Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Der Fall vor Gericht
- 2.1 Darf ein neues Badezimmer bleiben, wenn es den Nachbarn unerträglich laut beschallt?
- 2.2 Was genau war in der Wohnanlage vorgefallen?
- 2.3 Wer oder was war schuld an dem Lärm?
- 2.4 Welche Forderungen stellte der gestörte Nachbar an das Gericht?
- 2.5 Wie verteidigte sich der Eigentümer des neuen Badezimmers?
- 2.6 Warum scheiterte der Kläger schon an seiner Hauptforderung, dem Rückbau des Bades?
- 2.7 Wieso musste der Kläger den Lärm am Ende doch dulden?
- 3 Wichtigste Erkenntnisse
- 4 Benötigen Sie Hilfe?
- 5 Das Urteil in der Praxis
- 6 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 6.1 Was unterscheidet Sondereigentum von Gemeinschaftseigentum in einer Wohnungseigentümergemeinschaft und warum ist diese Abgrenzung wichtig?
- 6.2 Wer trägt die Verantwortung für Mängel am Gemeinschaftseigentum, die Lärm verursachen, wenn ein einzelner Eigentümer sein Sondereigentum umbaut?
- 6.3 Unter welchen Voraussetzungen kann ein Nachbar die Beseitigung einer Störung durch Umbauten im Sondereigentum verlangen, und welche Rolle spielt dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz?
- 6.4 Welche Schallschutzanforderungen gelten für haustechnische Anlagen wie Badezimmerinstallationen in Wohngebäuden?
- 6.5 An wen sollten sich Bewohner wenden, wenn Lärmbelästigungen aus einer Nachbarwohnung durch Mängel am Gebäude verursacht werden?
- 7 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 8 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 9 Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 9 C 184/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Hamburg
- Datum: 19. März 2025
- Aktenzeichen: 9 C 184/24
- Verfahren: Klageverfahren
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Nachbarrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Wohnungseigentümer, der in der Erdgeschosswohnung lebt. Er forderte den Rückbau des neuen Badezimmers seines Nachbarn wegen Lärmbelästigung.
- Beklagte: Ein anderer Wohnungseigentümer, der im 3. Obergeschoss wohnt. Er hatte seine Küche zu einem Badezimmer umgebaut.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Ein Wohnungseigentümer beschwerte sich über Lärm aus dem neuen Badezimmer seines Nachbarn. Die Lärmbelästigung resultierte aus einem bereits beim Bau vorhandenen Mangel am Abwasserrohr.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Muss ein Nachbar sein Bad zurückbauen, wenn dessen Nutzung laut ist, aber der Lärm an einem alten Baumangel des Hauses liegt?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Die Klage des Erdgeschoss-Bewohners wurde abgewiesen.
- Zentrale Begründung: Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückbau, da der Lärm hauptsächlich durch einen alten Mangel am gemeinschaftlichen Abwasserrohr verursacht wird und eine solche Lärmbelästigung als zumutbar gilt.
- Konsequenzen für die Parteien: Der Kläger erhält nicht den geforderten Rückbau und muss alle Verfahrenskosten tragen.
Der Fall vor Gericht
Darf ein neues Badezimmer bleiben, wenn es den Nachbarn unerträglich laut beschallt?
Ein neues Badezimmer sollte ein Ort der Entspannung sein. Für einen Wohnungseigentümer im Erdgeschoss einer Hamburger Wohnanlage wurde das moderne Bad seines Nachbarn aus dem dritten Stock jedoch zur Quelle ständigen Lärms. Jedes Duschen, jedes Spülen der Toilette drang als lautes Rauschen und Prasseln in seine Küche. Der Fall landete vor dem Amtsgericht Hamburg und warf eine knifflige Frage auf: Wer ist verantwortlich, wenn eine ordnungsgemäße Nutzung zu einer unzumutbaren Belästigung führt, weil ein versteckter Mangel im Gebäude selbst die wahre Ursache ist?
