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Schadensersatz aus Hundebiss – Ersatz Krankenversicherungsbeiträge

Ein gewöhnlicher Hundebiss in Coburg sorgte für einen ungewöhnlichen Rechtsstreit, der weit über direkte Heilkosten hinausging. Als eine Frau schwer verletzt und langwierig arbeitsunfähig wurde, stand plötzlich die Frage im Raum, ob der Hundehalter auch für die entgangenen Krankenversicherungsbeiträge ihrer Kasse aufkommen muss. Kann ein Tierbiss indirekt das gesamte Sozialsystem belasten? Das Landgericht Coburg traf dazu eine klare Entscheidung.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 24 O 734/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Coburg
  • Datum: 23.08.2024
  • Aktenzeichen: 24 O 734/23
  • Rechtsbereiche: Sozialrecht, Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein gesetzlicher Krankenversicherungsträger, der den Ersatz von Krankenversicherungsbeiträgen und Fahrtkosten sowie die Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht forderte, da diese Ansprüche von der verletzten Versicherten auf ihn übergegangen waren.
  • Beklagte: Der Halter eines Hundes, dessen Hund die Verletzungen verursachte. Er bestritt die volle Dauer der Arbeitsunfähigkeit und die Berechnungsgrundlage der Beiträge, beantragte die Klageabweisung.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Eine Versicherte wurde von einem Hund gebissen und erlitt dabei schwere Gesichtsverletzungen. Sie war daraufhin über einen langen Zeitraum arbeitsunfähig und bezog Krankengeld von ihrer Krankenversicherung, der Klägerin. In dieser Zeit war sie von der Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen befreit.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob der Krankenversicherungsträger als Klägerin von dem Hundehalter den Ersatz der entgangenen Krankenversicherungsbeiträge für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Versicherten, die Erstattung von Behandlungskosten sowie die Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht verlangen konnte. Die Haftung des Hundehalters dem Grunde nach war unstreitig.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 5.988,61 € zuzüglich Zinsen an die Klägerin. Es stellte zudem fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zukünftige Schäden aus dem Hundebissereignis zu ersetzen, soweit diese auf die Klägerin übergehen. Eine weitergehende Forderung nach Zinsen wurde abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung mit der unstreitigen Haftung des Tierhalters gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch in Verbindung mit dem Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger nach dem Sozialgesetzbuch. Die Arbeitsunfähigkeit der Versicherten über den behaupteten Zeitraum wurde durch Zeugenaussage und ärztliche Unterlagen bestätigt. Die Berechnung der entgangenen Beiträge erfolgte auf Grundlage des früheren Arbeitsentgelts der Versicherten. Auch die Fahrtkosten wurden als ersatzfähig angesehen.
  • Folgen: Der Beklagte muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit vorläufig vollstreckbar.

Der Fall vor Gericht


Hundebiss mit teuren Folgen: Muss der Halter auch für entgangene Krankenkassenbeiträge aufkommen?

Ein Spaziergang im Park, ein freilaufender Hund – eine Situation, die viele kennen. Doch was passiert, wenn ein solcher Moment in einem schmerzhaften Biss endet? Neben den direkten Verletzungen und Behandlungskosten können auch kompliziertere finanzielle Fragen auftauchen, besonders wenn die Krankenkasse ins Spiel kommt. Kann eine Krankenkasse vom Hundehalter Geld zurückfordern, das ihr sozusagen „durch die Lappen gegangen“ ist, weil die verletzte Person keine Beiträge zahlen musste? Genau mit dieser Frage beschäftigte sich das Landgericht Coburg.

Was genau war passiert? Der schwere Biss und seine unmittelbaren Konsequenzen

Hund beißt Frau im Park, Hundebiss, Unfall, Polizei, Parkweg, blutende Nase, GefahrHund beißt Frau im Park, Hundebiss, Unfall, Polizei, Parkweg, blutende Nase, Gefahr
Freilauffund: Hund beißt Spaziergängerin schmerzhaft in die Nase – Rechtliche Folgen für Hundehalter. | Symbolbild: KI-generiertes BildFreilauffund: Hund beißt Spaziergängerin schmerzhaft in die Nase – Rechtliche Folgen für Hundehalter. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Am 28. Juli 2020 wurde eine Frau, die bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert war (im Folgenden „die Versicherte“ genannt), von dem Hund eines Mannes (im Folgenden „der Hundehalter“) attackiert. Der Hund biss der Versicherten in die Nase und verursachte eine schwerwiegende Verletzung: ein Großteil ihrer Nasenspitze ging verloren, was medizinisch als „kompletter Verlust mit Subtotalverlust des Nasenflügels links und Teilverlust des Nasenflügels rechts sowie Teilverlust der Columella einschließlich der entsprechenden knorpeligen Strukturen“ beschrieben wird. Es war unbestritten, dass der Hundehalter grundsätzlich für den entstandenen Schaden haften musste – die sogenannte Haftung dem Grunde nach war also klar.

Die Versicherte musste sich aufgrund dieser gravierenden Verletzung zahlreichen stationären und ambulanten Behandlungen unterziehen. Sie war über einen langen Zeitraum krankgeschrieben und konnte nicht arbeiten.

