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Kinderlärm durch Baumangel, ein Mietmangel?

Mieter erstreiten teilweisen Erfolg gegen Kinderlärm durch Baumängel

Das Amtsgericht Wedding hat im Fall 16 C 301/21 entschieden, dass Lärm und Vibrationen durch spielende Kinder in einer Wohnung, die den schalltechnischen Mindestanforderungen von 1962 nicht entspricht, einen Mangel darstellen, der vom Vermieter behoben werden muss, insbesondere im Bereich der Loggia. Trotz der Feststellung, dass Kinderlärm grundsätzlich hinzunehmen ist, führte das unzureichende Trittschalldämmungsniveau zu einem teilweisen Erfolg der Klägerin, wobei weitere Ansprüche auf Mängelbeseitigung in anderen Wohnbereichen abgewiesen wurden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 16 C 301/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Die Klägerin beklagte Lärmbelästigungen durch Kinderlärm in ihrer Wohnung, was zu einem Rechtsstreit führte.
  2. Das Gericht bestätigte, dass die Trittschalldämmung in der Wohnung unter den Standards von 1962 lag, insbesondere im Bereich der Loggia.
  3. Nur für den Bereich der Loggia wurde der Vermieter zur Mängelbeseitigung verurteilt, da hier die Lärmbelästigung über sozialadäquate Maße hinausging.
  4. In anderen Räumen der Wohnung wurden keine Mängel festgestellt, da die Trittschallwerte der Bauzeit eingehalten wurden.
  5. Die Klägerin hatte teilweise Gerichtskosten und Kosten der Gegenseite zu tragen, da die Klage nur in Teilen erfolgreich war.
  6. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin berechtigt war, die Miete wegen des Mangels zeitweise um 20% zu mindern.
  7. Der sozialadäquate Kinderlärm muss grundsätzlich von Nachbarn toleriert werden, außer wenn die Bausubstanz mangelhaft ist und den Lärm verstärkt.
  8. Das Gericht wies darauf hin, dass Lärm, der durch mangelhaften Schallschutz verstärkt wird, nicht hinnehmbar ist, auch wenn er unter normalen Umständen akzeptabel wäre.

Lärmbelästigung durch Nachbarn

Bei dem Zusammenleben in einem Wohnhaus lässt sich Kinderlärm nie ganz vermeiden. Als Mieter muss man daher einen gewissen Pegel an Geräuschkulisse akzeptieren und tolerieren. Doch wann ist die Grenze des Zumutbaren überschritten? Wie viel Lärm durch Kinder müssen Nachbarn hinnehmen?

Die gesetzlichen Regelungen sehen durchaus Lärmschutzbestimmungen vor. Besteht zwischen Mietwohnungen eine ausreichende Schallisolierung, haben Mitbewohner keinen Anspruch auf absolute Ruhe. Die Frage ist jedoch, was passiert, wenn die Vorgaben der Bauvorschriften zum schallgedämmten Wohnungsbau missachtet wurden und der Trittschallschutz mangelhaft ist. Unter diesen Umständen kann anhaltende Lärmbelästigung trotz Kinderlärm einen Mangel der Mietwohnung darstellen.

➜ Der Fall im Detail


Konflikt um Kinderlärm und Baumängel im Mietverhältnis

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Amtsgericht Wedding, Az.: 16 C 301/21, ging es um die Beschwerde einer Mieterin über anhaltende Lärmbelästigungen durch die oberhalb wohnende Familie.

Mietminderung Lärmbelästigung Kinder
(Symbolfoto: Andrii Iemelianenko /Shutterstock.com)

Die Klägerin, seit 2006 Mieterin einer Wohnung in einem 1977 erbauten Gebäude, monierte, dass die von den Kindern der über ihr wohnenden Mieterin verursachten Geräusche und Vibrationen über das sozialübliche Maß hinausgingen. Diese Belästigungen führten dazu, dass die Klägerin eine Mietminderung von 20 % geltend machte und die Beseitigung des Mangels forderte, da die baulichen Mindestanforderungen an den Trittschallschutz nach DIN 4109 nicht eingehalten wurden.