Was genau war in der Wohnanlage vorgefallen?
In den Jahren 2019 und 2020 führte der Eigentümer der Wohnung im dritten Obergeschoss eine grundlegende Sanierung durch. Sein kühnster Schritt: Er vertauschte die Positionen von Küche und Bad. Das neue, großzügig ausgestattete Badezimmer mit Dusche, Wanne, Sauna und WC befand sich nun direkt über der Wohnküche des Klägers im Erdgeschoss.

Kurz nach dem Umbau begannen für den Kläger die Probleme. Nutzte der Nachbar oben sein neues Bad, hörte der Kläger in seiner Küche laute Wassergeräusche. Insbesondere das Spülen der Toilette erzeugte massive Prallgeräusche, die durch die Decke drangen. Die Ruhe in seiner Wohnung war dahin. Der Beklagte hatte die Hausverwaltung zwar über seine Pläne informiert und von dieser per E-Mail die Mitteilung erhalten, es bestünden keine Einwände. Die Eigentümergemeinschaft selbst hatte dem Umbau in dieser Form jedoch nie formell zugestimmt. Spätere Beschlüsse der Gemeinschaft, die Umbauten nicht zu genehmigen oder das Thema nicht weiterzuverfolgen, schufen eine unklare Lage.
Wer oder was war schuld an dem Lärm?
Um diese Frage zu klären, wurde ein sogenanntes Selbständiges Beweisverfahren eingeleitet. Das ist ein gerichtliches Verfahren, das dazu dient, Beweise zu sichern, bevor es zu einem richtigen Prozess kommt. Ein Sachverständiger untersuchte die Lärmbelästigung und kam zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Geräusche waren nicht nur gefühlt, sondern auch messtechnisch viel zu laut.
Die geltende Norm für Schallschutz in Wohngebäuden, die DIN 4109, legt einen Grenzwert von 30 Dezibel (dB(A)) für Geräusche aus Wasserinstallationen fest. Dieser Wert wurde massiv überschritten. Schon das Handwaschbecken erzeugte 35 dB(A), die WC-Spülung erreichte 48 dB(A) und bei der Spülung mit Feststoffen sogar ohrenbetäubende 60 dB(A).
Die Ursache dafür lag jedoch nicht an den neuen Sanitärobjekten des Beklagten. Der Gutachter fand den wahren Schuldigen tief in der Wand: ein zentrales Abwasserfallrohr, das allen Bewohnern des Strangs dient. Dieses Rohr gehört zum Gemeinschaftseigentum, also den Teilen des Gebäudes, die allen Eigentümern gemeinsam gehören, im Gegensatz zum Sondereigentum, dem Bereich einer Wohnung, der einem Eigentümer allein gehört. Das Rohr war bereits beim Bau der Anlage in den 1980er-Jahren mangelhaft installiert worden. Es war unzureichend schallgedämmt und hatte direkte Verbindungen zum Innenputz, wodurch sich der Schall wie über eine Brücke in die Wohnung des Klägers ausbreiten konnte. Der Lärm war also die Folge eines alten Baumangels, der durch die neue, intensivere Nutzung erst richtig zum Vorschein kam.
Welche Forderungen stellte der gestörte Nachbar an das Gericht?
Der Kläger sah die Schuld dennoch klar beim Beklagten. Er verklagte ihn und stützte sich dabei auf das Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Nach § 14 WEG ist jeder Eigentümer verpflichtet, auf die anderen Rücksicht zu nehmen und deren Eigentum nicht über ein unvermeidliches Maß hinaus zu stören. Da die Lärmwerte weit über dem zulässigen Grenzwert lagen, sah der Kläger diese Pflicht als verletzt an.
