Skip to content
Menu

Verkehrsunfall – Schuldanerkenntnis bei Schreiben des Versicherers

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 164/20 – Urteil vom 05.05.2022

Auf die Berufung des Klägers wird das am 02.06.2020 verkündete Urteil der 32. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Neuruppin, Az.: 32 O 227/19, teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.228,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2019 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden, die ihm in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom …2019 in K… auf der … Straße entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergehen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird hinsichtlich des vom Landgericht zuerkannten Feststellungsanspruchs sowie bezüglich des auf den nicht angefochtenen Zahlungsausspruch des Landgerichts in Höhe von 11.556,40 € entfallenden Zinsanspruch verworfen; im Übrigen wird das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von materiellem Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom …2019 auf der …. Straße in K… in Anspruch sowie auf Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche Schäden, die dem Kläger in Zukunft aus dem Verkehrsunfall entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergehen. Zu dem Unfall kam es, weil der Versicherungsnehmer der Beklagten auf das verkehrsbedingt haltende Motorrad des Klägers auffuhr. In der Berufungsinstanz ist dabei die vollständige Haftung der Beklagten für die Unfallschäden unstreitig. Streit besteht über die Höhe der Reparaturkosten und insoweit insbesondere über das Vorliegen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses der Beklagten sowie über die Erstattungspflicht der Beklagten hinsichtlich der dem Kläger entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit am 02.06.2020 verkündetem Urteil hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 32.913,37 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i. H. v. 1.822,96 € jeweils nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2019 bzw. seit dem 09.01.2020 zu zahlen und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden, die in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom … 2019 in K… auf der … Straße entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergehen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 32.913,37 € aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG i. V. m. einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis zu. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 09.05.2019 auf die Aufforderung des Klägers vom 29.04.2019 angegeben, sie werde für die unfallbedingten Schäden am Fahrzeug dem Grunde nach aufkommen. Dies stelle ein Anerkenntnis dem Grunde nach dar. Nachfolgend habe die Beklagte unter dem 24.05.2019 eine teilweise Abrechnung vorgenommen und mitgeteilt, dass sie gegenüber der Werkstatt die Übernahme der Reparaturkosten bestätigen werde. Hierin liege ein Anerkenntnis der Schadenshöhe, da der Beklagten zu diesem Zeitpunkt das vom Kläger eingeholte Schadensgutachten bereits bekannt gewesen sei. Die Beklagte sei deshalb mit der Geltendmachung sämtlicher Einwendungen und Einreden ausgeschlossen, die ihr bei Abgabe der Erklärung bekannt gewesen seien oder mit denen sie zumindest gerechnet habe. Dies umfasse die erhobenen Einwendungen. Die Beklagte nehme insoweit lediglich eine neue Wertung der ihr bereits zuvor bekannten Tatsachen vor. Schließlich sei auch der Feststellungsantrag im Hinblick auf einen Anspruch auf Erstattung des Nutzungsausfalls und der Mehrwertsteuer, die erst bei Vornahme der Reparatur anfalle, begründet. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29.06.2020 zugestellte Urteil mit am 24.07.2020 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung bis zum 21.09.2020 mit an diesem Tage eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag einschließlich der Beweisangebote, hält aber Einwendungen gegen den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach ausdrücklich nicht mehr aufrecht. Sie ist der Ansicht, in ihrem Abrechnungsschreiben vom 24.05.2019 liege kein Anerkenntnis. Sie habe vielmehr den Wechsel des Klägers von der konkreten zur fiktiven Abrechnung zum Anlass genommen, den geltend gemachten Schaden durch Einholung eines Privatgutachtens zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Überprüfung mache sie nunmehr geltend. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne nicht verlangt werden, dass eine solche Überprüfung vor Abgabe der Reparaturkostenerklärung erfolge, da in diesem Falle bei der Regulierung von Verkehrsunfällen vorbehaltlose Erklärungen nicht mehr abgegeben werden könnten, denn nach der Lösung des Landgerichtes könnten später aufkommende Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Geschädigten – wie sie vorliegend aufgetreten seien – nicht mehr geltend gemacht werden. Zu berücksichtigen sei dabei, dass es neben abstraktem und deklaratorischem Schuldanerkenntnis auch ein tatsächliches Schuldanerkenntnis gebe, das allenfalls zu einer Umkehr der Beweislast führe. Welche Bedeutung einem Anerkenntnis zukommen solle, sei eine Frage der Auslegung, wobei hier zu berücksichtigen sei, dass die Teilabrechnung und Abgabe der Reparaturkostenübernahmeerklärung bereits fünf Tage nach Bezifferung der Forderung durch die Klägerseite erfolgt sei, sodass auch aus Sicht des Klägers nicht anzunehmen gewesen sei, sie, die Beklagte, habe sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ohne weitere Untersuchungen unter Aufgabe aller möglichen Einwendungen und Einreden rechtlich binden wollen. Ohnehin erfasse die Erklärung nur die unfallbedingten Schäden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i. H. v. 1.822,96 €, da der der Berechnung der Anwaltsgebühren zugrunde liegende Streitwert zu hoch angesetzt worden sei. Zumindest bestünden Rechtsanwaltsgebühren nicht in der geltend gemachten Höhe.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 02.06.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin, Az. 32 O 227/19, die Klage abzuweisen soweit dem Kläger mehr als 11.556,40 € sowie soweit vorgerichtliche Anwaltskosten i. H. v. 1.822,96 € nebst Verzugszinsen zugesprochen worden sind.

Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger bezieht sich ebenfalls auf seinen erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisangeboten und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er sieht in dem Schreiben der Beklagten vom 24.05.2019 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis und verweist darauf, dass sich eine Vorläufigkeit der Abrechnung dem Schreiben nicht entnehmen lasse. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz erstmals Ausführungen zu Erklärungen gegenüber der Werkstatt im Zusammenhang mit der Reparaturkostenübernahme mache, sei sie mit diesem Vortrag präkludiert. Gleiches gelte hinsichtlich ihres Vortrages zum Grund der Überprüfung des ihr übermittelten Schadensgutachtens. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass der Wechsel zur fiktiven Abrechnung allein auf der Zahlungsverweigerung der Beklagten und dem Umstand beruhe, dass er, der Kläger, aufgrund der Höhe der Reparaturkosten nicht in Vorleistung gehen könne. Nicht nachvollziehbar sei, warum die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht einmal auf der Grundlage der bereits regulierten Forderung i. H. v. 16.782,15 € erstattet würden.

Der Senat hat Sachverständigenbeweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Dipl.-Ing. (X) vom 28.07.2021 und 17.01.2022 (Bl. 295 ff u. Bl. 373 ff GA) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2022 (Blatt 433 ff GA) verwiesen.

II.

1.

Wie bereits im Beschluss vom 11.03.2021 ausgeführt, ist die Berufung hinsichtlich des vom Landgericht zuerkannten Feststellungsanspruchs sowie bezüglich des auf den nicht angefochtenen Zahlungsanspruch von 11.556,40 € entfallenden Zinsanspruchs unzulässig. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es gem. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erforderlich, dass die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen Umständen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben soll. Der Berufungskläger muss sich mithin mit dem angefochtenen Urteil inhaltlich auseinandersetzen. Bei einem teilbaren Streitgegenstand muss sich die Berufungsbegründung in hinreichend bestimmter Weise auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt wird. Soweit eine solche Begründung fehlt, ist die Berufung unzulässig (BGH NJW-RR 2000, S. 1015; Heßler in Zöller, ZPO, Kommentar, 34. Aufl., § 520, Rn. 37). Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung zudem die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine auf den Streitfall zugeschnittene, aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte tatsächlicher oder rechtlicher Art des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihr entgegensetzt (BGH NJW-RR 2006, S. 499; NJW 2003, S. 3345; NJW 1998, S. 3126; BGH NJW-RR 2007, S. 1363; Heßler, a. a. O., Rn. 35). Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung teilweise nicht. So setzt sich die Berufungsbegründung weder mit dem vom Landgericht zuerkannten Feststellungsanspruch auseinander, der etwa auch den auf die nicht beanstandeten Reparaturkosten von 11.556,40 € entfallenden Mehrwertsteueranteil erfasst, noch führt die Berufungsbegründung aus, aus welchen Gründen die auf den nicht angefochtenen Betrag von 11.556,40 € entfallenden Zinsen nicht zu zahlen sein sollten.

