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Datenschutzbeauftragter – Besonderer Kündigungsschutz

ArbG Kaiserslautern, Az.: 1 Ca 188/12

Urteil vom 20.06.2012

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 16.01/19.01.2012 zum 30.09.2012 nicht aufgelöst wird.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60.777,00EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist seit 01.07.2004 im….. beschäftigt, seit 01.01.2010 bei der Beklagten als kaufmännischer Leiter und Vice President Finance gegen eine durchschnittliche monatliche Vergütung in Höhe von 20.258,92 Euro brutto.

Datenschutzbeauftragter - Besonderer Kündigungsschutz
Symbolfoto: wasja/Bigstock

Mit Schreiben vom 30.04.2010 (Bl. 28 d. A. ) hatte die Beklagte den Kläger mit Wirkung zum 01.05.2010 zum Datenschutzbeauftragten bestellt.

Mit Schreiben vom 16. und 19.01.2012 (Bl. 29 und 30 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe ordentlich zum 30.09.2012.

Der Kläger trägt vor, die Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil der Kläger als betrieblicher Datenschutzbeauftragter gemäß § 4 f Abs. 3 Satz 5 BDSG nur aus wichtigem Grund kündbar sei. Die Beklagte sei auch verpflichtet gewesen, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen, denn bei ihr seien mehr als neun Personen mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 16. Januar 2012 und vom 19. Januar 2012 zum 30. September 2012 nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger könne sich auf den besonderen Kündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten nicht berufen, denn die Beklagte sei überhaupt nicht verpflichtet gewesen, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen. Außerdem sei die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten nichtig. Er habe sich bereits vor dem 30.04.2010 als Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung in einer Quasi-Organstellung befunden. Der hieraus resultierende Interessenkonflikt im Hinblick auf die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten führe zur Unwirksamkeit der Bestellung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die Kündigungen der Beklagten vom 16. bzw. 19.01.2012 nicht zum 30.09.2012 aufgelöst.

Nachdem die Beklagte den Kläger mit Wirkung zum 01.05.2010 zum Datenschutzbeauftragten bestellt hatte, war es ihr gemäß § 4 f Abs. 3 Satz 5 BDSG verwehrt, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen. Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Dies würde lediglich dann nicht gelten, wenn die Beklagte nicht gemäß § 4 f Abs. 1 BDSG verpflichtet gewesen wäre, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen. Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die Beklagte verpflichtet war, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen. Unstreitig werden bei der Beklagten personenbezogene Daten automatisiert verarbeitet. Nach dem Vorbringen des Klägers in der Klageschrift sind auch mehr als neun Personen mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt. Soweit die Beklagte dies mit Schriftsatz vom 22.05.2012 unsubstantiiert bestritten hat, ist dieses Bestreiten jedoch gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unbeachtlich. Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast für den Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten gemäß § 4 f Abs. 3 BDSG grundsätzlich bei dem Arbeitnehmer, der sich auf den Sonderkündigungsschutz beruft. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast hat sich der Arbeitgeber jedoch auf die Behauptung des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber beschäftigte in der Regel ständig mehr als neun Personen mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären. Dieser sekundären Darlegungslast hat die Beklagte nicht schon dadurch genügt, dass sie das Vorbringen des Klägers bestreitet und darauf hinweist, es gebe bei ihr insbesondere keine SAP-HR-Arbeitsplätze und Personalsachbearbeiter.

Soweit die Beklagte vorträgt, der Kläger könne sich deshalb nicht auf den Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten berufen, weil seine Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nichtig sei, kann dem nicht gefolgt werden. Mangelnde Zuverlässigkeit im Sinne des BDSG wegen Interessenkollision zwischen den Aufgaben des Datenschutzbeauftragten einerseits sowie den arbeitsvertraglichen Aufgaben des Datenschutzbeauftragten andererseits vermag nach der gesetzlichen Systematik lediglich die Abberufung des Datenschutzbeauftragten zu rechtfertigen, führt jedoch – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht zur Nichtigkeit der Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz. Gemäß § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG kann die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz in entsprechender Anwendung von § 626 BGB, bei nicht-öffentlichen Stellen auch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde widerrufen werden. Damit hat der Gesetzgeber hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung des Datenschutzbeauftragten nicht automatisch die Nichtigkeit der Bestellung nach sich zieht, sondern eines Widerrufs der Bestellung bedarf. In diesem Fall ist nach § 4 f Abs. 3 Satz 6 BDSG nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz eine Kündigung innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Bestellung unzulässig, es sei denn, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gerechtfertigt ist. Das vom Gesetzgeber erkennbar verfolgte Ziel, auch dem abberufenen Datenschutzbeauftragten einen nachwirkenden Kündigungsschutz zukommen zu lassen, würde ausgehebelt, wenn man die Bestellung einer in dieser Funktion tätig gewordenen Person als von vornherein nichtig einstufen wollte, wenn diese der erweiterten Geschäftsleitung zuzurechnen ist.

Selbst wenn man – wie die Beklagte meint – in den Fällen der mangelnden Zuverlässigkeit im Sinne des BDSG wegen Interessenkollision zwischen Aufgaben des Datenschutzes einerseits sowie den arbeitsvertraglichen Aufgaben andererseits grundsätzlich von einer Nichtigkeit der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten ausgehen wollte, könnte sich die Beklagte im vorliegenden Fall hierauf schon deshalb nicht berufen, weil sie den Kläger selbst in Kenntnis der von ihr behaupteten Interessenkollision zum Datenschutzbeauftragten bestellt hatte. § 162 BGB enthält den allgemeinen Rechtsgedanken, dass niemand aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten darf. Die analoge Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB würde es daher verbieten, dass sich die Beklagte auf eine eventuelle Nichtigkeit der Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten berufen kann, zumal die Beklagte mit der Übertragung der Aufgaben des Datenschutzes auf den Kläger die nunmehr behauptete Interessenkollision selbst treuwidrig herbeiführte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 3 ZPO und § 42 Abs. 3 GKG festgesetzt.

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