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Grenzen der Verkehrssicherungspflicht – Glätteunfall im Sonderbereich für Frischfisch

AG Waren – Az.: 3 C 24/11 – Urteil vom 12.04.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 4.475,10 Euro

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen der behaupteten Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

Am 30.12.2009 erlitt die Klägerin in den Räumlichkeiten der Beklagten einen Unfall. Dieser führte zu Verletzungen, aufgrund derer die Klägerin Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagte geltend macht.

Grenzen der Verkehrssicherungspflicht - Glätteunfall im Sonderbereich für Frischfisch
Symbolfoto: Von Miriam Doerr Martin Frommherz/Shutterstock.com

Die Beklagte unterhält in Waren (Müritz) Verkaufsräume. Die Lage ist auf der Anlage B 1, Bl. 60 d.A. dargestellt. Danach findet der Verkauf in einem eigenständigen Verkaufsgebäude statt. Die Kunden haben aber die Möglichkeit, sich im Vorfeld des Kaufs selbst Frischfisch auszusuchen und hierzu über einen Steg ein zum Teil offenes Bootshaus, dass als Vorbereitungsraum genutzt wird, aufzusuchen.

In diesem Vorbereitungsraum kam die Klägerin zu Fall. Die Räumlichkeiten selbst, einschließlich der Unfallstelle, sind auf den Anlagen B 2, Bl. 61 und K 1 Bl. 65 d.A. näher dargestellt. Dies gilt mit der Maßgabe, dass statt des auf Bl. 61 eingezeichneten Weges, die Klägerin den Schlachtetisch rechts passierte und sodann nach links in Richtung der späteren Unfallstelle ging.

Am 30.12.2009 begab sich die Klägerin auf das Gelände der Beklagten. Sie wollte hier einen Silvesterkarpfen kaufen. Hierzu suchte sie auch den Vorbereitungsraum der Beklagten auf. Am Anfang des Steges war ein Schild mit der Aufschrift „Vorsicht Rutschgefahr“ aufgestellt. Es herrschten winterliche Verhältnisse, das heißt, die leichten Frostgrade konnten dazu führen, dass feuchte Flächen vereisen. Im Verkaufsraum ist es so, dass, wie auch die Klägerin weiß, die Fische jeweils aus den Behältern genommen und auf dem Fußboden abgelegt werden, um sie durch den Kunden betrachten zu lassen. Dadurch kommt immer wieder Wasser auf diese Flächen. Vereisendes Wasser verursacht dann objektiv vorhandene und erkennbare Rutschgefahr. Im Vorbereitungsraum ist die Klägerin dann auch zu Fall gekommen, dies auf einer vereisten Fläche.

Die Nutzung des Vorbereitungsraums ist nicht Voraussetzung, einen Fisch erwerben zu können. Es handelt sich lediglich um ein zusätzliches Angebot der Beklagten, den Kunden auch die Selbstaussuche des zu kaufenden Frischfisches zu ermöglichen.

Die Klägerin hatte an diesem Tag, wie seit 10 Jahren, vor dem eigentlichen Kauf den Vorbereitungsraum betreten, um sich einen Fisch auszusuchen.

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, mit der Unterhaltung des Vorbereitungsraums eine Gefahrenquelle geschaffen zu haben und nicht ausreichend Vorsorge getroffen zu haben, dass, insbesondere am Unfalltag, Kunden zu Schaden kommen. Sie ist der Auffassung, dass allein das Aufstellen des Warnschildes „Vorsicht Rutschgefahr“ nicht genüge, um der Verkehrssicherungspflicht zu entsprechen. Vielmehr sei es erforderlich und geboten gewesen, die mit Wasser in Berührung kommenden Flächen jeweils zusätzlich abzuziehen bzw. abzustumpfen. Da die Beklagte diesen weiteren Pflichten nicht ausreichend nachgekommen sei, sei diese für die Unfallfolgen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 Abs. I BGB haftbar.

Die Klägerin macht deshalb Schadensersatzansprüche in Höhe von 475,10  und Schmerzensgeldansprüche in Höhe von 4.000,00 geltend.

Die Klägerin beantragt: die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 475,10  nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.9.2010 zu zahlen, die Beklagte weiter zu verurteilen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 zu zahlen, die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, das 4.000,00 nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.9.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, mit dem Hinweisschild ausreichend davor gewarnt zu haben, die gefährlichen Bereiche ihres Geländes zu betreten. Darüber hinaus hätten die Mitarbeiter der Beklagten wegen der besonderen Gefährlichkeit am Unfalltag zusätzlich mehrfach mit Salz gestreut und die Kunden auch darauf aufmerksam gemacht, dass sie den Vorbereitungsraum nur im vorderen Bereich (und nicht an der späteren Unfallstelle) betreten.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Hinweise anlässlich der Ladungsverfügung vom 8.3.2011 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.4.2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gemäß § 823 Abs. I BGB gegen die Beklagte nicht zu.

Ein Verstoß der Beklagten gegen ihre Verkehrssicherungspflicht ist nicht feststellbar.

Zutreffend geht die Klägerin davon aus, dass die Beklagte durch Eröffnung ihrer Betriebsflächen auch dafür Sorge zu tragen hat, dass niemand zu Schaden kommt. Insbesondere darf sie keine Gefahrenquellen schaffen, die für Kunden nicht erkennbar sind. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend aber nicht.

Kunden der Beklagten können ohne Eigengefährdung Fisch im Verkaufsraum kaufen. Darüber hinaus haben die Kunden die Möglichkeit, selbst Frischfisch auszusuchen und sich hierzu in den Vorbereitungsraum, der allein über eine Steganlage zu erreichen ist, zu begeben. Es handelt sich um eine Option, kein Muss für kaufwillige Kunden. Wenn die Beklagte diesen Bereich bei bestimmten Gefahren mit entsprechenden Gefahrhinweisen versieht, macht sie die Kunden ausreichend darauf aufmerksam, dass sie diesen nicht zwingend zu betretenden Bereich des Betriebsgeländes nur auf eigene bzw. in Kauf genommene Gefahr betreten. So hatte die Beklagte hier am Unfalltag mit dem Schild „Vorsicht Rutschgefahr“ ausreichend darauf hingewiesen, dass Kunden in dem nach dem Schild zu betretenden Bereich ausrutschen und damit zu Fall kommen können. Die Beklagte genügte auch mit der Aufstellung des Schildes am Steganfang ihrer Verkehrssicherungspflicht, weil sie am einzigen Zugangsbereich zum Vorbereitungsraum auf die nach dem Schild folgenden Gefahren, die sich hier auch im Unfall der Klägerin realisiert haben, hingewiesen hat.

Es mag zutreffen, dass die Beklagte weitere Maßnahmen hätte treffen können, insbesondere die bestrittenen Maßnahmen des zusätzlichen Abstreuens und der Hinweise oder die klägerseits vermissten Maßnahmen eines zusätzlichen Abziehens und regelmäßigen Abstumpfens. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Klägerin trotz des Warnhinweises auf die vorhandene Rutschgefahr diese zur Kenntnis genommen und trotz der objektiven Witterungsverhältnisse und „systembedingten“ Fischverarbeitungsverhältnisse im Vorbereitungsraum diesen unter Inkaufnahme der Gefahr betreten hat. Für diese Selbstgefährdung kann die Klägerin die Beklagte nicht verantwortlich machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung orientiert sich am geltend gemachten Zahlungsanspruch, hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches orientiert an der Mindestvorstellung der Klägerin.

 

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