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Verkehrssicherungs­pflicht Schwimmbadbetreiber – Rutschsicherheit Nassbereich

AG Bad Urach – Az.: 1 C 169/17 – Urteil vom 20.09.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert: bis 4.000,- €

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Schadensersatz, weil sie im Thermalschwimmbad der Beklagten am 21.09.2016 gestürzt ist, als sie barfuß von der Dusche zu den Umkleidekabinen unterwegs war.

Die Klägerin trägt vor, ihr seien während der Wassergymnastik die Badeschuhe entwendet worden. Der Weg zu den Umkleidekabinen sei feucht gewesen und es hätten sich kleine Pfützen gebildet, so dass sie ausgerutscht sei. Sie habe sich dabei eine Knochenaufsplitterung, einen Innenbandabriss sowie schwere Prellungen und Zerrungen am linken Knie zugezogen und sei bis 31.12.2016 krankgeschrieben gewesen. Das habe die weit fortgeschrittene Ausheilungsphase nach ihrer Knieoperation vom April 2016 deutlich verlängert. Sie habe wochenlang Schmerzmittel nehmen und ärztliche Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen. Die Behandlung sei nicht abgeschlossen. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, nicht für einen ausreichend rutschfesten Boden gesorgt zu haben, wie das insbesondere in medizinischen Bädern geboten sei. Die Beklagte habe außerdem Matten auslegen bzw. die Besucher zum Tragen von Badeschuhen verpflichten müssen. Die Klägerin hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,- € für angemessen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, sowie Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2017 zu bezahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 21.09.2016 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Boden an der Unfallstelle sei allenfalls feucht gewesen, ohne dass sich Pfützen gebildet hätten. Die Badebesucher würden stets durch große aufstellte Schilder vor der Rutschgefahr gewarnt. Der Boden, ein Epoxidharzbelag der Klasse R 11 gemäß DIN 51130, entspreche den üblichen Anforderungen an ein öffentliches Schwimmbad gemäß dem einschlägigen Merkblatt des Gemeindeunfallversicherungsverbandes. Die Beklagte führt den Unfall der Klägerin auf Umstände aus deren eigenen Verantwortungsbereich zurück, nämlich die zuvor erfolgte Knieoperation, die fehlenden Badeschuhe und nicht ausreichende Vorsicht, obwohl die Rutschgefahr bewusst gewesen sein müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und auf das Protokoll des Verhandlungstermins vom 30.08.2017 verwiesen, der als Ortstermin im Bad der Beklagten durchgeführt wurde. Zu den Feststellungen vor Ort wird ebenfalls auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Verkehrssicherungspflicht Schwimmbadbetreiber - Rutschsicherheit Nassbereich
(Symbolfoto: Von Kekyalyaynen/Shutterstock.com)

Die Beklagte konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten als Betreiberin des Thermalbades B. oder ihre Nebenpflichten aus dem Nutzungsvertrag mit der Klägerin verletzt hat, so dass die Beklagte der Klägerin schon dem Grunde nach nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist. Der Streit der Parteien um die gesundheitlichen Folgen des Sturzes für die Klägerin und deren Ursache kann daher offen bleiben.

a) Nach ständiger Rechtsprechung muss der Betreiber eines öffentlichen Hallenbades nicht vor allen Gefahren schützen, die einem Badegast drohen können, sondern nur vor solchen, die das übliche Risiko der Badbenutzung überschreiten oder die nicht ohne weiteres erkennbar sind. Vor offensichtlichen Gefahren muss nicht gewarnt werden und auch nicht vor sehr geringen, unwahrscheinlichen Gefahren (vgl. zusammenfassend OLG Stuttgart v. 28.07.1998, Az. 10 U 90/96, OLGR Stuttgart 1998, 328 ff. mit zahlreichen Nachweisen, s.a. BGH, U. v. 21.03.2000, Az. VI ZR 158/99, NJW 2000, 1946). Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 S. 2 BGB) umfasst nicht jede denkmögliche Sicherheitsmaßnahme, um die in Schwimmbädern an vielen Stellen drohenden Gefahren auszuschließen (BGH, U. v. 03.02.2004, Az. VI ZR 95/03, NJW 2004, 1449). Vielmehr muss sich der Badbenutzer auf Glätte durch Spritz- und Tropfwasser und auf Pfützen einstellen (OLG Hamm, U. v. 23.02.1989, Az. 6 U 2/88; OLG Frankfurt/M., U. v. 03.09.2001, Az. 16 U 195/00, RRa 2001, 243 ff.). Warnschilder vor Rutschgefahr in Nassbereichen oder Bereichen, die von Nass- zu Trockenbereichen führen und erfahrungsgemäß immer wieder nass werden, sind daher nicht erforderlich. Denn die Gefahr durch feuchte Stellen und etwaige Pfützen sind in solchen Bereichen üblich und können aller Erfahrung nach von den Badegästen selbst beherrscht werden.

