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Wohnungsmodernisierung – Duldungspflicht des Mieters

LG Berlin, Az.: 18 S 80/14, Urteil vom 17.11.2015

I.

Auf die Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers sowie der Berufung des Beklagten im Übrigen wird das am 16.01.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – Az. 203 C 47/13 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten 2.324,07 EUR zu zahlen.

3.

Der Kläger wird verurteilt, dem Beklagten Zutritt zur Kammer der Wohnung auf dem Grundstück … Str. 15, 1. OG rechts, … Berlin, zu gewähren und zu dulden, dass in dieser Wohnung folgende Arbeiten durchgeführt werden:

– Demontage des Handwaschbeckens, der Revisionsklappe und Tür

– Demontage der an den Fliesenflächen angebrachten Holzsockelleisten und Prüfung zur Wiederverwendung

– Anbringung von Sockelleisten an den Heizungsanschlussstellen, indem die Leiste hinter den Leitungen eingeschoben und an den Bodenanschlussstellen mit Abdeckringen angebracht wird

– Abbrechen von ca. 3 qm Fliesenbelag der Gipskartonwandvorlage und des Installationsschachtes zur Küche hin

– Demontage des an der küchenseitigen Wand vollflächig mit Versatz angebrachten Gipskartonständerwerks plus Entsorgung

– Rückbau und Neuverlegung der Sanitärleitungen, indem mit nur nötigstem Mindestumfang ein Gipskartonständerwerk mit versetzten Stößen (2 x 12,5 mm ) mit Mineralwolle gefüllt und angebracht wird

– Abdichten von Wand und Deckenanschlüssen nebst fachgerechter Herstellung einer Gipskartonwand inklusive Nachspachteln und Schleifen

– Anbringen einer Lage von Gipskartonplatten mit einer Tiefe von 12,5 mm an der küchenseitigen Wand mit Ansatzbindung, versetzen Stößen und anschließender Verspachtelung und Schleifung der Plattenstöße

– Anbringung einer Gipskartonvorsatzschale unter dem Waschtisch bis zum Installationsschacht als Metallständerwerk für Abflussleitungen, diese Vorsatzschale mit versetzten Stößen einfach zu beplanken, vorher mit Mineralwolle zu füllen, Herstellung von Plattenstößen mit Spachtel- und Fugengebinde, fachgerechte Verspachtelung der Kanten mit Eckschutzschienen, Nachspachteln und Schleifen

– Malermäßige Vorbereitung der Wandfläche nebst zweimaligem Anstrich in weiß

– Fachgerechte Anpassung des vorhandenen Stahlrahmens für ein raubreites Hochbett mit einer Holzplatte von 200 cm x 160 cm x 230 cm.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 90% und der Beklagte zu 10% zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 86% und der Beklagte zu 14% zu tragen.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Wohnungsmodernisierung – Duldungspflicht des Mieters
Symbolfoto: Von Andrew Angelov / Shutterstock.com

Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.

II.

Die Berufungen sind zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen, die Berufung des Beklagten teilweise Erfolg.

1.

Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht einen Anspruch auf Duldung der begehrten Maßnahmen im vorderen Teil der Wohnung verneint, weil dem Beklagten ein hierfür erforderlicher Umzug in die hinteren Räumlichkeiten derzeit nicht zumutbar ist. Er müsste voraussichtlich binnen kurzer Zeit wieder in die vorderen Räumlichkeiten umziehen. Zwar sind die Dielen zwischenzeitlich gestrichen worden. Der Kläger ist aber verpflichtet, die Verfliesung der Kammer, das Waschbecken in der Kammer und die Verschalung der Leitungsstränge in der Kammer zurückzubauen. Diese Maßnahmen stellen nämlich einen unzulässigen Eingriff in die Substanz der Mietsache und damit einen Mangel dar.

