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Erbringung von Bauleistungen auf fremdem Grundstück –  Wertersatzersatzanspruch

Eine knifflige juristische Auseinandersetzung um Bauarbeiten und Wertersatzansprüche

Mitten im Herzen des deutschen Baurechts steht ein aufschlussreicher Fall, der sowohl juristische als auch wirtschaftliche Konsequenzen birgt. In diesem Zusammenhang stehen die Schlüsselbegriffe Wertersatzersatzanspruch, Ersatzvornahmekosten, Aufrechnung und Eigentumserwerb im Mittelpunkt. Der Fall dreht sich um die Konsequenzen, die sich ergeben, wenn Bauleistungen auf einem fremden Grundstück erbracht werden und der Eigentumserwerb aus diversen Gründen nicht vollzogen wird. Hierbei geht es insbesondere um die Frage der Erstattungsfähigkeit der aufgewendeten Kosten und die Validität der Aufrechnung verschiedener Schadensersatz- und Minderungsansprüche.

Direkt zum Urteil Az.: 9 U 2127/19 Bau springen.

Klage und Gegenklage: Ein rechtlicher Dschungel

Im Kern handelt der Fall von einer Klägerin, die Bauleistungen auf einem Grundstück erbrachte, das nicht in ihrem Eigentum stand. Sie verlangte einen Wertersatzanspruch für ihre aufgewendeten Kosten, da sie im Erwartung auf einen künftigen Eigentumserwerb handelte. Allerdings lehnte das Gericht die vollständige Erstattung ihrer Ersatzvornahmekosten ab, da es der Meinung war, dass das Recht der Klägerin auf Mangelbeseitigung vereitelt wurde. Zudem wurde die Aufrechnung der Klägerin mit Ersatzvornahmekosten, Schadensersatz, Mietausfall und Mietminderung als unwirksam angesehen, weil diese nicht spezifisch genug war.

Die Rolle des Dritten und die Erwartung des Eigentumserwerbs

Eine besondere Rolle im Fall spielt die Firma P, welche die Rohbauarbeiten durchführte. Hier wurde die Frage aufgeworfen, ob die Klägerin als Aufwendende zu qualifizieren ist, da die Bauleistungen faktisch von der Firma P erbracht wurden. Die Situation ist kompliziert, da ein Teil der Bauleistungen nachträglich durch die Klägerin bezahlt wurde, um das Grundstück von der Beklagten erwerben zu können. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine Rückabwicklung im Drei-Personen-Verhältnis erfolgen muss und ob die Klägerin sich direkt an die Firma P wenden muss, um ihre Ansprüche geltend zu machen.

Unstimmigkeiten in der Aufrechnung und die Implikationen für das Urteil

Ein weiteres Problem in dem Fall war die Aufrechnung mit dem der Klägerin möglicherweise zustehenden Zahlungsanspruch. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin tatsächlich erstmals mit der Berufungsbegründung die Aufrechnung erklärt hat. Trotz intensiver Durchsicht wurden jedoch keine Verweise auf eine in früheren Schriftsätzen erklärte Aufrechnung gefunden. Dies wirft Fragen zur Gültigkeit der Aufrechnung auf und könnte Auswirkungen auf das endgültige Urteil haben.

Der Fall stellt einen interessanten Einblick in die Komplexität des deutschen Baurechts dar und demonstriert, wie vielschichtig die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen von Bauleistungen auf fremdem Grund sein können. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision waren nicht erfüllt, und so handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 9 U 2127/19 Bau – Urteil vom 20.04.2021

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.03.2019, Az.: 24 O 3704/11, aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 943.010,07 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin begehrt vom Rechtsnachfolger der während des Prozesses verstorbenen Frau A. R. den Ersatz von Verwendungen auf das Grundstück mit der Flur-Nr.: …07/2 bis 7 (3. Bauabschnitt) in der T.-Straße in I. Die Beklagte erklärte mit der Klageerwiderung die hilfsweise Aufrechnung mit Ersatzvornahmekosten, Schadensersatz wegen Mietausfall und Mietminderung in Höhe von insgesamt 1.544.567,57 € aus den Bauvorhaben T.-Straße in I., Flur-Nr.: …07/24 und …07/18, die in zwei Bauabschnitte aufgegliedert waren.

