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Eigenbedarfskündigung – ohne Nutzungswillen keine Kündigung

Streit um Eigenbedarfskündigung: Kläger unterliegt vor Gericht

Das Gericht wies die Klage eines Vermieters auf Räumung wegen Eigenbedarfs ab, da es ihm an einem schlüssigen und glaubhaften Nutzungswillen fehlte. Der Kläger konnte nicht überzeugend darlegen, dass er die Wohnung tatsächlich für seine Schwiegermutter benötigte. Zudem ergaben sich Widersprüche bezüglich seiner Veräußerungsabsichten der Wohnung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 21 C 50/23 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage abgewiesen: Das Gericht fand die Klage des Vermieters unbegründet.
  2. Zweifel an Nutzungswillen: Es bestanden ernsthafte Zweifel am Nutzungswillen des Klägers für die Eigenbedarfskündigung.
  3. Widersprüchliche Aussagen: Der Kläger machte widersprüchliche Angaben bezüglich seiner Verkaufsabsichten der Wohnung.
  4. Kein schlüssiger Nutzungswunsch: Der Kläger konnte keinen überzeugenden Nutzungswunsch für die Räumung zum Zeitpunkt der Kündigung nachweisen.
  5. Beweislast beim Vermieter: Der Vermieter konnte die erforderlichen Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung nicht erfüllen.
  6. Kein Verzug der Beklagten: Mangels eines Anspruchs des Klägers befanden sich die Beklagten nicht im Verzug.
  7. Keine Schadensersatzpflicht der Beklagten: Es besteht keine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger.
  8. Kosten des Rechtsstreits: Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Eigenbedarfskündigung: Eine rechtliche Betrachtung

Die Eigenbedarfskündigung stellt einen der zentralen Konfliktpunkte im Mietrecht dar. Sie tritt auf, wenn ein Vermieter die von ihm vermietete Immobilie für sich selbst, seine Familienangehörigen oder Haushaltsangehörige beansprucht. Dieser Anspruch muss allerdings klar und nachweisbar sein, wobei der Nutzungswillen des Vermieters eine entscheidende Rolle spielt. Ohne einen glaubhaften, ernsthaften Nutzungswillen kann eine Eigenbedarfskündigung rechtlich unwirksam sein. In diesem Kontext wird auch die finanzielle und emotionale Belastung für die betroffenen Mieter sichtbar, welche oft mit der Unsicherheit einer drohenden Wohnungslosigkeit konfrontiert sind.

Das Spannungsfeld zwischen den Interessen der Vermieter und den Rechten der Mieter wird besonders deutlich, wenn es um die Frage der Gültigkeit einer Kündigung und die damit verbundenen Kosten eines Rechtsstreits geht. Ein interessanter Aspekt dabei ist, wie Gerichte in solchen Fällen urteilen und welche Maßstäbe angelegt werden, um die Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens zu bewerten. Der folgende Text beleuchtet ein konkretes Urteil zu diesem Thema und bietet aufschlussreiche Einblicke in die juristische Bewertung von Eigenbedarfskündigungen, die sowohl für Mieter als auch für Vermieter von großer Bedeutung sind. Tauchen wir ein in die Details dieses spannenden Rechtsgebietes.

Die Gründe für die rechtliche Auseinandersetzung: Eigenbedarf als Kündigungsgrund

Im Zentrum des vorliegenden Rechtsstreits steht die Eigenbedarfskündigung eines Vermieters, der die Räumung einer Wohnung von seinen Mietern forderte. Der Vermieter, ein Kläger in diesem Fall, berief sich darauf, dass er die Wohnung für seine 84-jährige Schwiegermutter benötigte, die an fortschreitender Demenz litt. Er argumentierte, dass die Betreuung in der Wohnung sowohl finanziell günstiger als auch qualitativ besser für sie wäre als in einer Pflege-Wohngemeinschaft. Diese Aussage wurde jedoch von den Mietern angezweifelt, die darauf hinwiesen, dass die Wohnung nicht altersgerecht sei und der Kläger möglicherweise andere Motive für die Kündigung hätte.