Urteil des Amtsgerichts Wedding

Das Gericht erkannte auf einen teilweisen Erfolg der Klage. Es wurde festgestellt, dass die Trittschalldämmung im Bereich der Loggia nicht den Mindeststandards der DIN 4109 von 1962 entspricht, was eine unzumutbare Lärmbelästigung darstellt. Diese Entscheidung beruhte auf einem Sachverständigengutachten, das die Einhaltung dieser Normen bestätigte. Die Beklagte wurde daher zur Beseitigung dieses spezifischen Mangels verurteilt. In anderen Bereichen der Wohnung, die die Normen erfüllen, besteht kein Anspruch auf Mängelbeseitigung.

Bewertung des Lärmpegel und soziale Adäquatheit

Das Gericht wies darauf hin, dass generell sozialadäquater Kinderlärm von den Mietern hinzunehmen sei. Diese Feststellung stützt sich auf die Tatsache, dass gewisse Geräusche durch Kinder, wie Laufen oder Spielen, übliche Lebensäußerungen sind, die in jeder Wohnsituation auftreten können und grundsätzlich toleriert werden müssen, solange sie keine dauerhaften und erheblichen Störungen darstellen.

Kein Anspruch auf weitergehende Mängelbeseitigung

Obwohl die Klägerin auch die Beseitigung weiterer Lärmquellen und eine umfassendere Dämmung gefordert hatte, bestätigte das Gericht nur die Notwendigkeit der Nachbesserung im Bereich der Loggia. In den übrigen Teilen der Wohnung, wo die Schalldämmung den alten Normen entspricht, sah das Gericht keinen Handlungsbedarf. Es wurde klargestellt, dass die aktuellen DIN-Normen nicht rückwirkend für ältere Gebäude gelten, außer es werden ohnehin umfangreiche Renovierungen durchgeführt.

Rechtliche Grundlagen und Verpflichtungen des Vermieters

Gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Vermieter verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu übergeben und zu erhalten. Das Urteil unterstreicht, dass der Vermieter grundsätzlich nur die technischen Normen zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes einhalten muss, es sei denn, es gibt eine spezifische Vereinbarung über einen höheren Standard. Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung, die der Gesetzgeber der sozialen Adäquatheit und der vertraglichen Fairness im Mietrecht beimisst.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Rechte haben Mieter, wenn Kinderlärm als Mangel geltend gemacht wird?

Mieter haben grundsätzlich nur in Ausnahmefällen Rechte, wenn sie Kinderlärm als Mangel geltend machen wollen. Denn Kinderlärm ist nach der Rechtsprechung in der Regel hinzunehmen und stellt keinen Mietmangel dar. Das Gesetz privilegiert Kinderlärm sogar ausdrücklich. Nach § 22 Abs. 1a BImSchG sind Geräusche, die von Kindern ausgehen, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung.

Allerdings hat die Toleranzpflicht für Kinderlärm auch Grenzen. Diese sind im Einzelfall zu bestimmen. Dabei kommt es auf Art, Qualität, Dauer und Zeit der Geräusche sowie das Alter und den Gesundheitszustand des Kindes an. Ferner ist zu berücksichtigen, ob die Lärmstörungen vermeidbar sind und ob die Eltern mäßigend auf die Kinder einwirken.

Nur wenn der Lärm das zumutbare Maß überschreitet, kann ausnahmsweise ein zur Mietminderung berechtigender Mangel vorliegen. Dies setzt aber voraus, dass die Lärmstörungen erheblich sind und häufig auftreten. Gelegentliche Beeinträchtigungen reichen nicht aus. Zudem muss der Mieter die konkreten Störungen detailliert darlegen, am besten durch ein Lärmprotokoll.

