkonformer Überholer nicht immer straffrei ausgeht. Gleichzeitig macht es deutlich, wie streng die Sorgfaltspflichten für Linksabbieger sind.
Welche Gesetze regeln die Schuldfrage beim Verkehrsunfall?
Der Fall berührt zentrale Normen des Straßenverkehrsrechts. Zunächst greift die sogenannte Gefährdungshaftung – also die Haftung des Halters allein aufgrund der abstrakten Gefahr, die vom Betrieb eines Fahrzeugs ausgeht – gemäß § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG). Diese Haftung besteht unabhängig von einem konkreten Verschulden. Sie entfällt nur bei höherer Gewalt.
Treffen zwei Fahrzeuge aufeinander, müssen die Verursachungsbeiträge gegeneinander abgewogen werden. Dies regelt § 17 StVG. Das Gericht prüft hierbei, wer den Unfall durch sein Verhalten maßgeblich verursacht hat. Dabei spielen Verkehrsregeln eine entscheidende Rolle. Für den Motorradfahrer war § 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO) relevant. Dieser verbietet das Überholen bei unklarer Verkehrslage.
Für die Autofahrerin galt § 9 StVO. Dieser Paragraph legt fest, wie man sich beim Abbiegen verhalten muss. Besonders wichtig ist hier die doppelte Rückschaupflicht – also die Pflicht, sich vor dem Einordnen und nochmals unmittelbar vor dem Abbiegen durch Schulterblick zu versichern, dass von hinten niemand kommt. Wer diese Pflicht verletzt, handelt grob fahrlässig. Das Zusammenspiel dieser Normen entschied über den Ausgang des Verfahrens.
Wie schilderten die Parteien den Zusammenstoß?
Die Darstellungen des Unfallhergangs widersprachen sich fundamental. Die Klägerin behauptete, ihre Tochter habe sich korrekt verhalten. Sie habe rechtzeitig den Blinker gesetzt. Zudem habe sie sich durch einen Blick in den Rückspiegel vergewissert, dass die Bahn frei sei. Erst dann sei sie abgebogen. Der Motorradfahrer sei viel zu schnell gewesen. Er habe mit etwa 50 km/h die Kolonne überholt. Wegen dieser überhöhten Geschwindigkeit habe er den Unfall allein verschuldet. Er hätte bremsen können.
Der beklagte Motorradfahrer zeichnete ein anderes Bild. Er gab an, die Landstraße sei gut einsehbar gewesen. Er sei vorsichtig gefahren, lediglich mit etwa 30 km/h. Plötzlich sei der VW Golf vor ihm ausgeschert. Die Fahrerin habe weder geblinkt noch auf den nachfolgenden Verkehr geachtet. Ein Ausweichen oder Bremsen sei ihm unmöglich gewesen. Er sah die alleinige Schuld bei der Autofahrerin. Sie habe ihn schlicht übersehen.
Auch die Schadenshöhe war strittig. Die Klägerin legte ein Privatgutachten vor. Sie verlangte Reparaturkosten, Wertminderung und Gutachterkosten. Der Beklagte zweifelte einzelne Positionen dieses Gutachtens an. Er hielt einige Schäden für nicht nachvollziehbar.
Wer trägt die Hauptschuld bei einer Kollision zwischen Überholer und Linksabbieger?
Das Landgericht Braunschweig fällte ein differenziertes Urteil. Es wies die Forderung der Klägerin zu großen Teilen ab. Das Gericht legte eine Haftungsverteilung von 75 zu 25 zu Lasten der Autofahrerin fest.
Lag ein unabwendbares Ereignis vor?
Zuerst prüfte der Richter, ob der Unfall für einen der Beteiligten unvermeidbar war. Ein unabwendbares Ereignis – also ein Geschehen, das auch durch äußerste Sorgfalt eines Idealfahrers nicht verhindert werden kann – lag hier nicht vor. Ein idealer Motorradfahrer hätte angesichts der langen Kolonne auf das Überholen verzichtet. Eine ideale Autofahrerin hätte den Motorradfahrer beim zweiten Schulterblick gesehen. Beide hätten den Unfall vermeiden können. Somit hafteten grundsätzlich beide Parteien.