Der Einbau eines größeren Waschbeckens, die damit verbundene großflächige Verschalung der Leitungsstränge und die nahezu vollständige Verfliesung einer Wand sind keine vom Beklagten nach § 554 a.F. BGB zu duldende Modernisierung. Dass die Maßnahmen zu einer Substanzverbesserung der Mietsache führen würden, ist nicht ersichtlich. Der Sache nach hat der Kläger ein Zimmer, das als ½ Zimmer vermietet ist, über ein kleines Handwaschbecken verfügte und als Gästezimmer genutzt wurde, in ein Badezimmer umgebaut. Nach der Verkehrsanschauung hat ein von einem Waschbecken dominiertes und großflächig gefliestes Zimmer, das kein Bad/WC ist, jedenfalls keinen höheren Gebrauchswert als ein einfach gestrichenes Zimmer mit einem kleinen Handwaschbecken. Hinzu kommt, dass die Verschalung der Leitungsstränge mehr Raum in Anspruch nimmt, als dies erforderlich wäre. Hierdurch wird die Kammer erheblich verkleinert. Das Hochbett des Beklagten, das sich zuvor in dem Zimmer befand, kann deshalb nicht mehr in dem Zimmer aufgestellt werden. Der Kläger hat den substantiierten Vortrag des Beklagten nur einfach bestritten und nicht näher erläutert, weshalb das Gegenteil der Fall sein sollte. Nach alldem stellen die Maßnahmen in der Mädchenkammer einen nicht gerechtfertigten Eingriff des Klägers in die Substanz der Mietsache dar. Wird aber die Mietsache so verändert, dass etwas völlig Neues entsteht, muss der Mieter die Maßnahme nicht dulden (Schmidt-Futterer, MietR, 10. Aufl. 2011, § 554 Rn. 80).

Während der Beklagte in den hinteren Räumen wohnt, ist ein Rückbau nicht möglich. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Kammer, in der die Arbeiten vorzunehmen sind, dem Beklagten während der Bauarbeiten im vorderen Teil der Wohnung provisorisch als WC zur Verfügung stehen sollen. Dem Beklagten ist auch nicht zumutbar, zunächst in den hinteren Wohnungsteil zu ziehen und nach Fertigstellung des vorderen Bereichs nur die Kammer freizuräumen. Dies würde – gerade angesichts des erheblichen Umfangs des Hausrats des Beklagten – einen deutlichen Mehraufwand für den Beklagten bedeuten, der nur durch eine evident pflichtwidrige Baumaßnahme des Klägers verursacht ist. Diesen Mehraufwand muss der Beklagte nicht auf sich nehmen.

2.

Die Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg, soweit der Beklagte Duldung des Rückbaus der Maßnahmen in der Mädchenkammer und einen angemessenen Vorschuss hierfür verlangt. Im Übrigen ist sie unbegründet.

a)

Zu Recht hat das Amtsgericht die Widerklage abgewiesen, soweit der Beklagte einen Vorschuss und Duldung für die Demontage der Verfliesung in der Küche verlangt. Ein solcher Anspruch aus § 536a Abs. 2 BGB steht dem Beklagten nicht zu, denn der Beklagte hat die Verfliesung der Küchenwand nach § 554 BGB a.F. zu dulden.

Bei der Verfliesung der Küchenwand handelt es sich um eine Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554 BGB a.F. Ob eine Verbesserung der Mietsache vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen; auf die Wertung des gegenwärtigen Mieters kommt es dagegen nicht an (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, MietR, 10. Aufl. 2011, § 554 Rn. 67). Nach diesem Maßstab stellen die Fliesen an der Küchenwand eine Modernisierung dar. Fliesen machen Schönheitsreparaturen seltener erforderlich als eine gestrichene Wand. Sie sind darüber hinaus leichter zu reinigen als eine gestrichene Wand, was in der Küche von besonderer Bedeutung ist. Dass wegen der konkreten Beschaffenheit der vom Kläger verbauten Fliesen eine Verbesserung der Mietsache nach objektiven Kriterien nicht vorläge, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass nach der Verkehrsanschauung eine überhaupt nicht geflieste Küche als höherwertig angesehen wird als eine braun geflieste Küche. Dagegen spricht schon, dass Fliesen im Arbeitsbereich Teil des Sondermerkmals „moderne Küche” nach dem Berliner Mietspiegel sind. Die der vom Beklagten zitierten Entscheidung LG Berlin, Urteil vom 04.10.2013 – 65 S 190/12, juris, zugrunde liegenden Erwägungen zur Farbwahl für Teppichboden sind auf den hiesigen Fall nicht ohne weiteres übertragbar. Gegenstand der zitierten Entscheidung ist nämlich ein Instandsetzungsanspruch, bei dem die Befugnis des Vermieters, die Mietsache zu verändern, naturgemäß enger ist als bei einer Modernisierung. Dass die Fliesen aufgrund ihrer Struktur den Schmutzeintrag gegenüber einer weiß gestrichenen Wand begünstigen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legen sind, ergibt sich dies nicht. Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Feststellungen bestehen nicht, zumal das Amtsgericht durch Augenscheinseinnahme ordnungsgemäß Beweis erhoben hat.