Die Krankenkasse springt ein: Krankengeld und Beitragsbefreiung

Die Krankenkasse der Versicherten (im Folgenden „die Krankenkasse“) übernahm, wie es ihre Aufgabe als gesetzlicher Krankenversicherungsträger (eine Institution, die die gesetzliche Krankenversicherung für ihre Mitglieder organisiert und finanziert) ist, die Kosten für die medizinische Versorgung. Da die Versicherte wegen des Hundebisses lange Zeit nicht arbeiten konnte – laut Krankenkasse vom 28. Juli 2020 bis zum 23. Dezember 2021 –, zahlte die Krankenkasse ihr Krankengeld. Das ist eine Lohnersatzleistung, die man erhält, wenn man länger als sechs Wochen krankgeschrieben ist.

Eine wichtige Folge des Krankengeldbezugs war, dass die Versicherte für einen Großteil dieser Zeit, nämlich vom 8. September 2020 bis zum 23. Dezember 2021, von der Zahlung ihrer Krankenversicherungsbeiträge befreit war. Dies regelt § 224 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), ein Gesetz, das die Details der gesetzlichen Krankenversicherung festlegt. Normalerweise zahlen Arbeitnehmer von ihrem Gehalt Beiträge zur Krankenversicherung. Wer aber Krankengeld bezieht, ist in dieser Zeit beitragsfrei gestellt.

Vor dem Unfall hatte die Versicherte ein tägliches Arbeitseinkommen (das sogenannte Regelentgelt) von 111,36 Euro, das ab dem 1. April 2021 auf 114,75 Euro erhöht wurde (man spricht hier von einer Dynamisierung, also einer Anpassung an die allgemeine Lohnentwicklung). Ihr Beitragssatz zur Krankenversicherung betrug 14,6 % ihres Einkommens, zuzüglich eines kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes von 1,1 %. Durch die Beitragsbefreiung sind der Krankenkasse diese Einnahmen entgangen.

Der Streit vor Gericht: Worum ging es konkret?

Die Krankenkasse wollte sich diese entgangenen Beiträge und weitere Kosten vom Hundehalter erstatten lassen. Am 23. Dezember 2023 reichte sie Klage beim Landgericht Coburg ein. Was forderte sie genau?

Zum einen ging es um die Krankenversicherungsbeiträge, die der Krankenkasse durch die Beitragsbefreiung der Versicherten „verloren“ gegangen waren. Diese beliefen sich auf insgesamt 5.168,61 Euro für verschiedene Zeiträume zwischen September 2020 und Dezember 2021.
Zum anderen verlangte die Krankenkasse 820 Euro für Fahrtkosten, die der Versicherten durch die vielen Arztbesuche und Klinikaufenthalte entstanden waren und die die Krankenkasse ebenfalls übernommen hatte.
Insgesamt forderte die Krankenkasse also 5.988,61 Euro plus Zinsen (eine Art Gebühr für verspätete Zahlungen, deren Höhe sich oft am Basiszinssatz, einem von der Bundesbank festgelegten Wert, orientiert).

Darüber hinaus beantragte die Krankenkasse die Feststellung der Ersatzpflicht des Hundehalters für alle zukünftigen Schäden, die aus dem Hundebiss noch entstehen könnten und für die die Krankenkasse aufkommen müsste. Dies sollte geschehen, soweit die Ansprüche der Versicherten auf die Krankenkasse übergehen, ein Vorgang, der als Forderungsübergang gemäß § 116 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) bezeichnet wird. Dieser Paragraph regelt, dass Schadensersatzansprüche eines Versicherten gegen einen Schädiger auf den Sozialversicherungsträger (wie die Krankenkasse) übergehen, wenn dieser Leistungen erbracht hat.

Der Hundehalter war jedoch nicht bereit, alles zu zahlen. Er bestritt, dass die Versicherte tatsächlich den gesamten von der Krankenkasse angegebenen Zeitraum aufgrund des Hundebisses arbeitsunfähig gewesen sei. Außerdem war er der Meinung, dass – wenn überhaupt – die entgangenen Beiträge nicht vom ursprünglichen Arbeitsentgelt der Versicherten, sondern von dem niedrigeren Krankengeld berechnet werden müssten. Das Gericht musste also einige knifflige Fragen klären und hörte dazu auch die Versicherte als Zeugin an.

Die Entscheidung des Landgerichts Coburg: Der Hundehalter muss zahlen

Das Gericht gab der Krankenkasse in weiten Teilen Recht:

  1. Der Hundehalter wurde verurteilt, an die Krankenkasse 5.988,61 Euro zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Dezember 2023 (dem Tag nach der Klagezustellung, also der offiziellen Übergabe der Klageschrift an den Beklagten).
  2. Es wurde festgestellt, dass der Hundehalter verpflichtet ist, der Krankenkasse alle zukünftigen Schäden zu ersetzen, die der Versicherten durch den Hundebiss noch entstehen und für die die Krankenkasse aufkommen muss, soweit diese Ansprüche nach § 116 SGB X auf die Krankenkasse übergehen.
  3. Nur bei einem kleinen Teil der Zinsforderung bekam die Krankenkasse nicht vollständig Recht.
  4. Der Hundehalter musste die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen.
  5. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, das bedeutet, die Krankenkasse kann die Zahlung bereits verlangen, auch wenn der Hundehalter noch Rechtsmittel einlegen könnte. Dies allerdings nur gegen eine Sicherheitsleistung (eine Art Kaution).

Der Streitwert (der finanzielle Wert, um den gestritten wurde) wurde auf 10.988,61 Euro festgesetzt. Dieser Wert beinhaltet auch den geschätzten Wert des Feststellungsantrags.

Warum entschied das Gericht so? Die juristischen Gründe Schritt für Schritt erklärt

Aber wie kam das Gericht zu dieser Entscheidung? Um das zu verstehen, müssen wir uns die juristische Argumentation genauer ansehen.

