Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Der Fall vor Gericht
- 3 Streit um Abwasserleitung: Nachbar muss Anschluss auf fremdem Grundstück kappen – OLG Karlsruhe gibt Klage statt
- 3.1 Worum ging es? Ein Überblick über den Nachbarschaftskonflikt
- 3.2 Der Fall im Detail: Gemeinsame Wurzeln, getrennte Wege
- 3.3 Die Streitpunkte: Duldungspflicht versus Eigentumsrecht
- 3.4 Die erste Instanz: Landgericht Karlsruhe wies Klage ab
- 3.5 Das Urteil des Oberlandesgerichts: Wendepunkt im Nachbarschaftsstreit
- 3.6 Die wichtigsten Gründe: Warum das OLG anders entschied
- 4 Die Schlüsselerkenntnisse
- 5 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 5.1 Was bedeutet „dingliche Sicherung“ im Zusammenhang mit Abwasserleitungen und warum ist sie wichtig?
- 5.2 Welche Rolle spielt eine mündliche oder vertragliche Vereinbarung zwischen früheren Eigentümern bei der Nutzung einer Abwasserleitung durch den Nachbarn?
- 5.3 Was bedeutet „Duldungspflicht“ gemäß § 1004 Absatz 2 BGB und unter welchen Umständen kann ein Grundstückseigentümer zur Duldung einer Abwasserleitung auf seinem Grundstück verpflichtet sein?
- 5.4 Welche Möglichkeiten hat ein Grundstückseigentümer, sich gegen eine unerwünschte Abwasserleitung des Nachbarn auf seinem Grundstück zu wehren?
- 5.5 Welche Konsequenzen hat es, wenn eine Abwasserleitung auf einem fremden Grundstück zu Rückstaus und Schäden führt?
- 6 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 7 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 8 Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 12 U 130/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Karlsruhe
- Datum: 06.03.2025
- Aktenzeichen: 12 U 130/24
- Verfahrensart: Berufung
- Rechtsbereiche: Eigentumsrecht, Nachbarrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eigentümer eines Grundstücks, dessen Abwasserleitung vom Nachbarn mitgenutzt wird.
- Beklagte: Eigentümer des Nachbargrundstücks, dessen Abwasser über das Grundstück des Klägers abgeleitet wird.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die ursprünglich ein Gesamtgrundstück waren. Seit 1981 wird das Grundstück des Beklagten über die Abwasserleitung des Klägers entwässert. Nach einem Rückstau verlangte der Kläger vom Beklagten, die Einleitung einzustellen und den Anschluss zurückzubauen.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der Eigentümer eines Grundstücks die Beseitigung einer Nachbarleitung auf seinem Grund verlangen kann, wenn diese aus einer gemeinsamen Bauplanung stammt, aber keine Dingliche Sicherung erfolgte und ein Eigentümerwechsel stattfand. Es ging insbesondere um das Bestehen einer Duldungspflicht des neuen Eigentümers oder eine Verpflichtung zur Rücksichtnahme.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht verurteilte den Beklagten, die Einleitung von Abwasser in die Leitung des Klägers ab dem 01.01.2026 zu unterlassen und den Anschluss auf seinem Grundstück zurückzubauen. Die Klage auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten wies das Gericht ab.
- Begründung: Eine Abwasserleitung des Nachbarn auf dem eigenen Grundstück stellt eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, die grundsätzlich nicht geduldet werden muss, wenn keine rechtliche Pflicht dazu besteht. Eine solche Pflicht lag hier nicht vor, insbesondere wirkte eine etwaige schuldrechtliche Gestattung gegenüber dem früheren Eigentümer nicht gegen den jetzigen Eigentümer. Die Herstellung einer eigenen Abwasserführung für den Beklagten wurde als zumutbar angesehen.
- Folgen: Infolge des Urteils muss der Beklagte die Ableitung seines Abwassers über das Grundstück des Klägers beenden. Er hat bis zum 01.01.2026 Zeit, eine eigene Lösung für die Abwasserführung seines Grundstücks zu realisieren.
Der Fall vor Gericht
Streit um Abwasserleitung: Nachbar muss Anschluss auf fremdem Grundstück kappen – OLG Karlsruhe gibt Klage statt
Ein langjährig genutzter Abwasseranschluss über ein Nachbargrundstück darf nicht ohne Weiteres bestehen bleiben, wenn keine klare rechtliche Grundlage dafür existiert – auch wenn die Leitungsführung ursprünglich von den Voreigentümern gemeinsam geplant wurde.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat entschieden (Az.: 12 U 130/24), dass der Eigentümer eines Grundstücks die Beseitigung einer solchen Leitung verlangen kann, wenn keine sogenannte dingliche Sicherung im Grundbuch eingetragen ist und eine rein vertragliche Absprache mit dem vorherigen Eigentümer nicht auf den neuen Eigentümer übergeht.
Worum ging es? Ein Überblick über den Nachbarschaftskonflikt
Im Kern des Rechtsstreits stand die Frage, ob ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn verlangen darf, eine Abwasserleitung zu entfernen, die von dessen Grundstück über das eigene verläuft und dort in die Hauptentwässerung mündet. Die Besonderheit lag darin, dass diese Leitungsführung aus einer Zeit stammte, als beide Grundstücke noch eine Einheit bildeten und von den damaligen Eigentümern – den Rechtsvorgängern der heutigen Parteien – so geplant wurde. Eine Eintragung dieses Leitungsrechts ins Grundbuch, etwa als Dienstbarkeit, war jedoch unterblieben. Nach einem Eigentümerwechsel auf der Seite des begünstigten Grundstücks entbrannte der Streit.
