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Verkehrsunfall Motorradfahrer – Verpflichtung zum Tragen von Motorrad-Schutzkleidung

Verpflichtung zum Tragen von Schutzkleidung: Motorradfahrer im Visier des Gesetzgebers

Das Landgericht Darmstadt hat in seinem Urteil vom 22.07.2022 entschieden, dass die Beklagten der Klägerin einen Schadensersatz von 355,16 € und ein Schmerzensgeld von 6.000 € zahlen müssen. Es wurde festgestellt, dass das Nichttragen von Motorradschutzkleidung seitens der Klägerin beim Unfall kein Mitverschulden darstellt, da dies nicht dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entsprach. Die Beklagten haften somit vollständig für die Unfallfolgen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 O 65/18   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 355,16 € Schadensersatz und 6.000 € Schmerzensgeld an die Klägerin.
  2. Kein Mitverschulden der Klägerin durch Nichttragen von Schutzkleidung; dies entsprach nicht dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein.
  3. 100%ige Haftung der Beklagten für den Unfall und dessen Folgen.
  4. Erhebliche Verletzungen der Klägerin, darunter eine Decollement-Verletzung am Unterschenkel und Bauchdeckenprellung.
  5. Stationäre Behandlung und acht Operationen, inklusive Hauttransplantation.
  6. Dauerhafte physische und psychische Folgen des Unfalls für die Klägerin, unter anderem Narben und Bewegungseinschränkungen.
  7. Signifikanter Unterschied im Beinumfang und Sensibilitätsstörungen als Unfallfolgen.
  8. Zukünftige Folgekosten durch den Unfall, für die die Beklagten ebenfalls haften, sind anerkannt.
Verkehrsunfall Motorradfahrer: Schutzkleidung verpflichtend?
(Symbolfoto: Vlad Linev /Shutterstock.com)

In der juristischen Welt ist das Thema Verkehrsunfälle ein wichtiges und komplexes Feld. Besondere Aufmerksamkeit erhält dabei der Umgang mit dem Nichttragen von Schutzkleidung durch Beteiligte. Im folgenden Text geht es um ein Urteil im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, bei dem ein Motorradfahrer verletzt wurde.

Die Klägerin, die sich als Angehörige des Unfallopfers versteht, klagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Das Landgericht Darmstadt entschied, dass die Beklagten, also diejenigen, die für den Unfall verantwortlich sind, die Klägerin mit einem Schmerzensgeld von 6.000 € und einem Schadensersatz von 355,16 € zu zahlen haben.

Das Urteil belegt, dass das Nichttragen von Schutzkleidung durch den Motorradfahrer nicht zum Mitverschulden der Klägerin führt. Es ist daher wichtig, dass sich alle Beteiligten an der Verkehrssicherheit beteiligen, um Unfälle zu vermeiden und zu verhindern, dass Menschen ihr Leben oder ihre Gesundheit verlieren.

Der tragische Verkehrsunfall und seine Folgen

Am frühen Morgen des XX.XX.2017 kam es zu einem schwerwiegenden Verkehrsunfall, bei dem eine Motorradfahrerin, die keine Motorradschutzkleidung trug, sondern lediglich mit Jeans und Baumwolljacke bekleidet war, in einen Unfall verwickelt wurde. Sie befuhr eine bevorrechtigte Straße, als ein PKW-Fahrer ihre Vorfahrt missachtete, was zu einer Kollision führte. Die Motorradfahrerin stürzte und rutschte etwa 18 Meter über die Straße, wobei sie erhebliche Verletzungen erlitt. Die Schädigungen umfassten eine Decollement-Verletzung am rechten Unterschenkel, eine Bauchdeckenprellung und multiple kleine Schürfwunden.

Umfassende medizinische Behandlung und anhaltende Folgen

Die Verletzungen der Klägerin waren so schwerwiegend, dass sie sich vom XX.XX.2017 bis XX.XX.2017 in stationärer Behandlung befand und achtmal operiert wurde, einschließlich einer Hauttransplantation. Nach ihrer Entlassung war sie weiterhin auf Schmerzmittel angewiesen, musste Physiotherapie durchführen und war bis zum XX.XX.2017 arbeitsunfähig. Die Klägerin litt unter langfristigen physischen und psychischen Belastungen, einschließlich massiver Durchblutungsstörungen, Schmerzen, Taubheitsgefühl im linken Bein und sichtbaren Narben, die eine weitere Operation zur Narbenbehandlung erforderlich machen könnten.