Seine zentrale Forderung war drastisch: Der Beklagte sollte verurteilt werden, sein neues Badezimmer so zurückzubauen, dass WC, Dusche und Badewanne nicht mehr in das problematische Abwasserrohr entwässern können. Im Grunde verlangte er die Stilllegung des Bades. Zusätzlich forderte er, dem Beklagten für die Zukunft zu verbieten, ohne Zustimmung der Gemeinschaft weitere Umbauten vorzunehmen, die zu Lärmbelästigungen führen könnten. Er argumentierte, der Beklagte habe eigenmächtig und ohne die notwendige Genehmigung der Eigentümergemeinschaft gehandelt.
Wie verteidigte sich der Eigentümer des neuen Badezimmers?
Der Beklagte wehrte sich gegen die Klage. Er argumentierte, dass er das Recht hatte, die Räume innerhalb seines Sondereigentums nach seinen Wünschen zu gestalten. Weder die Teilungserklärung – das Grundgesetz der Eigentümergemeinschaft – noch andere Vereinbarungen würden vorschreiben, wo sich das Badezimmer befinden müsse. Er habe sogar geprüft, ob das gemeinschaftliche Abwasserrohr die zusätzliche Wassermenge aufnehmen könne, was ihm bestätigt wurde.
Sein entscheidendes Argument war jedoch, dass nicht seine Handlung, sondern der Zustand des Gemeinschaftseigentums das Problem sei. Die Lärmbelästigung entstehe durch das mangelhafte Rohr, nicht durch sein neues Bad. Die Forderung des Klägers, das gesamte Bad stillzulegen, sei daher völlig unverhältnismäßig. Es gäbe andere, weitaus sinnvollere Lösungen, wie etwa eine Sanierung und Dämmung des alten Rohres.
Warum scheiterte der Kläger schon an seiner Hauptforderung, dem Rückbau des Bades?
Das Gericht wies die Klage vollständig ab. Es erklärte zwar, dass der Kläger grundsätzlich das Recht habe, sich gegen Störungen zu wehren. Doch schon die Art seiner Forderung war fehlerhaft. Der Kläger verlangte eine ganz bestimmte Maßnahme: den Rückbau des Badezimmers.
Hier verwies das Gericht auf einen fundamentalen Rechtsgrundsatz, den sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser besagt, vereinfacht gesagt, dass man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen darf. Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Störung zu beseitigen, muss dem Verursacher die Wahl gelassen werden, die mildeste und für ihn am wenigsten belastende Maßnahme zu ergreifen. Der Kläger hätte lediglich die Beseitigung der Störung an sich fordern können, aber nicht vorschreiben dürfen, wie diese zu erfolgen hat. Denkbar wären auch andere Lösungen gewesen, wie eine bessere Dämmung des Rohres oder sogar dessen kompletter Austausch – eine Maßnahme, die der Kläger selbst in einer Eigentümerversammlung einmal ins Spiel gebracht hatte. Da der Kläger aber ausschließlich den radikalen Rückbau forderte, war seine Klage schon aus diesem Grund nicht erfolgreich.
Wieso musste der Kläger den Lärm am Ende doch dulden?
Noch entscheidender war jedoch die Feststellung des Gerichts, dass dem Kläger überhaupt kein Anspruch gegen den Beklagten zustand. Das Gericht führte eine umfassende Interessenabwägung durch, also eine genaue Prüfung, wessen Interessen in diesem Konflikt stärker wiegen.
Zwar erkannte das Gericht an, dass der Lärm für den Kläger einen erheblichen „Nachteil“ darstellt. Seine Küche sei als schutzwürdiger Wohnraum anzusehen, in dem die Schallschutzgrenzwerte gelten. Dennoch müsse er diesen Nachteil im konkreten Fall dulden. Die Richter begründeten dies mit einer klaren Logikkette: Die eigentliche Ursache für den Lärm war der seit Jahrzehnten bestehende Baumangel am Gemeinschaftseigentum. Der Beklagte nutzte dieses mangelhafte Rohr lediglich so, wie es vorgesehen war – zur Ableitung von Abwasser. Seine Nutzung war nicht zu beanstanden.