Hat die Autofahrerin ihre Pflichten verletzt?
Das Gericht sah das Hauptverschulden klar bei der Fahrerin des Golfs. Sie hatte gegen § 9 Abs. 1 StVO verstoßen. Die Beweisaufnahme ergab, dass sie ihrer doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen war.
„Die Zeugin […] hat beim Ausscheren aus der Kolonne ihre doppelte Rückschaupflicht verletzt (§ 9 Abs. 1 S. 4 Hs. 1 StVO).“
Der Richter begründete dies logisch: Die Straße war gerade. Das Wetter war gut. Es gab keine Sichtbehinderungen. Der Motorradfahrer hatte bereits mehrere Fahrzeuge überholt. Er befand sich also schon länger auf der Gegenfahrbahn. Hätte die Fahrerin unmittelbar vor dem Lenkeinschlag einen korrekten Schulterblick gemacht, hätte sie ihn zwingend sehen müssen. Dass es zum Zusammenstoß kam, beweist quasi den fehlenden Schulterblick. Dieser Verstoß wiegt schwer. Wer aus einer Kolonne ausschert, muss sich absolut sicher sein, dass von hinten keine Gefahr droht.
Durfte der Motorradfahrer die Kolonne überholen?
Die Klägerin hatte argumentiert, das Überholen einer Kolonne sei per se unzulässig oder zumindest „unklar“ im Sinne der StVO. Das Gericht folgte dieser Ansicht nicht. Das bloße Vorhandensein einer Fahrzeugschlange schafft noch keine unklare Verkehrslage – also eine Situation, in der das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer nicht verlässlich vorhersehbar ist. Solange die Straße einsehbar ist und kein Vorausfahrender erkennbar links blinkt, ist Überholen erlaubt.
Auch der Vorwurf der überhöhten Geschwindigkeit griff nicht. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Beklagte schneller als die erlaubten oder angemessenen 30 km/h fuhr. Die Aussagen der Zeugen waren hierzu zu ungenau. Das Gericht verzichtete daher auf ein teures Unfallrekonstruktionsgutachten. Ohne Beweis gilt die Aussage des Beklagten.
Warum haftet der Motorradfahrer trotzdem zu 25 Prozent?
Obwohl dem Biker kein konkreter Regelverstoß nachgewiesen wurde, kam er nicht ohne Haftung davon. Das Gericht begründete dies mit der erhöhten Betriebsgefahr. Wer eine stehende Kolonne überholt, geht ein gesteigertes Risiko ein.
Es ist eine Erfahrungstatsache, dass in Stausituationen Fahrzeuge plötzlich ausscheren. Autofahrer in der Kolonne sind oft ungeduldig. Sie nutzen Lücken spontan. Wer hier überholt, schafft eine Gefahrenquelle. Diese Gefahr realisierte sich im Unfall. Diese abstrakte Gefahr tritt hinter dem groben Verschulden der Autofahrerin nicht vollständig zurück. Deshalb muss der Motorradfahrer ein Viertel des Schadens tragen.
Welche finanziellen Folgen hat das Urteil für die Beteiligten?
Die Entscheidung hatte massive Auswirkungen auf die Geldforderung. Die Klägerin hatte insgesamt 6.385,22 Euro gefordert. Das Gericht prüfte zunächst die Gesamthöhe des Schadens.
Es akzeptierte das Privatgutachten als Schätzgrundlage gemäß § 287 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Einwände der Versicherung waren zu pauschal. Der anerkannte Gesamtschaden setzte sich wie folgt zusammen:
- Erstens die Netto-Reparaturkosten von 5.164,19 Euro.
- Zweitens die Verbringungskosten von 115,00 Euro.