Die Klägerin hat außerdem die Aufrechnung mit behaupteten Zahlungsansprüchen in Höhe von 345.199,50 € gemäß der Schlussrechnung vom 02.06.2009 für die Wohnanlagen 1 und 2 im Hinblick auf etwaige Gegenansprüche erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 29.03.2019, 24 O 3704/11 LG München I.

Mit Endurteil vom genannten Tag hat das Erstgericht die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 519.409,67 € nebst Zinsen zu bezahlen.

Tragend stellte das Erstgericht darauf ab, dass der Klägerin ein Anspruch auf Wertersatz gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BGB zustehe, da die Beklagte durch das Tätigwerden der Klägerin auf der Baustelle im 3. Bauabschnitt Baumaßnahmen erlangt habe, welche sie um den ausgeurteilten Betrag rechtsgrundlos bereichert hätten. Der Wert des Erlangten bestimme sich nach dem Bautenstand. Der Wert der Bauleistung sei auf 1.026.000,00 € geschätzt worden, um diese Bau- und Planungsleistungen sei die Beklagte zunächst bereichert. Da die Beklagte unter dem 14.04.2011 die Hilfsaufrechnung wegen behaupteter Ersatzvornahmekosten aus Anlass der Mangelhaftigkeit der klägerischen Bauleistung im Bauabschnitt 1 und 2 sowie Mietausfallschäden in Höhe von insgesamt 1.544.567,57 € erklärt hatte, nach Beweisaufnahme immerhin 506.590,33 € erwiesen seien, ergebe sich eine Wertersatzforderung in Höhe von 519.409,67 €.

Gegen dieses dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin unter dem 02.04.2019 zugestellte Endurteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 30.04.2019, beim Oberlandesgericht München eingegangen am gleichen Tag, Berufung ein (Bl. 1448/1449 d.A.), die er mit Schriftsatz vom 24.10.2019, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 28.10.2019, begründete (Bl. 1485/1507 d.A.).

Die Klägerin argumentiert, ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 16.06.2016 (Bl. 1217/1227 d. A.) sei übergangen worden. Der Beklagten stehe kein Anspruch auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten in Höhe von 506.000,00 € zu, vielmehr seien Ersatzvornahmekosten in Höhe von 212.225,00 € nicht erstattungsfähig, da das Recht der Klägerin auf Mangelbeseitigung insoweit vereitelt worden sei. Im Übrigen sei die Aufrechnung mit Ersatzvornahmekosten, Schadensersatz, Mietausfall und Mietminderung deshalb unwirksam, weil sie nur pauschal erklärt worden sei und nicht deutlich werde, in welcher Reihenfolge. Darüber hinaus habe die Klägerin mit ihren Zahlungsansprüchen in Höhe von 345.199,50 € aus der Schlussrechnung vom 02.06.2009 die Aufrechnung erklärt, was vom Erstgericht nicht berücksichtigt worden sei. Berechtigte Mangelpositionen entsprechend dem Sachverständigengutachten Sch. bestünden nur in Höhe von 164.474,51 € (Bl. 1506 d.A.), hiergegen werde mit klägerischen Zahlungsansprüchen in Höhe von 345.199,50 € die Aufrechnung erklärt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.05.2019 gegen das ihrem anwaltlichen Vertreter unter dem 02.04.2019 zugestellte Urteil Berufung eingelegt, die am 02.05.2019 beim Oberlandesgericht München eingegangen ist (Bl. 1452/1453 d.A.). Mit Schriftsatz vom 25.11.2019, beim Oberlandesgericht München eingegangen am gleichen Tag (Bl. 1519/1525 d.A.) und vom 31.01.2020 (Bl. 1543 d.A.) begründete sie ihre Berufung.

Die Beklagte rügt einen Verstoß gegen sachliches Recht.

