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Fälligkeit der Vollkaskoentschädigung nach einem Kfz-Diebstahl

OLG Köln, Az: 9 U 229/00, Urteil vom 04.12.2001

Die Berufung des Klägers gegen das am 23.11.2000 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 24 O 403/99 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Auto Diebstahl
Symbolfoto: djedzura / Bigstock

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das klageabweisende Versäumnisurteil im Ergebnis zu Recht aufrechterhalten, da der Kläger weder einen Anspruch auf eine weitere Kaskoentschädigung in Höhe von 10.300,- DM noch auf Ersatz von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.754,25 DM hat. Dabei ist die Klage hinsichtlich eines Teilbetrags von 10.000,- DM der begehrten Kaskoentschädigung nebst 4 % Zinsen seit dem 11.08.1999 nur derzeit unbegründet.

I.

Ein Anspruch auf weitere Entschädigung in Höhe von 10.300,- DM für das am 20.02.1999 entwendete Motorrad steht dem Kläger aus der Teilkaskoversicherung nach §§ 1, 49 VVG, 12,13 AKB nicht zu.

1) In Höhe von 300,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.08.1999 ist die Klage insoweit bereits endgültig unbegründet. Denn auch nach der Berechnung des Klägers sind von dem Wiederbeschaffungswert laut Sachverständigengutachten D. vom 15.07.1998 i. H. v. 60.000,00 DM ein Wertverlust bis zum Entwendungszeitpunkt von 1.000,00 DM sowie der Selbstbehalt von 300,00 DM abzuziehen, so dass sich eine Entschädigungssumme von 58.700,00 DM ergibt. Da die Beklagte bereits 48.700,00 DM gezahlt hat, verbleibt nur ein Restbetrag von 10.000,00 DM (und nicht 10.300,00 DM).

Obwohl das Landgericht die Klage insoweit nur als derzeit unbegründet abgewiesen hat, darf das Berufungsgericht eine uneingeschränkte Abweisung aussprechen. Darin liegt kein Verstoß gegen § 536 ZPO. Ein Kläger, der – wie hier – den gesamten Anspruch zur Überprüfung durch das Berufungsgericht stellt und somit weiterhin ein umfassendes Sachurteil erstrebt, hat kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der ihm durch die Abweisung als derzeit unbegründet in erster Instanz erwachsenen Rechtsstellung (BGH, WM 1988, 1196, 1198).

2) Hinsichtlich der restlichen 10.000,00 DM nebst Zinsen hat das Landgericht die Klage zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen. Etwaige weitere Entschädigungsansprüche des Klägers sind nicht fällig, da das noch nicht durchgeführte Sachverständigenverfahrens nach § 14 AKB Fälligkeitsvoraussetzung ist (Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 14 AKB Rn. 1). Die Berufung der Beklagten auf § 14 AKB ist zulässig.

Dem Versicherer ist es nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht verwehrt, den Einwand nach § 14 AKB erst im Prozess zu erheben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherer die Leistung schon dem Grunde nach endgültig abgelehnt hat (OLG Frankfurt, VersR 1990, 1384, 1385; Römer in Römer/Langheid, VVG, § 64 Rn. 31) oder den Versicherungsnehmer seinerseits auf den Klageweg verwiesen hat (Knappmann, a.a.O., § 14 AKB Rn. 2). Dabei verstößt der Versicherer auch dann nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn er nach dem Eintritt eines Versicherungsfalls mit dem Versicherungsnehmer zunächst über die Schadenshöhe verhandelt und in diesem Zusammenhang auch Sachverständigengutachten eingeholt hat, den seiner Meinung nach angemessenen Entschädigungsbetrag zahlt und sich im Rechtsstreit in Bezug auf die weitergehende Forderung des Versicherungsnehmers auf § 14 AKB beruft (Senat, r+s 1996, 14; OLG Frankfurt, a. a. O.). Die Parteien können zwar auch konkludent auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens verzichten. An die Annahme eines Verzichts sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Ein solcher Verzicht liegt noch nicht vor, wenn der Versicherer vor Einleitung des Sachverständigenverfahrens ein Gutachten einholt, um einen Entschädigungsvorschlag vorzubereiten (Senat, a.a.o.; OGH, VersR 1995, 607; Römer, a.a.O., § 64 Rn. 32).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte vorliegend weder auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens konkludent verzichtet, noch ist ihre Berufung auf die mangelnde Fälligkeit erst im Prozess treuwidrig. Denn sie hat lediglich einseitig ohne Einvernehmen mit dem Kläger Sachverständigengutachten eingeholt, um den ihrer Meinung nach angemessenen Wiederbeschaffungswert zu ermitteln. Das gilt auch für die ergänzende Stellungnahme des TÜV-Gutachters S. vom 20.07.1999, da die Beklagte damit lediglich die Einwendungen des Klägers gegen das erste Gutachten vom 08.06.1999 ausräumen wollte. Durch die Einholung dieser Gutachten verfolgte die Beklagte – auch aus der Sicht des Klägers – allein das Ziel, ihre eigene Position im Streit um den angemessenen Entschädigungswert zu untermauern.