Zulässigkeit der Klage: Durfte die Krankenkasse überhaupt so klagen?

Zunächst prüfte das Gericht, ob die Klage überhaupt zulässig war. Die Antwort lautete: Ja. Ein besonders interessanter Punkt war hier der Feststellungsantrag bezüglich zukünftiger Schäden. Warum braucht man so etwas, wenn die Haftung des Hundehalters doch eigentlich klar war? Das Gericht erklärte, dass ein sogenanntes Feststellungsinteresse gemäß § 256 der Zivilprozessordnung (ZPO) (dem Regelwerk für Gerichtsverfahren in Zivilsachen) vorliegt. Dieses Interesse besteht, weil den Ansprüchen Verjährung droht. Das bedeutet, nach einer bestimmten Zeit können Ansprüche nicht mehr durchgesetzt werden.

Hier kommt der Grundsatz der Schadenseinheit ins Spiel. Dieser besagt, dass die Verjährungsfrist für alle Schäden aus einem Ereignis (wie dem Hundebiss) bereits dann zu laufen beginnt, wenn der Geschädigte (oder hier die Krankenkasse) vom Schaden und dem Schädiger Kenntnis hat. Das gilt auch für spätere Schadensfolgen, wenn sie zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung schon voraussehbar waren. Da bei der Verletzung eines sogenannten absoluten Rechtsguts (wie der körperlichen Unversehrtheit) die bloße Möglichkeit künftiger Schäden ausreicht und die Krankenkasse dargelegt hatte, dass bei der Versicherten zukünftige Behandlungen nötig sein könnten, war der Feststellungsantrag zulässig. Es ist wie eine Absicherung gegen die tickende Uhr der Verjährung.

Auch der Umstand, dass die Krankenkasse ja „nur“ Ansprüche geltend machte, die ursprünglich der Versicherten zustanden, änderte nichts an der Zulässigkeit. Der Rechtsübergang nach § 116 Absatz 1 Satz 1 SGB X findet nämlich bereits zum Unfallzeitpunkt statt, sobald die Krankenkasse sogenannte kongruente Leistungen (also Leistungen, die genau den Schaden abdecken, z.B. Heilbehandlungskosten) erbringt. Dieser Übergang erstreckt sich auch auf Forderungen wegen künftig zu erbringender Leistungen. Die Krankenkasse tritt also rechtlich gesehen an die Stelle der Versicherten, was ihre Ansprüche angeht.

Begründetheit der Klage: Hatte die Krankenkasse auch in der Sache Recht?

Nachdem die Zulässigkeit geklärt war, ging es um die eigentliche Frage: Waren die Forderungen der Krankenkasse berechtigt? Das Gericht sagte: Ja, überwiegend.

Der Zahlungsanspruch der Krankenkasse in Höhe von 5.988,61 Euro ergibt sich aus § 833 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser Paragraph regelt die Haftung des Tierhalters: Wird durch ein Tier ein Mensch verletzt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Man kann das vergleichen mit einem Autofahrer, der einen Unfall verursacht – auch er (bzw. seine Versicherung) muss für den Schaden aufkommen. Dieser Anspruch der Versicherten ging dann, wie oben erklärt, gemäß § 116 Absatz 1 Satz 1 SGB X auf die Krankenkasse über.

1. Der Anspruch auf die entgangenen Krankenversicherungsbeiträge:

Die Krankenkasse forderte ja die Beiträge, die ihr entgangen waren, weil die Versicherte wegen des Krankengeldbezugs keine Beiträge zahlen musste. Aber kann das überhaupt ein Schaden sein?
Das Gesetz sagt ja. Nach §§ 842, 843 BGB (Regelungen zum Schadensersatz bei Körperverletzung) muss der Schädiger auch für Beiträge zur sozialen Krankenversicherung als Teil des Verdienstausfallschadens des Verletzten aufkommen, wenn diese Beiträge normalerweise zu zahlen wären. Wenn nun ein Sozialträger wie die Krankenkasse diese Kosten indirekt trägt (indem ihr Beiträge entgehen), geht dieser Anspruch gemäß § 116 Absatz 1 Satz 1 SGB X auf sie über.

Die Besonderheit hier war, dass die Versicherte ja von den Beiträgen befreit war. Aber § 116 Absatz 1 Satz 2 SGB X stellt klar, dass auch die Krankenversicherungsbeiträge, die während des Krankengeldbezugs eigentlich zu zahlen wären, auf den Versicherungsträger übergehen. Dies geschieht, weil § 224 Absatz 2 SGB V einen sogenannten fingierten Beitragsschaden schafft. Das bedeutet, das Gesetz tut so, als ob ein Schaden in Höhe der entgangenen Beiträge entstanden ist, den die Krankenkasse dann vom Schädiger fordern kann. Es ist eine Art juristischer Kniff, um sicherzustellen, dass der Schädiger die Sozialversicherungssysteme nicht indirekt belastet.

Aber war die Versicherte wirklich so lange wegen des Hundebisses arbeitsunfähig? Das Gericht war davon überzeugt. Es stützte sich dabei auf § 287 ZPO. Diese Vorschrift erlaubt dem Gericht eine freiere Beweiswürdigung als sonst; es muss nicht die absolute Gewissheit haben, eine hohe Wahrscheinlichkeit reicht aus. Diese Überzeugung gewann das Gericht durch die glaubhafte Aussage der Versicherten selbst, die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (mit passenden ICD-10-Codierungen, das sind international anerkannte Verschlüsselungen für Diagnosen, hier z.B. „traumatische Amputation sonstiger Teile des Kopfes“) und ärztliche Berichte, die den Zusammenhang bestätigten. Einen Antrag des Hundehalters auf ein weiteres Sachverständigengutachten wies das Gericht als präkludiert gemäß § 296a ZPO zurück. Das bedeutet, der Antrag war zu spät gestellt worden, und es gab keine Gründe, die mündliche Verhandlung deswegen wiederzueröffnen (was nach § 156 ZPO möglich gewesen wäre).