Die Beklagte habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt mit der Erbringung von Baumaßnahmen auf dem streitgegenständlichen Grundstück in Bauabschnitt 3 beauftragt. Die Klägerin habe trotz Widerspruchs der Beklagten auf dem klägerischen Grundstück gebaut. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch aus § 994 BGB zu, im Übrigen sei wegen des spezielleren Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses das allgemeine Bereicherungsrecht nicht anwendbar. Darüber hinaus habe die Firma P. auf 360.000,– € verzichtet, so dass Aufwendungen maximal in Höhe von 449.520,08 € entstanden seien. Was die klägerische Forderung betreffe, müsse die Klägerin die Verursachungsbeiträge für die Bauzeitverzögerungen, die durch die Beklagte zu vertreten seien, beweisen. Insofern habe das Erstgericht die Beweislast verkannt. Ohnehin sei bei jedem Anspruch, unabhängig, ob auf § 994 BGB oder § 812 Abs. 1 2. Alternative BGB gestützt, nur der Wertzuwachs des Grundstücks zu ersetzen, nicht aber der Wert der erbrachten Bauleistungen.

Die Klägerin beantragt zuletzt, das am 27.03.2019 verkündete Urteil des Landgerichts München I, Az.: 24 O 3704/11, abzuändern, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin über den erstinstanzlich zugesprochenen Betrag von 519.409,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2010 hinaus weitere 423.600,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.12.2010 zu zahlen.

Der nunmehrige Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte seinerseits beantragt, das Urteil des Landgerichts München I vom 27.03.2019, Az.: 24 O 3704/11, zugestellt am 02.04.2019, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Hilfsweise: Das Verfahren an das Landgericht München I zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin betont, im Schriftsatz vom 19.05.2011 (Bl. 180 d.A.) habe sie substantiiert dargelegt, dass die Bauzeitverschiebung im Verantwortungsbereich der Beklagtenseite gelegen habe. Dementsprechend könnten dem Beklagten hieraus auch keine Ansprüche zustehen. Deshalb habe sich die Klägerin gerade nicht seit 29.09.2007 in Verzug befunden. Dem Beklagten stünden somit die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu. Im Übrigen werde die conditio ob rem nicht durch die Vorschriften der §§ 994 ff. ausgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 24.10.2019 (Bl. 1485/1507 d. A.) hat die Klägerin gegen die von der Beklagten geltend gemachten Ersatzvornahmekosten mit dem ihr zustehenden Werklohnanspruch aus den Bauabschnitten 1 und 2 in Höhe von 345.199,50 € die Aufrechnung erklärt.

Mit Schriftsatz vom 06.04.2021 (Bl. 1629/1643 d. A.) hat die Klägerin erstmals vorgetragen, der früheren Beklagten im Hinblick auf den geplanten Grundstücksankauf für die Errichtung der Bauabschnitte 1 und 2 einen Gesamtnachlass in Höhe von 357.000,00 € brutto gewährt zu haben. Da der geplante Grundstücksankauf gescheitert sei, sei die Bedingung für den Preisnachlass nachträglich entfallen. Der Klägerin stehe daher ein weiterer Werklohnanspruch in Höhe von 357.000,00 € zu, mit dem gegen etwaige Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüche der Beklagten aufgerechnet werde.

Frau ……ist am 27.11.2016 verstorben und wurde von Herrn R. R. allein beerbt.

Der Senat hat den Geschäftsführer der Klägerin W. W. angehört sowie Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen R. N. und W. Sch. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2021 (Bl. 1615/1622 d.A.). Der Senat hat zur Sache verhandelt unter dem 10.11.2020 (Protokoll Bl. 1581/1583 d.A.) sowie unter dem 16.03.2021 (Protokoll Bl. 1615/1622 d.A.).

Im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Wertzuwachses wäre jedenfalls durch die mit Schriftsatz vom 14.04.2011 (Bl. 26/163 d.A.) von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit Ersatzvornahmekosten betreffend das Bauvorhaben 1 und 2 erloschen. Die von der Klägerin zeitlich nachfolgend erklärten Aufrechnungen mit Ansprüchen aus der Schlussrechnung vom 02.06.2009 sowie mit Werklohn wegen des behaupteten Wegfalls des Preisnachlasses in Höhe von 357.000,00 € brutto gehen damit ins Leere.

Die Berufung der Klägerin ist damit ohne Erfolg.

Im Einzelnen:

1. Der Klägerin dürfte schon kein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB in Höhe des durch die Verwendungen erreichten Wertzuwachses in Höhe von 100.000,00 € zustehen.