Im Übrigen ist das Rechtsmittel zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Beklagte stützt ihr Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe fehlerhaft das Vorliegen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses hinsichtlich der Forderungshöhe aus dem Schreiben vom 24.05.2019 entnommen, obwohl dieses erkennbar einen entsprechenden Rechtsbindungswillen nicht enthalten habe. Richtigerweise hätten ihre Einwände gegen die Höhe der Reparaturkosten berücksichtigt und eine entsprechende Kürzung der Forderung des Klägers erfolgen müssen. Die Beklagte macht damit einen Rechtsfehler geltend, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.

2.

In der Sache hat das Rechtsmittel nur hinsichtlich eines Betrages von 684,69 € Erfolg. Statt der vom Landgericht zuerkannten Summe von 32.913,37 € besteht ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der durch den Verkehrsunfall vom … 2019 auf der … Straße in K… verursachten Reparaturkosten aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG bzw. aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 2 StVO, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG lediglich in Höhe von 32.228,68 €, wobei die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz nicht mehr im Streit steht.

Bei der Ermittlung der Reparaturkosten war dabei zunächst von den im Schadensgutachten des Sachverständigen (Y) vom 07.05.2019 ermittelten Kosten von 32.913,37 € auszugehen. Wie der Senat ebenfalls bereits im Beschluss vom 11.03.2021 ausgeführt hat, liegt hinsichtlich Reparaturkosten in dieser Höhe zwar kein deklaratorisches, wohl aber ein tatsächliches Anerkenntnis der Beklagten aufgrund von deren Schreiben vom 24.05.2019 mit der Folge vor, dass die Beklagte den Nachweis zu führen hat, dass die im Schadensgutachten des Sachverständigen aufgeführten Kosten für die Instandsetzung des Motorrades des Klägers nicht erforderlich sind.

