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Zahlung an Dritten – Erfüllungswirkung

AG Flensburg – Az.: 67 C 22/18 – Urteil vom 06.06.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine große Maklergesellschaft, die in Form von freien Handelsvertretungen diverse Geschäftsstellen betreibt. Für das Vertragsgebiet F. schloss die Klägerin mit der Beklagten im Jahre 2013 einen sogenannten Geschäftsstellenleitervertrag (Anlage K 1, Blatt 7 f. d. A.) ab, mit der sich die Beklagte verpflichtete, als selbständige Handelsvertreterin für die Klägerin Geschäfte zu vermitteln. Die Beklagte ihrerseits als freie Handelsvertreterin schloss im Jahre 2014 einen Maklervertrag mit einem Herrn N., wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 2 (Blatt 19 d. A.) Bezug genommen wird. Herr N. stellte der Beklagten im August 2015 mit zwei Schreiben für Vermittlungsleistungen insgesamt 7.360,10 Euro Provisionsforderungen in Rechnung. Dies entsprach dem Höchstprovisionssatz von 40 % aus dem Vertrag. Die Beklagte zahlte die Provision nicht. Im Zuge einer außergerichtlichen Auseinandersetzung wurde das Mitarbeiterverhältnis des Herrn N. mit der Beklagten beendet. In ihrer außergerichtlichen Korrespondenz mit der Klägerin erläuterte die Beklagte, dass sie meine, dass Herr N. in beiden Fällen keine 40 % Provision zustünden, da er nur Teilleistungen erbracht habe, die sie mit etwa 20 % veranschlagte.

Herr N. erwirkte im Folgenden zunächst einen Mahnbescheid und sodann am 20.06.2016 einen Vollstreckungsbescheid über Vermittlungs- und Maklerprovision in Höhe von 11.531,10 Euro. Dieser Vollstreckungsbescheid betraf unter anderem die beiden Provisionsrechnungen aus dem Monat Juli 2015 über 7.360,10 Euro und im Übrigen eine Rechnung für Schulungskosten, die Herr N. an die Klägerin gerichtet hatte.

Im Rubrum von Mahn- und Vollstreckungsbescheid hieß es, der Antrag werde gerichtet gegen die „v. P. I. GmbH, Geschäftsstelle F., N., F., gesetzlich vertreten durch die geschäftsführende Gesellschafterin A.“. Der Mahnbescheid wurde unter der Anschrift der Beklagten zugestellt. In diesem Zusammenhang sandte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ihr eine E-Mail, die von der Klägerin als Anlage K 7 (auf Blatt 36 d. A.), und zwar zunächst ausdrücklich unkommentiert, eingereicht worden ist.

Der Vollstreckungsbescheid ist zunächst per Niederlegung am 23.06.2016 bei der Beklagten zugestellt worden. Die Beklagte übersandte der Klägerin zu Händen ihres Justitiariats am 06.04.2017 den Vollstreckungsbescheid. Die Klägerin legte am 25.04.2017 über ihren Prozessbevollmächtigten Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein und beantragte im Übrigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Wiedereinsetzungsbescheid wurde abschlägig beschieden und der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid wurde durch das Landgericht Flensburg vom 21.07.2017 als unzulässig verworfen. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat nachfolgend die Entscheidung des Landgerichts bestätigt und dazu ausgeführt, die Einspruchsfrist für die Klägerin sei erst durch den Zugang des Vollstreckungsbescheids am 06.04.2017 ausgelöst worden, da die Zustellungen an die Anschrift der Beklagten keine ordnungsgemäßen Zustellungen gewesen seien. Die Einspruchsfrist sei damit am 20.04.2017 abgelaufen. An diesem Tage sei es auch bei einer Besprechung der Rechtsabteilung der Klägerin aufgefallen, dass es zuvor nicht gelungen war, den Prozessbevollmächtigten per E-Mail über den Vollstreckungsbescheid zu informieren, weil die Rechtsabteilung eine alte, nicht mehr in Gebrauch befindliche E-Mail-Adresse des Prozessbevollmächtigten gespeichert habe. Der Prozessbevollmächtigte sei daraufhin erst mit einer neuen E-Mail vom 21.04.2017 informiert worden. Bei dieser Sachlage sei der Beklagten vor Ablauf der zweiwöchigen Notfrist die rechtzeitige Einlegung eines Einspruchs möglich gewesen.

