AG München – Az.: 173 C 19258/09 – Urteil vom 28.02.2012
1. Die Beklagte wird verurteilt, die angrenzend entlang der Garageneinfahrt der Kläger (Grundstück … in München, Fl.-Nr. … der Gemarkung München, Sektion …) auf dem Grundstück der Beklagten (… Fl.-Nr. … der Gemarkung München, Sektion …) befindlichen Pflanzen, bestehend aus Eiben und Thuja, auf die Höhe des bestehenden Sichtschutzzauns zurückzuschneiden.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den vom genannten Grundstück der Beklagten ausgehenden Überhang auf das Grundstück der Kläger, bestehend aus eingedrungenen Wurzeln entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, zu beseitigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 490,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 05.08.09 zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner 30% und die Beklagte 70% zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 €. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Rückschritt von Pflanzen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze.
Die Parteien sind Eigentümer der aneinander grenzenden Grundstücke … und … in München.
Angrenzend zur Garageneinfahrt der Kläger wachsen seit 1981 Eiben und Thuja auf dem Grundstück der Beklagten hinter einem Sichtschutzzaun. Vor dem Jahr 2008 waren diese niedriger als 2 m. Von den auf dem Grundstück der Beklagten befindlichen Bäumen entlang der Grundstücksgrenze wachsen Wurzeln auf das klägerische Grundstück herüber. Ursprünglich wuchsen auch Zweige über die Grenze, diese wurden jedoch zwischen dem 17.08. und dem 06.09.11, also während des laufenden Verfahrens, abgeschnitten. Auch einige der Wurzeln wurden zwischenzeitlich am 27.09.11 entfernt. Im Bereich der 4. Sichtschutzblende im hinteren Grundstücksbereich sind Platten unter einer alten Kinderschaukel durch eingedrungene Wurzeln angehoben. Auf dem Grundstück der Kläger wachsen in diesem Bereich keine Bäume.
Am 15.07.08 (und nochmals am 24.10.08) forderten die Kläger die Beklagte auf, die Eiben und Thuja auf eine Höhe von 2 m zurückzuschneiden und den bestehenden Überhang zu beseitigen. Am 30.07.08 lehnte die Beklagte einen Rückschnitt endgültig ab.
Am 19.08.08 beauftragten die Kläger ihren Prozessbevollmächtigten und bezahlten vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,28 €.
Die Beklagte versuchte, bei der Landeshauptstadt München eine Genehmigung für den Rückschnitt von Bäumen auf ihrem Grundstück zu erwirken. Dies wurde mit Bescheid vom 8.9.2008 abgelehnt.
Ein Schlichtungsverfahren für den Abstand und die Höhe der Grenzbepflanzung sowie für bestehenden Überhang wurde erfolglos durchgeführt.
Die Kläger behaupten, die Eiben und Thuja im vorderen Grundstücksbereich seien höher als 2,25 Meter und überragten die Einfriedung um mehr als 20 cm. Im rückwärtigen Bereich des Grundstücks werde das Grundstück der Kläger durch überhängende Zweige massiv verschattet. Der Boden entlang der Grundstücksgrenze versauere aufgrund der überhängenden Zweige und der herabfallenden Nadeln mit der Folge, dass das Gras nicht mehr ausreichend wachse.
Das Grundstück werde auch durch die Wurzeln massiv beeinträchtigt. Im Bereich der Garageneinfahrt seien Gehwegplatten durch vom Nachbargrundstück eingedrungene Wurzeln angehoben worden. Ein Betonstein der Einfassung der Einfahrt sei ebenfalls angehoben worden. Zwischen der Gartentorsäule und der Mauer habe sich ein tiefer Spalt gebildet. Dies sei auf Wurzeln aus dem Nachbargrundstück zurück zu führen.