Bei einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis handelt es sich um einen Vertrag, der einen bestehenden Anspruch dadurch verstärkt, dass sich der Anerkennende der Einwendungen und Einreden gegen den Anspruchsgrund begibt, die ihm im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt waren oder mit denen er jedenfalls rechnete; Zweck der vertraglichen Regelung ist dabei, das Schuldverhältnis insgesamt oder in Teilen dem Streit oder einer Ungewissheit zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen (BGH NJW-RR 2007, S. 530; MDR 1995, S. 244; VersR 1984, S. 383). So enthält etwa eine Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers im Regelfall ein Anerkenntnis der Ersatzpflicht dem Grunde nach auch gegenüber dem Geschädigten (BGH NJW-RR 2009, S. 382; OLG Karlsruhe DAR 2019, S. 571, Bacher in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 37, Rn. 12). Kein Angebot auf Abschluss eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisvertrages ist hingegen im Abrechnungsschreiben eines Versicherers zu sehen. Bei diesem handelt es sich vielmehr regelmäßig um eine reine Wissenserklärung ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen; gleiches gilt für eine darauffolgende vorbehaltlose Zahlung (OLG Dresden, Beschluss vom 07.04.2020, Az. 4 U 123/20, veröffentlicht in juris; OLG München, Beschluss vom 29.11.2019, Az. 8 O 3746/19, veröffentlicht in juris; OLG Hamm VersR 2016, S. 713; Bacher, a. a. O.). Bei Fehlen einer vertraglichen Einigung über die Haftung des Erklärenden kann dessen schriftliche Erklärung allerdings als tatsächliches Anerkenntnis rechtlich beachtlich sein. Ein tatsächliches Anerkenntnis stellt ein Zeugnis des Erklärenden gegen sich selbst mit der Folge dar, dass der Adressat von der Notwendigkeit, die von der Erklärung erfassten Behauptungen nachweisen zu müssen, zunächst entbunden ist; stattdessen hat der Erklärende den Nachweis der Unrichtigkeit der anerkannten Tatsachen zu erbringen (BGH NJW 2009, S. 580; WM 2003, S. 1421; VersR 1984, a. a. O.; KG VersR 2006, S. 1126). Kein Angebot auf Abschluss eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisvertrages liegt im Schreiben der Beklagten vom 24.05.2019. Die Beklagte hat in diesem Schreiben lediglich die geltend gemachten Kosten des Klägers abgerechnet und angegeben, sie gehe nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen von dem Bestehen eines entsprechenden Anspruches aus und habe der Werkstatt die Übernahme der Reparaturkosten bestätigt. In diesen Angaben ist nicht zugleich der rechtsgeschäftliche Wille enthalten, sich bezüglich der geltend gemachten Forderungen – jedenfalls hinsichtlich der noch nicht durchgeführten Reparaturarbeiten, bezüglich derer lediglich die Kostenübernahme bestätigt wurde – endgültig zu binden und auf etwaige Einwendungen zu verzichten, die bei einer weiteren Überprüfung des vorgelegten Schadensgutachtens auftreten können. Anlass für eine entsprechende Erklärung der Beklagten bestand bereits nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger das Schreiben anders verstehen durfte oder verstanden hat. So ist weder eine Annahme eines Angebotes auf Abschluss eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisvertrages seitens des Klägers erfolgt noch hat der Kläger in seinem Schreiben vom 20.05.2019, in dem er seine Forderung beziffert hat, die Abgabe eines Anerkenntnisses oder auch nur einer verbindlichen Erklärung ihm gegenüber gefordert. Auch die vom Kläger in der Berufungsinstanz zitierten Entscheidungen (BGH VersR 2004, S. 1278, KG VersR 1999, S. 504) rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht. In den genannten Entscheidungen finden sich keine abweichenden Ausführungen zur Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses betreffend die Forderungshöhe. Zugleich beinhaltet das Schreiben vom 24.05.2019 die Bestätigung der Höhe der Reparaturkosten, deren Berechtigung die Beklagte im Rahmen der Feststellung des Anspruchs auf Wertminderung ersichtlich ebenfalls überprüft hat, und damit eine verbindliche Erklärung der Beklagten über die Richtigkeit der Abrechnung in Form eines tatsächlichen Anerkenntnisses.