Auch eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne von § 554 Abs. 2 S. 2 BGB liegt nicht vor. Der Beklagte gibt als Härtegründe nur die Beschaffenheit der Fliesen an. Hierfür gilt das vorstehend Ausgeführte. Dem Modernisierungsinteresse des Klägers steht auf Beklagtenseite nur fehlendes Einverständnis mit der Farbwahl und mit der Fliesenstruktur gegenüber, so dass das Modernisierungsinteresse überwiegt.

Aus dem Bauprotokoll vom 20.08.2013 (Bl. 78/I d.A.) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass dieses Protokoll keine rechtlich bindenden Erklärungen enthält.

Der Duldungspflicht steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die Maßnahme nicht angekündigt hat. Zwar wäre der Kläger hierzu nach § 554 Abs. 3 BGB a.F. verpflichtet gewesen, denn es handelt sich nicht um Instandsetzungs- sondern um Modernisierungsmaßnahmen. Der Beklagte ist aber nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB gehindert, die Beseitigung der Fliesen zu verlangen, denn er ist schuldrechtlich zu deren Duldung verpflichtet und müsste einem Duldungsbegehren des Klägers entsprechen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinerseits pflichtwidrig handelte, indem er ohne vorherige Ankündigung die Wand verflieste. Dies würde nämlich zu dem Ergebnis führen, dass der Vermieter zunächst die Verfliesung entfernen müsste, im Anschluss aber gegen den Mieter einen Duldungstitel erwirken und die Verfliesung wieder anbringen könnte (so auch LG Berlin, Urteil vom 13.11.2013 – 18 S 99/13, juris; Urteil vom 23.12.2003 – 65 S 179/03, juris).

Ob der Kläger eine verbotene Eigenmacht begangen hat, kann dahinstehen, denn dies würde nicht ohne weiteres zu einem Vorschussanspruch des Beklagten führen (zum Unterlassungsanspruch etwa LG Berlin Urteil vom 04.10.2013 – 65 T 142/13, juris).

Auch aus §§ 280, 249 BGB ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nichts anderes. Im Unterlassen der Modernisierungsankündigung liegt zwar eine Pflichtverletzung. Allerdings kann diese nur zu einem Ersatzanspruch für den Schaden führen, der gerade durch das Unterlassen der Ankündigung verursacht wurde. Der Rückbau unterfällt dem nicht, denn hätte der Kläger die Modernisierung angekündigt, wäre der Beklagte zur Duldung verpflichtet gewesen.

b)

Dem Beklagten steht allerdings gegen den Kläger ein Anspruch auf Vorschuss und Duldung für den Rückbau der in der Mädchenkammer vorgenommenen Baumaßnahmen aus § 536a Abs. 2 BGB zu. Durch den Einbau eines größeren Waschbeckens, die damit verbundene großflächige Verschalung der Leitungsstränge und die nahezu vollständige Verfliesung einer Wand ist die Mietsache mangelhaft. Insbesondere stellen die Maßnahmen keine vom Beklagten nach § 554 a.F. BGB zu duldende Modernisierung dar. Auf die Ausführungen zu 1. wird verwiesen.

Auch die weiteren Voraussetzungen von § 536a BGB liegen vor. Der Kläger hat den Rückbau abgelehnt. Der Höhe nach hat der Beklagte den Vorschussanspruch substantiiert dargelegt. Auf die Kammer entfällt ein Betrag von 1.753,00 EUR netto. Das Gericht schätzt die Baustellenkosten nach § 287 ZPO auf 2/3 des für Küche und Kammer kalkulierten Betrages, also auf 200,00 EUR netto. Daraus ergibt sich ein Bruttobetrag von 2.324,07 EUR.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund liegt nicht vor. Insbesondere hat die Frage, ob bei unterbliebener Modernisierungsankündigung eine Rückbaupflicht besteht, keine grundsätzliche Bedeutung. Soweit hierzu überhaupt Entscheidungen vorliegen, weicht dieses Urteil nicht davon ab.

 

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