Dahinstehen kann zunächst, ob durch die Normen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses ein Bereicherungsanspruch ausgeschlossen ist (so BGHZ 41, 157, 160; BGH NJW 1996, 52), denn die Klägerin war nach der aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme gewonnenen Überzeugung des Senats allenfalls nicht berechtigte Besitzerin des Grundstücks T.-Straße 13/15, Flur-Nr.: …07/2-7.

Bereits nach den Ausführungen des Geschäftsführers W. W. hat die verstorbene Beklagte nur dem Bauunternehmer P. den vorzeitigen Baubeginn gestattet, nicht aber der Klägerin. Herr Pichler habe dem Geschäftsführer W. W. auch ein Schreiben über den Verlauf des Gesprächs mit Herrn C. Sch., der für die Beklagte auf dem Baugrundstück war, geschickt, in dem er festgehalten habe, dass er mit Erlaubnis der Frau R. die Bauausführung beginnen könne und ihm die Firma des Geschäftsführers W. für den Bau keinen Auftrag erteilt hätte. „Nur aus Dummheit“ habe der Geschäftsführer W. der Firma P. angeboten, die Hälfte ihrer Abschlagsrechnungen für jedes Stockwerk zu bezahlen, obwohl er keinen Auftrag erteilt habe und auch das Grundstück noch nicht erworben habe.

Der Zeuge W. Sch. hatte als Mitarbeiter im Büro seines Vaters von den Abläufen bei den Bauvorhaben Kenntnis erlangt. Bei einem anderen Bauvorhaben habe er einen Teil des Schriftverkehrs für die verstorbene Frau R. gegenüber der Klägerin erledigt. Der Zeuge konnte sich erinnern an ein Fax der Beklagten an die Klägerin, worin die Klägerin aufgefordert wurde, das Grundstück erst zu kaufen und dann zu bebauen. Eine Kopie oder das Original des Faxes habe er persönlich Herrn Rechtsanwalt Dr. W., dem damaligen Vertreter der Beklagten, übergeben. Das Fax sei auch in „cc“ an die Firma P. gegangen. Als er Herrn P. auf dieses Fax angesprochen habe, habe dieser mitgeteilt, das Fax nicht ernst genommen zu haben.

Der Zeuge konnte sich auch noch an einen Anruf von Herrn P. im März/April 2008 erinnern. In diesem Gespräch habe Herr P. wissen wollen, ob Frau R. bereit sei, die Rechnungen für den Bauabschnitt WA 3 zur Hälfte zu bezahlen, weil Herr W. nur eine Hälfte bezahlt habe. Auch habe der Vater des Zeugen – nach Kenntnis des Sohns – keine Vollmacht für eine Baufreigabe gehabt.

In einer Gesamtschau der Ausführungen des Geschäftsführers W. wie auch des Zeugen Sch., der ersichtlich bemüht war, sich an die doch lange zurückliegenden Vorgänge zu erinnern und der auf den Senat einen glaubhaften und glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, war die Klägerin allenfalls nicht berechtigte Besitzerin des Grundstücks. Selbst nach der Darstellung des Geschäftsführers hatte die Beklagte nicht ihm die Erlaubnis erteilt, der Zeuge Sch. konnte gar keine Erlaubnis bestätigen. Hierfür spricht auch das Schreiben der Verstorbenen vom 25.10.2007 (Anlage B 1). In dem genannten Schreiben hat Frau R. die „Erlaubnis zur Bebauung mit Abschluss eines notariellen Vertrages zum Grundstückskauf“ erteilt, „dieser habe bis zum 14.11.2007 geschlossen zu werden“. Vorher war sie also gerade nicht einverstanden.

Allerdings gewährt die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur dem berechtigten Besitzer einen Wertersatzanspruch.