Die Wurzeln beeinträchtigten auch deshalb die Nutzung des klägerischen Grundstücks, weil die Kläger nach Entfernung des alten Schaukelgestells eine 2. Terrasse errichten wollten und dies ohne Entfernung der Wurzeln nicht möglich sei.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen,
1. die angrenzend, entlang der Garageneinfahrt der Kläger (Grundstück … in München. Fl.-Nr. … der Gemarkung München, Sektion … auf dem Grundstück der Beklagten … in München, Fl.-Nr. … der Gemarkung München, Sektion … befindlichen Pflanzen, bestehend aus Erben und Thuja, auf die zulässige Höhe von 2,00 Metern zurückzuschneiden;
2. den die Nutzung des Gartens des Grundstücks der Kläger (Grundstück … in München, Fl.-Nr. … der Gemarkung München, Sektion … beeinträchtigenden Überhang, bestehend aus überhängenden Zweigen und auf dem Grundstück der Kläger eingedrungenen Wurzeln, ausgehend von der auf dem Grundstück der Beklagten … in München, Fl.-Nr. … der Gemarkung München, Sektion … befindlichen Bäumen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, zu beseitigen;
3. an die Kläger 490,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Spalt zwischen der Gartentorsäule und der Mauer sei bereits vor 2000 vorhanden gewesen.
Der Bescheid der LH München, mit dem der Rückschnitt untersagt worden sei, beziehe sich auch auf die streitgegenständlichen Bäume.
Hinsichtlich der Eiben und Thuja beruft sich die Beklagte zu dem auf Verjährung.
Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 30.12.2009 (Blatt 43/45 der Akten) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens der … Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 21.10.2011 (Blatt 87/150 der Akten) sowie auf die mündlichen Erläuterungen der SV in der mündlichen Verhandlung vom 28.2.2012 Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 8.12.2009 und 28.2.2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde ein nach § 15a EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 lit. b BaySchLG erforderliches Schlichtungsverfahren erfolglos durchgeführt. Unstreitig bezog sich das Schlichtungsverfahren auch auf den Überhang. Damit sind nicht nur die überhängenden Zweige, sondern entgegen der Ansicht der Beklagten auch die Wurzeln erfasst.
II.
Die Klage ist überwiegend begründet.
1.
Die Kläger haben Anspruch auf Rückschnitt der streitgegenständlichen Eiben und Thuja auf die Höhe der Sichtschutzwand aus Artikel 47 AGBGB. Der Ausnahmetatbestand des Artikel 50 AGBGB greift nicht, da die Pflanzen die Sichtschutzwand nach Überzeugung des Gerichts nicht nur unerheblich in der Höhe übersteigen. Die Frage, ab welchem Maß ein erhebliches Übersteigen angenommen werden muss, ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu beantworten. Das Gericht geht hierbei davon aus, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des Artikels 50 AGBGB ausdrücken wollte, dass von Pflanzen, die lediglich die gleiche Höhe wie eine dichte Einfriedung aufweisen, denknotwendig keine nennenswerten Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück ausgehen können. Ein unerhebliches Übersteigen ist mithin dann anzunehmen, wenn infolge der größeren Höhe ebenfalls keine Beeinträchtigungen zu erwarten sind, so dass aus Sicht eines verständigen Nachbarn keine nachvollziehbaren Einwände gegen die Überschreitung vorgebracht werden können.
Vorliegend hat die Beweisaufnahme jedoch ergeben, dass die Pflanzen zum einen mehr als 20 cm höher als die dichte Einfriedung sind. Weiterhin hat die Sachverständige überzeugend dargelegt, dass hiervon auch Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks zu erwarten sind. Zumindest bei Wind ist mit Nadelüberfall zu rechnen. Nachdem Nadelüberfall zur Beeinträchtigung der Bodenqualität führen kann – was die Sachverständige ebenfalls nachvollziehbar bestätigt hat – ist die Erheblichkeitsschwelle aus Sicht des Gerichts überschritten.
Der Anspruch besteht jedoch nur insoweit, als ein Rückschnitt auf die Höhe der Sichtschutzwand gefordert wird. Soweit die Kläger darüber hinaus beantragen, die Pflanzen auf die Höhe von 2 Metern zurückzuschneiden, ist der Anspruch angesichts der Wertung des Art. 50 AGBGB ausgeschlossen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die dichte Einfriedung, bestehend aus einem Holzschutzzaun eine Höhe von insgesamt 2,05 Metern aufweist. Die Kläger können folglich auch nur verlangen, dass die Pflanzen auf diese Höhe zurückgeschnitten werden.
Der Anspruch ist auch nicht verjährt, da die streitgegenständlichen Pflanzen unstreitig vor dem Jahr 2008 noch eine Höhe von unter 2 Metern aufwiesen. Der Anspruch ist somit erst frühestens im Jahr 2008 entstanden.
2.