Und wie hoch waren die entgangenen Beiträge? Hier lag der Hundehalter falsch mit seiner Annahme, sie müssten vom niedrigeren Krankengeld berechnet werden. Das Gericht stellte klar: Die Bemessungsgrundlage (also der Wert, von dem aus berechnet wird) ist das Arbeitsentgelt, das die Versicherte ohne den Unfall erzielt hätte. Denn ohne den Hundebiss hätte sie ja normal weitergearbeitet und Beiträge aus ihrem vollen Lohn gezahlt. Da die Krankenkasse das frühere Gehalt und die Beitragssätze korrekt dargelegt hatte und der Hundehalter diese Zahlen nicht bestritten hatte, waren die geforderten 5.168,61 Euro für die entgangenen Beiträge gerechtfertigt.

2. Der Ersatz für die Fahrtkosten:

Die geforderten 820 Euro für Fahrtkosten waren ebenfalls zu erstatten. Dies ergibt sich aus § 833 BGB (Haftung des Tierhalters) in Verbindung mit § 249 BGB. Dieser Paragraph zum Schadensersatz besagt, dass der Schädiger den Zustand wiederherstellen muss, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dazu gehören auch notwendige Ausgaben für die Heilbehandlung, wie eben Fahrtkosten zu Ärzten und Kliniken. Da der Hundehalter dies nicht bestritten hatte und auch dieser Anspruch auf die Krankenkasse übergegangen war, musste er zahlen.

3. Die Zinsfrage: Warum erst später?

Die Krankenkasse wollte Zinsen schon ab einem früheren Zeitpunkt. Das Gericht sprach ihr aber Zinsen erst ab dem 24. Dezember 2023 zu. Warum? Der Anspruch auf Verzugszinsen (Zinsen wegen verspäteter Zahlung) ergibt sich aus §§ 286 Absatz 1 Satz 2, 288 Absatz 1 BGB. Verzug tritt ein, wenn der Schuldner trotz Fälligkeit und Mahnung nicht leistet. Die Krankenkasse hatte aber nicht ausreichend dargelegt, dass der Hundehalter schon früher in Verzug geraten war. Die bloße Angabe einer Zahlungsfrist in einer Rechnung reicht dafür nicht aus; das ist nur ein Zahlungsziel, keine Mahnung im rechtlichen Sinne und auch keine kalendermäßige Leistungsbestimmung (eine klare Datumsangabe im Vertrag), die nach § 286 Absatz 2 Nummer 1 BGB einen Verzug ohne Mahnung auslösen könnte. Daher trat Verzug erst mit der Rechtshängigkeit ein, also dem Zeitpunkt, als die Klage dem Hundehalter offiziell zugestellt wurde (23. Dezember 2023).

Der Feststellungsantrag für die Zukunft: Auch hier bekam die Krankenkasse Recht

Auch der Antrag auf Feststellung, dass der Hundehalter für künftige, auf die Krankenkasse übergehende Schäden aus dem Hundebiss aufkommen muss, war erfolgreich. Die grundsätzliche Verpflichtung des Hundehalters, für solche Schäden einzustehen, war ja ohnehin nicht umstritten.

Die Kosten des Verfahrens und die Möglichkeit der sofortigen Zahlung

Am Ende musste der Hundehalter die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen. Dies folgt aus § 92 Absatz 2 Nummer 1 ZPO. Diese Regel besagt, dass wenn eine Partei nur zu einem sehr geringen Teil „gewinnt“ (hier der Hundehalter bezüglich eines Teils der Zinsforderung), sie trotzdem die gesamten Kosten tragen kann.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Das bedeutet, die Krankenkasse kann das Geld vom Hundehalter schon einfordern, auch wenn dieser noch Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen könnte – allerdings muss die Krankenkasse dafür eine Sicherheit hinterlegen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil macht klar, dass Hundehalter nicht nur für direkte Schäden wie Arztkosten aufkommen müssen, sondern auch für komplexere finanzielle Folgen wie entgangene Krankenversicherungsbeiträge haften. Wenn ein Hundebiss zu längerer Arbeitsunfähigkeit führt und die gesetzliche Krankenkasse dadurch Beitragseinnahmen verliert, kann sie diese Verluste vom Tierhalter zurückfordern. Das Gericht bestätigte, dass auch während der Beitragsbefreiung bei Krankengeldbezug ein ersetzbarer Schaden entsteht, den der Verursacher tragen muss. Diese Entscheidung zeigt, dass die finanziellen Folgen eines Hundebisses weit über die ursprünglich sichtbaren Schäden hinausgehen können und Tierhalter umfassend für alle Konsequenzen ihres Tieres einstehen müssen.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Warum haftet ein Hundehalter, wenn sein Hund einen Menschen verletzt?

In Deutschland haftet ein Hundehalter, wenn sein Hund einen Menschen verletzt, grundsätzlich aufgrund einer sogenannten Gefährdungshaftung. Das bedeutet, die Haftung entsteht allein schon dadurch, dass Sie ein Tier halten, von dem eine potenzielle Gefahr ausgehen kann – die sogenannte „typische Tiergefahr“.