- Drittens ein merkantiler Minderwert – also der Wertverlust des Autos allein durch die Eigenschaft als Unfallwagen – in Höhe von 90,00 Euro.
- Viertens die Gutachterkosten von 986,03 Euro.
- Fünftens eine Kostenpauschale von 25,00 Euro.
Die Summe betrug bereinigt 6.380,22 Euro. Aufgrund der Haftungsquote von 25 Prozent sprach das Gericht der Klägerin jedoch nur 1.595,05 Euro zu.
Auch bei den Anwaltskosten wirkte sich die Quote aus. Die Klägerin verlangte Freistellung von 713,76 Euro Honorar. Da aber nur ein Anspruch von rund 1.600 Euro berechtigt war, durfte der Anwalt auch nur Gebühren aus diesem niedrigeren Wert berechnen. Das Gericht reduzierte den Anspruch auf Freistellung daher auf 280,60 Euro. Die Klägerin blieb somit auf rund 4.800 Euro ihres Schadens und einem Teil der Anwaltskosten sitzen. Zudem musste sie 75 Prozent der Gerichtskosten tragen.
Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?
Das Urteil des Landgerichts Braunschweig sendet eine klare Warnung an beide Seiten. Für Linksabbieger bestätigt es die strenge Rechtsprechung zur Rückschaupflicht. Der „tote Winkel“ ist keine Entschuldigung. Wer abbiegt, muss schauen. Wer nicht schaut und kollidiert, trägt meist die Hauptschuld.
Für Überholer zeigt der Fall die Grenzen der Sorglosigkeit. Selbst wer legal überholt, haftet bei Kolonnenfahrten oft mit. Die Betriebsgefahr – also das reine Risiko, das von einem fahrenden Kraftfahrzeug ausgeht – wird in solchen unübersichtlichen Lagen vom Richter höher bewertet als bei normaler Fahrt. Wer an einer Schlange vorbeifährt, sollte wissen: Wenn es kracht, zahle ich mit. Eine „Null-Quote“ ist für den Überholer in dieser Konstellation nur schwer zu erreichen.
Rechtlich ist der Fall nun geklärt. Das Gericht ließ erkennen, dass ohne klare Beweise (wie Dashcam-Videos oder eindeutige Spuren) Behauptungen über „Rasen“ oder „Nicht-Blinken“ im Zweifel nicht zu Gunsten des Klägers gewertet werden. Die Klägerin muss sich mit dem Viertel des Schadens begnügen.
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Experten Kommentar
Was in den Urteilsbegründungen oft fehlt, ist die menschliche Dynamik hinter diesen Kollisionen. In meiner Praxis sehe ich immer wieder, dass solche Unfälle entstehen, weil jemand in der Kolonne eine „freundliche Lücke“ lässt und den Abbieger vielleicht sogar durchwinkt. Dieses fatale Vertrauen führt dazu, dass der entscheidende Schulterblick schlicht vergessen wird.
Rechtlich hilft das „Durchwinken“ aber niemandem: Der freundliche Dritte ist meist über alle Berge, und man selbst haftet voll für die Kollision. Mein Rat ist daher simpel: Trauen Sie keiner Lücke, die Sie nicht selbst komplett einsehen können – Höflichkeit ersetzt im Straßenverkehr niemals die eigene Absicherung, besonders wenn Motorräder im Spiel sind.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Bekommt der Überholer mehr Schuld, wenn er zu schnell war?
Ja, sofern Sie den Tempoverstoß beweisen können. Eine nachgewiesene überhöhte Geschwindigkeit erhöht den Haftungsanteil des Überholers deutlich über die pauschale Betriebsgefahr hinaus. Ohne Beweise geht das Gericht jedoch meist von der zulässigen Geschwindigkeit aus.
Eine Erhöhung der Haftung setzt ein konkretes Verschulden voraus. Dieses müssen Sie als Anspruchsteller vor Gericht zweifelsfrei nachweisen. Im beschriebenen Fall scheiterte dies, da keine objektiven Beweise für das behauptete „Rasen“ vorlagen. Das Gericht legte daher zugunsten des Überholers eine angepasste Geschwindigkeit zugrunde.