Rechtliche Auseinandersetzung um Schadensersatz und Schmerzensgeld

Die Klägerin forderte von den Beklagten einen Schadensersatz von 355,16 € und ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 €. Die Beklagten bestanden darauf, dass sie bereits alle Forderungen erfüllt hätten und bestritten das Vorhandensein von Narben und dauerhaften Unfallfolgen. Sie argumentierten zudem, dass ein Mitverschulden der Klägerin vorliege, da sie keine Schutzkleidung getragen habe. Das Gericht befasste sich intensiv mit der Frage des Mitverschuldens und zog Sachverständigengutachten heran, um die Verletzungen und den Behandlungsverlauf der Klägerin zu bewerten.

Urteil des Landgerichts Darmstadt: Kein Mitverschulden der Klägerin

Das Landgericht Darmstadt kam zu dem Schluss, dass die Klägerin keinen Anteil an der Entstehung des Schadens hatte. Basierend auf der Rechtsprechung des BGH und der Feststellung, dass das Tragen von Schutzkleidung zum Unfallzeitpunkt nicht dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entsprach, wies das Gericht den Einwand der Beklagten zurück. Die Klägerin erhielt einen Anspruch auf Ersatz des weiteren materiellen Schadens in Höhe von 355,16 € sowie auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 €. Das Urteil berücksichtigte dabei ausführlich die erlittenen Verletzungen, die langwierige Behandlung und die schwerwiegenden, dauerhaften Folgen des Unfalls, insbesondere die psychische Belastung durch die entstellenden Narben und körperlichen Einschränkungen.

Das vorliegende Urteil beleuchtet tiefgreifend die komplexen Fragen der Haftung und des Mitverschuldens bei Verkehrsunfällen, speziell in Fällen, in denen die betroffenen Personen keine Schutzkleidung tragen. Es zeigt, wie umfassend Gerichte den Einzelfall betrachten müssen, um zu einem gerechten Urteil zu kommen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Inwieweit beeinflusst das Nichttragen von Schutzkleidung die Haftung eines Motorradfahrers bei einem Unfall?

In Deutschland besteht für Motorradfahrer keine gesetzliche Verpflichtung, Schutzkleidung zu tragen, abgesehen von der Helmpflicht gemäß § 21a Abs. 2 S. 1 StVO. Dennoch kann das Nichttragen von Schutzkleidung bei einem Unfall rechtliche Konsequenzen haben und zu einer Mithaftung führen.

Die Rechtsprechung in Deutschland ist in dieser Hinsicht jedoch nicht einheitlich. Einige Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass das Fehlen von Schutzkleidung zu einer Mithaftung führen kann. Beispielsweise hat das Oberlandesgericht Brandenburg in einem Fall den Schmerzensgeldanspruch eines Motorradfahrers um ein Drittel gekürzt, weil er keine Schutzkleidung an den Beinen getragen hatte. Die Begründung war, dass die Verletzungen am Bein dann weniger schwerwiegend gewesen wären und Motorradfahrer alles tun müssten, um ihr Verletzungsrisiko zu minimieren.

Andere Gerichte haben jedoch entschieden, dass das Nichttragen von Schutzkleidung nicht zu einer Mithaftung führt. So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Urteil vom 24.09.2019 ein Mitverschulden des verunglückten Motorradfahrers verneint, mit der Begründung, dass das Tragen von Schutzkleidung nicht vorgeschrieben und zum Zeitpunkt des Unfalls im Jahr 2014 nicht üblich gewesen sei. Ähnlich entschied das Oberlandesgericht Nürnberg in einem Urteil vom 09.04.2013, dass es keine Mithaftung des Motorradfahrers wegen fehlender Schutzkleidung in Form von Motorradschuhen gibt, da diese nicht vorgeschrieben sind.

Es ist daher schwierig, eine allgemeingültige Aussage darüber zu treffen, inwieweit das Nichttragen von Schutzkleidung die Haftung eines Motorradfahrers bei einem Unfall beeinflusst. Es hängt stark vom Einzelfall und der jeweiligen Gerichtsentscheidung ab.