Auch derjenige, der in der Erwartung späteren Eigentumserwerbs auf einem fremden Grundstück Aufwendungen getätigt hat (vgl. BGH, Urteile vom 22.03.2013 – V ZR 28/12 und vom 19.07.2013 -V ZR 93/12), kann Ersatz verlangen, es kann ebenso genügen, wenn der Aufwendende und der Eigentümer die gemeinsame Erwartung teilen, dass dieser Wertzuwachs dem Verwendenden zugutekommen soll, diese Erwartung aufgrund später eintretender Umstände aber nicht mehr erfüllt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 29.10.2020 – III ZR 142/19 Rn. 6; MüKoBGB/Schwab, 8. Auflage, § 812 Rn. 355 ff; Erman/Buck-Heeb, BGB, 16. Aufl., § 812 Rn. 54).

Zwar haben im zu entscheidenden Fall beide Parteien einen späteren Eigentumserwerb der Klägerin angestrebt, allerdings unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen:

In den Verfahren V ZR 28/12 und V ZR 93/12 war den Verwendenden jeweils deshalb ein Wertersatzanspruch zugesprochen worden, weil sie berechtigte Besitzer waren und auf fremdem Grund Bauarbeiten in der Erwartung künftigen Eigentumserwerbs vorgenommen hatten.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, da sie nach Überzeugung des Senats allenfalls nicht berechtigte Besitzerin war.

Aber auch die Voraussetzungen der weiteren Konstellation (III ZR 142/19) sind nicht erfüllt:

Danach muss der Verwendende zwar nicht berechtigter Besitzer gewesen sein, allerdings muss mit dem Eigentümer die gemeinsame Erwartung bestanden haben, dass der Wertzuwachs dem Verwendenden zukommen solle.

Hier fehlt es bereits an der gemeinsamen Erwartung, dass der Wertzuwachs der Klägerin zukommen soll:

Aus dem Schreiben der Beklagten vom 13.11.2007 (Anlage K 8) ergibt sich der Gang der Kaufvertragsverhandlungen. Frau R. hatte zunächst vorgeschlagen, dass bei einer Nichtzahlung des gestundeten Kaufpreises bei Fälligkeit die baulichen Anlagen auf dem Grundstück entschädigungslos an sie fallen sollten. Diesen Teilsatz hatte der Geschäftsführer Wendler handschriftlich gestrichen. Unter dem 14.11.2007 hatte die Beklagte ebenfalls handschriftlich den Abänderungen zugestimmt.

Allerdings erfasst die beabsichtigte Regelung nur bauliche Anlagen, die nach Abschluss des notariellen Vertrages errichtet werden.

Hiervon ist der Senat deshalb überzeugt, weil die Beklagte mit Schreiben vom 25.10.2007 (Anlage B 1) die Erlaubnis zur Bebauung ausdrücklich vom Abschluss des notariellen Kaufvertrages abhängig gemacht hat. Im Schreiben vom 13.11.2007 (Anlage B 2) hat sie die Klägerin ausdrücklich aufgefordert, alle Bauarbeiten einzustellen, da bisher noch kein notarieller Kaufvertrag zustande gekommen sei. Gleiches im Schreiben vom 22.01.2008 (Anlage B 4).

Für vor Abschluss des notariellen Vertrages errichtete bauliche Anlagen bestand damit nicht die gemeinsame Erwartung der Parteien, dass der Wertzuwachs dem Verwendenden zukommen sollte.

Unabhängig hiervon erscheint fraglich, ob die Klägerin als Aufwendende zu qualifizieren ist.

Auch nach dem Vortrag der Klägerin erfolgte die Rohbauerstellung nur durch die Firma P.

Durch die nachträgliche Bezahlung eines Teils der Bauleistungen „aus Dummheit“ könnten es allerdings deshalb der Klägerin zuzurechnende Verwendungen geworden sein, weil die Klägerin von der Beklagten das Grundstück erwerben wollte und hierauf mit der Firma P. eine Wohnanlage erstellen wollte. Die Bezahlung erfolgte jedenfalls unstreitig im Hinblick auf das gemeinsame Projekt. Somit dürfte in der Bezahlung der hälftigen Abschlagsrechnung eine Verwendung der Klägerin auf das Grundstück liegen.

Gleichwohl bleibt es dabei:

Da die Verwendung weder notwendig war noch die Voraussetzungen der conditio ob rem vorliegen, scheidet ein Wertersatzanspruch aus. Ein auf § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB gestützter Anspruch kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil beim Bereicherungsausgleich im Drei-Personen-Verhältnis eine Rückabwicklung entlang der Leistungskette erfolgt, die Klägerin sich also unmittelbar an die Firma Pichler wenden muss.