b) Letzteres gilt auch für die Unfallstelle der Klägerin. Die Besichtigung im Ortstermin hat gezeigt, dass die Klägerin unweit der Duschen im Hauptgang zu den Umkleidekabinen gestürzt ist, wo mit Nässe, die von anderen Badegästen aus dem Nassbereich getragen wird, ständig zu rechnen ist, egal ob es sich um einzelne Tropfen oder Spritzer oder um kleinere Pfützen handelt.

c) Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, Antirutschmatten oder die Benutzung von Badeschuhen vorzuschreiben. Denn Antirutschmatten sind, was allgemein bekannt ist, unter hygienischen Gesichtspunkten zweischneidig und die Ränder stellen ihrerseits Gefahrenstellen dar. Es ist nicht ersichtlich oder nachgewiesen, dass solche Matten in einem Thermalbad zum Stand der üblichen Sicherheit gehören. Das Bad der Beklagten ist kein auf gehandicaptes oder pflegebedürftiges Publikum ausgelegtes medizinisches Bad, auch wenn der ältere Besucherkreis und die Patienten der benachbarten Rehabilitationsklinik überwiegen. Ob eine Badeschuhpflicht einen Sicherheitsgewinn darstellen würde, kann offen bleiben, denn sie hätte der Klägerin nichts genutzt. Eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten wäre für den Unfall der Klägerin nicht ursächlich. Denn diese hatte nach ihren Angaben Badeschuhe ins Bad mitgebracht, aber auf dem Rückweg zur Kabine nicht zur Verfügung, ohne dass eine Badeschuhpflicht daran etwas hätte ändern können.

e) Freilich muss der Betreiber eines Hallenbades alle ihm zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen treffen, insbesondere durch bauliche Maßnahme. Dazu gehört es, ausreichende rutschfeste Fliesen zu verlegen und die üblichen Reinigungsarbeiten vornehmen lassen (OLG Stuttgart a.a.O. sowie OLG Frankfurt/M., U. v. 17.06.1992, Az. 12 U 185/91, OLGR Frankfurt 1992, 119). Dass die Beklagte nicht ausreichend gereinigt habe, behauptet die Klägerin ebenso wenig wie dass Schmutzspuren o.ä. auf dergleichen hingewiesen hätten.

Für die nötige Rutschsicherheit ergibt sich der technische Standard aus dem Merkblatt Bodenbeläge des Deutschen Gemeindeunfallversicherungsverbandes, den die Beklagte auszugsweise vorgelegt hat und der auf der Homepage des Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (www.dguv.de/publikationen) in der Ausgabe vom Juni 2015 eingesehen werden kann. Im Abschnitt 3.1 des Merkblatts sind in nassbelasteten Barfußbereichen nutzungsgerechte Bodenbeläge zu verwenden, die in unterschiedliche Bewertungsgruppen eingeteilt sind. Für Barfußgänge und Sanitärbereiche, die weitgehend trocken sind, und für Umkleideräume gilt die Bewertungsgruppe A, die bis zu einem Neigungswinkel von 12° ausreichend rutschfest sein muss. Für Barfußgänge, Sanitärbereiche außerhalb der genannten Räume, insbesondere Duschräume und Beckenumgänge bzw. Beckenböden sind Böden nach Bewertungsgruppe B zu verwenden, die mit einem Mindestneigungswinkel von 18° getestet werden. Danach sind für den vorliegenden Barfußgang von den Duschen zu den Umkleidekabinen die Anforderungen nach Bewertungsgruppe A einschlägig.