Das Gericht stellte klar: Ein Wohnungseigentümer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, auf eigene Kosten die Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums zu verbessern, nur weil er in seinem Sondereigentum eine zulässige Veränderung vornimmt. Die Verantwortung für die Instandhaltung des Abwasserrohrs liegt bei der Eigentümergemeinschaft als Ganzes, nicht bei einem einzelnen Eigentümer, der zufällig eine Sanierung durchführt.
Zudem hatte die Eigentümergemeinschaft letztlich beschlossen, nicht weiter gegen den Umbau des Beklagten vorzugehen. Damit hatte der Beklagte eine rechtlich gesicherte Position erlangt, die das Gericht in seiner Abwägung ebenfalls berücksichtigte.
Die Kernaussagen des Gerichts lassen sich so zusammenfassen:
- Ursache im Gemeinschaftseigentum: Die Störung geht nicht vom Sondereigentum des Beklagten aus, sondern vom mangelhaften Gemeinschaftseigentum (dem Abwasserrohr).
- Zulässige Nutzung: Der Beklagte nutzt dieses Rohr nur im Rahmen des Erlaubten. Er ist nicht der „Störer“ im rechtlichen Sinne, der den Mangel geschaffen hat.
- Keine Pflicht zur Sanierung: Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Schallschutz des gesamten Gebäudes auf eigene Kosten zu modernisieren. Das ist Aufgabe der Gemeinschaft.
Daher kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Beeinträchtigung für den Kläger zwar unangenehm, aber im Rahmen des bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlichen Maßes hinzunehmen sei. Er muss sich zur Lösung des Problems an die Eigentümergemeinschaft wenden, nicht an seinen Nachbarn. Die Klage wurde abgewiesen, und der Kläger musste die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen.
Wichtigste Erkenntnisse
Wohnungseigentümer müssen Nachteile dulden, wenn diese durch Mängel am Gemeinschaftseigentum entstehen und ein anderer Eigentümer sein Sondereigentum ordnungsgemäß nutzt.
- Verhältnismäßigkeit schützt vor radikalen Forderungen: Wer eine Störung beseitigen will, darf nicht eine bestimmte Maßnahme verlangen, sondern muss dem anderen die Wahl der mildesten Lösung lassen.
- Gemeinschaftseigentum trennt Verantwortlichkeiten: Ein Eigentümer haftet nicht für Beeinträchtigungen, die durch mangelhafte Gebäudesubstanz entstehen, auch wenn seine zulässige Nutzung diese erst sichtbar macht.
- Interessenabwägung entscheidet über Duldungspflichten: Selbst messbare Überschreitungen von Grenzwerten führen nicht automatisch zu Unterlassungsansprüchen, wenn die wahre Ursache außerhalb der Kontrolle des vermeintlichen Störers liegt.
Die Verantwortung für bauliche Mängel liegt dort, wo die Instandhaltungspflicht ruht – nicht bei demjenigen, der eine an sich rechtmäßige Nutzung intensiviert.
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Das Urteil in der Praxis
Wie viel Lärm muss ein Nachbar dulden, wenn die eigentliche Ursache ein Mangel am Gemeinschaftseigentum ist? Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg liefert eine ernüchternde, aber wichtige Klarstellung für alle Eigentümergemeinschaften. Es entlastet den einzelnen Eigentümer, der lediglich sein Sondereigentum zulässig nutzt, von der Bürde, jahrzehntealte Baumängel des Gemeinschaftseigentums auf eigene Kosten zu beheben. Dieses Urteil zwingt die Wohnungseigentümergemeinschaften förmlich dazu, ihre Instandhaltungspflichten ernst zu nehmen und nicht die Probleme auf den Rücken einzelner, innovativer Mitglieder abzuwälzen. Für klagende Nachbarn ist es zudem eine harsche Lektion: Fordern Sie die Beseitigung der Störung, nicht die radikale Stilllegung einer rechtmäßigen Nutzung – denn Verhältnismäßigkeit siegt immer.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was unterscheidet Sondereigentum von Gemeinschaftseigentum in einer Wohnungseigentümergemeinschaft und warum ist diese Abgrenzung wichtig?