Die rechtlichen Herausforderungen und Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens

Ein zentrales rechtliches Problem in diesem Fall war die Frage, ob der Kläger einen ernsthaften Nutzungswillen für die Eigenbedarfskündigung hatte. Das Gericht musste bewerten, ob der Kläger tatsächlich die Absicht hatte, die Wohnung seiner Schwiegermutter zur Verfügung zu stellen. Dies wurde durch widersprüchliche Aussagen des Klägers bezüglich seiner Verkaufsabsichten der Wohnung kompliziert. Es gab Anzeichen, dass der Kläger die Wohnung verkaufen wollte, was im Widerspruch zu seinem angeblichen Nutzungswunsch stand. Die Glaubwürdigkeit des Klägers wurde weiter dadurch untergraben, dass er die Wohnung für Besichtigungen durch potenzielle Käufer offenhielt, selbst nachdem die Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgesprochen worden war.

Gerichtliche Entscheidung: Klage abgewiesen

Das Amtsgericht Berlin-Mitte kam in seinem Urteil zu dem Schluss, dass die Klage des Vermieters unbegründet sei. Das Gericht wies darauf hin, dass der Nutzungswunsch des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung weder gegenwärtig noch mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft realisierbar war. Die vom Kläger vorgebrachten Argumente und Beweise reichten nicht aus, um einen echten Bedarf an der Wohnung zu belegen. Folglich wurde die Kündigung als unwirksam erachtet, und die Beklagten waren nicht verpflichtet, die Wohnung zu räumen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass den Beklagten keine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kläger zusteht und dieser die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Implikationen des Urteils und seine Bedeutung

Das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte hat weitreichende Implikationen für die Praxis der Eigenbedarfskündigung. Es betont die Notwendigkeit für Vermieter, einen klaren und nachweisbaren Nutzungswillen zu haben, bevor sie eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aussprechen. Dieses Urteil unterstreicht die Wichtigkeit der Glaubwürdigkeit und Konsistenz in den Aussagen des Vermieters bezüglich seiner Absichten. Für Mieter bietet das Urteil eine gewisse Sicherheit, da es zeigt, dass Gerichte eingehend prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung tatsächlich erfüllt sind.

Im nachfolgenden konkreten Urteil werden die detaillierten Überlegungen und Schlussfolgerungen des Gerichts zu diesem interessanten und wichtigen Thema im Mietrecht beleuchtet.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet Nutzungswillen im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen Eigenbedarf?

Der Begriff „Nutzungswillen“ bezieht sich im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen Eigenbedarf auf den ernsthaften Wunsch des Vermieters, die Wohnung selbst zu nutzen oder sie Familien- bzw. Haushaltsangehörigen zur Verfügung zu stellen. Im deutschen Mietrecht ist der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, wenn er die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Um eine wirksame Kündigung wegen Eigenbedarf auszusprechen, muss der Vermieter seinen Nutzungswillen nachweisen können. Das bedeutet, dass er im Kündigungsschreiben darlegen muss, für welche Person er die Wohnung benötigt und einen konkreten Sachverhalt beschreiben, der den Eigenbedarf begründet. Wenn der Vermieter den Nutzungswillen nicht ausreichend darlegen kann oder dieser fehlt, kann die Kündigung unwirksam sein.

Es ist wichtig zu wissen, dass nicht jeder Vermieter Eigenbedarf geltend machen kann. Juristische Personen wie Aktiengesellschaften oder GmbHs können beispielsweise keine Eigenbedarfskündigungen aussprechen.


Das vorliegende Urteil

AG Berlin-Mitte – Az.: 21 C 50/23 – Urteil vom 15.03.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von den Beklagten Räumung der von ihnen innegehaltenen Wohnung aufgrund einer wegen geltend gemachten Eigenbedarfs ausgesprochenen Kündigung.

Der Kläger und der Beklagte zu 1 sind durch einen – vor dem Eigentumserwerb durch den Kläger an der streitgegenständlichen Wohnung geschlossenen – Mietvertrag aus dem Jahr 2000 über eine Wohnung in der … miteinander verbunden. Die Beklagte zu 2 ist die Lebensgefährtin des Beklagten zu 1, sie lebt mit ihm und dem gemeinsamen Sohn in der streitgegenständlichen Wohnung.