Der von der Beklagten an der Unfallstelle und im Umkleidebereich verlegte Boden weist nach den von der Beklagtenseite vorgelegten Unterlagen (Anl. B 3 zur Klageerwiderung) eine rutschfeste Ausführung „ca. R 11“ auf und liegt damit eine Rutschfestigkeitsklasse über den gestellten Anforderungen, denn die Rutschsicherheitsklasse R 11 nach DIN 51130 gewährleistet ausreichende Rutschsicherheit noch im Bereich von 18 bis 27° Neigung (Anl. B 7 der Klageerwiderung, Auszug aus Wikipedia „Rutschsicherheit“). Das Gericht ist nach der Anhörung der Geschäftsführerin der Beklagten überzeugt, dass dieser Boden tatsächlich so ausgeführt ist und die im Rechtsstreit vorgelegten Rechnungen nicht nur zum Schein ausgestellt und eingereicht wurden. Die Geschäftsführerin der Beklagten hat im Termin einen sehr sachlichen und um Aufklärung bemühten Eindruck gemacht und alle Fragen überzeugend beantwortet. Dass die Klägerin trotzdem gestürzt ist, ist kein Indiz dafür, dass der Boden nicht ausreichend rutschfest oder im Lauf der Zeit abgenutzt ist und zwingt nicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, denn für den Sturz kommen andere, im Verantwortungsbereich der Klägerin liegende Ursachen in Betracht. Wenn überhaupt von einem Anscheinsbeweis ausgegangen werden könnte, so spricht im Gegenteil die Tatsache, dass das Thermalbad B. jährlich von tausenden von Besuchern, die zum allergrößten Teil gerade diesen Bereich der Unfallstelle passieren müssen, unfallfrei benutzt werden kann, dafür, dass der Boden sicher genug ist und die Beklagte ihren Schutzpflichten genügt hat. Hinzu kommt, dass das Gericht den Boden an der Unfallstelle in Augenschein genommen hat und feststellen konnte, dass die Oberfläche keineswegs glatt ist, sondern eine körnige und aufgeraute Struktur aufweist. Ohne irgendwelche zusätzlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Boden vom technischen Standard abweicht, zwingt die bloße Behauptung der Klägerin, der Boden sei ungeeignet – auch in Verbindung mit dem unstreitigen Sturz -, nicht zu weiterer Aufklärung.

Dies gilt auch unter einem weiteren Gesichtspunkt: Selbst wenn unterstellt würde, der verlegte Boden weise trotz entsprechender Beauftragung und Rechnungsstellung die dort bescheinigte Rutschfestigkeit nicht auf, so fehlte es am nötigen Verschulden der Beklagten. Denn diese darf sich darauf verlassen, dass die beauftragten Fachleute, nämlich Architekt und Fachunternehmen (Fa. Fußboden Haag), den Boden entsprechend den anerkannten Sicherheitsstandards beauftragt, verlegt und kontrolliert haben, wenn die Rechnung dies so ausweist. Die Abnahme von einer externen Überprüfung – z.B. durch externen TÜV-Gutachter – abhängig zu machen, ist einem Schwimmbadbetreiber nicht zuzumuten.

Schließlich scheidet eine Haftung der Beklagte auch wegen überwiegender Eigenverantwortung nach § 254 Abs. 1 BGB aus: Selbst wenn eine Verkehrssicherungspflichtverletzung und ein (geringes) Organisationsverschulden der Beklagten unterstellt würde, so ist der Unfall offensichtlich überwiegend durch Umstände aus dem eigenen Risikobereich der Klägerin (mit-) verursacht, nämlich eine eingeschränkte Gangsicherheit infolge einer ausheilenden Knieverletzung (wegen der die Klägerin überhaupt das Bad aufgesucht hat) in Verbindung mit dem Körperbau und Gewicht der Klägerin, den fehlenden Badeschuhen, die die Klägerin selbst für nötig erachtet hat, und der offenbaren momentanen Unaufmerksamkeit. Diese ergibt sich für das Gericht daraus, dass die Klägerin im Ortstermin selbst nicht mehr angeben konnte, wie es genau zum Unfall gekommen ist.

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.

 

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