Sind diese strengen Voraussetzungen erfüllt, kann der Mieter eine angemessene Mietminderung geltend machen und vom Vermieter die Beseitigung der Störung verlangen. In krassen Ausnahmefällen kommt sogar eine Kündigung des störenden Mieters in Betracht. Insgesamt haben Mieter bei Kinderlärm aber nur geringe Chancen, rechtlich dagegen vorzugehen. Im Streitfall müssen die Gerichte eine Einzelfallabwägung vornehmen.

Was versteht man unter „sozialadäquatem Kinderlärm“?

Unter „sozialadäquatem Kinderlärm“ versteht man Geräusche, die von Kindern im Rahmen ihres normalen Spiel- und Bewegungsdrangs verursacht werden und die im allgemeinen nachbarschaftlichen Zusammenleben als noch zumutbar gelten. Dazu zählen beispielsweise:

  • Übliche Spielgeräusche wie Lachen, Rufen, Weinen oder lautes Reden
  • Geräusche in der Wohnung durch Springen, Stampfen oder gelegentliches Türenschlagen
  • Lärm von Kinderspielplätzen oder Kindertagesstätten

Kinderlärm ist grundsätzlich hinzunehmen, da er eine unvermeidbare Lebensäußerung darstellt und Ausdruck der kindlichen Entfaltung ist. Das Gesetz privilegiert Kinderlärm sogar ausdrücklich. Nach § 22 Abs. 1a BImSchG sind Geräusche von Kindern im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung.

Allerdings hat die Toleranzpflicht für Kinderlärm auch Grenzen. Diese sind im Einzelfall zu bestimmen. Dabei kommt es auf Art, Qualität, Dauer und Zeit der Geräusche sowie das Alter und den Gesundheitszustand des Kindes an. Ferner ist zu berücksichtigen, ob die Lärmstörungen vermeidbar sind und ob die Eltern mäßigend auf die Kinder einwirken.

Nur wenn der Lärm das zumutbare Maß überschreitet, kann ausnahmsweise ein zur Mietminderung berechtigender Mangel vorliegen. Dies setzt aber voraus, dass die Lärmstörungen erheblich sind und häufig auftreten. Gelegentliche Beeinträchtigungen reichen nicht aus.

Wie werden bauliche Mindestanforderungen an den Schallschutz festgelegt?

Die baulichen Mindestanforderungen an den Schallschutz werden in Deutschland durch die DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ geregelt. Diese Normenreihe legt verbindliche Grenzwerte für die Schalldämmung von Bauteilen wie Wänden, Decken und Fenstern fest.

Rechtliche Grundlage

Die DIN 4109 ist in den meisten Bundesländern bauordnungsrechtlich als verbindliche technische Baubestimmung eingeführt. Das bedeutet, dass die darin enthaltenen Mindestanforderungen beim Bau von Gebäuden zwingend einzuhalten sind. Sie dienen dem Gesundheitsschutz und der Wahrung der Privatsphäre.

Anforderungen der DIN 4109-1

Der wichtigste Teil ist die DIN 4109-1, die Mindestanforderungen an die Schalldämmung von Bauteilen in Wohn- und Arbeitsbereichen definiert:

  • Luft- und Trittschalldämmung zwischen Wohnungen und fremden Räumen
  • Schutz vor Außenlärm durch Außenbauteile
  • Schutz vor Geräuschen aus haustechnischen Anlagen

Die Norm legt Grenzwerte für bewertete Bau-Schalldämm-Maße wie den bewerteten Schallschutz R’w fest. Je höher dieser Wert, desto besser die Schalldämmung.

Berechnung und Nachweis

Für den rechnerischen Nachweis der Einhaltung der Anforderungen gibt es ergänzende Normenteile mit Bauteilkatalogen. Die Gesamtschalldämmung muss unter Berücksichtigung aller möglichen Schallübertragungswege berechnet werden.

Eine ausreichende Schalldämmung ist Voraussetzung dafür, dass Lärm keine unzumutbare Belästigung darstellt. Bei Überschreitung der Grenzwerte können Mieter Mietminderung geltend machen.