Was bedeutet Gefährdungshaftung?

Im Gegensatz zur Verschuldenshaftung, bei der jemand nur haftet, wenn er etwas falsch gemacht hat (z.B. fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat), müssen Sie bei der Gefährdungshaftung für Schäden aufkommen, selbst wenn Sie keine Schuld am Vorfall hatten.

Stellen Sie sich vor, Ihr Hund ist normalerweise sehr lieb und gut erzogen. Plötzlich erschreckt er sich oder reagiert unberechenbar und beißt unerwartet eine Person. Auch wenn Sie alles richtig gemacht haben und den Vorfall nicht verhindern konnten, haften Sie als Halter trotzdem für die entstandenen Verletzungen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass von einem Tier – insbesondere von einem Hund – immer eine gewisse unberechenbare Gefahr ausgeht, die sich jederzeit verwirklichen kann. Allein das Halten dieses Tieres begründet daher eine besondere Verantwortung und das Risiko, für entstandene Schäden aufkommen zu müssen.

Die gesetzliche Grundlage

Die Basis für diese Haftung bildet § 833 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dort ist festgelegt, dass der Halter eines Tieres, das verletzt oder Sachen beschädigt, den daraus entstehenden Schaden ersetzen muss. Diese Vorschrift gilt für alle Tiere, die nicht als Nutztiere dienen – wozu Hunde in der Regel gehören.

Für Sie als Halter bedeutet das: Entstehen durch Ihren Hund Personenschäden (wie Bisswunden oder Stürze aufgrund des Hundes) oder Sachschäden (z.B. eine zerrissene Kleidung), sind Sie in der Pflicht, diese zu ersetzen. Es ist irrelevant, ob Sie eine Leine benutzt, den Hund trainiert oder sonst alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben. Die Haftung knüpft allein an die Eigenschaft als Tierhalter an und an die Tatsache, dass der Schaden durch die typische Tiergefahr entstanden ist.


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Welche Schäden muss ein Hundehalter nach einem Bissereignis ersetzen?

Wenn ein Hund eine Person beißt und dadurch Verletzungen verursacht, haftet der Hundehalter in der Regel für die daraus entstandenen Schäden. Dies beruht auf der sogenannten Gefährdungshaftung, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 833 BGB) geregelt ist. Diese spezielle Form der Haftung bedeutet, dass der Hundehalter auch dann für Schäden einstehen muss, wenn ihn kein direktes Verschulden trifft, weil von einem Tier generell eine mögliche Gefahr ausgehen kann. Das Ziel der Ersatzpflicht ist, dass die verletzte Person so gestellt wird, als hätte das Bissereignis nie stattgefunden. Dies umfasst eine Vielzahl von Schäden.

Umfassende Ersatzpflicht des Hundehalters

Die Pflicht des Hundehalters, Schäden zu ersetzen, ist sehr weitreichend und geht deutlich über die direkten Heilbehandlungskosten hinaus. Es werden sowohl finanzielle (materielle) als auch nicht-finanzielle (immaterielle) Schäden berücksichtigt.

Materielle Schäden (finanzielle Verluste)

Zu den materiellen Schäden zählen alle Kosten und finanziellen Einbußen, die der verletzten Person durch das Bissereignis entstanden sind oder zukünftig entstehen werden. Hierzu gehören typischerweise:

  • Behandlungs- und Heilkosten: Dies umfasst Arztbesuche, Medikamente, Therapien, Krankenhausaufenthalte und alle weiteren medizinisch notwendigen Maßnahmen. Auch Fahrtkosten zu diesen Behandlungen fallen darunter.
  • Verdienstausfall: Wenn die verletzte Person aufgrund der Verletzung nicht arbeiten konnte und dadurch Einkommen verloren hat, muss dieser Ausfall ersetzt werden. Dies gilt auch für entgangene Einnahmen aus Nebenjobs oder selbstständiger Tätigkeit.
  • Haushaltsführungsschaden: Konnte die verletzte Person ihren Haushalt nicht mehr oder nur eingeschränkt führen und musste Hilfe in Anspruch nehmen (z.B. eine Haushaltshilfe), sind auch diese Kosten ersatzfähig.
  • Beschädigte Gegenstände: Kleidung, Brillen, Uhren oder andere Gegenstände, die durch den Hundebiss beschädigt wurden, müssen ebenfalls ersetzt werden.
  • Zukünftige Schäden: Auch Schäden, die erst in der Zukunft eintreten werden, sind zu berücksichtigen. Dazu zählen zum Beispiel mögliche entgangene Beförderungen im Beruf, Rentenverluste oder auch entgangene Krankenversicherungsbeiträge, wenn sich die berufliche Situation aufgrund der Verletzung dauerhaft ändert und dadurch höhere Beiträge anfallen.
  • Kosten für psychologische Betreuung: Wenn das Bissereignis psychische Folgen wie Ängste oder Traumata nach sich zieht, sind auch die Kosten für eine notwendige psychologische oder psychotherapeutische Behandlung ersatzpflichtig.