Sondereigentum bezeichnet den privaten Bereich einer Wohnung, der einem Eigentümer allein gehört, während Gemeinschaftseigentum alle Teile des Gebäudes und des Grundstücks umfasst, die der gemeinsamen Nutzung dienen oder für den Bestand des Gebäudes notwendig sind. Diese Unterscheidung ist entscheidend, um Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft klar zuzuordnen.
Man kann es sich wie bei einem Mehrfamilienhaus vorstellen: Ihre eigene Wohnung – inklusive der Wände, Böden und Installationen innerhalb dieser Räume – ist Ihr Sondereigentum, das Sie eigenständig gestalten dürfen. Dagegen gehören das Fundament, das Dach, die Fassade, tragende Wände, das Treppenhaus sowie zentrale Versorgungs- und Abwasserleitungen allen Eigentümern gemeinsam und sind somit Gemeinschaftseigentum.
Die klare Abgrenzung ist aus mehreren Gründen wichtig: Sie legt fest, wer für die Instandhaltung und Reparaturen zuständig ist und somit die Kosten trägt. Änderungen im Sondereigentum kann der Eigentümer meist allein entscheiden, während bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum die Zustimmung der gesamten Eigentümergemeinschaft erfordern. Im vorliegenden Fall war diese Abgrenzung maßgeblich: Da das laute Abwasserrohr zum Gemeinschaftseigentum gehörte und mangelhaft war, musste die Gemeinschaft die Verantwortung für den Lärm tragen, nicht der einzelne Eigentümer des neuen Bades.
Diese klare Trennung schützt die Interessen jedes einzelnen Eigentümers und sorgt für ein geordnetes Zusammenleben in der Gemeinschaft.
Wer trägt die Verantwortung für Mängel am Gemeinschaftseigentum, die Lärm verursachen, wenn ein einzelner Eigentümer sein Sondereigentum umbaut?
Die Verantwortung für Mängel am Gemeinschaftseigentum, die Lärm verursachen, liegt grundsätzlich bei der gesamten Eigentümergemeinschaft, auch wenn ein einzelner Eigentümer sein Sondereigentum umbaut. Dies gilt selbst dann, wenn der Umbau die Auswirkungen eines bereits bestehenden Mangels am Gemeinschaftseigentum verstärkt oder sichtbar macht.
Stellen Sie sich vor, Sie nutzen eine öffentliche Brücke, die bereits einen versteckten Riss hat. Wenn Ihr Betreten der Brücke den Riss deutlicher macht, sind nicht Sie für den Zustand der Brücke verantwortlich, sondern die Kommune, die für deren Instandhaltung zuständig ist. Ähnlich ist es mit dem Gemeinschaftseigentum.
Die gesamte Eigentümergemeinschaft ist für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zuständig, zu dem beispielsweise zentrale Abwasserrohre gehören. Wenn ein solches Rohr bereits bei der Erbauung mangelhaft schallgedämmt war, liegt der Fehler nicht bei dem Eigentümer, der später ein neues Badezimmer einbaut und das Rohr bestimmungsgemäß nutzt. Dieser Eigentümer ist nicht der Verursacher des ursprünglichen Mangels und wird daher nicht als „Störer“ angesehen, der den Mangel beheben muss.
Ein einzelner Eigentümer ist nicht verpflichtet, auf eigene Kosten die Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums zu verbessern oder einen dort liegenden Mangel zu beheben. Diese Regelung stellt sicher, dass die kollektive Verantwortung für das gemeinschaftliche Eigentum bei der Gemeinschaft verbleibt und nicht auf einzelne Nutzer abgewälzt wird, die lediglich eine zulässige Veränderung vornehmen.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Nachbar die Beseitigung einer Störung durch Umbauten im Sondereigentum verlangen, und welche Rolle spielt dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz?
