AG Friedberg – Az.: 2 C 848/21 – Urteil vom 26.08.2022
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 130 vom Hundert des jeweils zu vollreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 6.489,16 Euro
Tatbestand:
Die Beklagten sind die Erben des am 01.01.2021 im 92. Lebensjahr verstorbenen früheren Wohnungseigentümers…, und halten einen Miteigentumsanteil an der Wohnungseigentümergemeinschaft in von 177,01/491,1234. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt die Zahlung einer auf diesen Miteigentumsanteil entfallenden Sonderumlage in Höhe von 6.489,16 Euro.
Die Klägerin behauptet, am 16.12.2020 habe im Studentenhausverein O. Weg 164 in #### eine Wohnungseigentümerversammlung stattgefunden, an der der Rechtsvorgänger der Beklagten allerdings nicht teilgenommen habe. In dieser Wohnungseigentümerversammlung seien unter dem Tagesordnungspunkt 5 folgende Beschlüsse jeweils mit Stimmenmehrheit gefasst worden (Bl. 62 d. A.):
5.1. „Die Instandsetzung der Außenanlage zur Gefahrenverhütung soll im Jahre 2021 erfolgen.“
5.2. „Die Kosten in Höhe von ca. 18.000 Euro werden per Sonderumlage erhoben. Fälligkeit 28.02.2021. Der Umlageschlüsse richtet sich nach den Miteigentumsanteilen. Berechnung s. Anlage zur Einladung.“
5.3. „Die Verwaltung wird beauftragt, aktuelle Angebote einzuholen und auf der nächsten, außerordentlichen Eigentümerversammlung, Februar 2021 zur Beschlussfassung vorzulegen.“
Die Klägerin ist der Auffassung, dass infolge dieser Beschlüsse die Beklagten als Erben des früheren Miteigentümers zur Zahlung einer Sonderumlage entsprechend ihrem Miteigentumsanteil in Höhe von 6.489,16 Euro verpflichtet seien.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 6.489,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.04.2021 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, außergerichtlich, nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.04.2021 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, die Versammlung am 16.12.2020 habe überhaupt nicht stattgefunden. Der zu TOP. 5.2. gefasste Beschluss sei mangels hinreichender Bestimmtheit nichtig und daher nicht geeignet, eine Zahlungspflicht zu begründen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts folgt aus § 43 Abs. 1, 2 Ziff. 2 WEG.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Unabhängig von der Frage, ob am 16.12.2020 die von der Klägerseite behauptete Wohnungseigentümerversammlung überhaupt stattgefunden hat, ist jedenfalls der behauptete Beschluss zu 5.2. der vorgenannten Versammlung nicht geeignet eine Zahlungspflicht der Beklagten aus §§ 16 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 1 und 3 WEG zu begründen. Der behauptete Beschluss wäre, sofern er tatsächlich gefasst worden sein soll, nichtig.
Dem vorgetragenen Beschluss zu 5.2. mangelt es an hinreichender Bestimmtheit. Der konkrete Inhalt des Beschlusses lässt sich auch nicht durch Auslegung ermitteln. Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind – wie Grundbucherklärungen – objektiv-normativ auszulegen, so dass diese aus sich selbst heraus verständlich sein müssen und insbesondere die subjektiven Erwartungen der bei der Beschlussfassung beteiligten Wohnungseigentümer bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben haben, da bezüglich der Beschlüsse auch eine Bindung für Nachfolger im Sondereigentum erfolgt (LG Frankfurt, Urt. v. 02.06.2022, 2-13 S 145/19).
Die zu erhebende Sonderumlage ist betragsmäßig nicht konkret beziffert. Nach der vorgetragenen Beschlussfassung, die sich aus dem von der Klägerseite vorgelegten Versammlungsprotokoll vom 16.12.2020 (Bl. 58 ff. d. A. [Bl. 62 d. A.]) ergibt, soll eine Sonderumlage in Höhe von „ca.“ 18.000 Euro erhoben werden. Hieraus kann die tatsächliche Höhe der Sonderumlage nicht entnommen werden. Eine „circa“-Angabe wird im allgemeinen wie auch im juristischen Sprachgebrauch als nicht verbindliche, freibleibende oder unverbindliche Angabe angesehen (vgl. hierzu etwa: Weiler in BeckOGK BGB, Stand: 01.07.2022, § 308 Nr. 4 BGB, Rn. 70 ff.), bei der durchaus Toleranzen von ± 10% auftreten können, ohne dass diese Toleranzen beispielsweise im Vertragsrecht Gewährleistungsansprüche begründen sollen. Wendet man diese Toleranz auf den behaupteten Beschluss an, so ergäbe sich hieraus eine Sonderumlage zwischen 16.200 Euro und 19.800 Euro. Auf welcher Basis die Klägerseite hieraus einen Betrag von exakt 6.489,16 Euro errechnet, erschließt sich dem Gericht nicht. Bereits hieraus folgt, dass der Sonderumlagenbeschluss als Grundlage für die Begründung einer Zahlungspflicht zwingend einer konkreten, eindeutigen Festsetzung bedarf, weil es ansonsten in das Ermessen der Verwaltung gestellt würde, in welcher Höhe die Sonderumlage tatsächlich angefordert wird. Mehr als eine Absichtserklärung über die ungefähre Höhe einer zukünftig zu beschließenden Sonderumlage lässt sich dieser Angabe „ca. 18.000 Euro“ in dem behaupteten Beschluss nicht entnehmen.