Was kann ein Mieter tun, wenn der Schallschutz nicht den DIN-Normen entspricht?

Wenn der Schallschutz in einer Mietwohnung nicht den zum Zeitpunkt des Gebäudebaus geltenden DIN-Normen entspricht, hat der Mieter grundsätzlich folgende Möglichkeiten:

Mängelanzeige

Der Mieter muss dem Vermieter zunächst den Mangel anzeigen (Mängelanzeige). Dabei sollte er den unzureichenden Schallschutz möglichst genau beschreiben und belegen, z.B. durch ein Lärmprotokoll.

Mietminderung

Liegt ein Mangel vor, weil die DIN-Normen nicht eingehalten wurden, kann der Mieter nach erfolgloser Mängelanzeige die Miete gemäß § 536 BGB mindern. Die Minderungsquote richtet sich nach der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im Einzelfall.

Fristsetzung zur Mängelbeseitigung

Der Mieter kann dem Vermieter zudem eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen, also zur Verbesserung des Schallschutzes. Lässt der Vermieter diese fruchtlos verstreichen, kann der Mieter die Miete mindern.

Beweislast des Mieters

Der Mieter muss beweisen, dass die Schallschutzwerte der DIN 4109 nicht eingehalten sind. Dies geschieht oft durch ein Sachverständigengutachten. Nur bei erheblichen Lärmbelästigungen liegt ein Mangel vor.

Grenzen der Rechte

Der Vermieter muss aber nur den Schallschutz gewährleisten, der bei Gebäudeerrichtung vorgeschrieben war. Spätere Normenverschärfungen müssen nicht berücksichtigt werden, außer bei Modernisierungen.

Insgesamt haben Mieter nur begrenzte Rechte, wenn der Schallschutz mangelhaft ist. Die Gerichte entscheiden anhand des Einzelfalls über eine mögliche Mietminderung.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB: Dieser Paragraph regelt die Pflichten des Vermieters bezüglich der Überlassung und Instandhaltung der Mietsache. Er ist zentral für den Fall, da er die Grundlage für die Beurteilung darstellt, ob ein Mangel vorliegt, wenn die Trittschalldämmung nicht den Anforderungen entspricht.
  • DIN 4109: Die DIN-Norm 4109 behandelt den Schallschutz im Hochbau und ist entscheidend für die Beurteilung, ob die baulichen Mindestanforderungen an den Schallschutz eingehalten wurden. Im vorliegenden Fall wird speziell auf die Fassung von 1962 Bezug genommen, die zur Zeit der Errichtung des Gebäudes galt.
  • BGB § 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln: Dieser Paragraph ist relevant, da die Klägerin aufgrund der behaupteten unzureichenden Schalldämmung eine Mietminderung durchsetzen wollte. Er erklärt die Voraussetzungen, unter denen Mieten gemindert werden können, wenn Mängel die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich mindern.
  • BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben: Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz könnte implizit eine Rolle spielen, wenn es um die Auslegung von Pflichten und Rechten aus dem Mietvertrag geht, insbesondere in Bezug auf die Duldung von üblichem Kinderlärm und die Gewährleistung eines angemessenen Wohnstandards.
  • Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) § 22: Dieses Gesetz und insbesondere § 22 regeln, wie mit Immissionen, zu denen auch Lärm zählt, umzugehen ist. Es ist relevant für die Beurteilung von Lärmbelästigungen im Wohnkontext, insbesondere wenn es um die Beurteilung geht, was als sozialadäquater Kinderlärm anzusehen ist.
  • Zivilprozessordnung (ZPO) § 128 Abs. 2: Diese Regelung ermöglicht eine Urteilsfindung ohne mündliche Verhandlung, wenn die Parteien dem zustimmen. Sie ist relevant für das Verfahrensrecht und erklärt, wie das Gericht in diesem speziellen Fall ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte.