Das vorliegende Urteil

LG Darmstadt – Az.: 9 O 65/18 – Urteil vom 22.07.2022

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 355,16 € sowie ein Schmerzensgeld i.H.v. 6.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.2.2018 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 526,58 € zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten für sämtliche weitere künftige Kosten der Klägerin, die als Folgeschäden aus dem Verkehrsunfall vom 13.7.2018 entstehen können, haften.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

4. Das Urteil ist voll ich vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am XX.XX.2017 um 08:40 Uhr an der Einmündung […] / […] in […] ereignet hat.

Die Klägerin befuhr mit ihrem Motorrad mit dem amtlichen Kennzeichen 1, das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, die bevorrechtigte … Straße, wobei sie keine Motorradschutzkleidung trug, sondern mit einer Jeans und Baumwolljacke bekleidet war. Der Beklagte zu 1), der sich von der …straße kommend mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen 2, der bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, näherte, missachtete die Vorfahrt des Klägerfahrzeugs. Die Klägerin konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und kollidierte mit dem Beklagtenfahrzeug, stürzte und rutschte ca. 18 Meter über die Straße, wobei der Helm und alle Kleidungsstücke der Klägerin beschädigt wurden.

Die Klägerin erlitt eine Decollement-Verletzung am rechten Unterschenkel, eine Bauchdeckenprellung und multiple kleine Schürfwunden. Sie befand sich in der Zeit vom XX.XX.2017 bis XX.XX.2017 in stationärer Behandlung und wurde achtmal operiert. Es erfolgte eine Hauttransplantation durch Entnahme von Haut aus dem Oberschenkel. Nach der Entlassung war die Klägerin noch wochenlang auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen, musste Physiotherapie machen und war bis zum XX.XX.2017 arbeitsunfähig erkrankt. Zu den Verletzungen und dem Behandlungsverlauf im Einzelnen wird auf die vorgelegten Arztberichte (Anlage K 2) verwiesen.

Zum Vortrag der Klägerin zur Höhe des geltend gemachten Sachschadens wird auf die Aufstellung gem. Seite 3 der Klageschrift verwiesen.

Gemäß Schreiben vom 18.07.2017 erstattete die Beklagte zu 2 den Wiederbeschaffungsaufwand ohne Mehrwertsteuer in Höhe von 2.642,19 €, gemäß Schreiben vom 21.09.2017 (Bl. 137 d.A.) leistete sie eine Zuzahlung von 10,00 € (RTW), gemäß Schreiben vom 12.01.2018 (Bl. 135 d.A.) leistete sie einen Vorschuss in Höhe von 1.000 € auf den Personenschaden der Klägerin.

Mit Schreiben vom 11.01.2018 wurde die Beklagte zu 2 aufgefordert, den bezifferten Schaden auszugleichen (Anlage K 5). Mit Schreiben vom 1.2.2018 leistete die Beklagte eine weitere Teilzahlung von 300 €.

Die Klägerin macht mit der Klage ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000,00 € geltend, ferner die Erstattung materiellen Schadens in Höhe von restlichen 355,16 € (4.297,35 € abzüglich geleisteter Zahlungen in Höhe vom 2.642,19 €, 1.000,00 € und 300,00 €).

Die Klägerin behauptet, sie habe nicht nur oberflächliche Hautverletzungen bei dem Unfall erlitten. Nach dem Unfall habe die Gefahr der Amputation des rechten Beines bestanden. Die Verletzungen wären auch mit Motorradschutzkleidung entstanden. Nach den Hauttransplantationen seien große Narben am Bein der Klägerin verblieben. Eine weitere Operation zur Narbenbehandlung sei nicht ausgeschlossen. Die Klägerin leide bis heute an massiven Durchblutungsstörungen im Bein, die darauf zurückzuführen seien, dass am linken Bein Muskelgewebe entfernt werden musste, die Bewegung sei eingeschränkt und verursache immer wieder Schmerzen. Es komme immer wieder zu einem Taubheitsgefühl im linken Bein sowie Schmerzen bei längerem Gehen. Zudem könne sich die Klägerin nicht mehr hinknien. Das linke Bein sei unförmig, d.h. ungleich zum rechten Bein und mit Narben übersät.

Die Kläger beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz i.H.v. 355,16 €, sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 47 BGB seit dem 1.2.2018, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 526,58 € zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten für weitere Kosten der Klägerin, die als Folgeschäden aus dem Unfall vom 13.7.2018 entstehen können, haften.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, sie hätten sämtliche Forderungen der Klägerin aus dem Unfallereignis erfüllt. Sie bestreiten mit Nichtwissen, dass der Klägerin Sachschaden bzgl. Kleidung, Helm etc. entstanden sei.