Unser Tipp: Sichern Sie an der Unfallstelle sofort objektive Beweise. Dokumentieren Sie Bremsspuren und notieren Sie Kontaktdaten neutraler Zeugen zur Tempoeinschätzung.
Hafte ich als Überholer auch ohne eigenen Fahrfehler mit?
Ja. Sie haften oft mit 20 bis 25 Prozent allein aufgrund der sogenannten Betriebsgefahr. Das Überholen einer Kolonne gilt als risikoreich, selbst ohne direkten Fehler Ihrerseits.
Der Grund liegt in der „erhöhten Betriebsgefahr“ Ihres Fahrzeugs. Durch das Vorbeifahren an einer Schlange setzen Sie eine abstrakte Gefahrenursache. Kommt es zum Crash, müssen Sie für dieses Risiko einstehen. Persönliches Verschulden ist dafür nicht erforderlich.
Unser Tipp: Rechnen Sie konservativ mit einer Mithaftung von einem Viertel. Verlassen Sie sich nicht auf eine volle Auszahlung.
Wer zahlt die Anwaltskosten bei einer Teilschuld von 75%?
Die gegnerische Versicherung übernimmt die Kosten nur anteilig. Sie müssen den Großteil der Anwaltsgebühren selbst tragen. Die Erstattung richtet sich streng nach Ihrer Gewinn-Quote.
Ihr Anwalt berechnet sein Honorar nach dem geforderten Gesamtbetrag. Die Versicherung erstattet jedoch nur Gebühren aus der tatsächlich gezahlten Summe. Bei 75 % Teilschuld ist das nur ein Viertel. Die entstehende Differenz müssen Sie aus eigener Tasche zahlen.
Unser Tipp: Klären Sie vor dem Prozess, ob Ihre Rechtsschutzversicherung diese Kostendifferenz übernimmt.
Wie beweist man die Geschwindigkeit des Unfallgegners ohne Dashcam?
Sie benötigen objektive Spuren am Unfallort für ein professionelles Unfallrekonstruktionsgutachten. Bloße subjektive Eindrücke zur Geschwindigkeit genügen dem Gericht nicht.
Ohne harte Fakten steht Aussage gegen Aussage. Wie der Artikel zeigt, sind ungenaue Zeugenangaben für die Beweisführung meist wertlos. Nur physikalische Beweise wie Deformationsschäden oder Bremsweglängen ermöglichen eine exakte Berechnung durch Experten. Ohne solche Anknüpfungstatsachen scheuen Gerichte oft das hohe Kostenrisiko eines Gutachtens.
Unser Tipp: Fotografieren Sie sofort alle Bremsspuren und Splitterfelder aus mehreren Perspektiven für den Gutachter.
Wann gilt eine stehende Kolonne als unklare Verkehrslage?
Eine stehende Kolonne gilt erst dann als unklare Verkehrslage, wenn zusätzliche Faktoren das Verhalten anderer unvorhersehbar machen. Das bloße Vorhandensein einer Fahrzeugschlange verbietet das Überholen rechtlich noch nicht. Solange die Sicht frei ist, bleibt die Lage grundsätzlich „klar“.
Gerichte definieren „unklar“ hier als widersprüchliches Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer. Ein klassisches Beispiel ist ein Fahrzeug, das links blinkt, aber noch wartet oder unentschlossen pendelt. Ohne solche konkreten Anzeichen ist das Überholen nach § 5 StVO auch bei Stau erlaubt.
Unser Tipp: Achten Sie beim Linksabbiegen zwingend auf den rückwärtigen Verkehr. Verlassen Sie sich nie darauf, dass niemand überholt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Das vorliegende Urteil
Landgericht Braunschweig – Az.: 12 O 38/23 – Urteil vom 27.06.2023
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