Die Klägerin zahlte daraufhin die titulierte Forderung des Herrn N. an diesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, damit zugleich auch die Beklagte von einer Verbindlichkeit befreit zu haben. Herr N. habe Provisionsansprüche mindestens in Höhe von 20 % und damit in Höhe der Hälfte seiner Rechnungssummen und damit in Höhe von 3.680,05 Euro gegen die Beklagte gehabt. Von dieser Verbindlichkeit sei die Beklagte durch die Zahlung der Klägerin befreit.

Die Klägerin ist darüber hinaus der Auffassung, bei der titulierten Forderung habe es sich um eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit zwischen ihr und der Beklagten gehandelt, so dass sie auch unter dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleiches von der Beklagten Zahlung verlangen kann. Zudem meint die Klägerin, aus der Anlage K 7, die die Klägerin erstmalig im Verhandlungstermin zum Gegenstand ihres Vorbringens machte, ergebe sich gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu, da die Beklagte es unterlassen habe, sie schon über den Mahnbescheid zu informieren.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.680,05 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe nicht auf eine fremde Schuld mit Tilgungswirkung, sondern auf eine eigene Schuld gezahlt, die sich aus dem Titel des Zeugen N. gegen die Klägerin ergebe. Die Beklagte habe auch nicht vorhergesehen, dass die Rechtsabteilung der Klägerin nicht innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist würde auf einen Vollstreckungsbescheid reagieren können. Ein Gesamtschuldverhältnis sei ebenfalls nicht gegeben.

Die Klage ist am 26.03.2018 zugestellt worden. Die Klägerin hat im Termin noch ein umfangreiches Anlagenkonvolut von E-Mails zwischen der Rechtsabteilung der Klägerin und der Beklagten aus den Jahren 2015 und 2016 eingereicht, ohne Abschriften für die Gegenseite und ohne nähere Konkretisierung des Inhalts, aber zur Untermauerung eines Anspruchs aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Beklagte hat der Verwertung dieses Anlagenkonvoluts widersprochen, vorsorglich Verspätung gerügt und hilfsweise Schriftsatznachlass beantragt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 3.680,05 Euro zu.

Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß den §§ 677, 683, 670 BGB. Ein solcher Anspruch scheitert hier schon an einem fehlenden Fremdgeschäftsführungswillen der Klägerin. Die Zahlung an den Zeugen N. geschah zur Erfüllung einer eigenen Pflicht. Der Zeuge N. hatte einen Titel gegen die Klägerin erwirkt. Wie die Klägerin im Termin auch eingeräumt hat, lautete die Leistungsbestimmung bei ihrer Zahlung auch auf das Aktenzeichen des betreffenden Titels.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung, hier aufgrund einer sogenannten Nichtleistungskondiktion im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BGB. Der Bereicherungsrechtsanspruch setzt voraus, dass die Beklagte etwas, und zwar in diesem Fall die Befreiung von einer Verbindlichkeit gemäß den §§ 267, 362 Abs. 1 BGB erlangt hat. Die Klägerin hat bei ihrer Zahlung auf die im Vollstreckungsbescheid titulierte Summe aber keine fremde Schuld, sondern eine eigene getilgt. Die Zahlung eines Dritten anstelle des regulären Schuldners an dessen Gläubiger hat gemäß § 267 BGB nur dann Erfüllungswirkung, wenn der Dritte dabei auch mit dem Willen geleistet hat, die Verbindlichkeit des Schuldners zu tilgen. Hat er diesen Willen nicht, weil er mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger erfüllt, so wird der Schuldner – in diesem Fall die Beklagte – durch die Zahlung nicht gemäß § 267, 362 Abs. 1 BGB von der eigenen Verbindlichkeit befreit. Etwaige Provisionsforderungen des Herrn N. gegen die Beklagte sind durch den Prozess, den dieser gegen die Klägerin geführt hat, deswegen auch nicht berührt worden. Würde Herr N. diese Forderungen gerichtlich gegen die Beklagte geltend machen, könnte sie ihm die seitens der Klägerin erbrachte Zahlung nicht als Erfüllungsleistung entgegen halten. Die Beklagte ist damit nicht von einer Verbindlichkeit befreit.