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der detaillierten und nachvollziehbaren Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. (X) in seinen Gutachten vom 28.07.2021 und vom 17.01.2022 sowie im Rahmen seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.04.2022 fest, dass die vom Sachverständigen (Y) im Gutachten vom 07.05.2019 angegebenen Reparaturkosten des Motorrades des Klägers von 32.913,37 € netto lediglich auf einen Betrag von 32.228,68 € netto abzusenken sind. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass eine weitere Kürzung der Reparaturkosten gerechtfertigt ist.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. (X) hat die Kosten für die Beschaffung der erforderlichen Ersatzteile überzeugend mit insgesamt 6.744,12 € brutto, mithin mit 5.667,33 € netto ermittelt. Der Sachverständige hat sich dabei mit den zuletzt von der Beklagte auf Grundlage der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen (Z) vom 18.02.2022 erhobenen Einwendungen im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat auseinandergesetzt und die von ihm im Ergänzungsgutachten vom 17.01.2022 ermittelten Ersatzteilkosten von 7.014,22 € brutto teilweise angepasst. So hat er im Hinblick auf die Feststellungen des Sachverständigen (Z) ausgeführt, der zu ersetzende Spiegel SUN Zodiak sei mit einem Preis von 70,96 € brutto statt von 101,46 € brutto anzusetzen. Auch sei der Handbremshebel statt mit 333,20 € brutto mit 93,60 € brutto zu bemessen. Eine weitere Verringerung der vom gerichtlich bestellten Sachverständigen ermittelten Kosten für die Beschaffung der Reparaturteile ist nicht veranlasst. Der Auffassung der Beklagten, für die Fußrastenanlage sei statt dem vom gerichtlich bestellten Sachverständigen angesetzten Betrag von 1.399,00 € brutto lediglich ein Betrag von 880,04 € brutto anzusetzen, ist hingegen nicht zu folgen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat diesbezüglich nachvollziehbar erläutert, dass neben den Kosten für die Beschaffung des Ersatzteiles auch die Kosten für das Perlstrahlen der Fußrastenanlage zu berücksichtigen sind. Dabei hat er es im Hinblick auf das herzustellende einheitliche Erscheinungsbild für erforderlich gehalten, dass die gesamte Fußrastenanlage abgestrahlt wird, auch soweit Altteile unbeschädigt sind und erneut verwendet werden können. Der Sachverständige hat diesbezüglich berücksichtigt, dass die Altteile durch Klarlack geschützt sind. Gleichwohl hat er es nicht für wahrscheinlich gehalten, dass bei einer Teillackierung unterschiedliche Effekte vermieden werden könnten. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen, der dargelegt hat, dass eine einheitliche Lackierung voraussetzen würde, dass die Vorbereitung der Teile und die Lackierung mit identischer Strahlstärke sowie dem gleichen Druck und Abstand bei Perlstrahlung und Lackierung erfolgen müsse, ohne dass entsprechende Erkenntnisse hinsichtlich der Altteile vorhanden sind, die bei einer auf die Neuteile beschränkten Lackierung umgesetzt werden könnten. Eine Reduzierung der vom Sachverständigen ermittelten Kosten ist auch nicht hinsichtlich des Motordeckels gerechtfertigt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat insoweit darauf verwiesen, dass der im Ergänzungsgutachten (Z) angeführte Motordeckel nicht passend sei. Dies ist von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung letztlich auch eingeräumt worden. Eine Reduzierung ist schließlich auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der ursprünglich verbaute Motordeckel derzeit nicht verfügbar ist. Auch hieraus lässt sich nicht ableiten, dass dies zu einer Verringerung der angesetzten Reparaturkosten führen wird.