Bei der Entstehung des Schadens habe ein Verschulden der Klägerin mitgewirkt, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, Motorradschutzkleidung zu tragen. In diesem Fall wäre es nicht zu den Verletzungen gekommen. Das Vorhandensein von Narben und dauerhaften Unfallfolgen wird mit Nichtwissen bestritten.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 05.03.2019 (Bl. 121 d.A) durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten. Zum Beweisergebnis wird auf das Gutachten des Sachverständigten Dr. A vom 14.09.2020 (Bl. 174 ff. d.A.), das Gutachten des Sachverständigen Dr. B vom 30.08.2021 (Bl. 241 ff. d.A.) und das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C vom 17.03.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Klageantrag zu 1:

Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz des weiteren materiellen Schadens in Höhe von 355,16 € und auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 € gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus §§ 18 StVG, 253 BGB, 115 VVG.

Die Beklagten haften für die unfallbedingten Schäden dem Grunde nach unstreitig zu 100 %.

Die Klägerin muss sich bei der Entstehung des Schadens kein Mitverschulden anrechnen lassen.

Der Einwand der Beklagten, bei der Schadensentstehung habe ein Verschulden der Klägerin mitgewirkt gem. § 254 BGB, weil sie keine Schutzkleidung getragen habe, ist unbegründet.

Gemäß Rechtsprechung des BGH, der sich die Kammer anschließt, kann ein Verschulden nur angenommen werden, wenn die Erforderlichkeit des Tragens der Schutzkleidung (bzw. im entschiedenen Fall eines Fahrradhelms) in der jeweiligen Umgebung zum Unfallzeitpunkt dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entsprochen hat. Es ist positiv festzustellen, in welchem Umfang die Schutzkleidung getragen wird bzw. wie hoch die tatsächliche Akzeptanz ist (BGH NZV 2014, 399).

Aus der website der Bundesanstalt für Straßenwesen BASt. (ww.bast.de/DE/Publikationen/DaFa/2018-2017/2018-01.html) ergibt sich, dass 59 Prozent aller motorisierten Zweiradfahrer im Jahr 2017 ergänzend zum Helm Schutzkleidung trugen, 29 Prozent trugen eine komplette Schutzkleidung.

Da der Anteil der motorisierten Zweiradfahrer, die überhaupt irgendeine Art von Schutzkleidung zusätzlich zum Helm trugen, nur knapp über der Hälfte lag, der Anteil derer mit vollständiger Schutzkleidung sogar nur bei 29 Prozent, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Tragen von Schutzkleidung zum Unfallzeitpunkt dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entsprach.

Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung des weiteren materiellen Schadens in Höhe von 355,16 €.

Rechnerisch ergibt sich zwar unter Berücksichtigung der erfolgten Zahlungen ein noch offener Anspruch in Höhe von 705,65 €, denn die Zahlung in Höhe von 1.000 € erfolgte ausdrücklich auf das Schmerzensgeld. Die Klägerin hat jedoch nur 355,16 € geltend gemacht.

Die Rechnung […] vom 14.8.2017 wurde bezahlt (Schreiben der Beklagten zu 2 vom 21.9.2017).

Die Positionen Nr. 2 bis 10 gemäß Klageschrift wurden durch die vorgelegten unbestritten gebliebenen Belege nachgewiesen und bislang nicht bezahlt.

Zur Position 11 gilt folgendes: Die Beklagte zu 2 hat auf die Positionen Kleidung, Helm und Rucksack 300 € gezahlt gemäß Schreiben vom 1.2.2018. Für die Uhr und die sonstigen Gegenstände wurden bis heute keine Belege vorgelegt. Die weitere Forderung ist daher unbegründet.

Die Position 12 (Wiederbeschaffungsaufwand LKR) wurde bezahlt. Die Beklagte zu 2 hat die Mehrwertsteuer zu Recht abgezogen mit der Begründung, es handele sich um eine fiktive Abrechnung. Dem hat die Klägerin nicht widersprochen.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 € aus § 253 BGB.