Ein Nachbar kann die Beseitigung einer unzumutbaren Störung, die von Umbauten im Sondereigentum ausgeht, grundsätzlich verlangen, aber man muss der verursachenden Person die Wahl lassen, wie diese Störung beseitigt wird. Die Forderung darf sich also auf die Beseitigung der Störung an sich beziehen, nicht aber auf eine bestimmte Art und Weise der Behebung.
Man kann es sich vorstellen wie bei einem Problem mit einem undichten Rohr in der Nachbarschaft: Man kann verlangen, dass der Wasseraustritt aufhört. Es steht einem jedoch nicht zu, vorzuschreiben, ob der Nachbar das Rohr flicken, ersetzen oder das Wasser abstellen muss, solange das Problem behoben wird.
Hier kommt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ins Spiel. Dieser besagt, dass die gewählte Maßnahme zur Störungsbeseitigung angemessen sein muss. Die Person, die die Störung verursacht, muss die Möglichkeit erhalten, die mildeste und für sie am wenigsten belastende Maßnahme zu wählen, sofern diese die Störung ebenfalls wirksam beseitigt. Eine Klage kann daher abgewiesen werden, wenn eine Partei eine zu weitgehende oder unverhältnismäßige Maßnahme fordert, obwohl es mildere Alternativen gäbe, wie beispielsweise eine verbesserte Dämmung statt eines kompletten Rückbaus.
Dieser Grundsatz stellt sicher, dass Belastungen für die Störerin oder den Störer nicht über das notwendige Maß hinausgehen und eine faire Lösung gefunden wird.
Welche Schallschutzanforderungen gelten für haustechnische Anlagen wie Badezimmerinstallationen in Wohngebäuden?
Für den Schallschutz bei haustechnischen Anlagen in Wohngebäuden ist die DIN 4109 die maßgebliche Norm, die Grenzwerte für Geräusche aus Wasserinstallationen festlegt. Für schutzbedürftige Räume wie Küchen, Wohn- oder Schlafräume liegt dieser Grenzwert üblicherweise bei 30 Dezibel (dB(A)).
Stellen Sie sich vor, wie ein leiser Hintergrundton, der nicht stört – so sollte die Geräuschkulisse aus dem Bad sein. Wird dieser Wert überschritten, ist es, als würde dieser Ton zu laut und unangenehm, ähnlich wie ein lautes Geräusch auf einer ruhigen Straße.
Die Norm DIN 4109 ist für Geräusche relevant, die von Wasserinstallationen wie WC-Spülungen, Duschen oder Badewannen ausgehen. Wenn solche Anlagen Geräusche erzeugen, die deutlich über den vorgeschriebenen 30 dB(A) liegen – im vorliegenden Fall erreichte eine WC-Spülung beispielsweise 48 dB(A), was eine massive Überschreitung darstellt –, dann gilt die Lärmbelästigung als erheblich. Dies trifft insbesondere zu, wenn die betroffenen Bereiche als schutzwürdige Wohnräume eingestuft werden.
Die Einhaltung dieser Vorgaben soll sicherstellen, dass die Nutzung haustechnischer Anlagen nicht zu einer unzumutbaren Störung für die Bewohner führt und ein störungsfreies Wohnen ermöglicht.
An wen sollten sich Bewohner wenden, wenn Lärmbelästigungen aus einer Nachbarwohnung durch Mängel am Gebäude verursacht werden?
Bei Lärmbelästigungen, die durch Mängel am Gebäude oder am Gemeinschaftseigentum verursacht werden, sollte man sich nicht an den Nachbarn, sondern an die Wohnungseigentümergemeinschaft wenden. Dies liegt daran, dass der Nachbar die betreffende Einrichtung in der Regel lediglich bestimmungsgemäß nutzt und die Ursache des Lärms nicht in seinem Handeln, sondern im Zustand des Gebäudes liegt.