In einer Zusatzvereinbarung vom 12.09.2016 zum Mietvertrag, wegen deren Inhalts auf Anlage K3, Bl. 18/I d.A. Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise wie folgt:

„Im Gegenzug verzichtet der Vermieter auf sein Recht zur Kündigung aufgrund von Eigenbedarf hinsichtlich der oben genannten Wohnung bis zum 30.09.2020.“

Mit Schreiben vom 30.09.2020 wegen dessen Inhalts auf Anlage K4, Bl. 19/I d.A. Bezug genommen wird und das der Kläger dem Beklagten zu 1 am selben Tag persönlich in der streitgegenständlichen übergab, kündigte dieser das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für seine damals 84-jährige Schwiegermutter (geboren am ….1937) zum Ablauf des 30.06.2021. Mit anwaltlichem Schreiben vom 3.08.2021, wegen dessen Inhalts auf Anlage K 6, Bl. 21/I d.A. Bezug genommen wird, setzte der Kläger den Beklagten eine Nachfrist zur Räumung bis zum 12.08.2021 um 12:00 Uhr.

Die Schwiegermutter des Klägers lebte nach ihrem Umzug nach B. im Sommer 2018 zunächst in einer Pflege -Wohngemeinschaft in B. W.. Anfang dieses Jahres zog die Schwiegermutter in eine andere Pflege – Wohngemeinschaft in größerer Nähe zu ihrer Tochter, der Ehefrau des Klägers, um. Die Schwiegermutter des Klägers leidet unter einer erheblich eingeschränkten Selbständigkeit und Mobilität, verbunden mit Störungen der Motorik und bedarf aus Sicherheitsgründen aufgrund von Gangunsicherheit und Sturzneigung einer Begleitung zu ihren Verrichtungen. Sie muss zum Trinken und Essen aufgefordert, erinnert und motiviert werden.

Die streitgegenständliche Wohnung befindet sich im 1. OG eines Gebäudes ohne Aufzug. Die Wohnung ist nicht barrierefrei ausgebaut und die Türen verfügen über Türschwellen.

Der Kläger erwog im Jahr 2020, die streitgegenständliche Wohnung – u.a. an den Beklagten zu 1 – zu veräußern, wobei zwischen den Parteien streitig ist, bis zu welchem Zeitpunkt diese Erwägungen fortdauerten und mit welcher Intensität der Kläger die Veräußerung betrieb.

Die Beklagten räumten die Wohnung bis heute nicht.

Der Kläger behauptet, er habe im Zeitpunkt der Kündigung und bis heute den ernsthaften Wunsch, seine Schwiegermutter in der streitgegenständlichen Wohnung professionell pflegen und versorgen zu lassen. Seine Schwiegermutter leide unter fortschreitender Demenz.

Er behauptet weiter, die in einer Pflege – Wohngemeinschaft anfallenden Wohn- und Pflegekosten seien gegenüber denjenigen einer 24/7 pflegerischen Betreuung in der streitgegenständlichen Wohnung deutlich höher. In der Pflege – Wohngemeinschaft fielen Kosten von 4.000,00 – 6.000,00 EUR pro Monat an. In der streitgegenständlichen Wohnung bewege sich die Kostenersparnis auch bei einer 24/7 Pflege zwischen 1.500,00 und 3.000,00 EUR.

Er behauptet weiter, die Pflege in der streitgegenständlichen Wohnung sei für die Schwiegermutter auch qualitativ besser als in einer Pflege – Wohngemeinschaft, denn durch die 1:1 Betreuung könne individuell auf ihre Bedürfnisse eingegangen werden. In der Pflege – Wohngemeinschaft finde keine Beschäftigung in Form von Spaziergängen o.ä. statt. Beispielsweise laufe durchgehend der Fernseher und die Bewohner blieben sich selbst überlassen. Die Schwiegermutter verlaufe sich regelmäßig und störe andere Bewohner in ihren Zimmern. Es habe sich bei ihr eine sog. „Hinlauftendenz“ entwickelt, die dazu führe, dass sie unbegleitet und häufig unangemessen, insbesondere nicht ausreichend warm bekleidet die Pflege – Wohngemeinschaft verlasse und – nachdem sie zum Teil 12h lang nicht auffindbar sei – von der Polizei zurückgebracht werden müsse. Dies sei beispielsweise am 4.09.2020 geschehen. Das Personal der Einrichtung sei im Wesentlichen untätig geblieben bzw. nicht erreichbar gewesen.

Die Ehefrau des Klägers könne die Schwiegermutter in der streitgegenständlichen Wohnung auch örtlich leichter – nämlich innerhalb von drei Minuten mit dem Fahrrad – erreichen. Schließlich sei das Wohnen in der streitgegenständlichen Wohnung gegenüber einer Pflege – Wohngemeinschaft auch vor dem Hintergrund der Corona Pandemie sicherer. Die streitgegenständliche Wohnung sei für die Schwiegermutter auch geeignet, insbesondere könne diese Treppenstufen allein bewältigen.

