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Fahrzeugkaufvertrag – Rückabwicklung bei erheblichem Mangel

LG Bochum – Az.: 2 O 364/16 – Urteil vom 21.04.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin erwarb beim … in … das im Klageantrag zu 1 näher bezeichnete Fahrzeug VW Tiguan.

Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug sei vom so genannten VW-Abgasskandal betroffen. Durch Schreiben vom 21.10.2013 habe sie den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Ferner habe sie zuvor mehrfach Klappergeräusche bemängelt, welche die Beklagte nicht behoben habe. Ferner habe sie durch Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 31.5.2016 von der Verkäuferin Rückabwicklung des Kaufvertrages und Rückzahlung des Kaufpreises von 49.834 EUR unter Bezugnahme auf den VW-Abgasskandal gefordert. Die Klägerin begehrt Rückabwicklung des Kaufvertrages aufgrund der Mängel des vom Abgasskandal betroffenen Motors sowie aufgrund der nicht beseitigten Klappergeräusche. Nach Abzug der Nutzungsentschädigung verbleibe ein Betrag i.H.v. 45.647,94 EUR.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 45.647,94 EUR zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw VW Tiguan, Fahrgestell-Nr.: …

2. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme des im Antrag zu 1) genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.822,96 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vortrag der Klägerin in der Sache und im Recht entgegen. Namentlich bestreitet sie, dass das Fahrzeug mangelhaft sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Fahrzeugkaufvertrag - Rückabwicklung bei erheblichem Mangel
(Symbolfoto: Von Supavadee butradee/Shutterstock.com)

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 45.647,94 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des von ihr erworbenen Pkw VW Tiguan Die Voraussetzungen für einen Rückabwicklungsanspruch gemäß §§ 437 Nr. 2 BGB i.V.m. §§ 440, 323 ff. BGB liegen nicht vor. Insoweit ist vorab darauf hinzuweisen, dass das seitens der Klägerin in Bezug genommene Schreiben vom 21.10.2013 keine Rücktrittserklärung enthält. Soweit man in dem Schreiben der Bevollmächtigten der Klägerin vom 31.5.2016 eine Rücktrittserklärung erblicken kann, steht der Klägerin jedenfalls kein Rücktrittsrecht zur Seite. Diese etwaige Rücktrittserklärung ist allein auf den sog. VW-Abgasskandal und nicht auf weitere Mängel (Klappergeräusche) gestützt. Die Kammer kann offen lassen, ob die Manipulation der Abgaswerte durch eine Software des Herstellers das von der Klägerin erworbene Fahrzeug mangelhaft macht. Jedenfalls überschreitet ein etwaiger Mangel nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung der Kammer nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5, S.2 BGB, da der Hersteller die Beseitigung des Mangels anbietet und die Beseitigung des Mangels weniger als 100 € und damit weniger als ein Prozent des Kaufpreises kostet. Im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung ist bei behebbaren Mängeln grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung abzustellen (BGHZ 201, 290-310). Hier ist nach derzeitigem Erkenntnisstand der Mangel behebbar. Das Kraftfahrtbundesamt hat durch Bescheid vom 21.7.2016 festgestellt, dass die im Rahmen der Rückrufaktion von der Volkswagen AG geplante Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge mit den betroffenen Motoren herzustellen. Von einem Erlöschen der Betriebserlaubnis oder sonstiger erforderlicher Zulassungen und Genehmigungen kann nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht ausgegangen werden. Von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist nach der Entscheidung des BGH in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH a.a.O.). Bei einem Mangelbeseitigungsaufwand, der wie hier, weniger als 100 € und damit weniger als 1 % des Kaufpreises ausmacht, ist die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ersichtlich nicht überschritten. Eine Erheblichkeit des Mangels ergibt sich auch nicht daraus, dass dessen Behebung im Rahmen der Rückrufaktion des VW-Konzerns möglicherweise noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Da das Fahrzeug auch vor Beseitigung des etwaigen Mangels in vollem Umfang verkehrstauglich und funktionsfähig ist, kann der Klägerin zugemutet werden, die Durchführung der mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten Mängelbeseitigungsmaßnahmen abzuwarten. Auch aus dem Umstand, dass das Kraftfahrtbundesamt die Nachbesserung solcher Fahrzeuge wie dem der Klägerin angeordnet hat, folgt nicht, dass der Mangel erheblich wäre. Eher kann daraus abgeleitet werden, dass er nicht so erheblich ist, dass die Typengenehmigung der betroffenen Fahrzeuge sofort zu widerrufen gewesen wäre. Gerade die Tatsache, dass das Kraftfahrtbundesamt den VW-Konzern die Möglichkeit einräumt, den Mangel nachzubessern, zeigt, dass die Durchführung dieser Nachbesserungsmaßnahme dem einzelnen Fahrzeugkäufer zumutbar ist (Landgericht Bochum, 2 O 425/15).

Da die Klägerin nicht berechtigt ist, vom Kaufvertrag zurückzutreten, kann nicht festgesteilt werden, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Ferner steht der Klägerin auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht zu. Gleiches gilt für die geltend gemachten Zinsen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

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