Das vorliegende Urteil

AG Wedding – Az.: 16 C 301/21 – Urteil vom 03.03.2023

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Wedding am 03.03.2023 aufgrund des Sachstands vom 21.02.2023 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, in der durch die Klägerin angemieteten Wohnung ### folgenden Mangel zu beseitigen:

Die baulichen Mindestanforderungen an den Schallschutz nach der DIN 4109 in der Fassung von 1962 zwischen der Wohnung der Klägerin im 1. Obergeschoss Mitte und der Wohnung im zweiten Obergeschoss Mitte sind im Bereich der Loggia nicht eingehalten.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu tragen.

4. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte bzw. die Streithelferin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000, – Euro, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Rechtsfolgen behaupteter Lärmbelästigungen im Mietverhältnis.

Die Klägerin ist seit 2006 Mieterin, die Beklagte Vermieterin der Wohnung ###. Das Gebäude wurde im Jahr 1977 errichtet. Die Gesamtmiete betrug jedenfalls seit April 2021 777,92 Euro. Über der Streitwohnung wohnt die Mieterin ### die Streithelferin – mit ihren 3 Kindern (per September 2021 5, 8 und 9 Jahre alt).

Die Klägerin monierte gegenüber der Klägerin mehrfach, dass es Lärmbelästigungen und Vibrationen aus der Wohnung der Streithelferin gebe. Mit Schreiben vom 23.4.2021 (BI. d.A.), für das die Klägerin Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von ### verlangt, forderte die Klägerin die Beseitigung des Zustands bis zum 23.5.2021, machte eine Mietminderung von 20 % und ein Zurückbehaltungsrecht geltend und kündigte an, die Miete künftig nur unter Vorbehalt zu zahlen.

Mit der Klage fordert die Klägerin u.a. auf der Grundlage einer Minderungsquote von 20 % die Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von 352,65 Euro (23. – 30. April 2021 = 41,49 Euro, Mai und Juni 2021 je 155,58 Euro).

Die Klägerin behauptet, durch die Streithelferin komme es – im Bereich sämtlicher Räume der Wohnungen – zu den aus den Klageanträgen ersichtlichen, erheblichen, unzumutbaren und nicht sozialadäquaten Lärmbelästigungen und Vibrationen, auch während der Zeiten der Mittagsruhe. Es handele sich dabei wahrscheinlich im Wesentlichen von den Kindern ausgehenden Lärm. Wegen der Einzelheiten wird beispielhaft auf die klägerischen Lärmprotokolle für die Zeiten vom 16.3. – 12.4.2021 und 2.12.2012 – 23.1.2022 (BI. 20 – 24, 70 – 95 d.A.) Bezug genommen. Der als unzumutbar empfundene Lärm ergebe sich als weitere Ursache daraus, dass es zwischen den Wohnungen keinen ausreichenden Schallschutz gebe.

Die Beklagte hat der Mieterin ### mit Schriftsatz vom 20.9.2021 den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Die Klägerin beantragt mit der am 30.7.2021 zugestellten Klage (nach Präzisierung in Antrag 1

1. die Beklagte zu verurteilen, folgende Mängel in der von der Klägerin angemieteten Wohnung ### entsprechend dem Mietvertrag vom 17.01./20.0.1.2006 zu beseitigen:

– massive und dauerhafte Lärmbelästigungen seitens der Nachbarin der Klägerin und der Mieterin der Beklagten, Frau ###. Dies meint vor allem Lärmbelästigungen zu allen Tageszeiten, auch während der Ruhezeiten, durch die Kinder der Nachbarin ###, durch Möbelrücken, lautes Stampfen und Poltern, Schlagen von Gegenständen auf den Boden, Schlagen gegen die Wohnungstür sowie Hüpfen und Rennen durch die Wohnung und damit verbundene Vibrationen in der Wohnung der Klägerin

– die baulichen Mindestanforderungen an den Trittschallschutz der DIN 4109 zwischen der Wohnung der Klägerin im ersten Obergeschoss Mitte und der Wohnung im zweiten Obergeschoss Mitte sind nicht eingehalten,

2. festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, ab Juli 2021 bis zur Beseitigung der in dem Antrag zu Ziff. 1 bezeichneten Mängel die monatliche Miete um 20 % zu mindern,

3. festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, bis zur Beseitigung der in dem Antrag zu 1. bezeichneten Mängel einen Betrag in Höhe des einfachen Minderungsbetrages bis zu einer Höhe von 4.000, – Euro zurückzubehalten,

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 352,65 Euro sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte und die Streithelferin behaupten, es handele sich – soweit tatsächlich vorgekommen – lediglich um von Kindern ausgehende Geräusche im sozialadäquaten Umfang.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob die Trittschalldämmung den baulichen Mindestanforderungen der DIN 4109 in der für das Baujahr anwendbaren Fassung genüge, und ob diese vorliegend Anwendung findet, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen der Einzelheiten der Beweisfrage wird auf den Beschluss vom 23.3.2022 BI. 108 ff. d.A. Bezug genommen, wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Gutachten des Sachverständigen #### vom 14.4.2022 (BI. 118 d.A.) und 6.7.2022 (BI. 121 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist lediglich im tenorierten Umfang begründet.

I.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch auf die Beseitigung eines Mangels in Form einer nicht ordnungsgemäßen Trittschalldämmung im Bereich der Loggia zu. Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass für das Baujahr des Hauses die DIN 4109 in der Fassung 1962 anzuwenden sei, und dass die sich hieraus ergebenden Mindestwerte für den Trittschallschutz im Bereich der Loggia nicht eingehalten seien. Daraus folgt, dass die hier streitgegenständlichen Geräusche, auch wenn es sich dabei um grundsätzlich sozialadäquate Geräusche von spielenden Kindern handelt, in der Wohnung der Klägerin lauter zu vernehmen sind, als dies bei Einhaltung der Bauvorschriften der Fall wäre.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Nichteinhaltung von Bauvorschriften nicht schon für sich genommen und abstrakt einen Mangel begründen können. Denn wenn die Wohnung über der Streitwohnung von den dortigen Mietern besonders leise genutzt wird (oder überhaupt keine Nutzung stattfindet), so dass sich in der unteren Wohnung keine maßgeblich störenden Geräusche wahrnehmen lassen, dann kann dem Mieter auch kein Mangelbeseitigungsanspruch zustehen. Ein solcher Fall liegt jedoch auch nach dem Vorbringen der Beklagten und der Streithelferin nicht vor. Vielmehr ist es unstreitig, dass es Auswirkungen auf die Wohnung der Klägerin gibt, dass nämlich in der oberen Wohnung drei noch relativ junge Kinder wohnen und von ihnen mindestens der übliche und auch in der klägerischen Wohnung wahrnehmbare Kinderlärm ausgeht. Ist dem so, dann spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Lärm, der wahrnehmbar ist, nicht nur im Bereich der Wohnräume, sondern auch von der Loggia ausgehend größer ist, als er bei Einhaltung der Trittschallwerte von 1962 wäre. Auch wenn die Klägerin sozialüblichen Kinderlärm grundsätzlich hinnehmen muss – dazu nachfolgend -, gilt dies jedenfalls nicht für dasjenige Mehr an Lärm, das bei Einhalten der Bauvorschriften nicht wahrnehmbar wäre.

2. Kein Mängelbeseitigungsanspruch steht der Klägerin, was die Einhaltung des Trittschallschutzes angeht, dagegen hinsichtlich der weiteren Räume der Wohnung zu.

Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten.

Ein Mangel liegt vor, wenn es der Wohnung an dieser Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch fehlt.

Eine vertragliche Vereinbarung über das Ausmaß des zu gewährleistenden Schallschutzes haben die Parteien nicht getroffen.