Auch im Übrigen ist die vorgetragene Beschlussfassung über einen Sonderwirtschaftsplan nicht hinreichend bestimmt. Für den für die Erhebung einer Sonderumlage aufzustellende Sonderwirtschaftsplan gelten grundsätzlich auch die Minimalanforderungen, die an einen schlüssigen Wirtschaftsplan zu stellen sind. Zwar gibt es hierfür keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben, jedoch geht das Gesetz ersichtlich davon aus, dass es sich bei einem Wirtschaftsplan um ein einheitliches Rechenwerk handelt, dass den Zweck der zu tätigenden Ausgaben, deren voraussichtliche Kosten und die Aufbringung der dafür erforderlichen Mittel nebst Verteilungsschlüssel abbildet. Es ist mithin ein für den durchschnittlichen Wohnungseigentümer verständliches – ggf. unter Belegeinsicht – nachprüfbares Rechenwerk zu erstellen (Dötsch/Schultzky/Zschieschak, WEG-Recht 2021, Kap. 10, Buchst. C. I., Rn. 20).
In Hinblick auf den Prognosegehalt eines (Sonder-)Wirtschaftsplanes besteht bei der Kalkulation der voraussichtlichen Kosten einer so zu finanzierenden Maßnahme sicherlich ein gewisser Spielraum, der auch zukünftige Änderungen in den voraussichtlichen Kosten mit einbezieht. Die Höhe der bei den Wohnungseigentümern anzufordernden Vorschüsse muss allerdings eindeutig im Beschluss festgelegt werden. Zudem muss ein Wirtschaftsplan wenigstens den konkreten Zweck der zu finanzierenden Maßnahmen und deren voraussichtlichen Umfang und die konkret veranschlagten Kosten erkennen lassen. Daran fehlt es hier. Aus den zu Tagesordnungspunkt 5 nach dem Vorbringen der Klägerin gefassten Beschlüssen ist in keiner Weise erkennbar, welchen Umfang die „Instandsetzung der Gartenanlage zur Gefahrenabwehr“ haben soll. Dies ist unabgrenzbar weit gefasst und nicht nachvollziehbar. Es ist insbesondere ebenfalls nicht nachvollziehbar, wie sich die Maßnahme von allgemeinen Arbeiten, die über den regulären Wirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr bevorschusst und abgerechnet werden, abgrenzen soll. Der Begriff „Gefahrenabwehr“ hilft insoweit auch nicht weiter, als nicht einmal ansatzweise dargelegt wird, welche Gefahren, die abzuwehren sind, überhaupt vorliegen sollen.
Hierbei ist zu bedenken, dass Beschlüsse der Wohnungseigentümer nicht nur die Sonderrechtsnachfolger binden, sondern auch dem Verwalter die Aufgabe übertragen, einen solchen Beschluss durchzuführen und über die erhobene Sonderumlage abzurechnen. Es ist offensichtlich, dass ein Verwalter dieser Aufgabe aufgrund der vorgetragenen Beschlussfassung nicht nachkommen kann, weil er nicht weiß, welche Maßnahmen er durchführen und über die Sonderumlage abrechnen soll.
Offensichtlich ist dies auch der Klägerseite nicht klar, denn sie trägt weiter vor, dass unter TOP. 5.3. ein Beschluss gefasst worden sei, der der Verwaltung die Aufgabe zuweist, aktuelle Angebote einzuholen und sie der nächsten außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass derartige Angebote der vorgetragenen Beschlussfassung nicht zugrunde gelegen haben. Auch das von der Klägerseite vorgelegte Angebot eines Gartenbaubetriebes aus dem Jahre 2004 (Bl. 188 ff. d. A.), das mit einer Bruttosumme von 7.872,68 Euro schließt, vermag dies nicht weiter zu erhellen, was bereits aufgrund des Alters des Kostenvoranschlages auf der Hand liegt. Die Mängel der vorgetragenen Beschlussfassung sind so gravierend, dass dies die Nichtigkeit zur Folge hat. Es ist nicht einmal eine konkrete Höhe der Sonderumlage beschlossen worden. Die vorgetragene Beschlussfassung ist allenfalls als Absichtserklärung und Ermächtigung an die Verwaltung zur weiteren Planung und zum Einholen von Angeboten tauglich, nicht jedoch als Grundlage eines konkreten Zahlungsanspruchs.
Die mit der Klage geltend gemachten Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung; sie sind nicht begründet.
Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin nach § 91 Abs. 1 ZPO als unterlegene Partei zu tragen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.