LG Berlin – Az.: 41 S 24/18 – Beschluss vom 23.07.2018
In dem Rechtsstreit … werden die Parteien gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Mitte vom 22.01.2018 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Mitte vom 22.01.2018 hat nach einstimmiger Überzeugung des Berufungsgerichts offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Haftung der Beklagten insgesamt verneint.
Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist vorliegend nicht der Fall.
Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger als der Träger der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast den Eintritt und gegebenenfalls, wie ebenfalls erforderlich wäre, die konkrete Höhe eines Fahrzeugschadens durch das streitgegenständliche Ereignis nicht hinreichend dargelegt hat. Damit ist ein Erstattungsanspruch nicht nur in Hinblick auf die Schadensposition Fahrzeugschaden, sondern darüber hinaus auch hinsichtlich der Schadenspositionen, die über den Fahrzeugschaden hinaus geltend gemacht werden (Gutachterkosten, Nebenkostenpauschale, vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten), zu verneinen. Denn diese beruhen als Folgekosten sämtlich auf der Voraussetzung, dass ein Hauptanspruch in Form eines (der Höhe nach bestimmbaren) unfallkausalen Fahrzeugschadens zu bejahen ist, was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. so ausdrücklich auch KG, Hinweisbeschluss vom 18.04.2016 – 22 U 61/14 -).
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Haftung der Beklagten bereits auf Grundlage der unstreitigen, im Jahre 2011 eingetretenen Vorschäden im Bereich der linken Seite des Klägerfahrzeugs insgesamt zu verneinen sein mag. Dahinstehen kann ferner, ob dem Amtsgericht in Hinblick auf diese unstreitigen Vorschäden im Bereich der linken Seite des Klägerfahrzeugs ein Verstoß gegen die diesem gemäß der Regelung des § 139 ZPO obliegende Hinweispflichten zur Last zu legen sein mag.
Denn unabhängig von den vorstehend angeführten Fragen führt das Vorbringen des Klägers zu den Vorschäden aus dem weiteren, vom 03.10.2016 datierenden Schadensereignis, aufgrund dessen an dem Klägerfahrzeug unstreitig ein Totalschaden eingetreten war und bei dem Klägerfahrzeug ferner unstreitig ein Restwert in Höhe des Betrages von nur noch 850,00 € vorlag (vgl. Gutachten vom 10.10.2016, Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 29.11.2017, Bl. 40 ff. d.A.), dazu, dass Erstattungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte insgesamt zu verneinen sind.
Der Kläger trägt für den Eintritt und den Umfang des unfallkausalen Schadens die Darlegungs- und Beweislast. Hat das Unfallfahrzeug vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis einen Vorschaden erlitten so muss der Geschädigte, d.h. vorliegend der Kläger, zur Darlegung seines unfallkausalen Schadens (substantiiert) vortragen und gegebenenfalls beweisen, dass die Vorschäden sach- und fachgerecht beseitigt wurden. Hierzu ist zunächst erforderlich, dass der genaue Umfang der Vorschäden im Einzelnen dargelegt wird, d.h. die konkret beschädigten Fahrzeugteile, die Art ihrer Beschädigung sowie die Ursache ihrer Entstehung. Sodann sind die für die sach- und fachgerechte Beseitigung erforderlichen einzelnen Reparaturschritte darzulegen sowie schließlich die tatsächlich vorgenommenen Reparaturschritte, letzteres durch Darlegung des konkreten Reparaturwegs und -umfangs (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 12 StVG Rn. 6 a.E. m.w.N.; vgl. auch LG Wiesbaden VersR 2003, 1297; OLG Nürnberg DAR 2003, 559; LG Berlin VersR 2005, 995; KG NZV 2008, 297; KG, Beschluss vom 29.05.2012 – 22 U 191/11 -, zitiert nach „juris“, veröffentlicht u.a. DAR 2013, 464, 465; KG, Urteil vom 26.05.2014 – 22 U 36/12 -). Dies gilt in gleicher Weise bei der Abrechnung von Reparaturkosten – wie vorliegend der Fall – wie auch bei der Abrechnung auf Totalschadenbasis. Denn ohne ein entsprechendes Vorbringen und einen entsprechenden Nachweis lässt sich der konkrete Fahrzeugzustand vor der streitgegenständlichen Kollision und der sodann durch die streitgegenständliche Kollision eingetretene Schaden nicht bemessen, d.h. weder der Eintritt und Umfang der unfallkausalen Reparaturkosten noch der Eintritt und Wert eines unfallkausalen Totalschadens.
Gleiches gilt im Falle von bereits auf Grundlage des eigenen Vortrags des Geschädigten nicht vollständig und/oder nicht sach- und fachgerecht durchgeführten Reparaturmaßnahmen. Denn dann muss der Geschädigte darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Vorschäden bei der Schadensberechnung auf zutreffende Weise berücksichtigt worden sind.
Die vorstehenden Ausführungen gelten im vorliegenden Fall zumindest entsprechend. Zwar sind die Schäden aus dem Vorschadensereignis vom 03.10.2016 unstreitig nicht im hier maßgeblichen Schadensbereich, der linken Seite des Klägerfahrzeugs, sondern vielmehr im Frontbereich des Klägerfahrzeugs eingetreten. Jedoch lagen aufgrund dieses massiven Vorschadens Umstände vor, welche in vergleichbarer und damit in entscheidungserheblicher Weise Einfluss auf den Zustand und den Wert eines Fahrzeugs haben. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 18.12.2017 (Bl. 66 ff. d.A.) auf berechtigte Weise nicht nur den Eintritt eines Schadens, der durch den Kläger auf Reparaturkostenbasis abgerechnet werden kann, sondern darüber hinausreichend auch den von dem Kläger behaupteten Wiederbeschaffungswert des Klägerfahrzeugs in Höhe des Betrages von 6.000,00 € der Höhe nach insgesamt bestritten. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang des Weiteren der Umstand, dass auf Grundlage des eigenen Vorbringens des Klägers eine sach- und fachgerechte Reparatur dieses Vorschadens nicht stattgefunden hat. Denn der von dem Kläger in seinem Schriftsatz vom 12.01.2018 geschilderte Reparaturweg (dort Seite 1, Bl. 88 d.A.) weicht – sofern dort Reparaturschritte angeführt werden – auf erhebliche Weise von dem durch das vorgenannte Gutachten vom 10.10.2016 vorgegebenen Reparaturweg ab. Denn nach diesem waren die Motorhaube, das Frontblech, der Frontstoßfänger und die Scheinwerferreinigungsanlage nicht – wie durch den Kläger geschildert – zu „richten“, sondern vielmehr durch Neuteile zu ersetzen. Auch war nicht lediglich der rechte Scheinwerfer zu ersetzen, sondern auch die Blinkleuchte. Zu anderen Schadenspositionen – z.B. den Schadenspositionen Aufpralldämpfer, Schlossträger, Wischer rechts, Querträger – finden sich gar keine Ausführungen des Klägers. Die Ausführungen des Sachverständigen Drescher in dem Gutachten vom 31.07.2017 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 29.11.2017, dort Seite 2, Bl. 24 d.A.: „Frontschaden instandgesetzt“) bzw. in der Reparaturbestätigung vom 26.10.2016 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 10 d.A.: „(…) – soweit nach äußerer Inaugenscheinnahme feststellbar – in einem fachgerecht und ordnungsgemäß reparierten Zustand vorgeführt (…)“) sind damit bereits aus diesem Grunde unerheblich da offensichtlich unzutreffend.
Abweichend von der Auffassung des Klägers ist das Bestreiten der Beklagten auch nicht als ein Vortrag „ins Blaue hinein“ und damit als unerheblich zu werten. Der Einwand des Schädigers bzw. seiner Haftpflichtversicherung, der von dem Geschädigten – hier dem Kläger – dargelegte Schaden sei nicht nachvollziehbar und werde bestritten, weil Vorschäden anzunehmen seien, ist dann zu berücksichtigen, wenn derartige Vorschäden unstreitig sind oder aber von dem Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherung unter Angabe konkreter Tatsachen behauptet werden. Ein derartiges substantiiertes Bestreiten und damit kein unbeachtliches Bestreiten von Vorschäden „ins Blaue hinein” stellt es dar, wenn konkret vorgetragen werden kann, dass das Fahrzeug bereits in einen Unfall verwickelt oder als mit Vorschäden behaftet verkauft worden ist (vgl. KG, (Hinweis-) Beschlüsse vom 03.12.2015 bzw. 18.01.2016 – 22 U 61/15 -). So liegt der Fall hier. Denn gemäß den vorstehenden Ausführungen sind die vorstehend angeführten Vorschäden des Klägerfahrzeugs unstreitig.
Abweichend von der Auffassung des Klägers ist das Bestreiten der Beklagten auch nicht deswegen unzulässig, treuwidrig und rechtsmissbräuchlich, weil diese eine von dem Kläger angebotene Nachbesichtigung des Klägerfahrzeugs nicht wahrgenommen hat. Denn die Beklagte ist zu einer derartigen Nachbesichtigung nicht verpflichtet. Auch obliegt es nicht der Beklagten, den unfallkausalen Schaden erst zu ermitteln.
Dem Kläger kann in Hinblick auf die Frage der Haftung der Höhe nach auf Grundlage seines Vorbringens ferner auch nicht etwa ein Teilbetrag seines Schadens, dies in Form eines Mindestschadens, zugesprochen werden. Auch insoweit mangelt es an dem Vortrag ausreichender Anknüpfungstatsachen. Denn es fehlt mangels eines hinreichend konkreten Vorbringens zu den vorstehend angeführten Kriterien auch an dieser Stelle an einem ausreichenden Vortrag und darüber hinaus an dem erforderlichen Nachweis, welcher konkrete Vermögensschaden dem Kläger insoweit entstanden sein mag. Dies gilt nicht nur im Anwendungsbereich der Regelung des § 286 ZPO, sondern gegebenenfalls auch im Falle des Anwendungsbereichs der Regelung des § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. auch KG, Urteil vom 27.08.2015 – 22 U 152/14 -; KG, Urteil vom 25.01.2016 – 22 U 4/15 -).
II.
Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3, 4 ZPO).
III.
Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen der Frist von 3 Wochen gegeben. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren im Falle einer Rücknahme der Berufung gegenüber einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO auf die Hälfte ermäßigen würden (vgl. Nrn. 1220, 1222 des KV zum GKG).