Immaterielle Schäden (Schmerzensgeld)

Neben den finanziellen Verlusten hat die verletzte Person auch Anspruch auf Schmerzensgeld. Dieses soll eine Entschädigung für die erlittenen Schmerzen, das Leid und mögliche dauerhafte Beeinträchtigungen darstellen, die nicht direkt in Geld messbar sind. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von vielen Faktoren ab, wie der Schwere der Verletzungen, der Dauer der Heilbehandlung, den psychischen Folgen, möglichen bleibenden Schäden oder Narben und der Intensität der Schmerzen. Das Schmerzensgeld soll den immateriellen Schaden ausgleichen und ist eine Art Anerkennung für das erlittene Leid.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Hundehalter für alle materiellen und immateriellen Schäden aufkommen muss, die unmittelbar oder mittelbar auf das Bissereignis zurückzuführen sind, um die verletzte Person so zu stellen, als wäre der Vorfall nie geschehen.


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Kann meine Krankenkasse Ansprüche auf Schadensersatz direkt beim Hundehalter geltend machen?

Ja, Ihre Krankenkasse kann in vielen Fällen Ansprüche auf Schadensersatz direkt beim Hundehalter oder dessen Haftpflichtversicherung geltend machen. Dies ist ein wichtiger Mechanismus im deutschen Sozialrecht, der als Forderungsübergang bezeichnet wird.

Was bedeutet Forderungsübergang?

Stellen Sie sich vor, Sie werden von einem Hund gebissen und müssen ärztlich behandelt werden. Ihre Krankenkasse übernimmt die Kosten für diese Behandlungen, Medikamente oder gegebenenfalls auch für Rehabilitationsmaßnahmen. Da diese Kosten jedoch durch das Verschulden einer anderen Person – hier des Hundehalters – entstanden sind, sieht das Gesetz vor, dass die Krankenkasse sich diese Auslagen vom Verursacher erstatten lassen kann.

Die Krankenkasse tritt in diesem Fall an die Stelle der geschädigten Person. Das bedeutet, Ihr eigener Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Hundehalter, der die entstandenen Heilbehandlungskosten betrifft, geht per Gesetz auf Ihre Krankenkasse über. Sie selbst müssen sich dann nicht mehr darum kümmern, diese speziellen Kosten von der Hundehalterin oder dem Hundehalter zurückzufordern; das übernimmt die Krankenkasse direkt.

Rechtliche Grundlage

Die Möglichkeit dieses Forderungsübergangs ist gesetzlich klar geregelt, insbesondere im Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Dort ist festgelegt, dass der Anspruch auf Ersatz des Schadens auf den Sozialversicherungsträger (wie Ihre Krankenkasse) übergeht, soweit dieser Leistungen erbringt, die aufgrund des Schadensereignisses erforderlich wurden. Für Sie als Geschädigter hat dies den Vorteil, dass Ihre medizinische Versorgung schnell gewährleistet ist und Sie sich nicht selbst um die Rückforderung der Behandlungskosten von der schädigenden Partei kümmern müssen. Die Krankenkasse klärt dies direkt mit dem Hundehalter oder seiner Haftpflichtversicherung.


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Warum werden entgangene Krankenversicherungsbeiträge als Schaden betrachtet, obwohl ich während des Krankengeldbezugs keine Beiträge zahlen muss?

Für juristische Laien mag es auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, dass entgangene Krankenversicherungsbeiträge als Schaden angesehen werden, obwohl Sie während des Bezugs von Krankengeld in der Regel keine eigenen Beiträge zahlen müssen. Hier kommt das Prinzip des „fingierten Beitragsschadens“ zum Tragen.

Das Konzept des fingierten Beitragsschadens

„Fingiert“ bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie „angenommen“ oder „fiktiv“. Obwohl Sie selbst während des Krankengeldbezugs oft nicht direkt für Ihre Krankenversicherung aufkommen müssen, geht das Gesetz davon aus, dass dem Gesundheitssystem und indirekt auch Ihnen ein Schaden entstanden ist. Dieser Schaden muss vom Unfallverursacher (Schädiger) ausgeglichen werden.

Der Hauptgrund dafür ist, dass der Schädiger nicht indirekt von den Folgen seiner Handlung profitieren soll. Ohne den Unfall hätten Sie gearbeitet und entsprechende Beiträge zur Krankenversicherung geleistet. Diese Beiträge sind ein wichtiger Bestandteil des Sozialversicherungssystems. Wenn der Schädiger die entgangenen Beiträge nicht erstatten müsste, würde er auf Kosten der Solidargemeinschaft, die Ihre Behandlung und Ihr Krankengeld finanziert, entlastet. Das Ziel ist es, den Schädiger zur Verantwortung zu ziehen und sicherzustellen, dass die finanzielle Last dort liegt, wo sie entstanden ist.

Die Berechnungsgrundlage: Ihr hypothetisches Einkommen

Ein entscheidender Aspekt ist die Basis, auf der dieser Schaden berechnet wird. Die entgangenen Krankenversicherungsbeiträge werden nicht anhand des niedrigeren Krankengeldes berechnet, das Sie erhalten haben. Stattdessen ist die Grundlage für die Berechnung das Einkommen, das Sie ohne den Unfall erzielt hätten.

Das bedeutet: Das Gesetz rechnet so, als ob Sie Ihr volles Gehalt weiterbezogen hätten. Die Höhe der Beiträge, die auf dieses hypothetische Gehalt entfallen wären – sowohl der Arbeitnehmer- als auch der Arbeitgeberanteil (oft gemeinsam betrachtet als Arbeitgeber-Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung) – wird als Schaden betrachtet. Dies stellt sicher, dass der Schädiger für den vollen Verlust der Beitragsgrundlage einsteht, der durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit entstanden ist. Es geht also darum, den Zustand wiederherzustellen, der ohne den Unfall bestanden hätte.