Er behauptet schließlich, er habe im Zeitpunkt der Kündigung keine Absicht gehabt, die streitgegenständliche Wohnung zu veräußern und auch keinem Makler / keiner Maklerin einen dahingehenden Auftrag erteilt. Zwar habe er erwogen, die streitgegenständliche Wohnung zu veräußern, um eine Wohnung im selben Haus zu kaufen, in dem er mit seiner Ehefrau wohne. Zu diesem Zweck habe er die streitgegenständliche Wohnung bei … Kleinanzeigen inseriert, um den möglichen Verkaufspreis und ein mögliches Eigenkapital zu ermitteln.

Daraufhin sei es zu einer Kontaktaufnahme durch zwei Makler gekommen. Ihnen habe er gestattet, ihre interne Kartei auf potentielle Interessenten zu sichten. Eine öffentliche Inserierung sei weder beabsichtigt, noch stillschweigend geduldet worden. Er habe erst im Rahmen dieses Rechtsstreits von den Inseraten erfahren und habe vorsorglich jeglichen Auftrag storniert und die Löschung der Inserate verlangt. In der zweiten Jahreshälfte 2020 bzw. im Herbst 2020 habe er jegliche Verkaufsabsicht verworfen.

Er bestreitet mit Nichtwissen, dass die Beklagten seit dem Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich eine neue Wohnung suchen und keine alternative Wohnung gefunden haben wollen.

Der Kläger meint, bei fortschreitenden Alterserscheinungen könne die Wohnung barrierefrei gestaltet werden, insbesondere habe er gegen die WEG einen Anspruch auf Umbaumaßnahmen wie die Installation eines Treppenlifts im Treppenhaus.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Mietwohnung Nr. … in der …B., 1. Geschoss rechts, bestehend aus 3 Zimmern nebst Küche, Toilette, Dusche, Bad und Diele, deren Größe insgesamt ca. 103,11 m² beträgt, sowie 1 Kellerraum, zu räumen und vollständig geräumt nebst Schlüsseln an den Kläger herauszugeben;

2. Die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.054,10 EUR freizustellen;

3. Festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass die Beklagten die Mietwohnung Nr. … B., 1. Geschoss rechts, bestehend aus 3 Zimmern nebst Küche, Toilette, Dusche, Bad und Diele, deren Größe insgesamt ca. 103,11 m² beträgt, sowie 1 Kellerraum, nicht zum 30.06.2021 geräumt an den Kläger herausgegeben haben.

Die Beklagten beantragen,

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise, den Beklagten eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Räumungsfrist zu gewähren.

Sie bestreiten den Eigenbedarfswunsch des Klägers mit Nichtwissen und behaupten, die Wohnung sei nicht altersgerecht. Sie bestreiten mit Nichtwissen, hilfsweise einfach, dass die Betreuung in der streitgegenständlichen Wohnung günstiger und besser sei als in einer Pflege – Wohngemeinschaft. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger oder dessen Ehefrau gegenüber der Schwiegermutter unterhaltspflichtig seien.

Sie behaupten, die Kündigung sei vorgeschoben und diene der Erzielung eines höheren Kaufpreises bzw. einer erleichterten Veräußerung. Die Wohnung sei vor, im Zeitpunkt der Kündigung und darüber hinaus über zwei verschiedene Makler zum Verkauf angeboten worden. Nicht nur sei es im Juni, Juli und September 2020 zu Wohnungsbesichtigungen mit Kaufinteressenten gekommen, sondern sogar die Kündigung sei im Zuge einer Wohnungsbesichtigung mit Kaufinteressenten am 30.09.2020 übergeben worden. Ein Makler habe noch im Februar 2021 einem Kaufinteressenten mitgeteilt, dass der Kläger mit dem Mieter einen Auszugstermin verhandele. Im Mai 2021 habe der Makler einer Kaufinteressentin u.a. mitgeteilt, dass die Mieter im Juni auszögen und der Kaufpreis dann steigen werde. Entsprechende Exposés seien noch bis 30.10.2020 bzw. 8.08.2021 im Internet abrufbar gewesen. Der Kläger habe auch bereits im Jahr 2017 und 2020 ergebnislos versucht, die Wohnung zu verkaufen.

Auch aus den bereits im Jahr 2012 und 2016 zwischen den Parteien erzielten Verständigungen über eine Mieterhöhung / Staffelmietvereinbarung unter Verzicht auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ergebe sich, dass der Kläger keinen ernsthaften Eigenbedarfswunsch hege, sondern höhere Einnahmen generieren wolle.