Diesem Verhalten der Beklagten kann nicht der Erklärungswert beigemessen werden, sie wolle auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens verzichten. Das ergibt sich insbesondere, wenn man Sinn und Zweck des Sachverständigenverfahrens berücksichtigt. Dadurch kann regelmäßig eine schnellere und billigere Klärung des allein auf die Höhe beschränkten Streits zwischen den Parteien erreicht werden. Außerdem haben die Feststellungen der Sachverständigen weitgehend bindende Wirkung, da sie nur unverbindlich sind, wenn sie offenbar von der wirklichen Rechtslage erheblich abweichen (§ 64 Abs. 1 S. 1 VVG). Mit dieser ganz anderen Zielsetzung des Sachverständigenverfahrens hat die Einholung vorprozessualer Gutachten durch eine Seite nichts gemein, so dass darin kein Verzicht auf die Durchführung dieses andersartigen Verfahrens gesehen werden kann.

In der Erklärung des Zeugen B. beim Telefonat vom 10.08.1999 mit dem vorprozessual für den Kläger tätigen Rechtsanwalt K. liegt ebenfalls keine Verzichtserklärung. Das gilt auch dann, wenn man von der Behauptung des Klägers ausgeht, der Zeuge B. habe im Hinblick auf die angedrohte Klage geäußert, dass bezüglich der Höhe des streitigen Betrages ja nun das Gericht entscheiden müsse bzw. werde. Denn in dieser Erklärung kommt nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die Beklagte gerade auf die Vorteile des Sachverständigenverfahrens verzichten wolle. Dagegen spricht vor allem, dass dieses Verfahren in dem Telefonat wie auch in der gesamten vorangegangenen Korrespondenz zwischen den Parteien nicht erwähnt worden ist. Der Äußerung kann daher kein rechtsgeschäftlich verbindlicher Erklärungswert im Hinblick auf § 14 AKB beigemessen werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Verhalten der Beklagten bzw. ihres Sachbearbeiters auch nicht so zu verstehen, dass die Beklagte den Kläger ihrerseits auf den Klageweg verwiesen hat. Denn der Kläger hatte bereits vor diesem Telefonat seinerseits mit einer Klage gedroht. Zuletzt hatte er in seinem Schreiben vom 04.08.1999 ausdrücklich erklärt, nach ergebnislosem Ablauf des 10.08.1999 werde unwiderruflich Klage erhoben. Dies wurde in dem Telefonat vom 10.08.1999 auch angesprochen. Unter diesen Umständen hat die Äußerung des Zeugen B. – wie das Landgericht zu Recht ausführt – eher die Bedeutung, dass die Beklagte dieser Klage entgegensehe und durch deren Ankündigung nicht zu einer Änderung ihres Standpunktes veranlasst werden könne. Damit hat die Beklagte jedoch den Kläger nicht ihrerseits auf den Klageweg verwiesen.

Die Beklagte traf auch keine Hinweispflicht auf die sich aus § 14 AKB ergebenden Voraussetzungen einer Klage. Es war vielmehr allein Sache des Klägers, die Rechtslage zu überprüfen und dabei auch die vertraglich vereinbarte Regelung des § 14 AKB zu berücksichtigen. Vor einer Klageerhebung hätte er bei der Beklagten unmissverständlich nachfragen müssen, ob diese auf das Sachverständigenverfahren verzichten wolle.

Da die Klageabweisung somit schon mangels Fälligkeit gerechtfertigt ist, bedarf es nicht der sonst erforderlichen Beweiserhebung zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der vorprozessual entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 2.754,25 DM.