Kurz gesagt: Auch wenn Sie während des Krankengeldbezugs persönlich nicht direkt die Beitragszahlungen leisten, ist der Ausfall dieser Beiträge auf Ihr eigentliches Einkommen ein Schaden, den der Verursacher des Unfalls tragen muss, um das Sozialversicherungssystem nicht zu benasten.


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Muss der Hundehalter auch für mögliche zukünftige Schäden aufkommen, die erst später entstehen?

Ja, der Hundehalter muss grundsätzlich auch für Schäden aufkommen, die erst später entstehen und zum Zeitpunkt des ursprünglichen Ereignisses noch nicht absehbar waren.

Der Grundsatz der Schadenseinheit

Im deutschen Schadensrecht gilt der Grundsatz der Schadenseinheit. Das bedeutet, dass alle Schäden, die aus einem einzigen Ereignis – wie einem Hundebiss oder einem Unfall durch einen Hund – resultieren, als eine Einheit betrachtet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Schäden erst zeitlich verzögert auftreten. Stellt sich beispielsweise erst Jahre nach einem Unfall heraus, dass eine Verletzung zu einer chronischen Erkrankung oder einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit führt, sind auch diese Spätfolgen vom Hundehalter zu ersetzen, sofern sie ursächlich auf das ursprüngliche Ereignis zurückzuführen sind.

Die Herausforderung der Verjährung

Ein Problem kann jedoch die Verjährung von Ansprüchen darstellen. Schadensersatzansprüche verjähren in der Regel nach einer bestimmten Frist, die beginnt, sobald der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers hat. Für zukünftige Schäden, die noch nicht bekannt sind, wäre es schwierig, diese Frist einzuhalten.

Die Lösung: Der Feststellungsantrag

Um sicherzustellen, dass auch zukünftige Schäden, die erst später auftreten, noch geltend gemacht werden können und nicht verjähren, gibt es den Feststellungsantrag.

  • Was ist ein Feststellungsantrag? Ein Feststellungsantrag ist ein Antrag bei Gericht, der die grundsätzliche Haftung des Schädigers für alle aus einem bestimmten Ereignis entstandenen und noch entstehenden Schäden gerichtlich feststellen lässt. Es wird also nicht eine konkrete Geldsumme für einen bereits eingetretenen Schaden gefordert, sondern die Verpflichtung des Schädigers dem Grunde nach für alle Folgeschäden erklärt.
  • Warum ist er wichtig? Durch eine positive gerichtliche Feststellung (Urteil) wird die Verjährung für diese potenziellen zukünftigen Schäden gehemmt oder neu gestartet. Das bedeutet, dass Ansprüche auch Jahre später noch durchgesetzt werden können, sobald ein konkreter, weiterer Schaden (zum Beispiel unerwartete Folgekosten für Operationen, Rehabilitationsmaßnahmen oder ein Verdienstausfall) tatsächlich eintritt und beziffert werden kann.
  • Welche Schäden umfasst er? Dies ist besonders relevant bei schweren Verletzungen, die möglicherweise langfristige Behandlungen, Medikamentenkosten, Pflegebedarf, Anpassungen der Wohnung, bleibende Beeinträchtigungen oder zukünftige Verdienstausfälle nach sich ziehen können. Auch Krankenkassen können ein Interesse an einem solchen Feststellungsantrag haben, um Regressansprüche für zukünftige Behandlungskosten abzusichern.

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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Haftung dem Grunde nach

Die Haftung dem Grunde nach bedeutet, dass grundsätzlich feststeht, wer für einen Schaden verantwortlich ist, also dass eine Pflicht zur Schadensersatzleistung überhaupt besteht. Im vorliegenden Fall wurde anerkannt, dass der Hundehalter für den Hundebiss und die daraus resultierenden Verletzungen haftet, ohne dass dies bestritten wurde. Diese Haftung basiert auf der gesetzlichen Gefährdungshaftung (§ 833 Satz 1 BGB), die unabhängig von einem Verschulden greift. Die genaue Höhe des Schadensersatzes oder weitere Details der Haftung müssen dann noch geklärt werden, aber die grundsätzliche Verantwortlichkeit steht fest.


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Forderungsübergang nach § 116 SGB X

Der Forderungsübergang bedeutet, dass Ansprüche der verletzten Person gegen den Schadensverursacher rechtlich auf den Sozialversicherungsträger (hier die Krankenkasse) übergehen, sobald dieser Leistungen wie Heilbehandlungskosten erbracht hat. Nach § 116 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) tritt die Krankenkasse in die Rechte der Versicherten ein und kann somit Schadensersatzansprüche direkt gegenüber dem Hundehalter geltend machen. Dies erleichtert die Durchsetzung der Kosten für die Sozialversicherungsträger, ohne dass die Versicherte selbst diese Forderungen vor Gericht verfolgen muss.

Beispiel: Wenn der Hund einen Menschen verletzt und die Krankenkasse die Behandlung bezahlt, kann sie das Geld direkt vom Hundehalter zurückfordern – so als würde sie anstelle der verletzten Person fragen.


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Fingierter Beitragsschaden (§ 224 Absatz 2 SGB V)

Der fingierte Beitragsschaden ist ein gesetzlich erfundener Schaden, mit dem entgangene Krankenversicherungsbeiträge trotz Beitragsbefreiung während des Krankengeldbezugs als Ersatzanspruch gegenüber dem Verursacher geltend gemacht werden können. Nach § 224 Absatz 2 SGB V wird so getan, als ob die Krankenversicherungsbeiträge, die während der Zeit des Krankengeldbezugs normalerweise nicht gezahlt werden müssen, doch ein Schaden in dieser Höhe entstanden sei. Dies verhindert, dass der Schädiger die Sozialversicherung indirekt entlastet, weil er sonst nur für tatsächlich gezahlte Beiträge haften müsste.

Beispiel: Obwohl die Versicherten während der Krankheit keine Beiträge zahlen, wird so gerechnet, als ob sie es getan hätten, damit der Unfallverursacher diese Beiträge ersetzen muss.


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Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO

Ein Feststellungsantrag ist ein gerichtlicher Antrag, bei dem nicht auf Zahlung eines bestimmten Betrags, sondern auf die verbindliche Feststellung einer rechtlichen Verpflichtung, z. B. einer Ersatzpflicht, geklagt wird. Nach § 256 der Zivilprozessordnung (ZPO) dient dieser Antrag dazu, Rechtsverhältnisse zu klären und zukünftige Ansprüche zu sichern, besonders wenn Verjährung droht. Im vorliegenden Fall beantragte die Krankenkasse die Feststellung der Pflicht des Hundehalters, auch für künftig entstehende Schäden aus dem Hundebiss zu haften, damit diese Ansprüche später leichter geltend gemacht werden können.

Beispiel: Weil zukünftige Behandlungskosten erst später entstehen könnten, stellt das Gericht fest, dass der Hundehalter auch dafür grundsätzlich zahlen muss, bevor es zu einem Streit über konkrete Zahlungen kommt.


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Grundsatz der Schadenseinheit

Der Grundsatz der Schadenseinheit besagt, dass alle Schäden, die aus einem einzelnen schädigenden Ereignis resultieren, rechtlich als eine zusammenhängende Einheit betrachtet werden. Dies gilt auch, wenn einige Schäden erst zeitlich verzögert und erst später erkennbar werden. Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche beginnt daher schon mit Kenntnis des Schadensereignisses und des Schädigers, auch wenn spätere Folgeschäden erst später auftreten. Dadurch sollen diverse Einzelklagen vermieden werden und die Haftung des Schädigers insgesamt berechenbar bleiben.

Beispiel: Wenn nach dem Hundebiss Jahre später Folgekrankheiten auftreten, die auf den Biss zurückzuführen sind, muss der Hundehalter auch diese Schäden ersetzen – alle Schäden stammen aus einem einheitlichen Ereignis.


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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 833 Satz 1 BGB (Haftung des Tierhalters): Regelt die Verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters für durch sein Tier verursachte Personen- oder Sachschäden. Der Halter muss dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden ersetzen, auch ohne eigenes Verschulden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Grundlage für die Schadensersatzpflicht des Hundehalters gegenüber der verletzten Frau und der Krankenkasse als deren Rechtsnachfolgerin.
  • § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Rechtsübergang): Sozialversicherungsträger treten in die Ansprüche des Versicherten gegen den Schädiger ein, sobald sie Leistungen gewährt haben, die Schaden ausgleichen (kongruente Leistungen). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Krankenkasse kann Schadensersatzansprüche, die der Verletzten zustehen, gegenüber dem Hundehalter geltend machen, einschließlich entgangener Beiträge und künftiger Kosten.
  • § 224 Abs. 1 und 2 SGB V (Beitragsfreiheit bei Krankengeld und fingierter Beitragsschaden): Während des Bezugs von Krankengeld ist der Versicherte beitragsfrei, dennoch entsteht für die Krankenkasse ein fiktiver Schaden in Höhe der entgangenen Beiträge, den sie nach § 116 SGB X vom Schädiger ersetzt verlangen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Rechtliche Grundlage, dass die Krankenkasse Ersatz für die entgangenen Krankenversicherungsbeiträge vom Hundehalter fordern kann.
  • §§ 842, 843 BGB (Schadensersatz für Sozialabgaben bei Körperverletzung): Der Schädiger haftet nicht nur für unmittelbaren Gesundheitsschaden, sondern auch für die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge als Bestandteil des Schadens. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Begründet das Erstattungsrecht für Sozialversicherungsbeiträge, die der Krankenkasse durch die Beitragsbefreiung entgangen sind.
  • § 287 ZPO (freie Beweiswürdigung): Das Gericht kann bei unklaren Tatsachen eine Überzeugung auf Grundlage der vorgelegten Beweise frei bilden, ohne absolute Sicherheit zu verlangen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Ermöglichte dem Gericht, die lange Arbeitsunfähigkeit der Verletzten auf Basis der ärztlichen Befunde und Zeugenaussagen anzuerkennen, auch ohne Sachverständigengutachten.
  • § 256 ZPO (Feststellungsinteresse): Ein Feststellungsantrag ist zulässig, wenn ein rechtliches Interesse daran besteht, insbesondere wenn durch Verjährung künftige Ansprüche gefährdet sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Rechtfertigte die Feststellungsklage zum Ersatz zukünftiger Schäden gegenüber dem Hundehalter, um Verjährung wirksam vorzubeugen.
  • §§ 286 Abs. 1 Satz 2 und 288 Abs. 1 BGB (Verzugszinsen): Verzugszinsen können nur ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden, ab dem der Schuldner sich in Verzug befindet – also nach Fälligkeit und Mahnung oder kalendermäßiger Leistungsbestimmung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht begrenzte den Zinsanspruch der Krankenkasse auf den Zeitraum ab Klagezustellung, weil zuvor kein wirksamer Verzug eingetreten war.

Das vorliegende Urteil


LG Coburg – Az.: 24 O 734/23 – Endurteil vom 23.08.2024


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