Der Anspruch der Kläger auf Beseitigung der überhängenden Wurzeln ergibt sich aus §§ 910, 1004 BGB. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass vom Grundstück der Beklagten Wurzeln auf das klägerische Grundstück hinüber wachsen. Die SV hat überzeugend ausgeführt, dass zum einen Wurzeln im Bereich der Grenze zum Beklagtengrundstück im klägerischen Grundstück vorhanden sind. Sie hat weiter ausgeführt, dass die Wurzeln von der Wuchsrichtung her den Eindruck machen, vom Grundstück der Beklagten zu stammen. Sie hat zudem dargelegt, dass in der näheren Umgebung keine weiteren Bäume erkennbar sind, die für die fraglichen Wurzeln in Betracht kommen. Das Gericht hat nach alledem keine vernünftigen Zweifel, dass diese Wurzeln tatsächlich vom Grundstück der Beklagten stammen.
Durch die Wurzeln wird das Grundstück der Kläger auch beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung ergibt sich zum einen daraus, dass im Bereich der vorderen Garageneinfahrt zumindest eine Platte bereits angehoben worden ist. Zudem tragen die Kläger vor, dass ein Torpfosten bereits angehoben worden sei und dass die Errichtung einer geplanten Terrasse im Garten nicht möglich sei. Das Bestreiten der Beklagten ist insoweit unbehelflich. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Beeinträchtigung durch die Wurzeln nicht erfolgt, liegt bei der Beklagten. Solange – wie hier – die fehlende Beeinträchtigung nicht dargelegt und nachgewiesen ist, ist von einer Beeinträchtigung auszugehen.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Bescheid der LH München berufen. Rechtlich würde ein Verbot der LH München hinsichtlich der Beseitigung der Äste und Wurzeln zur Unmöglichkeit der Anspruchserfüllung führen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unmöglichkeit obliegt ebenfalls der Beklagten. Vorliegend ist weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass die streitgegenständlichen Wurzeln tatsächlich von unter Naturschutz stehenden Bäumen stammen. Ohnehin bezieht sich das Verbot der LH München lediglich auf Fichten, nicht aber auf Eiben und Thuja, so dass jedenfalls im vorderen Grundstücksbereich eine Unmöglichkeit schon von vornherein nicht in Betracht kommt.
Auch insoweit waren die Kläger allerdings mit einem Teil des Einspruchs abzuweisen, soweit sie nämlich gefordert hatten, Überhang auch hinsichtlich von überhängenden Ästen zu beseitigen. Insoweit ist die Klage nicht (mehr) begründet, da solche überhängende Zweige inzwischen nicht mehr vorhanden sind. Dem entsprechenden Vortrag der Beklagten nach Einholung des SV-Gutachtens wurde seitens der Kläger nicht mehr substantiiert entgegen getreten. Die Kläger haben trotz Hinweises des Gerichts davon abgesehen, die Klage insoweit für erledigt zu erklären.
3.
Der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten ergibt aus Verzugsgründen gemäß §§ 280, 286 BGB. Nachdem die Klage ursprünglich auch hinsichtlich der Äste im hinteren Grundstücksbereich begründet war, ist es nicht erforderlich, den zu Grunde gelegten Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren zu kürzen. Der Zinsanspruch resultiert aus § 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Wurzeln im vorderen Grundstücksbereich mit 1.000 €, die Wurzeln im hinteren Bereich mit 1.500 €, die überhängenden Äste mit 1.000 € und die den Sichtschutz überragenden Pflanzen mit 500 € zum Streitwert von 4.000 € beitragen. Dabei hat das Gerächt die von den Klägerin vorgetragenen Beeinträchtigungen bewertet, nicht aber den für die Beklagte entstehenden Kostenaufwand für die Beseitigung. Für den Streitwert ist (anders beim Beschwerdewert) auf das klägerische Interesse an der Beseitigung des bestehenden Zustands abzustellen.
Hinsichtlich der ersten beiden Streitgegenstände haben die Kläger vollständig obsiegt, hinsichtlich der überhängenden Äste verloren. Hinsichtlich des Rückschnitts am Sichtschutzzaun haben die Kläger mit etwa 3/5 obsiegt. Insgesamt ergibt sich damit ein Obsiegen im Wert von 2.800 €, also in Höhe von 70% des Streitwerts.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 709, 708 Nr. 11, § 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus § 3 ZPO, § 63 Abs. 2 GKG.