Der Fall im Detail: Gemeinsame Wurzeln, getrennte Wege
Die heutigen Prozessparteien sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke, die ursprünglich ein einziges, größeres Grundstück bildeten. Dieses gehörte bis 1981 den Eltern des Klägers beziehungsweise den Großeltern des Beklagten. Nach der Teilung des Grundstücks im Jahr 1981 errichteten der Kläger und sein Bruder, Herr E. W., jeweils eine Doppelhaushälfte. Im Juli 2022 übertrug Herr E. W. sein Grundstück an seinen Sohn, den jetzigen Beklagten.
Bereits seit den 1970er Jahren war das Gesamtgrundstück an das öffentliche Kanalsystem angeschlossen. Seit dem Bau der Doppelhaushälften 1981 wurde das Abwasser des Grundstücks, das nun dem Beklagten gehört, über das tiefer gelegene Grundstück des Klägers und dessen dort verlaufende Abwasserleitung abgeleitet. Der exakte Verlauf dieser Leitung auf dem klägerischen Grundstück war zwar strittig, die Tatsache der Ableitung selbst jedoch nicht.
Ein Rückstau in der Abwasserleitung am 7. Mai 2023, der zu einer Kellerüberflutung beim Kläger führte, brachte den Stein ins Rollen. Ein Fachunternehmen stellte eine Einwurzelung in der Leitung fest. Daraufhin forderte der Kläger den Beklagten auf, die Einleitung seines Abwassers zu stoppen und den Anschluss auf seinem eigenen Grundstück zurückzubauen.
Die Streitpunkte: Duldungspflicht versus Eigentumsrecht
Der Kläger argumentierte, er habe erst durch die Untersuchung im Mai 2023 von der Entwässerungspraxis über sein Grundstück erfahren. Die gemeinsame Ableitung führe zu Rückstausituationen, und er trage aufgrund der Geländebeschaffenheit (Topographie) das alleinige Risiko bei solchen Ereignissen.
Der Beklagte hielt dagegen, der Leitungsverlauf sei Teil des gemeinsamen Bauantrags und der Baugenehmigung von 1981 gewesen und so zwischen den damaligen Bauherren – dem Kläger und dessen Bruder – vereinbart worden. Daraus ergebe sich eine Duldungspflicht für den Kläger. Außerdem sei die vom Kläger geforderte Änderung der Abwasserführung laut der Satzung der Gemeinde I. unzulässig. Den Rückstau führte der Beklagte auf die Einwurzelung zurück, die vom klägerischen Grundstück ausgegangen sei, nicht auf seine Abwassereinleitung. Eine eigene Abwasserleitung für sein Grundstück sei nur mit erheblichem Aufwand (möglicherweise mit einer Hebeanlage und Kosten von mehreren zehntausend Euro) zu realisieren.
Die erste Instanz: Landgericht Karlsruhe wies Klage ab
Das Landgericht Karlsruhe hatte die Klage zunächst abgewiesen. Es sah eine Duldungspflicht des Klägers gemäß § 1004 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser Paragraph besagt, dass ein Eigentümer eine Beeinträchtigung seines Eigentums dulden muss, wenn er dazu rechtlich verpflichtet ist. Diese Verpflichtung sah das Landgericht entweder in einer Zustimmung zur ursprünglichen Planung (falls die Leitung wie geplant verlief) oder im Gebot der nachbarrechtlichen Rücksichtnahme (falls davon abgewichen wurde). Das Gericht erkannte keine wesentlichen Nachteile für den Kläger und einen hohen Aufwand für den Beklagten.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein. Der Beklagte erhob in der Berufungsinstanz zusätzlich die Einrede der Verjährung.
Das Urteil des Oberlandesgerichts: Wendepunkt im Nachbarschaftsstreit
Das OLG Karlsruhe hob das Urteil des Landgerichts in wesentlichen Teilen auf und gab der Klage überwiegend statt.
Der Beklagte wurde verurteilt, die Einleitung seines Brauch- und Oberflächenwassers in die Hauptentwässerungsleitung des Klägers bis zum 1. Januar 2026 zu unterlassen. Weiterhin muss er den entsprechenden Anschluss zurückbauen, soweit er sich auf seinem eigenen Grundstück befindet. Lediglich bezüglich der Übernahme vorgerichtlicher Anwaltskosten wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits muss der Beklagte tragen. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
Die wichtigsten Gründe: Warum das OLG anders entschied
Das OLG Karlsruhe begründete seine Entscheidung mit mehreren zentralen Argumenten, die zu einer anderen Bewertung als in der Vorinstanz führten.
Eigentumsbeeinträchtigung klar gegeben
Nach § 1004 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann ein Eigentümer die Beseitigung einer Störung seines Eigentums verlangen. Das OLG stellte fest, dass die Abwasserleitung des Beklagten, die auf das Grundstück des Klägers führt und dort angeschlossen ist, unzweifelhaft eine solche Eigentumsbeeinträchtigung darstellt. Die Leitung selbst gilt rechtlich als Zubehör (§ 97 BGB) des Grundstücks des Beklagten und nicht als wesentlicher Bestandteil des klägerischen Grundstücks. Zudem verstoße die Ableitung auf das Nachbargrundstück gegen § 1 des Nachbarrechtsgesetzes (NRG) Baden-Württemberg. Für die Annahme einer Störung seien konkrete Nachteile für den Kläger nicht zwingend erforderlich.