Entsprechend sei die Kündigung zum Zeitpunkt des Auslaufens der letzten Mietstaffel erklärt worden.

Sie meinen, die Kündigung sei unwirksam.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen … und … Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 8.11.2022, Bl. 204/I d.A.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist unbegründet, denn dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Es bestehen schon Zweifel ob sich der Kläger auf die Kündigung am 30.09.2020 berufen durfte, denn der in der „3. Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 26.06.2000“ (Anlage K3, Bl. 18/I d.A.) unter 3. erklärte Verzicht auf das Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs „bis zum 30.09.2020“ könnte dahingehend auszulegen sein, dass eine Kündigung erst an dem auf den 30.09.2020 folgenden Tag, mithin am 1.10.2020 hätte erklärt werden dürfen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Parteien die Regelung dahingehend treffen wollten, dass die Kündigung schon zuvor erklärt werden durfte, aber die Räumung / Herausgabe frühestens am 1.10.2020 geschuldet sein sollte. Denn der Kläger hat selbst erklärt, die Kündigung am 30.09.2020 erfolge zum „nächstmöglichen“ Zeitpunkt (Klageschrift S. 4, Bl. 4/I d.A. sowie Anlage K4, Bl. 19 d.A.), ging mithin selbst davon aus, dass eine Kündigung nicht vor dem 30.09.2020 erklärt werden durfte. Die Formulierung „bis zum“ ist aber regelmäßig dahingehend auszulegen, dass das anschließend angegebene Datum / der angegebene Tag von der laufenden Frist erfasst ist.

Dies kann aber dahinstehen, denn der Kläger hat mit Schreiben vom 3.08.2021 (Anlage K6 Bl. 21/I d.A.) höchst vorsorglich erneut die Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt erklärt.

Auch aufgrund dieser Kündigung schulden die Beklagten aber keine Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 985 BGB, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Denn gemäß § 573 Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, was insbesondere vorliegt, wenn der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Das Tatbestandsmerkmal „benötigt‟ in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB setzt begrifflich zunächst voraus, dass der Vermieter die ernsthafte Absicht hat, die Räume selbst als Wohnung zu nutzen oder diese einem Hausstands- oder Familienangehörigen zu überlassen. Fehlt in den Fällen der behaupteten Eigennutzungsabsicht ein ernsthafter Nutzungswille, so ist die Kündigung bereits aus diesem Grunde unwirksam (SchmidtFutterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 77). Der Vermieter muss also dartun und ggf. beweisen, dass sich sein Nutzungswunsch so weit „verdichtet“ hat, dass ein konkretes Interesse an alsbaldiger Eigennutzung besteht (MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, BGB § 573 Rn. 98). Die Kündigungsvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorliegen, d.h. der Nutzungswunsch muss zu diesem Zeitpunkt entweder gegenwärtig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft – d.h. mit Ablauf der Kündigungsfrist – realisierbar sein (BGH NZM 2017, 23).

