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Verkehrsunfall – Beweislast für Wiederbeschaffungsaufwand

AG Oberhausen – Az.: 31 C 137/16 – Urteil vom 04.01.2017

Das Versäumnisurteil vom 03.08.2016 wird aufrechterhalten.

Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Am 02.10.2015 fuhr der Beklagte zu 1) mit dem von ihm gehaltenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug auf der BAB A3 in Fahrtrichtung Arnheim, aus Unachtsamkeit im stockenden Verkehr auf das Fahrzeug der Klägerin auf.

Der von der Klägerin beauftragte Privatsachverständige Z ermittelte einen Wiederbeschaffungswert (differenzbesteuert) von 11.500,00 €, eine Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen und einen Nutzungsausfall pro Tag von 38,00 €. Die Beklagte zu 2) regulierte den von der Klägerin ihr gegenüber geltend gemachten Wiederbeschaffungssaufwand, ausgehend von dem im Privatgutachten ermittelten Wiederbeschaffungswert, in Höhe von 4.632,50 € abzüglich eines Betrages von 2.200,00 €.

Neben diesen 2.200,00 € verlangt die Klägerin mit der vorliegenden Klage Nutzungsausfall für die im Gutachten angegebene Wiederbeschaffungsdauer in Höhe von insgesamt 532,00 € sowie pauschale Ab- und Anmeldekosten eines Ersatzfahrzeugs in Höhe von 80,00 €. Sie behauptet, der Wiederbeschaffungswert sei im Gutachten des Sachverständigen Z zutreffend ermittelt worden.

Nachdem ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vom 03.08.2016 nicht verhandelt hat, ist gegen die Klägerin ein Versäumnisurteil ergangen. Das Versäumnisurteil ist der Klägerin am 15.08.2016 zugestellt worden; mit Schriftsatz vom 23.08.2016, bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, hat die Klägerin Einspruch eingelegt.

Nunmehr beantragt die Klägerin, das Versäumnisurteil vom 03.08.2016 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 2.812,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, das Versäumnisurteil vom 03.08.2016 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagten behaupten, das Fahrzeug der Klägerin sei in erheblichem Umfang vorgeschädigt und sein Tachostand manipuliert gewesen. So lasse sich dem Gutachten des Privatsachverständigen K vom 04.03.2015 entnehmen, dass das Fahrzeug am 27.02.2015 einen Totalschaden erlitten und eine Laufleistung von 54.011 km aufgewiesen habe.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist, nachdem der Prozess durch den zulässigen Einspruch gemäß § 342 ZPO in die Lage vor Eintritt der Säumnis der Klägerin zurückversetzt wurde, zulässig und begründet. Der Einspruch ist gegen das echte Versäumnisurteil nach § 338 ZPO statthaft, ferner form- und fristgerecht bei Gericht eingegangen, §§ 339 Abs. 1, 340 Abs. 1 ZPO.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz in Höhe von 2.812,00 € aus §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 BGB, § 115 VVG.

1.

Dass der Klägerin infolge des Verkehrsunfalls ein weiterer Schaden in Höhe von 2.200,00 € entstanden ist, hat die Klägerin nicht dargelegt und bewiesen. Für die Höhe des Wiederbeschaffungswertes als anspruchsbegründendem Umstand ist die Klägerin nach allgemeinen Regeln darlegungs- und beweisbelastet. Der Wiederbeschaffungswert orientiert sich unter anderem auch an der Laufleistung und dem Vorhandensein von Vorschäden. Nachdem die Beklagten substantiiert zu möglichen Vorschäden und einer Tachomanipulation vorgetragen haben, hat sich die anwaltlich vertretene Klägerin dazu trotz eines entsprechenden Hinweises der gegnerischen Partei und des Gerichts nicht erklärt.

Bei Vorschäden sind sowohl der Umfang des wertbestimmenden Vorschadens wie auch seine Reparatur genau darzulegen. Hier hat sich die Klägerin nur insofern zu Vorschäden erklärt, als sich dazu Angaben in dem von Klägerseite vorgelegten Privatgutachten finden. Weder für diese (von ihr behauptete) geringere Vorschädigung, noch den im Privatgutachten ausgewiesenen Tachostand von 39.192 km hat die Klägerin Beweis angeboten.

Der Geschädigte muss zwar nicht stets darlegen und beweisen, dass Vorschäden nicht vorhanden waren. Konkreten Vortrag der Gegenseite oder ernsthaften Anhaltspunkte für Vorschäden muss er jedoch ausräumen, weil ihn die Darlegungs- und Beweislast für einen unfallursächlichen Schaden bzw. die vorherige Schadensfreiheit seines Fahrzeugs trifft. Der Umstand, dass der Klägerin als Käuferin eines Gebrauchtwagens ein Vorschaden oder der Umfang eines Vorschadens nicht bekannt gewesen ist, fällt nicht in den Risiko- und Verantwortungsbereich des Beklagten und vermag nicht die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu verschieben (KG Berlin, Urteil vom 27.08.2015 – 22 U 152/14 –, juris, Rn. 39).

Eine Schätzung gemäß § 287 ZPO war dem Gericht auf dieser Grundlage nicht möglich.

2.

Ein Ersatz fiktiven Nutzungsausfalls kommt nicht in Betracht. Im Gegensatz zum Sachschaden, den der Geschädigte im Hinblick auf seine Dispositionsfreiheit auch fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnen darf, kann er Ersatz für Nutzungsausfall nur verlangen, wenn und soweit ihm der Nutzungsausfall auch tatsächlich entstanden ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Februar 2010 – 10 U 60/09 –, Rn. 4, juris). So handelt es sich dabei um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er hängt davon ab, ob der Geschädigte den Wagen überhaupt nutzen wollte und konnte (BGH, Urteil vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74 –, BGHZ 66, 239-250). Die Klägerin hat weder konkret dargelegt, noch Beweis dafür angeboten, dass sie in einem bestimmten Zeitraum trotz entsprechendem Nutzungswillen nicht zur Nutzung ihres Wagens infolge unfallbedingter Schäden im Stande gewesen ist. Vielmehr hat sich die Klägerin zunächst auf einen Verweis auf die abstrakten Werte des Privatgutachtens beschränkt. Insbesondere hat sie nicht zu einer Ersatzbeschaffung in entsprechendem zeitlichem Abstand nach dem Unfall vorgetragen, die einen Nutzungswillen hätte indizieren können. Soweit die Klägerin den Zeitraum vom 03.10. bis zum 16.10.2016 benennt, bleibt offen, worauf sie sich bezieht.

3.

Ummeldekosten sind als Kosten der Ersatzbeschaffung grundsätzlich konkret abzurechnen, weil diese Nebenkosten nicht als „normativer“ Schaden verstanden werden können, sondern lediglich dann als erstattungsfähig in Betracht kommen, wenn sie tatsächlich entstanden sind. Zwar hat die Klägerin den verunfallten Wagen verkauft, sodass von einer Abmeldung auszugehen sein dürfte. Obwohl ihr dies ohne Weiteres möglich wäre, trägt die Klägerin zu den angefallenen Kosten jedoch in keiner Weise vor, sodass dem Gericht auch eine Schätzung nicht möglich ist.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

III.

Der Streitwert wird auf 2.812,00 € festgesetzt.

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