Keine Pflicht zur Duldung für den Kläger
Entscheidend war die Frage, ob der Kläger gemäß § 1004 Absatz 2 BGB zur Duldung der Leitung verpflichtet war. Dies verneinte das OLG aus folgenden Gründen:
- Keine dingliche Sicherung: Eine sogenannte dingliche Berechtigung, beispielsweise eine Dienstbarkeit (§ 1018 oder § 1090 BGB), die dem Beklagten das Recht gäbe, die Leitung über das fremde Grundstück zu führen, bestand unstreitig nicht. Eine solche Dienstbarkeit ist ein im Grundbuch eingetragenes Recht, ein fremdes Grundstück in einer bestimmten Weise zu nutzen oder bestimmte Handlungen auf dem eigenen Grundstück zu unterlassen. Für ihre Wirksamkeit ist eine Eintragung im Grundbuch erforderlich (§ 873 Abs. 1 BGB), die hier fehlte.
- Kein Notleitungsrecht nach § 7f NRG Baden-Württemberg: Auch die Voraussetzungen des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes für ein Notleitungsrecht (§ 7f NRG BW) lagen nicht vor. Dieses Gesetz erlaubt die Nutzung eines Nachbargrundstücks für Versorgungsleitungen nur unter strengen Voraussetzungen, nämlich wenn der Anschluss an das öffentliche Netz vom eigenen Grundstück aus nur unter erheblichen besonderen Aufwendungen oder technisch unvollkommen möglich wäre. Das Grundstück des Beklagten grenzt jedoch direkt an die öffentliche Straße mit den Versorgungsleitungen und kann somit direkt angeschlossen werden. Entscheidend für die „erheblichen besonderen Aufwendungen“ ist der Vergleich des Aufwands für einen eigenen Anschluss mit anderen „gewöhnlichen“ Fällen im Gebiet, nicht mit den Kosten der (bisherigen) Nutzung des Nachbargrundstücks. Dass der Aufwand für das Grundstück des Beklagten wesentlich höher wäre als für andere Grundstücke in der Straße, wurde vom Beklagten nicht ausreichend dargelegt.
- Keine Duldungspflicht aus Gemeindesatzung: Eine Verpflichtung zur Duldung ergab sich auch nicht aus der Abwassersatzung der Gemeinde I. Die Behauptung des Beklagten, eine Änderung der Leitungsführung sei verboten, wurde nicht näher begründet und war für das Gericht nicht nachvollziehbar. Die Satzung ermöglicht zwar in besonders begründeten Fällen gemeinsame Anschlüsse, es wurde aber nicht dargelegt, dass dies für die betroffenen Grundstücke zwingend vorgeschrieben oder eine Änderung nun untersagt sei.
- Keine Bindung durch frühere schuldrechtliche Vereinbarung: Zwar könnte aus der gemeinsamen Planung und Ausführung der Abwasserführung durch die damaligen Eigentümer (den Kläger und den Bruder des Klägers/Vater des Beklagten) eine stillschweigende (konkludente) Gestattung hervorgegangen sein. Eine solche rein schuldrechtliche Vereinbarung ist eine vertragliche Abmachung, die nicht im Grundbuch eingetragen wird und grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien wirkt. Sie bindet nicht automatisch einen Sonderrechtsnachfolger. Ein Sonderrechtsnachfolger ist jemand, der – wie hier der Beklagte durch den Erwerb des Grundstücks von seinem Vater im Juli 2022 – einen einzelnen Vermögensgegenstand erwirbt, aber nicht die gesamte Rechtsstellung des Vorgängers übernimmt. Der Beklagte ist daher nicht an eine etwaige Gestattung gebunden, die seinem Vater erteilt wurde. Eine Übertragung dieser rein persönlichen Begünstigung auf den Beklagten wurde nicht vorgetragen.
Kein Ausschluss des Anspruchs wegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Das Gericht prüfte auch, ob dem Beseitigungsanspruch des Klägers der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), insbesondere das daraus abgeleitete nachbarliche Rücksichtnahmegebot, entgegenstand. Dieser Grundsatz verpflichtet die Parteien eines Rechtsverhältnisses zu einem fairen und rücksichtsvollen Verhalten und kann in Ausnahmefällen dazu führen, dass die strikte Durchsetzung eines Rechts als unzulässig angesehen wird.
Das OLG betonte, dass das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis zwar gegenseitige Rücksichtnahme erfordere, dies aber eine Ausnahme von den gesetzlichen Regelungen darstelle und nur dann eingreife, wenn ein billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheine.
- Folgen der Grundstücksteilung: Der bloße Umstand, dass Versorgungsanlagen infolge einer Grundstücksteilung auf einem fremden Grundstück liegen und eine rechtliche Absicherung (z.B. durch eine Dienstbarkeit) versäumt wurde, begründet für sich genommen noch keinen Einwand nach § 242 BGB. Wenn der betroffene Eigentümer eine andere Lösung zur Entsorgung seines Abwassers finden kann, muss er diese wählen.
- Alternative Lösung für Beklagten möglich: Nach Überzeugung des Gerichts kann der Beklagte die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks vermeiden, indem er eine eigene Abwasserleitung über sein Grundstück zur Straße führt. Es sei weder ein rechtliches Verbot aus der Abwassersatzung noch ein tatsächliches Hindernis ersichtlich. Der betroffene Bereich auf dem Grundstück des Beklagten sei unbebaut und die Hoffläche niveaugleich mit der Straße. Die vom Beklagten pauschal behaupteten Kosten von „mehreren 10.000 €“ seien zu unpräzise und unbegründet. Ein Beweisantritt hierzu in der Berufungsinstanz mittels Sachverständigengutachten sei als neues Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) unzulässig, da die Voraussetzungen für eine Zulassung nicht vorlagen. Diese Vorschrift beschränkt die Möglichkeit, in der Berufung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen.
