AG Kiel, Az.: 120 C 111/12
Urteil vom 01.06.2012
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld und die Feststellung künftiger Ersatzpflicht wegen einer Sportverletzung.
Die Klägerin ist Mitglied der Damenhandballmannschaft … . Die Beklagte spielt für die Damenmannschaft … .
Am 12.02.2012 fand ein Spiel beider Mannschaften in … statt. Gegen Ende des Spiels lief die Klägerin einen Tempogegenstoß. Während des Torwurfs kollidierten die Parteien miteinander. Die Klägerin verlor das Gleichgewicht und stürzte. Hierdurch erlitt sie eine vordere Kreuzbandruptur links, sowie eine Tibiakopffissur links. Die Schiedsrichter erteilten der Beklagten aufgrund des Vorfalls einen Platzverweis.
Die Klägerin begab sich anschließend in ärztliche Behandlung. Wegen der im einzelnen erhobenen Befunde und gestellten Diagnosen wird auf den ärztlichen Bericht vom 23.02.2012 (Bl. 4 d. A.) Bezug genommen.
Vorgerichtlich forderte die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.02.2012 unter Fristsetzung zum 12.03.2012 auf, ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € zu zahlen.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei seitlich in sie hineingesprungen. Dabei habe die Beklagte ihre Verletzungen billigend in Kauf genommen. Sie selbst sei bis heute Gehhilfen angewiesen und arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der weitere Heilungsverlauf sei nicht abzusehen.
Die Klägerin meint, ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € sei dem Verletzungsbild angemessen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen an, sie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3.000 €, sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 316,18 € jeweils nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch den weiteren Schaden aus der Körperverletzung vom 12.02.2012 in der Sporthalle in … zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie sei vor der Klägerin längs gelaufen und diese sei über sie gefallen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weder aus § 823 Abs. 1 BGB, noch aus sonstigen Rechtsgründen. Eine deliktische Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht. Nach dieser Vorschrift ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der vorsätzlich oder fahrlässig den Körper oder die Gesundheit eines anderen widerrechtlich verletzt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zwar hat die Beklagte durch ihr Verhalten die unstreitigen Verletzungen der Klägerin verursacht, die Klägerin konnte allerdings nicht nachweisen, dass die Beklagte widerrechtlich und schuldhaft gehandelt hat. Es fehlt am Verschulden der Beklagten.
Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass die Beklagte fahrlässig handelte. Fahrlässig handelt gem. § 276 Abs. 2 BGB wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Welche Sorgfalt im Einzelnen erforderlich ist, richtet sich nach der Rechtsprechung bei Mannschaftssportarten insbesondere nach den Spielregeln des jeweiligen Wettkampfs. Hallenhandball ist auch nach dem Regelwerk eine besonders körperbetonte Mannschaftssportart. Dies kommt insbesondere in Regel 8:1 zum Ausdruck. Danach ist es erlaubt, mit angewinkelten Armen Körperkontakt zum Gegenspieler aufzunehmen, ihn auf diese Weise zu kontrollieren und zu begleiten und den Gegenspieler im Kampf um Positionen mit dem Rumpf zu sperren. Andererseits bestimmt Regel 8:5, dass ein Spieler, der seinen Gegenspieler gesundheitsgefährdend angreift, zu disqualifizieren ist. Als Entscheidungskriterium ist unter Ziffer a) der tatsächliche Verlust der Körperkontrolle im Lauf oder im Sprung oder während der Wurfaktion aufgeführt. Schließlich ist unter Regel 8:6 angeordnet, dass die Schiedsrichter nach dem Spiel einen schriftlichen Bericht einreichen, wenn sie eine Aktion als besonders rücksichtslos, besonders gefährlich, vorsätzlich oder artlistig einstufen. Da das Regelwerk körperliche Aktionen also durchaus zulässt und das Spiel auch durch solche Aktionen „lebt“, ist der Rechtssprechung anerkannt, dass nicht jede geringfügige Verletzung einer dem Schutz der Spieler dienenden Regel als fahrlässiges Verhalten zu bewerten ist, insbesondere dann nicht, wenn sie, wie häufig der Fall, aus Spieleifer, Unüberlegtheit, technischen Versagen, Übermüdung oder ähnlichen Gründen geschehen ist. Erforderlich ist vielmehr ein Verstoß der deutlich über einen geringfügigen und häufigen Regelverstoß hinausgeht und auch den Grenzbereich zwischen gebotener kampfbedingter Härte und unzulässiger Unfairness klar überschreitet. Erforderlich ist also eine grobe Verletzung einer zum Schutz von Spielern bestimmten Wettkampfregel. Dabei kann der Haftungsmaßstab je nach Spielklasse verschieden sein, in unteren Spielklasse eher milder, in oberen Spielklassen eher strenger (vgl. zum Haftungsmaßstab insbesondere BGHZ 63, 145; LG Marburg NJW-RR 1988, 1243; OLG Köln, OLGR Köln 2003, 23).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht zur Überzeugung gelangt, dass die Beklagte einen solchen groben Verstoß begangen hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es zu dem Zeitpunkt, als sich die Klägerin während des Torwurfs ohne Bodenberührung in der Luft befand, zu einer seitlichen Kollision der Parteien gekommen ist. Es steht auch fest, dass die Klägerin hier durch die Kontrolle über ihre Fallbewegung verloren hat. Nicht fest steht allerdings, dass dies durch einen groben Regelverstoß der Beklagten verursacht wurde. Eine von besonderer Rücksichtslosigkeit oder Rohheit geprägte Aktion konnten weder die vom Gericht vernommenen Zeugen noch die Klägerin selbst schildern.
Die Klägerin hat sich persönlich angehört dahin geäußert, dass sie von der Beklagten heftig an der Körperseite getroffen wurde. Die Zeugin … hat bekundet, dass die Beklagte die Klägerin im Wurf bedrängt habe, sie also berührt habe, als sich die Klägerin bereits in der Luft befunden habe. Die Zeugin … hat bekundet, dass die Beklagte in den Sprungweg hineingelaufen sei, so dass die Klägerin keine Chance zum Ausweichen gehabt habe. Der Zeuge … schließlich bekundete ebenfalls, dass die Beklagte in den Laufweg der Klägerin rannte. Dabei habe sich die Klägerin in der Luft befunden.
Bei der Beurteilung des Verhaltens der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Beklagte sowohl gegen Regel 8:5, als auch gegen Regel 8:4 verstoßen hat. Es handelt sich jedoch nicht um einen Verstoß, der die Grenze zur unzulässigen Unfairness klar überschreitet. Vielmehr ereignete sich der Zusammenstoß in einer Situation, in der beide Parteien im hohen Tempo in eine Richtung drängten. Dabei mag das Verhalten der Beklagten durchaus von Übereifer geprägt gewesen sein, eine grob regelwidrige oder grob unsportliche Aktion vermag das Gericht indes nicht zu erkennen. Ein rücksichtsloses und Verletzungen der Klägerin billigend in Kauf nehmendes seitliches Hineinspringen in die Flugbahn der Klägerin lag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO