AG Pankow-Weißensee – Az.: 7 C 245/17 – Urteil vom 24.01.2018
1. Die Beklagte wird verurteilt, zu dulden, dass die Klägerin für die Dauer von drei Monaten ab 01. April 2018 das Grundstück der Beklagten in der …, oberhalb des grenzständigen rückwärtigen Seitenflügels an der angrenzenden Seite zum Nachbargrundstück der Klägerin im Bereich der grenzständigen Giebelwand des Hinterhauses in der …, mit einem hängenden Gerüst zur Durchführung von Sanierungs- und Wärmedämmungsarbeiten am klägerischen Gebäude überbaut.
2. Die Beklagte wird verurteilt, zu dulden, dass die Klägerin für die Dauer von drei Monaten ab 01. April 2018 das Dach des zum Grundstück der Klägerin grenzständigen Seitenflügels auf dem Grundstück der Beklagten in der …, entsprechend § 17 NachbGBIn betreten und nutzen darf, um Sanierungs- und Wärmedämmungsarbeiten an der grenzständigen Giebelwand des angrenzenden Gebäudes (Hinterhaus) der Klägerin in der …, vorzunehmen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Überbauung ihres Grundstücks in der … durch die Klägerin für Zwecke der Wärmedämmung der grenzständigen Giebelwand des Gebäudes (Hinterhaus) mit einer mineralischen Dämmung auf dem Grundstück in der …, gem. § 16a Abs. 1 NachbGBIn in Umfang von bis zu 16 cm zu dulden.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aus dem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks … und die Beklagte ist Eigentümerin des Nachbargrundstücks ….
Die Klägerin will im Rahmen einer Fassadensanierung auch den grenzständigen Giebel sanieren und mit einer mineralischen Dämmung versehen, die 16 cm stark sein wird.
Das auf dem Grundstück der Beklagten stehende Gebäude ist ca. 7,5 m niedriger als das Gebäude der Klägerin.
Die Klägerin will das niedrigere Gebäude der Beklagten nutzen, um die Arbeiten durchzuführen und plant ein so genanntes „hängendes“ Gerüst zu benutzen, mit welchem das Gebäude der Beklagten während der Dauer der Arbeiten überbaut wird. Eine Abstützung des Gerüstes ist weder auf dem Dach des Gebäudes der Beklagten, noch auf deren Grundstück erforderlich. Soweit das Dach des Gebäudes der Beklagten betreten werden muss, wird die Klägerin zuvor Schutzvorrichtungen anbringen.
Zum weiteren Inhalt der Örtlichkeiten wird auf die von den Parteien eingereichten Fotografien, Blatt 9 und Blatt 45-47 der Akte Bezug genommen.
Die Giebelwand in dem Gebäude der Klägerin ist seit 1906 nicht mehr saniert worden.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2017 zeigte die Klägerin gegenüber der Beklagten die geplanten Arbeiten an. Am 07. Juli 2017 erhob die Beklagte Einwände gegen die Arbeiten. Am 13. Juli 2017 nahm die Klägerin zu diesen Einwendungen Stellung. Die Verhandlungen der Parteien über die Duldung der Maßnahmen sind gescheitert.
Die Klägerin sicherte der Beklagten zu, dass ein fachgerechter Rückbau der geplanten Dämmung möglich ist.
Die Klägerin behauptet, eine andere Ausführung der Dämmung der Giebelwand sei nicht möglich. Bei Nichtinstandsetzung der Giebelwand würden Schäden drohen. An der Giebelwand seien die Fugen ausgewaschen und die Maueranker korrodiert.
Zum weiteren Inhalt dieser Behauptung wird auf die eingereichten Fotografien, Blatt 97 ff Bezug genommen.
Da die Dämmung mineralisch erfolgen soll, sei diese nicht brennbar.
Die Klägerin hatte zunächst auch noch beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dass die Klägerin die vorgenannten Arbeiten ab dem 01. April 2018 ausführen kann. Sie hat den Antrag zu 4) zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr, was erkannt wurde.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht § 16a NachbGBIn für anwendbar und wirksam hält, beantragt sie, das Verfahren nach Art. 100 GG auszusetzen.
Die Beklagte behauptet, eine Innendämmung der streitgegenständlichen Wand sei effektiver und billiger. Der Brandschutz sei nach der Dämmung nicht erfüllbar. Die Dämmung sei nicht rückbaufähig für den Fall, dass die Beklagte selbst hier Gebäude aufstocken möchte. Die Beklagte meint, im Rahmen der Abwägung sei über § 242 BGB der Schutz ihres Eigentums zu berücksichtigen. Nach 17 Abs. 3 NachbGBIn sei die Innendämmung ein milderes Mittel. § 16a NachbGBIn sei nicht verfassungsgemäß und nicht mit Art. 14 GG und § 912 BGB vereinbar.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beklagte hat der Klagerücknahme zu Ziffer 4 zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren war nicht nach Art. 100 GG auszusetzen, weil das Gericht weder aus formellen noch aus materiellen Gründen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§ 16 a, 17 NachbGBIn hat.
Die Klage ist zulässig.
Die Anträge zu 1) und 2) sind begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Duldung der Errichtung eines hängenden Gerüstes zur Durchführung der Arbeiten und Betretung des Daches der Beklagten aus § 17 Abs. 1 NachbGBIn. Bei den Grundstücken handelt es sich um Nachbargrundstücke i.S. der Vorschrift. Die Klägerin benötigt das Gerüst und den Zutritt zum Dach der Beklagten für Instandsetzungs- und Unterhaltsmaßnahmen sowie Dämmungsmaßnahmen nach § 16a NachbGBIn.
Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Instandsetzung der Giebelwand notwendig ist, führt dies nicht zum Wegfall des Anspruchs.
Zum einen ist unstreitig, dass die Giebelwand seit 1906 nicht repariert wurde.
Zum anderen ergibt sich auch aus den von der Klägerin eingereichten Fotografien, dass einzelne Steine fast ganz ausgewaschen und Fugen ausgewaschen und Frostschäden an der Wand vorhanden sind.
Letztlich kommt es auf den streitigen Zustand der Fassade nicht an, da die Beklagte jedenfalls die Dämmungsarbeiten nach § 16a NachbG BIn dulden und allein deshalb schon die Handlungen in Ziffer 1) und 2) dulden muss.
Die Beklagte ist zur Duldung der Dämmung aus § 16a NachbGBIn verpflichtet.
Die Voraussetzungen von § 16a Abs. 1 NachbGBIn liegen vor, da die Klägerin die Überbauung des Grundstücks der Beklagten zum Zwecke der Wärmedämmung plant. Dies hat die Beklagte zu dulden.
Der Einwand der Beklagten nach § 16a Abs. 2 NachbGBIn greift nicht durch.
Die Klägerin hat zugesichert, dass sie für den Fall, dass die Beklagte selbst ihr Gebäude erhöhen will, d. h. an der Grenzwand anbauen will, die Dämmung entfernt.
Des Weiteren ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erkennbar, dass der Einwand der Beklagten an sich, den Anspruch nach § 16a Abs. 1 NachbGBIn entfallen lässt.
Die Behauptung der Beklagten, eine Innendämmung sei effektiver und schonender, führt nicht zum Wegfall des Anspruchs der Klägerin.
Denn § 16a Abs. 4 NachbGBIn verweist zwar auf § 17 Abs. 3 NachbGBIn.
Die Verweisung erfolgt aber ausdrücklich nur auf § 17 Abs. 3 NachbGBIn und diese Norm betrifft nach Ansicht des Gerichts nur die Art der Ausführung und nicht die Frage, ob der Ausführung an sich, hier die Überbauung des Grundstücks zur Dämmung, eine schonendere Alternative gegenübersteht.
Der Gesetzgeber hat für die Überbauung eines Grundstücks zum Zwecke der Wärmedämmung gerade nicht eine dem § 17 Abs. 1 Nr. 1 NachbGBIn ähnliche Vorschrift erlassen, d. h. für die Außendämmung einer Fassade muss nicht geprüft werden, ob die Arbeiten auch anders, d.h. durch eine Innendämmung erfolgen könnten.
Die weiteren Voraussetzungen von § 17 NachbG BIn liegen vor.
Die Klägerin hat die geplante Maßnahme auch nach §§ 17 Abs. 4, 7 NachbGBIn angezeigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind auch die Voraussetzung von 17 Abs. 3 NachbGBIn erfüllt.
Durch das hängende Gerüst übt die Klägerin die Maßnahme so schonend wie möglich aus. Auch findet die Maßnahme nicht zu Unzeiten statt. Für die Dauer der Maßnahme ist es, wie die Klägerin zutreffend meint, sinnvoller einen großzügigeren Zeit zu bemessen, als einen Titel zu erwirken, der bereits während der Dauer der Maßnahme so zu sagen, verbraucht wird.
Soweit sich die Beklagte auf § 242 BGB beruft, ist dieser Einwand zu prüfen. Allerdings betrifft – wie bereits ausgeführt – § 17 Abs. 3 NachbGBIn nur die Art und Weise der auszuführenden Maßnahme und nicht, ob eine Maßnahme an sich durch eine schonendere Maßnahme ersetzt werden kann.
Die letztere Abwägung findet vielmehr bei § 17 Abs. 1 Nr. 1 NachbGBIn statt.
Da die Klägerin in jedem Fall berechtigt ist, die Dämmung der Giebelwand durchzuführen bzw. die Beklagte hier zur Duldung verpflichtet ist, da die Dämmung nicht anders mit einem hängenden Gerüst durchgeführt werden kann und das hängende Gerüst insoweit das mildeste Mittel nach § 17 Abs. 3 NachbGBIn darstellt, kommt es nicht darauf an, ob eine Innendämmung, was die Beklagte behauptet, billiger und effektiver ist.
Letztlich sind auch die Einwände der Beklagten zum Brandschutz nicht nachvollziehbar. Unstreitig handelt es sich bei der geplanten Dämmung um eine Dämmung aus Mineralien und wieso diese leicht entflammbar sein soll, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.
Der Antrag zu 3) ist begründet.
Die Beklagte ist – wie ausgeführt – zur Duldung der Dämmung aus § 16a NachbGBIn verpflichtet.
Über den „Hilfsantrag“ der Beklagten war nicht zu entscheiden, da es sich nur um einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens handelte und nicht um einen Sachantrag.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 18. Januar 2018 war § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Der Klägerin war auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28. Dezember 2017 und vom 08. Januar 2018 keine Erklärungsfrist mehr zu bewilligen, da diese Schriftsätze keine entscheidungserheblichen Tatsachen enthalten.
Der Beklagten war auf die Schriftsätze der Klägerin vom 20. Dezember 2017 und 21. Dezember 2017 keine Erklärungsfrist mehr zu bewilligen, da diese Schriftsätze keine entscheidungserheblichen Tatsachen enthalten.
Der Schriftsatz der Beklagten vom 19.1.2018 war nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 i. V. mit § 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.