- Kein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten: Der Beklagte hatte nicht dargelegt, dass er beim Erwerb seines Grundstücks die konkrete Leitungsführung kannte und auf deren Bestand vertraut hat. Ein etwaiges Vertrauen seines Vaters als Voreigentümer überträgt sich nicht auf ihn.
- Interesse des Klägers an Beseitigung: Zwar erfordert der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB keinen konkreten Nachteil, jedoch erhöht ein tatsächlich eingetretener oder drohender Nachteil das Interesse an der Beseitigung. Der Kläger trägt aufgrund des Niveauunterschieds der Grundstücke das alleinige Risiko von Wasserschäden bei einem Rückstau. Die zusätzliche Einleitung des Abwassers vom Grundstück des Beklagten erhöhe die Gefahr einer Kapazitätsüberschreitung des gemeinsamen Rohres, insbesondere angesichts der zunehmenden Gefahr von Starkregenereignissen.
- Abwägung der Interessen: In der Gesamtabwägung überwog das Interesse des Beklagten an der Beibehaltung der bisherigen Abwasserführung das Beseitigungsinteresse des Klägers nicht so stark, dass die Geltendmachung des Anspruchs als treuwidrig (§ 242 BGB) hätte angesehen werden müssen. Das Gericht verwies auch auf die Wertung des § 7f NRG BW, wonach ein „üblicher“ Aufwand für einen eigenen Anschluss nicht ausreicht, um eine Duldungspflicht zu begründen.
Verjährungseinrede des Beklagten erfolglos
Die vom Beklagten in der Berufungsinstanz erhobene Einrede der Verjährung griff nicht durch. Das OLG hielt sie bereits für unzulässig, da die zugrundeliegenden Tatsachen für den Verjährungsbeginn zwischen den Parteien streitig waren und kein Grund für eine Zulassung dieses neuen Verteidigungsmittels in der Berufung nach § 531 Abs. 2 ZPO vorlag.
Aber auch in der Sache wäre die Einrede unbegründet gewesen: Ging man – dem Vortrag des Beklagten folgend – von einer schuldrechtlichen Gestattung durch die Voreigentümer aus, so entstand der Beseitigungsanspruch des Klägers erst mit dem Wegfall dieser Gestattung. Dies war spätestens mit dem Eigentumsübergang auf den Beklagten im Juli 2022 der Fall. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) war bis zur Klageerhebung im Mai 2024 somit noch nicht abgelaufen.
Anspruch auf Unterlassung und angemessene Umsetzungsfrist
Dem Kläger wurde auch ein Anspruch auf Unterlassung der weiteren Einleitung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zugesprochen, da eine Wiederholungsgefahr offensichtlich ist, solange der Anschluss besteht und keine Duldungspflicht existiert.
Das Gericht gewährte dem Beklagten jedoch eine Umsetzungsfrist bis zum 1. Januar 2026. Eine sofortige Unterlassungsverpflichtung wäre angesichts der notwendigen Umbauarbeiten und unter Berücksichtigung des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots unverhältnismäßig gewesen. Die Frist von rund neun Monaten ab Urteilsverkündung erschien dem Senat als erforderlich und ausreichend, um eine neue Leitungsführung zu realisieren.
Keine Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten wurde abgewiesen. Der Antrag war bereits unzulässig, da er nicht konkret beziffert wurde. Zudem sah das Gericht keine Anspruchsgrundlage, da sich der Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung der klägerischen Prozessbevollmächtigten noch nicht in Verzug befunden hatte.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass selbst langjährig geduldete Abwasserleitungen über Nachbargrundstücke ohne rechtliche Absicherung (insbesondere ohne Grundbucheintrag) nicht dauerhaft Bestand haben müssen. Wenn das Eigentum eines Grundstücks auf einen neuen Eigentümer übergeht, gelten frühere mündliche Vereinbarungen zwischen den Voreigentümern nicht automatisch weiter. Ein Grundstückseigentümer muss eine Beeinträchtigung nur dann dulden, wenn eine klare rechtliche Grundlage besteht – bloße Nachbarschaftshilfe oder historisch gewachsene Lösungen reichen nicht aus, wenn der neue Eigentümer diese nicht mehr akzeptieren möchte.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „dingliche Sicherung“ im Zusammenhang mit Abwasserleitungen und warum ist sie wichtig?
Stellen Sie sich vor, eine Abwasserleitung von Ihrem Grundstück muss über das Grundstück Ihres Nachbarn verlaufen, um an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen zu werden. Damit Sie diese Leitung auch dann noch nutzen dürfen, wenn Ihr Nachbar sein Grundstück verkauft, braucht es eine „dingliche Sicherung“.
Der Begriff „dinglich“ bedeutet, dass ein Recht nicht nur zwischen bestimmten Personen gilt (wie bei einem einfachen Vertrag), sondern dass es direkt am Grundstück selbst haftet oder „dran klebt“. Dieses Recht wird in einem öffentlichen Register, dem Grundbuch, eingetragen. Das Grundbuch weist aus, wem ein Grundstück gehört und welche Rechte oder Lasten darauf liegen.
Für eine Abwasserleitung auf dem Nachbargrundstück wird eine dingliche Sicherung typischerweise durch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch des Nachbargrundstücks erreicht.
Warum ist diese Eintragung so wichtig?
Eine dingliche Sicherung hat eine entscheidende Wirkung, die sie von einer bloßen persönlichen Vereinbarung unterscheidet:
- Bestand bei Eigentümerwechsel: Das im Grundbuch eingetragene Recht zur Nutzung der Abwasserleitung gilt auch für jeden zukünftigen Eigentümer des belasteten Nachbargrundstücks. Wenn Ihr Nachbar sein Grundstück verkauft, ist der neue Eigentümer an die im Grundbuch eingetragene Last gebunden und muss die Leitung und deren Nutzung dulden.
- Rechtssicherheit: Für Sie als Nutzer der Leitung bedeutet dies langfristige Rechtssicherheit. Ihr Anschluss an die Abwasserentsorgung ist unabhängig davon gesichert, wer gerade der Eigentümer des Nachbargrundstücks ist.
Das Risiko ohne dingliche Sicherung
Wenn das Recht, die Abwasserleitung über das Nachbargrundstück zu führen und zu nutzen, nicht im Grundbuch dinglich gesichert ist, besteht meist nur eine persönliche Vereinbarung zwischen Ihnen und dem aktuellen Nachbarn.
Das Problem dabei ist, dass eine solche persönliche Vereinbarung grundsätzlich nur zwischen den beiden Vertragsparteien gilt. Verkauft der Nachbar sein Grundstück, ist der neue Eigentümer an diese alte, rein persönliche Vereinbarung nicht gebunden. Er könnte sich weigern, die Leitung zu dulden, und unter Umständen deren Entfernung verlangen.
Ohne dingliche Sicherung im Grundbuch besteht also ein erhebliches Risiko, dass das Recht zur Nutzung der Abwasserleitung über das Nachbargrundstück bei einem Eigentümerwechsel verloren geht. Die dingliche Sicherung ist daher unerlässlich, um solche wichtigen Infrastrukturen langfristig und sicher zu gestalten.
Welche Rolle spielt eine mündliche oder vertragliche Vereinbarung zwischen früheren Eigentümern bei der Nutzung einer Abwasserleitung durch den Nachbarn?
Wenn frühere Eigentümer zweier Grundstücke eine Vereinbarung getroffen haben, zum Beispiel dass eine Abwasserleitung über das Grundstück des einen verläuft, hat diese Vereinbarung in der Regel Auswirkungen auf die damaligen Vertragspartner.
Für neue Eigentümer, die das Grundstück später kaufen, ist die rechtliche Situation anders. Eine solche mündliche oder schriftliche Vereinbarung zwischen den früheren Eigentümern geht grundsätzlich nicht automatisch auf die neuen Eigentümer über. Das bedeutet, der neue Eigentümer ist durch diese alte Absprache in der Regel nicht gebunden.
Das deutsche Recht legt großen Wert auf das Grundbuch. Das Grundbuch ist wie ein öffentliches Register, in dem wichtige Rechte an Grundstücken eingetragen sind. Rechte, die auch für spätere Eigentümer gelten sollen – wie zum Beispiel das Recht, eine Leitung über ein Nachbargrundstück zu führen (eine sogenannte Dienstbarkeit oder Grunddienstbarkeit) – müssen im Grundbuch eingetragen werden, um Bestand zu haben.
Warum alte Absprachen meist nicht binden
Eine Vereinbarung, die nicht im Grundbuch eingetragen ist, entfaltet ihre Wirkung hauptsächlich nur zwischen den Personen, die sie damals getroffen haben. Wenn einer der Vertragspartner sein Grundstück verkauft, ist der neue Eigentümer in der Regel nicht verpflichtet, eine solche alte, nicht im Grundbuch verankerte Vereinbarung zu dulden.
Für Sie als neuen Eigentümer bedeutet das: Eine freundschaftliche Absprache oder ein Vertrag „unter der Hand“ zwischen den früheren Nachbarn, der nicht im Grundbuch steht, begründet grundsätzlich kein Recht für den jetzigen Nachbarn, Ihre Abwasserleitung weiterhin über Ihr Grundstück laufen zu lassen oder umgekehrt. Solche Absprachen haben oft eine moralische, aber in der Regel keine rechtlich bindende Wirkung für die Nachfolger im Eigentum.
Damit ein Recht zur Leitungsführung über ein fremdes Grundstück auch für künftige Eigentümer gilt, muss dieses Recht in der dafür vorgesehenen Form im Grundbuch eingetragen sein. Nur dann spricht man von einem sogenannten „dinglichen“ Recht, das untrennbar mit dem Grundstück verbunden ist und jeden jeweiligen Eigentümer bindet.
Was bedeutet „Duldungspflicht“ gemäß § 1004 Absatz 2 BGB und unter welchen Umständen kann ein Grundstückseigentümer zur Duldung einer Abwasserleitung auf seinem Grundstück verpflichtet sein?
Als Grundstückseigentümer haben Sie grundsätzlich das Recht, Beeinträchtigungen Ihres Eigentums zu untersagen und deren Beseitigung zu verlangen. Dieses Recht ist in § 1004 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert.
§ 1004 Absatz 2 BGB nennt jedoch eine wichtige Einschränkung dieses Rechts: Der Eigentümer kann die Beseitigung einer Beeinträchtigung, wie beispielsweise einer auf seinem Grundstück verlegten Abwasserleitung, nicht verlangen, wenn er zur Duldung verpflichtet ist.