1) Dem steht sowohl für die geltend gemachten Verzugskosten (2.526,02 DM) als auch für die begehrte Hebegebühr (228,23 DM) entgegen, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass er die von Rechtsanwalt K. geforderten Gebühren an diesen gezahlt hat. Darauf ist er im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen worden. Ohne Zahlung hätte ihm allenfalls ein Freistellungsanspruch zustehen können, der jedoch nicht geltend gemacht worden ist.

2) Unabhängig davon steht dem Kläger nach §§ 286, 284 BGB auch deshalb kein Anspruch auf Schadensersatz zu, weil die von ihm geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten nicht nach Verzugseintritt entstanden sind. Die Beklagte ist nämlich erst durch das Schreiben von Rechtsanwalt K. vom 04.08.1999 in Verzug geraten. Nach diesem Zeitpunkt sind hinsichtlich des insoweit relevanten Teilbetrags von 48.700,- DM, den die Beklagte vor dem 10.08.1999 gezahlt hat, keine Anwaltsgebühren mehr entstanden.

Nach § 284 Abs. 1 S. 1 BGB muss die verzugsbegründende Mahnung nach Eintritt der Fälligkeit erfolgen. Diese lag hier auch für den gezahlten Teilentschädigungsbetrag nicht vor Mitte Juli 1999 vor.

Voraussetzung für die Fälligkeit ist nach §§ 11 Abs. 1 u. 2 VVG, 15 Nr. 1 S. 2 AKB auch im Hinblick auf die abschlagsweise Zahlung eines Mindestbetrages, dass der Anspruch jedenfalls dem Grunde nach besteht (Römer, a.a.O., § 11 Rn. 15; Knappmann, a.a.O., § 15 AKB Rn. 2). Für diese Feststellung darf der Versicherer das Ergebnis eines Strafverfahrens regelmäßig auch dann abwarten, wenn es sich nicht gegen den Versicherungsnehmer richtet. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem der Versicherer von dem Ermittlungsergebnis durch Einsichtnahme in die Ermittlungsakten Kenntnis erlangt (BGH, VersR 1974, 639, 640).

Auch vorliegend stand der Beklagten das Recht auf vorherige Einsichtnahme in die Ermittlungsakte zu. Ein Verdacht gegen den Kläger selbst war unter Berücksichtigung des Tathergangs nicht vollkommen fernliegend, zumal das Motorrad erst kurz vor dem Diebstahl bei der Beklagten versichert worden war. Selbst wenn man hinsichtlich des Zeitpunkts davon ausgeht, dass die Beklagte aufgrund der Aktenversendung durch die StA vom 22.06.1999 schon im Juli, und nicht erst – wie nach ihrer Darstellung – am 2. August 1999 Einsicht nehmen musste, trat Fälligkeit unter Berücksichtigung einer angemessenen Prüfungsfrist jedenfalls erst im Laufe des Monats Juli ein. Nach § 284 Abs. 1 S. 1 BGB konnte die Beklagte somit erst durch die darauf erfolgende Mahnung vom 04.08.1999 in Verzug kommen. Die vorangegangenen Mahnungen des Klägers sind insoweit bedeutungslos.

Nach dem 04.08.1999 hat der für den Kläger tätige Rechtsanwalt K. keine Gebühren auslösenden Tätigkeiten mehr vorgenommen. Insbesondere sind das Telefonat vom 10.08.1999 und das Schreiben von Rechtsanwalt K. vom 11.08.1999 insoweit nicht zu berücksichtigen, da zu diesen Zeitpunkten die Zahlung i. H. v. 48.700,00 DM bereits erfolgt war, Verzug also nicht mehr vorlag. Dabei kommt es maßgeblich auf die Veranlassung der Überweisung durch die Beklagte und nicht den Zahlungseingang beim Kläger an. Denn der Verzug wird schon durch die Vornahme der Leistungshandlung durch den Schuldner, bei einer Überweisung also durch Eingang des Überweisungsauftrags bei der Bank beendet (Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001, § 284 Rn. 37; § 270 Rn. 7). Für sonstige anwaltliche Tätigkeiten zwischen dem 04. und 10.08.1999 ist nichts vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert und Beschwer des Klägers: 13.054,25 DM.

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