Die Klägerin erlitt bei dem Unfall erhebliche Verletzungen, nämlich eine Bauchdeckenprellung und eine Decollementverletzung am rechten Unterschenkel (ca. 20 x 15 cm) mit großflächiger Verletzung der Haut. Infolgedessen musste sie über einen Monat hinweg stationär behandelt werden. Sie wurde in der Zeit achtmal operiert, wobei vom rechten Oberschenkel entnommene Haut transplantiert wurde. Es liegt auf der Hand, dass sowohl die Verletzungen als auch die Behandlung schmerzhaft und mit psychischen Belastungen verbunden war. Nach der Entlassung hielten die Schmerzen wochenlang an, und die Klägerin musste Physiotherapie machen. Sie war arbeitsunfähig für die Dauer von rund 6 Wochen, also für einen erheblichen Zeitraum.

Wie sich aus den eingeholten Gutachten ergibt, verblieben am rechten Unterschenkel zwei große, deutlich sichtbare Narben. Eine Narbe ist ca. 14 x 6 cm groß, Unterhautfettgewebe ist nicht tastbar, und die Haut ist deutlich eingedellt. Außerdem verblieben am rechten Oberschenkel Narben von der Spalthauttransplantation. Darüber hinaus blieben dauerhaft weitere Folgeschäden zurück: Das rechte Bein ist vom Umfang her 1,2 cm dünner als das linke. Der Seitenunterschied wurde von der Sachverständigen Dr. B als signifikant eingestuft. Außerdem liegt eine Bewegungseinschränkung des rechten Beines vor. Die maximale Beugefähigkeit im rechten Kniegelenk wurde mit 130° festgestellt im Vergleich zum linken Knie von 140°. Eine Nervenläsion der größeren Beinnerven wurde zwar nicht festgestellt, jedoch Sensibilitätsstörungen mit eingeschränkter Spitz-Stumpf-Diskrimination und Thermhypästhesie sowie eine Berührungsüberempfindlichkeit, die für eine Läsion oberflächlicher kleiner Hautnervenäste durch die Verletzungen bzw. die Folgeoperationen spricht. Dies wurde als ursächlich für die beschriebenen durch Berührung und Wetterwechsel ausgelösten Beschwerden angesehen. Außerdem wurde ein leichtgradiges situationsbedingtes Lymphödem angenommen.

Die behaupteten Muskelverletzungen konnten dagegen nicht bewiesen werden, auch nicht Durchblutungsstörungen und Verletzungen größerer Beinnerven. Die Beweglichkeit war mit Ausnahme der Beugefähigkeit im rechten Kniegelenk nicht eingeschränkt. Auch haben alle Sachverständigen übereinstimmend erklärt, die Behandlung sei abgeschlossen, weitere Operationen seien nicht mehr erforderlich.

Die Kammer folgt den eingeholten Gutachten, die nachvollziehbar begründet wurden und auf zutreffenden Grundlagen beruhen, im Wesentlichen auch inhaltlich übereinstimmen.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes fallen neben den erlittenen schmerzhaften Verletzungen, den belastenden Operationen und dem langen Behandlungsverlauf die verbliebenen Folgen besonders ins Gewicht. Bei der Klägerin, die zum Unfallzeitpunkt erst knapp 18 Jahre alt war, wirken sich die entstellenden Narben am Unterschenkel und der signifikante Umfangunterschied der Beine ganz gravierend auf die Psyche und die Lebensführung aus. Kurze Hosen, Röcke können nur in eingeschränktem Maße getragen werden, die Narben erinnern das ganze restliche Leben täglich an das Unfallereignis. Hinzu kommen die verbliebenen Sensibilitätsstörungen bzw. die situations- und wetterabhängigen Schmerzen und Beschwerden sowie die Bewegungseinschränkung des rechten Knies, die wegen des jungen Lebensalters der Klägerin ebenfalls ganz besonders ins Gewicht fallen.

Ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 € erscheint daher zum Ausgleich des erlittenen immateriellen Schadens als erforderlich und angemessen.

Abzüglich der geleisteten Zahlung verbleibt ein noch offener Anspruch in Höhe von 6.000 €.

Klageantrag zu 2:

Auch insoweit ist die Klage begründet.

Auch wenn nach Einschätzung der Sachverständigen die Behandlung der Klägerin abgeschlossen ist und mit Folgeoperationen nicht zu rechnen ist, erscheint es aufgrund der Verletzungsfolgen (Schmerzen wegen Nervenverletzungen, Bewegungseinschränkungen) nicht als unwahrscheinlich, dass sich weitere Folgeschäden künftig ergeben können.

Streitwert:

7.355 € (Klageantrag zu 1: 6.355,16 €; Klageantrag zu 2: 1.000 €).

 

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