Duldungspflicht bedeutet demnach, dass Sie als Eigentümer rechtlich dazu gezwungen sind, eine bestimmte Nutzung oder Beeinträchtigung Ihres Grundstücks durch andere hinzunehmen, auch wenn Sie damit eigentlich nicht einverstanden wären.
Eine solche Duldungspflicht entsteht nicht automatisch. Sie muss auf einer rechtlichen Grundlage beruhen. Die wichtigsten Umstände, unter denen ein Grundstückseigentümer zur Duldung einer Abwasserleitung auf seinem Grundstück verpflichtet sein kann, sind:
Duldungspflicht durch Gesetz
Bestimmte Gesetze verpflichten Grundstückseigentümer direkt dazu, Leitungen für die allgemeine Versorgung (wie Wasser, Abwasser, Strom, Gas) auf ihrem Grund zu dulden. Solche Pflichten können sich beispielsweise aus speziellen Landesgesetzen (wie z.B. Nachbarrechtsgesetzen) oder aus energiewirtschaftlichen Vorschriften ergeben. Diese Gesetze regeln oft auch Details wie Entschädigung oder das Recht des Leitungsbetreibers, das Grundstück zur Wartung zu betreten.
Duldungspflicht durch Vereinbarung (Grunddienstbarkeit)
Sehr häufig entsteht eine Duldungspflicht durch eine frühere vertragliche Vereinbarung. Stellen Sie sich vor, der frühere Eigentümer Ihres Grundstücks hat mit dem Nachbarn oder dem Betreiber der Abwasserleitung eine Vereinbarung getroffen. Damit diese Vereinbarung auch für Sie als neuen Eigentümer bindend ist, muss das Recht, die Leitung auf dem Grundstück zu haben, in der Regel als sogenannte Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen sein. Eine Grunddienstbarkeit ist ein Recht, das auf Ihrem Grundstück lastet und typischerweise einem anderen Grundstück (z.B. dem des Nachbarn) oder einem Versorgungsunternehmen zugutekommt. Sie steht im Grundbuch und ist damit für jeden, der das Grundstück erwirbt, sichtbar und bindend.
Duldungspflicht durch altrechtliche Verhältnisse oder Ersitzung
In seltenen Fällen können Duldungspflichten auch aus sehr alten Rechten stammen oder durch langjährige, ununterbrochene Nutzung unter bestimmten Voraussetzungen (sogenannte „Ersitzung“) entstanden sein. Die Voraussetzungen hierfür sind oft komplex und schwer nachzuweisen.
Wenn ein Gericht, wie in dem von Ihnen genannten Fall, eine Klage auf Beseitigung einer Abwasserleitung unter Verweis auf § 1004 Absatz 2 BGB abweist, bedeutet dies, dass das Gericht festgestellt hat, dass eine der genannten rechtlichen Grundlagen für eine Duldungspflicht vorliegt und Sie die Leitung daher auf Ihrem Grundstück dulden müssen. Es zeigt, dass eine Duldungspflicht keine Selbstverständlichkeit ist, sondern immer einer spezifischen rechtlichen Begründung bedarf.
Welche Möglichkeiten hat ein Grundstückseigentümer, sich gegen eine unerwünschte Abwasserleitung des Nachbarn auf seinem Grundstück zu wehren?
Wenn eine Abwasserleitung des Nachbarn ohne Ihre Zustimmung über Ihr Grundstück verläuft, stellt dies grundsätzlich eine Beeinträchtigung Ihres Eigentums dar. Das deutsche Recht schützt das Eigentum und gibt dem Eigentümer verschiedene Möglichkeiten, sich gegen solche Störungen zu wehren.
Ein zentraler Gedanke dabei ist, dass Sie als Eigentümer das Recht haben, andere von der Nutzung oder Beeinträchtigung Ihres Grundstücks auszuschließen. Verläuft eine Leitung darüber, ohne dass dies rechtlich gesichert ist (zum Beispiel durch eine Grunddienstbarkeit oder ein ähnliches Recht), dann liegt eine solche Beeinträchtigung vor.
Rechtliche Schritte gegen die Beeinträchtigung
Eine der wichtigsten rechtlichen Grundlagen, auf die sich Grundstückseigentümer in solchen Fällen stützen können, ist der sogenannte Beseitigungsanspruch nach § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Vereinfacht gesagt bedeutet dies: Wenn Ihr Eigentum auf andere Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird (hier durch die Leitung des Nachbarn), können Sie vom Störer – also dem Nachbarn – verlangen, dass er die Störung beseitigt. Im Fall einer Abwasserleitung bedeutet dies, dass der Nachbar die Leitung von Ihrem Grundstück entfernen muss.
Neben dem Beseitigungsanspruch kann unter Umständen auch ein Unterlassungsanspruch relevant sein. Dieser zielt darauf ab, zukünftige oder wiederholte Beeinträchtigungen zu verhindern. Wenn also die Gefahr besteht, dass der Nachbar die Leitung erneut verlegt oder in anderer Weise Ihr Grundstück beeinträchtigt, können Sie verlangen, dass er dies unterlässt.
Diese Ansprüche bestehen, wenn die Beeinträchtigung Ihres Eigentums widerrechtlich ist. Das ist der Fall, wenn keine rechtliche Grundlage für die Leitung auf Ihrem Grundstück existiert, wie zum Beispiel eine Vereinbarung (Duldungspflicht) oder ein im Grundbuch eingetragenes Recht für den Nachbarn (eine sogenannte Dienstbarkeit).