Für die Annahme eines Gesamtschuldverhältnis zwischen den Parteien ist nichts ersichtlich. Insbesondere werden die Parteien nicht schon dadurch Gesamtschuldner, dass Herr N. neben Forderungen, die er tatsächlich bewusst gegenüber der Klägerin geltend gemacht hat, gegen diese auch Ansprüche erfolgreich durchgesetzt hat, für die die Klägerin materialrechtlich nicht einstandspflichtig gewesen wäre.

Schließlich ist auch für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB nichts ersichtlich.

Eine aktive Tätigkeit der Beklagten mit Schädigungsabsicht liegt nicht vor. Die Klägerin wirft der Beklagten insoweit ein Unterlassen vor, nämlich die Nichtweiterleitung eines Mahnbescheids. Die Beklagte war rechtlich jedoch nicht verpflichtet, auf einen seitens des Herrn N. fälschlicherweise unter ihrer Anschrift und nicht unter der Anschrift der Klägerin zugestellten Mahnbescheid zu reagieren und Herrn N. über die richtige Anschrift der Klägerin aufzuklären. Sie war auch nicht verpflichtet, den Zustellmangel, den der Mahnbescheid wegen der falschen Anschrift hatte, aktiv dadurch zu heilen, dass sie ihrerseits die Weiterleitung des Mahnbescheids an die Klägerin unternahm. Nichts anderes war auch der Gegenstand der E-Mail-Beratung, die der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ausweislich der Anlage K 7 durchgeführt hat. Es gibt auch keine von der Klägerin dargelegten objektiven Anhaltspunkte dafür, dass es die Beklagte zu diesem Zeitpunkt erwartet hat und es sogar darauf angelegt hat, dass die Nichtweiterleitung des Mahnbescheids an die Klägerin zur Folge haben würde, dass diese Monate später einen ihr zugegangenen Vollstreckungsbescheid trotz Rechtsmittelbelehrung und zweiwöchiger Einspruchsfrist würde bestandskräftig werden lassen.

Zu einem aktiven Tun wäre die Beklagte nur verpflichtet gewesen, wenn die Beklagte eine gesetzliche oder vertragliche Garantenpflicht für die Rechtsgüter der Klägerin oder ihres Prozessgegners, der Herrn N. übernommen hätte. Eine gesetzliche Garantenpflicht ist nicht erkennbar. Auch aus dem Handelsvertreterverträgen ergibt sich nicht, dass die Beklagte sich verpflichtet hätte, die Klägerin künftig rechtlich zu beraten und sie bei der Wahrnehmung von Rechtsmitteln zu unterstützen oder dem Herrn N. nach Beendigung des Vertragsverhältnisses bei Prozessen beizustehen. Auf die von der Klägerin im Termin überreichte E-Mail-Korrespondenz war nicht näher einzugehen. Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, was sie konkret mit diesen E-Mails beweisen will. Die Einreichung eines Konvoluts an Unterlagen ersetzt auch keinen Tatsachenvortrag, der insoweit aber nicht erfolgt ist. Auf die Verspätungsrüge der Beklagten und den von ihr beantragten Schriftsatznachlass kam es daher nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziffer 11 und 711 ZPO.

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