Stellen Sie sich vor, ein Wasserhahn in Ihrer Wohnung tropft, weil das zentrale Wasserrohr im Haus undicht ist. Sie würden nicht den Mieter der Wohnung über Ihnen dafür verantwortlich machen, sondern die Hausverwaltung, da das Rohr zum gemeinsamen Eigentum gehört. Ähnlich verhält es sich, wenn Geräusche aus einem Bad durch ein schlecht gedämmtes, gemeinschaftliches Abwasserrohr übertragen werden: Das Problem liegt nicht beim Nachbarn, der das Bad nutzt, sondern am Gebäude selbst.
Die Ursache solcher Lärmprobleme liegt oft in Mängeln am Gemeinschaftseigentum, wie unzureichend gedämmten Abwasserrohren. Ein einzelner Eigentümer ist nicht verpflichtet, solche strukturellen Mängel auf eigene Kosten zu beheben. Vielmehr ist die Eigentümergemeinschaft als Ganzes für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zuständig. Betroffene sollten sich daher an die Hausverwaltung oder den Verwaltungsbeirat wenden. Es ist ratsam, den Mangel schriftlich zu melden und ihn gegebenenfalls mit Lärmprotokollen oder Sachverständigengutachten zu dokumentieren. Man kann zudem beantragen, dass das Problem auf der nächsten Eigentümerversammlung behandelt und ein Beschluss über notwendige Instandsetzungsmaßnahmen gefasst wird.
Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass die Verantwortung für bauliche Mängel dort liegt, wo sie hingehört, und fördert ein geordnetes Zusammenleben in der Gemeinschaft.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Gemeinschaftseigentum
Gemeinschaftseigentum umfasst alle Teile des Gebäudes und Grundstücks, die allen Wohnungseigentümern gemeinsam gehören. Dazu zählen beispielsweise das Dach, die Fassade, das Treppenhaus, tragende Wände und zentrale Versorgungs- oder Abwasserleitungen. Diese Bereiche dienen entweder der gemeinsamen Nutzung oder sind für den Bestand des gesamten Gebäudes notwendig.
Beispiel: Das zentrale Abwasserfallrohr im Hamburger Fall war Gemeinschaftseigentum, da es alle Wohnungen des Strangs bediente. Für dessen Instandhaltung und den dort vorhandenen Baumangel war die gesamte Eigentümergemeinschaft verantwortlich, nicht der einzelne Badezimmer-Besitzer.
Interessenabwägung
Eine Interessenabwägung ist die gerichtliche Prüfung, wessen Interessen in einem Konflikt zwischen Nachbarn schwerer wiegen. Das Gericht betrachtet dabei alle Umstände des Falls und entscheidet, ob eine Störung hingenommen werden muss oder beseitigt werden kann. Dabei werden sowohl die Beeinträchtigung des Gestörten als auch die Belastung für den vermeintlichen Verursacher berücksichtigt.
Beispiel: Das Gericht wog ab zwischen dem Interesse des Klägers an Ruhe in seiner Küche und dem Recht des Beklagten, sein Bad ordnungsgemäß zu nutzen. Da die Lärmursache im mangelhaften Gemeinschaftseigentum lag und nicht in einer unzulässigen Nutzung, überwog das Interesse des Beklagten.
Nachteil
Ein Nachteil im Wohnungseigentumsrecht beschreibt eine erhebliche Beeinträchtigung eines Eigentümers durch das Verhalten anderer Eigentümer. Nicht jede Störung ist rechtlich relevant – sie muss das übliche Maß des Zusammenlebens deutlich überschreiten. Ein Nachteil kann durch Lärm, Gerüche oder andere Beeinträchtigungen entstehen.
Beispiel: Der Lärm aus dem neuen Badezimmer stellte für den Kläger einen messbaren Nachteil dar, da die Schallschutzgrenzwerte massiv überschritten wurden und seine Küche als schutzwürdiger Wohnraum galt.