Der Weg zur Klärung
Oft ist es hilfreich, wenn Sie zunächst das Gespräch mit Ihrem Nachbarn suchen. Manchmal lässt sich eine Situation durch offene Kommunikation klären und eine einvernehmliche Lösung finden, die für beide Seiten akzeptabel ist. Dies kann Zeit, Nerven und Kosten sparen.
Sollte eine außergerichtliche Klärung nicht möglich sein oder der Nachbar sich weigern, die Beeinträchtigung zu beseitigen, kann es notwendig werden, die genannten Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Dies geschieht durch die Einleitung eines entsprechenden gerichtlichen Verfahrens. In diesem Rahmen prüft das Gericht die Sachlage und entscheidet, ob die Ansprüche des Grundstückseigentümers auf Beseitigung und/oder Unterlassung bestehen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass diese rechtlichen Möglichkeiten bestehen, um Ihr Eigentum zu schützen. Die konkreten Schritte und Erfolgsaussichten hängen jedoch immer von den genauen Umständen des Einzelfalls ab.
Welche Konsequenzen hat es, wenn eine Abwasserleitung auf einem fremden Grundstück zu Rückstaus und Schäden führt?
Stellen Sie sich vor, eine Abwasserleitung, die von einem anderen Grundstück kommt, verursacht auf Ihrem Grundstück einen Rückstau und dadurch Schäden. In solchen Fällen stellt sich die Frage, wer für diese Schäden verantwortlich ist.
Grundsätzlich kann der Eigentümer des Grundstücks, von dem die schadensverursachende Leitung ausgeht, für die entstandenen Schäden haftbar gemacht werden. Das bedeutet, er muss unter Umständen für die Kosten der Reparatur oder Beseitigung der Schäden aufkommen.
Wann kann der Eigentümer der Leitung haftbar sein?
Die Haftung des Leitungseigentümers kommt vor allem in Betracht, wenn der Rückstau und die Schäden auf folgende Ursachen zurückzuführen sind:
- Widerrechtliche Nutzung der Leitung: Dies kann der Fall sein, wenn die Leitung ohne die erforderliche Zustimmung oder entgegen bestehenden Vereinbarungen auf dem fremden Grundstück liegt oder genutzt wird.
- Verletzung von Instandhaltungspflichten: Jeder Eigentümer einer Leitung ist grundsätzlich dafür verantwortlich, dass diese ordnungsgemäß funktioniert und gewartet wird. Wenn der Rückstau entsteht, weil die Leitung nicht gereinigt, repariert oder geprüft wurde, obwohl dies notwendig gewesen wäre, kann dies zu einer Haftung führen. Es geht darum, dass der Eigentümer die notwendige Sorgfalt walten lässt, um Schäden zu vermeiden.
Für Sie bedeutet das: Wenn eine Leitung von einem Nachbargrundstück Schäden auf Ihrem Grundstück verursacht, ist es wichtig zu prüfen, ob der Nachbar seine Pflichten in Bezug auf diese Leitung verletzt hat oder die Leitung nicht rechtmäßig auf Ihrem Grund liegt.
Die Herausforderung der Beweislast
Ein wesentlicher Punkt in solchen Fällen ist, wer beweisen muss, dass der Rückstau durch die Leitung des Nachbarn verursacht wurde. Im Allgemeinen liegt die Beweislast beim Geschädigten. Das bedeutet, dass Sie als Eigentümer des geschädigten Grundstücks darlegen und beweisen müssen, dass:
- Es zu einem Rückstau und dadurch zu Schäden auf Ihrem Grundstück gekommen ist.
- Dieser Rückstau und die Schäden direkt auf die Abwasserleitung zurückzuführen sind, die vom Nachbargrundstück kommt.
- Die Ursache für den Rückstau in der Verantwortung des Nachbarn liegt, zum Beispiel durch mangelnde Instandhaltung oder widerrechtliche Nutzung der Leitung.
Diesen Nachweis zu führen, kann manchmal schwierig sein, da die Ursache eines Rückstaus komplex sein und viele Faktoren eine Rolle spielen können (z.B. Zustand der eigenen Leitungen, öffentliches Abwassernetz, Wetterereignisse). Es geht darum, den genauen Zusammenhang zwischen der Leitung des Nachbarn, dem Rückstau und Ihrem Schaden klar darzulegen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Dingliche Sicherung
Eine dingliche Sicherung ist ein Recht an einem Grundstück, das untrennbar mit diesem Grundstück verbunden ist und im Grundbuch eingetragen wird. Dadurch bleibt das Recht bestehen, auch wenn das Grundstück verkauft wird, und bindet jeden neuen Eigentümer. Bei einer Abwasserleitung bedeutet das beispielsweise, dass der Eigentümer des Nachbargrundstücks verpflichtet ist, diese Leitung dauerhaft zu dulden. Fehlt eine solche dingliche Sicherung, basiert eine Leitungsnutzung meist nur auf einer persönlichen Vereinbarung, die bei Eigentümerwechsel verloren gehen kann. Rechtsgrundlage für die Eintragung dinglicher Rechte ist § 873 BGB.
Grunddienstbarkeit
Eine Grunddienstbarkeit ist ein beschränktes dingliches Recht, das einem Grundstück (dem dienenden Grundstück) besondere Nutzungen zugunsten eines anderen Grundstücks (dem herrschenden Grundstück) erlaubt. Beispielsweise kann dabei das Recht bestehen, eine Abwasserleitung über das Nachbargrundstück zu führen. Diese Dienstbarkeit wird im Grundbuch eingetragen und bindet somit auch zukünftige Eigentümer. Sie stellt sicher, dass der Begünstigte die Dienstbarkeit dauerhaft nutzen kann. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in §§ 1018 ff. BGB.