2. Lediglich hilfsweise wird noch ausgeführt:

Der Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB – wie auch der Anspruch nach § 996 BGB – gewährt nur einen Ersatz des Wertzuwachses des Grundstücks, nicht aber der errichteten Baulichkeiten (BGH, Urteil vom 19.07.2013 – V ZR 93/12 Rn. 13; BGH NJW 2013, 2025 Rn. 27; BGH NJW 1966, 1250, 1251).

Der Wertzuwachs beläuft sich nach Überzeugung des Senats maximal auf 100.000,00 €.

Hier stellt der Senat folgende Überlegungen an: Die Klägerin hatte sie sich mit der verstorbenen Beklagten nach dem Schreiben vom 13.11.2007 (Anlage K 8) auf einen Kaufpreis für alle mit dem Bauplatz WA3 verbundenen Grundstücke auf 1,3 Mio. Euro geeinigt, zusätzlich sollte die Klägerin eine Feuerwehrzufahrt erstellen mit einem Fahrtrecht für die Bauabschnitte WA1 und 2. Damit wird deutlich, dass über die Kaufpreiszahlung hinaus die Klägerin weitere geldwerte Leistungen zu erbringen hatte. Bei dem Verkauf des Grundstücks im Jahr 2009 an einen Dritten konnte die Beklagte – wie sich aus dem Grundstückskaufvertrag vom 30.04.2009 (Anlage BB 4, Seite 2) ergibt – lediglich Kaufpreis von 1,5 Mio. Euro erzielen, wobei 100.000,00 € auf den Rohbau entfielen.

Dass es sich hierbei um den tatsächlich erzielbaren realistischen Kaufpreis handelt, davon ist der Senat überzeugt aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen R.N., des damaligen Leiters der Immobilienabteilung der V.bank I., die die Beklagte mit dem Verkauf des Grundstücks mit Bauruine und ohne werkvertragliche Mängelrechte beauftragt hatte.

Wie der Zeuge glaubhaft und glaubwürdig ausgeführt hat, hat die verstorbene Frau R. lediglich vorgegeben, nicht an die Firma MW E. B. zu veräußern. Dies wohl deshalb, weil es zwischen Frau R. und der Firma MW E. einen Streit wegen des Grundstücks Bauabschnitt WA3 gab. Die Veräußerung des Grundstücks sei deshalb nicht so einfach gewesen, weil der Rohbau Mängel gehabt habe, so habe das Treppenhaus die Mindestbreite nicht eingehalten und der Aufzugschacht habe bis ins Dachgeschoss geführt, wodurch ein baurechtlich unzulässiges Folgegeschoss entstanden wäre. Die V.bank I. habe nur einen einzigen Kaufinteressenten finden können, sie habe sich die Käufer nicht aussuchen können. Der Zeuge vermittelte dem Senat ein seriöses Bild eines erfahrenen Immobilienvermittlers. Aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen ist der Senat davon überzeugt, dass für das Grundstück mit Rohbau kein höherer Kaufpreis als 1,5 Mio. Euro zu erzielen war und dass der Rohbau mit 100.000,00 € zutreffend bewertet ist. Hierfür spricht auch das Schreiben des Gutachterausschusses des Landratsamts München vom 12.01.2021 (Anlage BB 5), wonach sich für das Grundstück mit einer Größe von 1992 qm auf der Grundlage des Bodenrichtwerts für den April 2009 ein Grundstückswert von 1.533.840,00 € errechnet. Zu diesem Wertzuwachs ist, anders als die Klägerin meint, kein Freistellungsanspruch, gestützt auf den Kaufvertrag vom 30.04.2007 (Anlage BB 4) unter § 5 Ziffer 5.1, hinzuzurechnen.

Diese Regelung bezieht sich, wie die Beklagtenpartei zutreffend hervorhebt, auf die dem Bauvorhaben zugrundeliegende Planung. Mit der Klausel sollte der Käufer von jeglichen Ansprüchen freigestellt werden, dies heißt aber nur, dass die Verkäuferin weiterhin für etwaige Ansprüche des planfertigenden Architekten und von Baufirmen haftet und der Dritte keinen Forderungen ausgesetzt ist. Eine Werterhöhung des Grundstücks ist damit nicht verbunden.