Eine Reduzierung der Reparaturkosten ist weiterhin nicht deshalb gerechtfertigt, weil nach Behauptung der Beklagten nicht feststellbar ist, ob die Schäden im Bereich der Schwinge und des rechten Rahmenunterzuges auf den zwischen den Parteien streitigen Unfall zurückzuführen sind. Auch der von der Beklagten hinzugezogene Schadensgutachter (Z) kommt in seinem Ergänzungsgutachten vom 18.02.2022 nicht zu dem Ergebnis, dass die entsprechenden Schäden durch den Unfall vom 24.04.2019 nicht verursacht worden sein können bzw. – hinsichtlich des Schadens im Bereich des rechten Rahmenunterzuges – durch den anschließenden Werkstattaufenthalt, wobei im letzteren Fall gleichfalls eine adäquate und daher zu ersetzende Folge des Unfalles vorliegen würde. Im Hinblick auf das von der Beklagten abgegebene tatsächliche Anerkenntnis ist indes von dieser die Kausalität des Unfalles für die genannten Schäden zu widerlegen. Das Aufzeigen anderer Möglichkeiten einer Schadensentstehung ist diesbezüglich nicht hinreichend.

Der Senat folgt weiterhin den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu den für die Instandsetzung erforderlichen Lohnkosten, die nunmehr mit einem Betrag von 25.308,00 Euro brutto, mithin 21.267,23 € netto zu veranschlagen sind. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat unter Verweis auf die Vielzahl der von ihm bereits erstellten Gutachten, gerade auch zu von Schäden an Custom-Bikes, und die ihm dementsprechend zur Verfügung stehenden Daten plausibel gemacht, dass er über die Kenntnisse verfügt, die Feststellungen im Schadensgutachten (Y) zu den erforderlichen Umfang der durchzuführenden Arbeiten zu überprüfen, wobei der gerichtlich bestellte Sachverständige diesbezüglich durchaus auch Kürzungen vorgenommen hat. Auch das weitere Vorgehen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, der seine Feststellungen durch Nachfrage bei verschiedenen Motorradhändlern hat bestätigen lassen, stellt ein hinreichendes Vorgehen zur Erfüllung des Gutachtenauftrages dar. Die von der Beklagten im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen (Z) aufgestellte Gegenrechnung ist nicht geeignet, die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Es fehlt insbesondere an hinreichenden Angaben, dass die erforderlichen Arbeitsschritte etwa hinsichtlich der Zerlegung des Motorrades tatsächlich in den vom Privatgutachter angesetzten geringeren Zeitrahmen umgesetzt werden können. Nicht vorzuwerfen ist dem Kläger, dass er weitergehende Rechnungen betreffend die Erstellung des Fahrzeuges nicht vorgelegt hat. Unwidersprochen hat der Kläger vielmehr sämtliche ihm vorliegenden Unterlagen zu den Akten gereicht. Der Senat folgt weiterhin den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, dass der von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Angaben des Sachverständigen (Z) angesetzte geringere Arbeitsumfang im Hinblick auf die Lackierung des Fahrzeuges zu einer fachgerechten Instandsetzung nicht hinreichend ist. Bei seiner Anhörung hat der gerichtlich bestellte Sachverständige anschaulich verdeutlicht, dass bei einem hochwertigen Fahrzeug, wie dem des Klägers, eine Lackierung insgesamt und auch hinsichtlich des Rahmenunterzuges ohne vollständige Zerlegung des Fahrzeuges nicht möglich bzw. nicht sachgerecht ist. Auch eine Teillackierung verbietet sich aus den gleichen Gründen. Schließlich folgt der Senat den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, dass hinsichtlich der von ihm ermittelten Lohnkosten von 21.090,00 € brutto aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Lohnkostensteigerung mit Stand April 2022 ein Zuschlag von 20 % vorzunehmen ist. Auch die dargestellte Lohnkostensteigerung hat der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung anschaulich und überzeugend erläutert.

Der Senat schließt sich ferner den Feststellungen des Sachverständigen zu den erforderlichen Lackierungskosten an, wobei der vom Sachverständigen Dipl.-Ing. (X) in seinen schriftlichen Gutachten vom 28.07.2021 und 17.01.2022 angegebene Betrag von 6.150,00 € brutto im Hinblick auf die diesbezüglich im Zeitraum von Januar 2022 bis April 2022 eingetretene weitere Lohnkostensteigerung von 3 % anzupassen ist, während die zuvor eingetretene Lohnkostensteigerung von 17 % von Sachverständigen bereits berücksichtigt worden ist. Der Senat geht insoweit von einer Steigerung auf einen Betrag von 6.300,00 € brutto, also 5.294,12 € netto aus, § 287 ZPO. Auch diesbezüglich rechtfertigen die Einwände der Beklagten ein anderes Ergebnis nicht. Wie ausgeführt ist insbesondere eine nur teilweise Zerlegung des Motorrades und Durchführung von vereinfachten Lackierungsarbeiten nicht als fachgerecht anzusehen.

Hinsichtlich des vom Landgericht ferner zuerkannten Feststellungsantrages fehlt es – wie ausgeführt – bereits an einer zulässigen Berufung.

Weiterhin kann der Kläger Ersatz der ihm entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von bis zu 50.000,00 € verlangen, mithin unter Berücksichtigung von 1,3 Gebührensätzen, der Post- und Telekommunikationspauschale von 20,00 € und der Mehrwertsteuer von 19 % den vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 1.822,96 €. Dabei war bei der Ermittlung des Gegenstandswertes neben den vorstehend aufgeführten Reparaturkosten für den Feststellungsantrag ein Betrag von 8.000,00 € anzusetzen, sowie die weiteren von der Beklagten vorgerichtlich ausgeglichenen Schadenspositionen von insgesamt 5.225,75 € einzubeziehen.

Die Zinsansprüche folgen aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB betreffend die Hauptforderung bzw. aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, S. 2 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 30.000,00 € festgesetzt, §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO (Zahlungsantrag: 21.356,97 €, Feststellungsantrag: 8.000,00 €).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Wie können wir Ihnen helfen?

Wir sind Ihr Ansprechpartner in allen rechtlichen Angelegenheiten. Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Ersteinschätzung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!