Duldungspflicht gemäß § 1004 Absatz 2 BGB
Die Duldungspflicht bedeutet, dass ein Eigentümer eine Beeinträchtigung seines Grundstücks rechtlich hinnehmen muss, wenn er hierzu verpflichtet ist. Nach § 1004 Abs. 2 BGB kann der Eigentümer die Beseitigung einer Störung nicht verlangen, wenn eine solche Duldungspflicht besteht. Diese Verpflichtung kann sich aus Gesetz, einer im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit oder einer sonstigen rechtlichen Grundlage ergeben. Ohne eine Duldungspflicht darf der Eigentümer Eingriffe, wie das Verlegen einer Abwasserleitung auf seinem Grundstück, untersagen.
Nachbarrechtsgesetz (NRG) Baden-Württemberg, insbesondere § 7f NRG BW
Das Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg regelt unter anderem die Befugnisse und Pflichten von Nachbarn bei der Benutzung benachbarter Grundstücke. § 7f NRG BW erlaubt es, unter bestimmten Voraussetzungen Leitungen zur Versorgung oder Entsorgung über Grundstücke von Nachbarn zu führen (sogenanntes Notleitungsrecht). Voraussetzung ist, dass ein Anschluss an das öffentliche Netz vom eigenen Grundstück aus nur mit erheblichen besonderen Aufwendungen oder technisch unvollkommen möglich wäre. Dieses Gesetz begrenzt also die Pflicht zur Duldung und soll eine angemessene Nutzung der Grundstücke sicherstellen.
Beseitigungsanspruch nach § 1004 Absatz 1 BGB
Der Beseitigungsanspruch gibt einem Grundstückseigentümer das Recht, die Entfernung einer unzulässigen Eigentumsbeeinträchtigung zu verlangen. Nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer von dem Störer (also dem Verursacher der Beeinträchtigung) die Beseitigung verlangen, wenn sein Eigentum durch eine Beeinträchtigung gestört wird. Diese Störung muss nicht zwangsläufig einen Schaden verursachen; bereits die Einschränkung der Eigentumsfreiheit genügt. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger deshalb verlangen, dass die Abwasserleitung entfernt wird, da keine rechtliche Grundlage für ihre Führung auf seinem Grundstück existierte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Gewährt dem Eigentümer das Recht, die Beseitigung einer Eigentumsbeeinträchtigung zu verlangen, wenn sein Eigentum durch eine fremde Handlung oder Einrichtung beeinträchtigt wird. Dies betrifft auch nichtsubstanzielle Beeinträchtigungen, die die Nutzung des Grundstücks stören. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG erkannte in der Abwasserleitung auf dem Grundstück des Klägers eine solche Eigentumsbeeinträchtigung und bestätigte den Anspruch auf deren Beseitigung.
- § 1004 Absatz 2 BGB: Regelt die Duldungspflicht, wonach ein Eigentümer Beeinträchtigungen dulden muss, wenn er rechtlich hierzu verpflichtet ist, etwa durch Dienstbarkeiten oder sonstige Rechtsgrundlagen. Ohne eine derartige Pflicht besteht keine Duldungsverpflichtung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG verneinte eine Duldungspflicht des Klägers, da weder eine dingliche Dienstbarkeit noch sonstige rechtliche Verpflichtungen – etwa durch eine Satzung oder ein Notleitungsrecht – bestanden.
- §§ 873 Abs. 1, 1018, 1090 BGB (Dienstbarkeiten): Bestimmen, dass Dienstbarkeiten an Grundstücken nur durch Einigung und Eintragung im Grundbuch wirksam entstehen und Dritte binden. Dienstbarkeiten erlauben die Nutzung fremder Grundstücke in bestimmter Weise. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da keine Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen war, konnte der Beklagte keine dingliche Berechtigung zur Abwasserleitung über das Nachbargrundstück geltend machen.
- § 7f Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg (NRG BW): Ermöglicht unter engen Voraussetzungen ein Notleitungsrecht, wenn die Anbindung an die öffentliche Versorgung vom eigenen Grundstück aus mit erheblichen besonderen Aufwendungen verbunden ist. Dabei ist der Aufwand ins Verhältnis zu Vergleichsfällen zu setzen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG stellte fest, dass der Beklagte direkten Zugang zu den öffentlichen Leitungen hat und keine besonderen, außergewöhnlichen Aufwendungen für eine eigene Leitung nachweisen konnte, sodass kein Notleitungsrecht besteht.
- § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben): Verlangt von den Parteien eines Rechtsverhältnisses ein redliches, rücksichtsvolles Verhalten und kann in Ausnahmefällen die strikte Rechtsausübung einschränken, wenn dies mit den Grundsätzen von Fairness und Vertrauensschutz unvereinbar wäre. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bejahte keine Ausnahme vom gesetzlichen Rechtsschutz des Klägers, da kein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten bestand und die Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausfiel.
- § 531 Abs. 2 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelt die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz, um Verfahren nicht unnötig zu verlängern oder zu beeinträchtigen. Nachträgliche Beweisantritte sind eingeschränkt zulässig. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG wies den späten Beweisantritt des Beklagten zu den Kosten einer eigenen Leitung als unzulässig ab, was die Berufungssituation beeinflusste.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 130/24 – Urteil vom 06.03.2025
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