Fehlt es an einer solchen Beschaffenheitsvereinbarung, so ist die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet, wobei jedoch grundsätzlich nur der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen ist (BGH NJW 2005, 218; 2010, 3088; 2013, 2417). Dieses Verständnis der Norm ist auch deshalb überzeugend, weil ein Mieter sonst gegen den Vermieter immer dann, wenn sich Bauvorschriften ändern, einen Anspruch auf umfassende Baumaßnahmen hätte, bis jedes Gebäude einem aktuellen Neubaustandard entspricht. Die Herstellung eines Bauzustands, der aktuellen DIN-Normen entspricht, kann zwar im Einzelfall geschuldet sein, wenn der Vermieter sowieso umfassende bauliche Veränderungen vornimmt; um einen solchen Fall geht es vorliegend jedoch nicht.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar – dem tritt auch die Klägerin nicht entgegen – festgestellt, dass für alle Räume bis auf die Loggia die Werte der DIN 4109 in der Fassung von 1962 eingehalten sind. Die Herstellung einer besseren Trittschalldämmung ist daher nicht geschuldet.

Die Klägerin beruft sich insoweit zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BGH, nach der der Vermieter einen Mindeststandard schuldet, der Ansprüchen auf zeitgemäßes Wohnen entspricht (dazu BGH GE 1993, 797; 2004, 527; 2010, 480). Dabei geht es um Fälle, in denen es z.B. schon an einer Grundausstattung wie einer ausreichenden Elektro- oder Wasserversorgung fehlt, also um Umstände, die heute als unerlässlich für eine Wohnnutzung gelten dürfen.

3. Keinen Mängelbeseitigungsanspruch kann die Klägerin geltend machen, soweit sie auch fordert, dass die Beklagte gegen das Verhalten der Streithelferin bzw. deren Kindern vorgeht.

Auch die Klägerin geht dabei davon aus, dass die Geräusche im Wesentlichen auf die Kinder zurückzuführen sind und nicht auf eigenes unzumutbares Verhalten der Streithelferin. Damit korrespondiert auch – was, anders als z.B. in den hier häufigeren Fällen mit lauter Musik, Schreien, Streit und Partys bis spät in die Nacht, gleichzeitig Einfluss auf das Maß des Zumutbaren hat -, dass die Klägerin keine ständigen Störungen zu Nachtzeiten behauptet.

Auch störende Geräusche in Form von Streit, Poltern, Trampeln, dem Verschieben von Möbeln und Türenknallen haben grundsätzlich als sozialadäquate und mit der üblichen Nutzung einer Wohnung verbundene Lebensäußerungen zu gelten und müssen durch andere Mieter hingenommen werden, sofern sie nur gelegentlich und nicht ständig oder langanhaltend oder immer in Ruhezeiten auftreten. Gerade Kinderlärm wie Rennen und Schreien ist, jedenfalls sofern der Lärm nicht regelmäßig über lange Zeit anhält und keine Anstrengungen unternommen werden, ihn im sozialüblichem Ausmaß zu halten, während der üblichen Tageszeiten hinzunehmen (LG Berlin GE 2015, 656; GE 1993, 423; MM 1999, 230; AG Hamburg-Bergedorf ZMR 2009, 292). Dabei ist die in § 22 Abs. la BImSchG vorgesehene Privilegierung von Kinderlärm auch bei einer Bewertung von Lärmeinwirkungen als Mangel einer gemieteten Wohnung zu berücksichtigen (BGH WuM 15, 478). Vorliegend beruft die Klägerin sich im Wesentlichen auf einzelne, kurze oder über eine begrenzte Zeit anhaltende Lärmereignisse, die typisch sind für Kinderlärm, und die auch regelmäßig nicht späte Abend- und Nachtzeiten betreffen. Dauerhafte Lärmereignisse enthält das Protokoll nur vereinzelt. Gerade für Geräusche wie durch Kinder umgeworfene Möbel oder das Schlagen auf den Boden durch Kinder ist zu berücksichtigen, dass es sich um (nachvollziehbar störende, aber) kurze Ereignisse handelt, die anders als im Fall stundenlanger Pattys und anhaltender lauter Musik keine Dauerbeschallung auslösen. Das Gericht teilt auch nicht die Auffassung der Klägerin, dass es vorliegend entscheidend ist, dass es sich nicht mehr um Kleinkinder im Alter von 2 oder 3 Jahren handelt. Kleinkinder schreien mehr und sind schlechter zu beeinflussen; Kinder im Alter von – wie hier per 2021 – 5, 8 und 9 Jahren sind besser zu beeinflussen, machten aber, wenn sie Lärm verursachen, beim Laufen oder Umwerfen von Gegenständen naturgemäß mehr Lärm als Kleinkinder. Das Gericht teilt auch die Auffassung der Streithelferin, dass sich der normalerweise anzulegende Maßstab in den Zeiten, in denen die Kinder bedingt durch die Corona-Pandemie viel mehr als sonst in der Wohnung aufenthältlich sein mussten, verschoben hat. Wenn Kinder sich – zumal drei Kinder in einer mit rund 77 qm relativ kleinen Wohnung – aufgrund öffentlicher Beschränkungen zwangsläufig wesentlich mehr als sonst innerhalb der Wohnung aufhalten und entwickeln müssen, muss für diese Zeit auch ein höheres Maß an Geräuschen als sozialadäquat hingenommen werden.