Selbständiges Beweisverfahren
Ein selbständiges Beweisverfahren dient dazu, wichtige Beweise gerichtlich zu sichern, bevor ein eigentlicher Prozess beginnt. Dies ist besonders sinnvoll, wenn sich Umstände schnell ändern könnten oder wenn teure Gutachten erstellt werden müssen, deren Ergebnisse für eine spätere Klage entscheidend sind.
Beispiel: Im Hamburger Fall wurde ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet, um durch einen Sachverständigen die genauen Lärmwerte zu messen und die Ursache des Lärms zu ermitteln, bevor über die Klage entschieden wurde.
Sondereigentum
Sondereigentum bezeichnet den privaten Bereich einer Wohnung, der einem Eigentümer allein gehört und den er grundsätzlich nach seinen Wünschen gestalten darf. Dazu gehören die Räume der Wohnung selbst sowie die nicht-tragenden Wände, Böden und Installationen innerhalb dieser Räume. Im Gegensatz zum Gemeinschaftseigentum kann der Eigentümer hier meist ohne Zustimmung anderer Änderungen vornehmen.
Beispiel: Der Beklagte durfte die Räume in seinem Sondereigentum umgestalten und Küche und Bad vertauschen, da weder die Teilungserklärung noch andere Vereinbarungen vorschrieben, wo sich das Badezimmer befinden müsse.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt, dass man bei der Beseitigung einer Störung nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen“ darf. Gibt es mehrere Möglichkeiten, ein Problem zu lösen, muss dem Verursacher die Wahl der mildesten und für ihn am wenigsten belastenden Maßnahme gelassen werden. Man kann die Beseitigung einer Störung fordern, aber nicht vorschreiben, wie diese zu erfolgen hat.
Beispiel: Der Kläger hätte nur die Beseitigung des Lärms an sich fordern dürfen, nicht aber den radikalen Rückbau des gesamten Badezimmers. Es gab mildere Alternativen wie eine bessere Dämmung des Rohres, weshalb seine spezifische Forderung unverhältnismäßig war.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Verantwortlichkeit für Mängel im Gemeinschaftseigentum (Grundsätze des Störerbegriffs)
Ein Wohnungseigentümer ist grundsätzlich nicht dafür verantwortlich, Mängel am Gemeinschaftseigentum auf eigene Kosten zu beheben, selbst wenn seine zulässige Nutzung diese Mängel sichtbar macht.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Lärm entstand durch ein mangelhaftes Abwasserfallrohr, das zum Gemeinschaftseigentum gehört; der beklagte Nachbar war somit nicht der eigentliche Verursacher der Störung („Störer“), da er das Rohr nur ordnungsgemäß nutzte.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Eine Forderung zur Beseitigung einer Störung darf dem Verursacher nicht vorschreiben, wie er die Störung zu beheben hat, sondern muss ihm die Wahl der mildesten, geeigneten Maßnahme lassen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger forderte den radikalen Rückbau des Badezimmers, obwohl mildere Lösungen wie die Sanierung des Abwasserrohres denkbar gewesen wären, was das Gericht als unverhältnismäßig ansah und die Klage allein deswegen scheitern ließ.
Rücksichtnahmepflicht und Duldungsgrenzen im Wohnungseigentum (§ 14 Wohnungseigentumsgesetz (WEG))
Wohnungseigentümer müssen sich gegenseitig so weit Rücksicht nehmen, dass Störungen über das unvermeidliche Maß hinaus unterbleiben, wobei aber auch eine Duldungspflicht für Beeinträchtigungen bestehen kann, die von der ordnungsgemäßen Nutzung des Gemeinschaftseigentums herrühren.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl der Lärm störend war, musste der Kläger ihn dulden, da der Nachbar sein Badezimmer zulässigerweise nutzte und die Geräusche primär durch einen seit Bauzeiten bestehenden Mangel am gemeinschaftlichen Abwasserrohr verursacht wurden, dessen Behebung nicht in der alleinigen Verantwortung des beklagten Einzeleigentümers lag.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg – Az.: 9 C 184/24 – Urteil vom 19.03.2025
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