Ein Sachverständigengutachten zum Wert des Grundstücks samt Rohbau, wie im Schriftsatz der Klägerin vom 06.04.2021 (Bl. 1629/1643 d. A.) beantragt, war nicht einzuholen.

Selbst wenn der objektive Wert höher gelegen haben sollte, hat die Beklagte beim Verkauf nur 100.000,00 e realisieren können. Wegen eines übersteigenden Wertes wäre sie damit entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB).

Ein kollusives Zusammenwirken der Parteien des Grundstückskaufvertrages ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen.

3. Dieser allenfalls in Höhe von 100.000,00 € bestehende Anspruch auf Ersatz des Wertzuwachses ist durch die mit Schriftsatz der Beklagten vom 14.04.2011 (Bl. 26/163 d.A.) hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Ersatzvornahmekosten wegen Mängeln an dem Bauvorhaben WA 1 und 2 erloschen, §§ 387, 389 BGB. Die Aufrechnung ist – anders als die Klägerin meint – nicht nur pauschal erklärt, auch sind die Ansprüche substantiiert und in einer Reihenfolge aufgeschlüsselt. Wie die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vom 24.10.2019, Seite 22, selbst einräumt, bestanden jedenfalls berechtigte Ersatzvornahmekosten in Höhe von 164.474,51 €. Hinsichtlich der zugestandenen Mängel ist auch eine ordnungsgemäße Fristsetzung erfolgt, die Beseitigung der Mängel wurde auch nicht durch das erteilte Hausverbot vom 11.08.2008 gehindert. Die Beklagte hatte nämlich mit Schreiben vom 22.04.2008 bereits eine Nachfrist zum 09.05.2008 gesetzt (Anlage B 5). Das 84-seitige Mängelprotokoll, das die Beklagte von einem Privatsachverständigen unter dem 26.06.2008 erhalten hatte (Anlage B 13), wurde der Klägerin mit Schreiben vom 30.06.2008 unter Fristsetzung zur Beseitigung der Mängel bis zum 10.07.2008 zur Verfügung gestellt (Anlage B 15). Damit war die Frist bereits weit vor Erteilung des Hausverbots abgelaufen. Die Klägerin dürfte – ohne dass es darauf ankommt – tatsächlich erstmals mit der Berufungsbegründung vom 24.10.2019 (Bl. 1485/1507) die Aufrechnung mit dem ihr möglicherweise zustehenden Zahlungsanspruch in Höhe von 345.199,50 € erklärt haben. Die Berichterstatterin jedenfalls hat trotz intensiver Durchsicht lediglich Verweise auf eine behauptet in früheren Schriftsätzen erklärte Aufrechnung gefunden, allerdings enthielten diese Schriftsätze keine Aufrechnungserklärung. Im Schriftsatz der Klägerin vom 19.05.2011 (Bl. 167/189 d.A.) wird lediglich darauf verwiesen, dass der Klägerin noch Werklohnansprüche zustehen, die allerdings vorerst nicht geltend gemacht werden sollen. Da die Klägerin allerdings ihre Aufrechnung gegen Ersatzvornahmekosten erklärt und dies zeitlich nach der erstmals mit der Klageerwiderung erklärten Hilfsaufrechnung mit den Ersatzvornahmekosten liegen muss, liegt die von der Klägerin erklärte Aufrechnung – deren Erklärung unterstellt – zeitlich nach der Hilfsaufrechnung der Beklagten und geht damit ins Leere.

Gleiches gilt für die mit Schriftsatz vom 06.04.2021 (Bl. 1629/1643 d. A.) erklärte Aufrechnung mit weiteren Werklohnansprüchen in Höhe von 357.000,00 € aus nicht erfolgtem Bedingungseintritt für den Preisnachlass für die Wohnanlagen WA 1 und WA 2, wobei der zugrundeliegende Sachvortrag ohnehin verspätet und nicht mehr zuzulassen ist, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.

4. Aus den oben dargelegten Erwägungen ist die Berufung der Klägerin ohne Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung gründet in §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 GKG, 3 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.

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