Ganz wesentlich hinzu kommt auch das Ergebnis der Beweisaufnahme. Wie ausgeführt, schuldet die Beklagte bis auf den Bereich der Loggia keine Herstellung eines besseren Trittschallschutzes. Der Sachverständige hat allerdings auch festgestellt, dass der Trittschallschutz vorliegend zwar die Werte der DIN 4109 in der Fassung von 1962 einhält, die Werte dieser DIN in der aktuell geltenden Fassung von 2018, aber selbst diejenigen der Fassung von 1989, verfehlen würde. Der Gutachter hat hierzu festgehalten, dass auch bei üblichem Wohnverhalten durch die Streithelferin wegen des schlechten Trittschallschutzes Belästigungen auftreten könnten, die aus heutiger Sicht unzumutbar erscheinen. Umso weniger kann daher aus dem, was die Klägerin wahrnimmt, darauf geschlossen werden, dass die Streithelferin bzw. ihre Kinder sich nicht im sozialadäquaten Rahmen verhalten, denn das Ausmaß an Lärm, das durch die Klägerin als unzumutbar wahrgenommen wird, kann auch auf den schlechten Schallschutz zurückgehen, für den die Beklagte indessen keine Abhilfe schuldet. Auch deshalb kam es auf eine zusätzliche Vernehmung des Zeugen ### nicht an.

4. Einen Anspruch auf Feststellung der Minderungsberechtigung (§ 536 BGB), die Rückzahlung minderungsbedingt überzahlter Miete (§ 812 BGB) oder auf Feststellung der Berechtigung zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts (§ 320 BGB) kann die Klägerin trotz ihres teilweisen Obsiegens nicht geltend machen. Denn ihr Mangelbeseitigungsanspruch beschränkt sich auf den Bereich der Loggia. Das Gericht muss zwar aufgrund der Ergebnisse des Sachverständigen zugrunde legen, dass Geräusche der Kinder, wenn diese sich dort aufhalten, in der Wohnung der Klägerin mehr zu hören sind, als dies bei Einhalten der DIN-Vorschriften der Fall wäre. Dass sich Lärm auch aus diesem Außenbereich maßgeblich mit auf ihre Wohnung auswirkt, hat die Klägerin allerdings nicht substantiiert behauptet. Das Mehr an Lärm aus diesem (Außen-)Bereich kann daher nur zu einer unerheblichen Minderung der Tauglichkeit zur Wohnnutzung führen, für die gemäß § 536 Abs. 1 Sau 3 BGB keine Minderung eintritt.

II.

Da die Klägerin keinen Anspruch auf die Rückzahlung von Miete hat, kann sie auch die Leistung von Zinsen nicht verlangen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, da das Unterliegen der Beklagten geringfügig ist und keine besonderen Kosten ausgelöst hat, und betreffend die Streithelferin auf § 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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