Dies ist nach der Überzeugung des Gerichts nicht der Fall. Im Hinblick auf die Kündigung vom 30.09.2020 ist die Ernsthaftigkeit des behaupteten Nutzungswillens – ungeachtet der oben dargestellten Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen – bereits nicht schlüssig dargelegt, jedenfalls aber nicht glaubhaft. Denn der Vortrag des Klägers zur unstreitig bestehenden Veräußerungsabsicht ist widersprüchlich: einerseits soll sich die Absicht „in der zweiten Jahreshälfte 2020“ (Schriftsatz des Klägers vom 3.06.2022, S. 2 a.E., Bl. 133/I d.A.), andererseits im „Herbst 2020“ (Schriftsatz des Klägers vom 24.11.2022, S. 9, Bl. 9/II d.A.) erledigt haben, nach seiner informatorischen Anhörung „im Sommer 2020“, jedenfalls am 30.09.2020 nicht mehr bestanden haben. Eine Besichtigung der Wohnung mit Kaufinteressenten wurde aber – ohne dass der Kläger dies nachvollziehbar begründen konnte – nicht abgesagt (Protokoll vom 7.02.2023, Bl. 59 f. d.A.). Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger selbst als „vorausschauenden“ Menschen beschreibt (Protokoll vom 7.02.2023, S. 5 Bl. 63 f. d.A.) nicht plausibel, zumal die Interessenten, die am 30.09.2020 zur Besichtigung eingeladen waren, dem Kläger nicht bekannt waren und eine auch sehr kurzfristige Absage des Termins für ihn keinerlei persönliche oder anderweitige Konsequenzen gehabt hätte. Vielmehr liegt es nahe, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung am 30.09.2020 noch keine feststehenden Absichten im Hinblick auf die Nutzung der Räume hatte, aber eben „so früh wie möglich“ – allerdings unzulässig gleichsam „auf Vorrat“ – kündigen wollte. Die behauptete Abstandnahme von den Verkaufsabsichten am 30.09.2020 ist nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund unplausibel, dass die Besichtigung unstreitig und wie von dem Kläger selbst detailreich geschildert, unter „Pandemie Bedingungen“ stattfand. Die Inkaufnahme eines Infektionsrisikos trotz behaupteter sicherer Abstandnahme von einer Veräußerung der Wohnung spricht gegen den Vortrag des Klägers zur Ernsthaftigkeit seines Nutzungswillens im Zeitpunkt dieser Kündigung. Allein die Tatsache, dass der Kläger die Kündigung persönlich übergeben wollte, sich mithin am Besichtigungstag ohnehin in der Wohnung befand, erklärt ebenfalls nicht, weshalb er – seinen Vortrag als wahr unterstellt – die Besichtigung nicht absagte. Denn einerseits war seine Anwesenheit in der Vergangenheit nach dem unstreitigen Parteivortrag keine Voraussetzung für Besichtigungen der Wohnung. Andererseits musste die Übergabe der Kündigung wegen geltend gemachten Eigenbedarfs bei gleichzeitiger Besichtigung der Wohnung durch Kaufinteressenten auf die Mieter widersprüchlich wirken. Eine Erklärung für dieses Verhalten gab der Kläger auch auf Nachfrage nicht.

Auch die vorsorglich erklärte Kündigung mit Schreiben vom 3.08.2021 (Anlage K 6, Bl. 21/I d.A.) ist unwirksam. Denn auch insoweit hat der Kläger die Ernsthaftigkeit seines Nutzungswillens im Zeitpunkt der Kündigung nicht ausreichend dargelegt und bewiesen. Zwar mögen seit der Kündigung vom 30.09.2020 keine Besichtigungen mehr durchgeführt worden sein. Denn auch nach dem Vortrag des Klägers hat dieser die Vermittlungsbemühungen der beiden Makler erst im Herbst / Winter 2021, mithin nach Erklärung der Kündigung unterbunden. Dabei kann dahinstehen, ob ihm die von den Beklagten vorgelegten Inserate bekannt waren. Denn dem Kläger war unstreitig bekannt und es wurde unstreitig von ihm geduldet – sogar gebilligt – dass die Makler Interessenten „aus ihrer Kartei“ auf die Wohnung aufmerksam machten. Selbst wenn er einem der beiden Makler im Anschluss an die Kündigung vom 30.09.2020 gesagt haben will, er solle „das lassen“ – was die Beklagten bestreiten – ist unklar, ob damit die Besichtigungen gemeint waren oder die Vermittlung insgesamt und ob der Makler dies vorerst oder endgültig geltend sollte, zumal er mit dem Makler über die Kündigung des Mietvertrags gesprochen haben will. Bei endgültiger Abstandnahme von der Veräußerung hätte es nahegelegen, beiden Maklern die weitere Vermittlung ausdrücklich und umfassend zu untersagen. Dies hat der Kläger aber gerade nicht vorgetragen. Im Gegenteil teilte er ausweislich der Anlage K16 (Bl. 140/I d.A.) den Maklern mit, aufgrund einer Streitsituation mit den Mietern sei mit dem Verkauf generell „abzuwarten“. Danach hatte der Kläger von einer Veräußerung nicht endgültig Abstand genommen. Ein ernsthafter, eindeutiger Nutzungswille ist danach auch für den Zeitpunkt der zweiten Kündigung nicht ausreichend dargelegt und bewiesen.

2. Mangels Bestehens eines Anspruchs nach dem Antrag zu 1 des Klägers befanden sich die Beklagten auch nicht im Verzug. Danach besteht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

3. Mangels Bestehens eines Anspruchs nach dem Antrag zu 1 des Klägers besteht auch bereits dem Grunde nach keine Schadensersatzpflicht der Beklagten, so dass insoweit auch keine Feststellung in Betracht kommt.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 ZPO, §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

 

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